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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Ob ich krank bin? Nein, jedenfalls nicht erkältet. Ich habe keine Grippe und auch kein Fieber. Alles ganz normal also, ich wurschtle mich so gut es geht durch den Alltag – wie alle anderen auch.
Heute ist allerdings nicht Alltag, sondern Sonntag. Und da, wo im Gottesdienst die Messe gefeiert wird, ist folgende Gebetszeile zu hören: „Herr, sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Der Satz bewegt mich - trifft mich. Bin ich vielleicht doch krank? Wahrscheinlich ja – sonst würde mich der Gebetsruf nicht so treffen. Und wirklich: Meine Seele fühlt sich wund an - verletzt. Im Alltagstrubel dränge ich das gerne bei Seite, lenke mich gerne davon ab. Anscheinend braucht es dieses Gebet, damit ich mir eingestehe: Ich bin nicht so ganz gesund. Auf meiner Seele lasten so viele Fragen, auf die ich keine Antwort finde: nach dem Sinn und Unsinn von dem, was in der Welt so alles passiert - danach, warum mein Leben so und nicht anders verlaufen ist; die Trauer um versäumte Gelegenheiten, Ängste vor dem Älterwerden und überhaupt vor allem, was vielleicht noch kommt… Meine Seele ist nicht so ganz gesund – sie ist verletzlich.
Herr, sprich nur ein Wort, ...“ Ursprünglich kommt mit dieser Bitte ein römischer Offizier zu Jesus. Einer seiner Diener ist krank, erzählt die Bibel. Aber – nur keine Umstände deswegen. Jesus soll nicht einmal zu dem Offizier nach Hause kommen. Denn der vertraut darauf: „Ein Wort von Dir, Jesus, das reicht schon. Dann wird mein Diener gesund.“
Der Offizier vertraut zu Recht, berichtet die Bibel: der Diener wird gesund. Aber gilt das auch für mich, wenn ich so bete? Ist mein Vertrauen so groß wie das des Offiziers? Dass ich aus vollem Herzen sagen kann: „Herr, ein Wort von Dir, das reicht schon, und meine Seele wird gesund.“? Es wäre schön. Aber ich fürchte, dafür ist mein Gottvertrauen nicht groß genug. Meine Seele bleibt verletzlich – und sie ist immer noch wund.
Und trotzdem bete ich. Gestehe mir ein, dass ich verletzlich bin. Gestehe mir ein, auf welche Fragen ich keine Antworten weiß und fange gerade deshalb an, wieder Vertrauen zu fassen: Darauf, dass Gott Wege kennt, die ich nicht sehe. Dass ich getrost in die Zukunft gehen kann – auch wenn ich nicht weiß, wie sie aussehen wird. Es wird nicht alles leicht werden deswegen. Und meine Seele wird verletzlich bleiben. Aber ich spüre doch, wie sie anfängt, zu heilen, wenn ich bete: „Herr, sprich nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41474SWR1 Begegnungen
Ich bin Barbara Wurz. Und ich unterhalte mich heute mit Elisabeth Hofmann aus Neustadt an der Weinstraße. Vor gut zwanzig Jahren haben wir uns bei einer Woche „Kloster auf Zeit“ kennengelernt. Übers Jahr verteilt bietet die evangelische Gemeinschaft „Kirchliche Arbeit Alpirsbach“ solche Wochen an, auf denen jeder Tag strukturiert ist durch Stundengebete – gregorianisch gesungen. Lange bevor wir beide uns getroffen haben, war Elisabeth Hofmann von dieser uralten, klösterlichen Musik fasziniert.
Ich habe mir die erste Woche Gregorianik bei den Alpirsbachern geschenkt, als ich mein Examen hatte, als mein Studium fertig war. (…) Aber das, was ich in dieser Woche erlebt habe, das war so viel, waren so tolle Klänge auch in einem wunder-, wunderschönen Kirchenraum, in dem ich verstanden habe, dass eine Kirche auch ein Musikinstrument ist, wenn man nur einen Klang hinein entsendet.
So viel wie möglich hat Elisabeth Hofmann seither über Gregorianik gelernt. War zu Gast in Klöstern, wo seit Jahrhunderten die Mönchs- oder Nonnenkonvente ihre Tagzeitengebete gregorianisch singen. Und sie hat sich auch wissenschaftlich auf dem neuesten Stand gehalten – auf Kursen des Instituts für Gregorianik an der Folkwang-Universität in Essen.
Ursprünglich wird auf Latein gesungen – im „Kloster auf Zeit“ der kirchlichen Arbeit Alpirsbach aber auf Deutsch. Eine echte Herausforderung, wie die Lateinlehrerin Elisabeth Hofmann weiß:
Melodien, die dann das Gregorianische ausmachen, legen sich über die lateinische Sprache rüber und sie (…) füllt die Gedanken der lateinischen Sätze, füllt sie aus mit ihren Klängen und baut zum Beispiel ein Jerusalem mit allen seinen Mauern und Türmen, (…) und man hat ein tolles Bild vor sich. Und jetzt habe ich aber das Problem: Wie kriege ich diesen Turm auf Deutsch wieder unter diese Noten? Das, dass er wieder so schön auf aufgebaut wird und das ist wieder ein Bild wird für die, die es auf Deutsch singen. Das ist gar nicht so einfach.
Als Kantorin übt Elisabeth Hofmann die Gesänge ein. Aber nicht wie für eine Aufführung, bei der ein Publikum zuhört wie ein Chor singt. Es geht ihr darum, dass Text und gregorianische Melodie eins werden. Und sich für die Gemeinschaft der Sängerinnen und Sänger ein ganz eigener Raum für öffnet, der biblischen Botschaft zu begegnen. Deshalb auch Deutsch statt dem ursprünglichen Latein.
Also zwei Chöre sitzen sich gegenüber und werfen sich quasi musikalisch die Bälle zu. Ein Chor singt einen Psalm Vers, der zweite Chor antwortet mit dem zweiten Psalm Vers, (…)das heißt man singt Antiphon mal, also gegentönig sozusagen, und wirft sich die (…) die musikalischen Bälle zu. Das heißt aber, wenn wir zusammenkommen, müssen wir uns sehr aufeinander einlassen. Wir können nicht einfach vor uns hin singen oder große Solisten sein, sondern wir müssen immer den anderen zuhören.
Elisabeth Hofmann und ich haben uns vor gut zwanzig Jahren auf einer Woche „Kloster auf Zeit“ gleich zu Jahresbeginn kennengelernt. Ich eine junge Pfarrerin aus Baden-Württemberg, Elisabeth Hofmann, Lehrerin für Latein und Ethik, leidenschaftliche Sängerin, die ursprünglich aus Eisenach stammt. Typisch für die Veranstaltungen der „Kirchlichen Arbeit Alpirsbach. Auch, dass wir seither tief miteinander verbunden sind – obwohl wir uns fast nur zu Jahresbeginn sehen – eben in „unserer“ Woche „Kloster auf Zeit“.
Gregorianik ist ganz sicher irgendeine Insel, auf die man sich verschlagen kann. Aber (…) wenn ich in die Gesichter sehe, die sich am Ende dieser Woche von mir verabschiedet haben, dann sehe ich da ganz viel Kraft und Ruhe, die mir entgegen strahlt - und auch große Dankbarkeit (...) - am Anfang eines Jahres, wo die Menschen mit Hoffnung in das Jahr hineingehen, aus dieser Woche heraus. (...)Die Kraft, die ich da spüre, die ist – unglaublich.
Eine Kraft, wie sie wahrscheinlich nur eine echte Gemeinschaft hervorbringen kann. Auf den Gregorianik-Wochen der kirchlichen Arbeit Alpirsbach kann man Menschen treffen, die seit Jahren oder sogar Jahrzehnten dazu gehören. Andere kommen ab und zu, manche natürlich auch nur einmal.
Also die kirchliche Arbeit Alpirsbach selber ist quasi auch wie ein Kloster mit Brüdern und Schwestern, (...) und es ist ein virtuelles Kloster, das heißt, Menschen aus Hannover, München und Stuttgart treffen sich an bestimmten Stellen für eine Woche oder zehn Tage, um Kloster auf Zeit zu leben.
Es scheint etwas aus der Zeit gefallen: in einer klösterlichen Gemeinschaft gregorianisch zu singen. Und obendrein gehört zu jeder Woche auch noch dazu, über ein Thema aus Kirche und Gesellschaft zu diskutieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Aber eigentlich ist es eher, als würden die Teilnehmer auf einen alten Schatz stoßen. Auf die Kraft einer uralten Tradition, durch die eine Gemeinschaft entsteht, die trägt – auch übers Ende einer Woche „Kloster auf Zeit“ hinaus.
Selbst Kursteilnehmer(…), die sonst gar nichts, gar nichts mit einem sonst tun haben, öffnen sich am Schluss und zeigen, dass sie doch ganz viel mit mir zu tun haben und ich mit ihnen. (...) Das schafft das Stundengebet, das schaffen diese, diese uralten Formen. Ja, das schafft Nähe und gibt Kraft.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41473SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken
Mitten unter uns gibt es ein Problem, das noch viel zu wenig angegangen wird. Jeder fünfte Erwachsene fühlt sich einsam. Offensichtlich nimmt diese Zahl sogar zu – und das nicht nur, weil immer mehr Menschen alleine leben. Der Anteil der Einpersonenhaushalte liegt in unserem Land inzwischen bei mehr als 41 %. Aber auch inmitten der eigenen Familie bleibt die Sehnsucht nach Kontakt und Zugehörigkeit oft unerfüllt. Man kann sich auch einsam fühlen, obwohl man viele Bekannte hat oder eigentlich überhaupt nicht alleine ist.
Eine solche Geschichte wird im Johannesevangelium der Bibel erzählt. Da kommt eine Frau in der heißen Mittagszeit an den großen Brunnen ihres Heimatortes, um Wasser zu schöpfen. Normalerweise macht man das am frühen Morgen oder dann wieder gegen Abend. Dann wird der Brunnen zum lebendigen Treffpunkt: Es wird geredet, man tauscht sich aus und erfährt das Neueste.
Die Frau müsste also nicht alleine sein am Brunnen. Geht sie den anderen bewusst aus dem Weg? Vielleicht, denn über Mittag ist normalerweise niemand hier. Aber heute sitzt Jesus am Brunnen und er bittet sie um Wasser. Sie ist verwundert. Jesus ist Jude, sie Samariterin. Normalerweise meiden Juden diese Gegend und sie wollen auch nichts mit den Samaritern zu tun haben. Schnell sind sie im Gespräch miteinander. Und plötzlich geht es um mehr als Wasser, auch um mehr als den alten Streit zwischen Samaritern und Juden um eine bestimmte Glaubensrichtung. Es geht um sie, um ihr Leben, um ihre unerfüllten Beziehungen. Warum sie vielleicht die anderen meidet und das Gefühl hat, nicht verstanden zu werden. Nicht gesehen zu werden, mit den eigenen Wünschen oder Sorgen, das macht einsam.
Jesus geht auf ihre Fragen ein. Er spürt ihren Wunsch, ihr Sehnen, dass ihr Leben nochmals eine Wende erfahren kann. Es geht jetzt nicht mehr um die Vergangenheit. Es geht mit jedem Satz im Gespräch um das Jetzt und um ihre Zukunft. Sie weiß um den kommenden Messias, der den Schwachen und Einsamen helfen wird. Sie hofft auf diesen Retter Gottes. Und Jesus sagt zu ihr: „Ich bin’s, der mit dir redet.“
Das Gespräch mit Jesus hat diese Frau offensichtlich angerührt und ihre Haltung verändert. In ihr ist etwas heil geworden – hat sie mit neuer Hoffnung erfüllt. Jesus hat zu ihr am Brunnen gesagt:
„Wer von diesem Wasser hier trinkt, wird wieder Durst bekommen. Aber wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird nie wieder Durst haben. Denn das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle werden: Ihr Wasser fließt und fließt – bis ins ewige Leben.“
Plötzlich weiß die Frau, was zu tun ist. Sie lässt ihren Krug am Brunnen stehen. Sie läuft in die Stadt hinein. Sie kann wieder auf andere zugehen und sie hat weit mehr als Wasser nur für sich dabei. Sie spricht zu den Leuten: „Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!“ Die Geschichte ist schnell zu Ende erzählt. Diese Frau wurde tatsächlich zur Quelle und zum Wegweiser für andere. Jesus wurde in der Stadt Sychar mit offenen Armen aufgenommen und er blieb einige Tage dort. Viele fanden damals zum Glauben an ihn. Ein neues Miteinander ist entstanden.
Und heute? Gar nicht so viel anders. Wenn Menschen sich gesehen und verstanden wissen von Gott. Manchmal spürt man plötzlich, dass Gott etwas lenkt, die Gedanken und das eigene Herz neu erfüllt. Gott schenkt solche Momente, in denen die Einsamkeit durchbrochen und ein neues Miteinander, der Blick nach vorne geschenkt wird. Das haben wir gerade jetzt bitter nötig: Nicht noch mehr auseinanderstreben, sich aus dem Weg gehen oder verurteilen und sich immer einsamer erleben.
Jesus hat der Frau am Brunnen und den Menschen in Sychar ein neues Miteinander geschenkt. Dafür bete ich auch für unsere Gesellschaft. Und dass Gott solche Brunnengespräche und Neuanfänge schenkt.
Ja, auf Jesus trifft man bis heute überraschend, nicht nur einsam am Brunnen oder mit vielen im Gottesdienst, manchmal auch, wenn man auf einen einzigen, einsamen Menschen zugeht.
Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen – und einen gesegneten Sonntag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41472SWR1 3vor8
Lachen oder weinen? Manchmal weiß ich nicht so genau, was von beiden ich tun soll. Wenn mir jemand etwas als Wahrheit verkaufen will, von dem ich weiß, dass es definitiv nicht stimmt. Russland ist eine Demokratie. Oh nein, leider nein, schön wär’s, das ist zum Weinen. Aber lächerlich macht sich der, der es behauptet, wenn es nur nicht so bitter wäre. Für dieses weite Land mit seiner großen Geschichte und vielen wunderbaren Menschen.
Lachen oder weinen? Wenn ich von Gott spreche, will ich etwas Positives sagen, was anderen guttut, wenn sie müde sind oder traurig über den Tod oder frustriert vom Leben. Ich habe eine frohe Botschaft zu verkünden. Gott will nicht den Tod. Jesus will die stärken, die mühselig und beladen sind. Nur manchmal denke ich mir: Das ist zu einseitig. Wenn mir eine Mutter ihr Herz ausschüttet und erzählt, dass sie sich nicht mehr zu helfen weiß, weil ihre Jüngste hochbegabt und sensibel ist und sich gleichzeitig im normalen Leben nicht zurechtfindet. Sie beginnt dann zu weinen, weil sie sich so ohnmächtig vorkommt. Und das fühlt sich richtig an.
Lachen oder weinen? Heute wird in den katholischen Gottesdiensten ein Bibeltext aus dem Buch Nehemia im Alten Testament der Bibel vorgetragen, der nur wegen eines Satzes berühmt ist. Der Satz lautet: Die Freude am Herrn ist eure Stärke[1]. Dem stimme ich zu. Gott als den zu erleben, der mein Leben hell macht, der mir eine Richtung zeigt, bei dem ich mich auch in schweren Zeiten aufgehoben weiß, das macht mich froh. Aber manchmal, wenn ich an Gott denke und mir dabei bestimmte Gedanken vor Augen führe, die ich aus der Bibel kenne, dann werde ich nachdenklich und zuweilen sehr traurig. Zum Beispiel Die Letzten werden die ersten sein[2] – und ich sehe, wie sehr unsere Welt auf Leistung ausgelegt ist. Oder Lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich[3]– gleichzeitig denke ich daran, dass Kindern von Priester missbraucht wurden oder und dass immer mehr Kinder an der Armutsgrenze leben sogar im reichen Deutschland.
Lachen oder weinen? In der gleichen Bibelstelle, die heute dran ist, heißt es nämlich auch, und zwar unmittelbar bevor die Freude an Gott beschworen wird: Alle Leute weinten nämlich, als sie die Worte der Weisung hörten[4]. Ja, das ist so, dass es zum Weinen ist, wenn die nüchterne Realität auf das prallt, was Gott eigentlich will. Dann ist es gut, traurig zu sein, die Trauer sehr ernst zu nehmen. Damit ich dranbleibe und nicht vergesse, dass noch lange nicht alles gut ist.
[1] Nehemia 8,10
[2] Matthäus 19,30
[3] Markus 10,14
[4] Nehemia 8,9
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41461SWR Kultur Lied zum Sonntag
Unser Lied zum Sonntag heute Morgen hat alles, was ein „echter Hit“ haben muss. Eine Melodie, die ins Ohr geht, wunderschöne Harmonien und das gewisse Etwas, was Gänsehaut macht oder einem Tränen in die Augen steigen lässt.
Das Chorstück wurde 1869 geschrieben, und es hat nicht lange gedauert, da war es schon ein regelrechter Hit in der Kirchenmusik. Das „Locus iste“ von Anton Bruckner.
1) Locus iste a Deo factus est.
„Locus iste“ heißt übersetzt „dieser Ort“. Und „Locus iste a Deo factus est“: „Dieser Ort von Gott geschaffen.“
Anton Bruckner hat die Chormotette für die Einweihung der Linzer Votivkapelle im Sommer 1869 komponiert. Aber erst Monate später ist sie dann zum ersten Mal in dieser Nebenkapelle des Linzer Doms erklungen.
Es kann erhebend sein, diese Musik in einem tollen Kirchenraum zu hören. Aber das ist nicht alles. Anton Bruckner belässt die Motette nicht in der anfänglichen ruhigen romantischen Stimmung. Dann wenn es heißt „inaestimabile sacramentum“ verändert sich die Musik. Sie wird drängend und engagiert. Auf Deutsch übersetzt heißt diese Stelle: „welch unschätzbares Geheimnis“. An so einem besonderen Ort zu sein, an einem Ort Gottes, wo ich Gott präsent erleben, das ist so wertvoll.
2) inaestimabile sacramentum
Und gleich geht es in der Motette weiter mit: „irreprehensibilis est“ - was so viel heißt wie: „Diesem Ort fehlt es an Nichts.“ Es gibt Orte, die sind auf besondere Weise religiös aufgeladen. Manche erleben so etwas in einer alten Kathedrale, andere an einem abgelegenen See oder an der Wiege eines Neugeborenen. Es ist dieses Gefühl von „hier ist alles perfekt, in diesem Moment ist alles da, was ich gerade brauche.“
3) irreprehensibilis est.
Es gibt unzählige Video-Aufnahmen dieser Musik. Ich habe eine entdeckt, da steht der Chor im Dunkeln direkt unter einer riesigen beleuchteten Weltkugel. Das könnte bedeuten: Die ganze Welt ist „Locus iste“. Dieser wunderschöne Planet. Mit seinen Naturwundern, aber auch mit den zugemüllten Weltmeeren, den Kriegsfronten und jedem anderen furchtbaren Ort.
Jeder Ort mit Gott verbunden? Also jede Kita, jede Krebsstation und jede kleine Küche.
Anton Bruckner setzt in seiner Musik am Ende ein Ausrufezeichen. Vor allem hinter das „a Deo“ – „von Gott“. Erst wird es in einem großen Crescendo immer lauter, und dann kommt nach einer ganz bewussten Pause ein sehr leises Ende.
Es hat so etwas Zartes und Zerbrechliches, dass Gott sich in dieser Welt zeigt. An seinem Ort.
4) ... a Deo factus est.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41460SWR3 Worte
Wie gut es tut, wenn mir vergeben wird, beschreibt der Benediktinermönch David Steindl-Rast. Er sagt:
Als Kind schien mir eine Zentnerlast auf mein Gewissen niederzudonnern, als der Ast vom (..) Baum des Hausherrn krachend über mir brach. Einmal zu oft hatte ich (..) – dem strengsten Verbot zum Trotz – daran geschaukelt. Was jetzt? (…)
Ich würde mein Verbrechen – und es schien mir wirklich als solches – bekennen und um Vergebung bitten müssen. (…)
Ich schleppte mich (…) Stufe um Stufe die Treppe hinauf. (…) Die Tür ging auf, und die Gestalt des Hausherrn füllte den Türrahmen. Dunkel und riesig sah er aus, als ich (…) mein Geständnis murmelte. (…) Was (..) [dann] geschah, kam als völlige Überraschung. (…) [Der Hausherr] sagte auch sonst nicht mehr als nötig. „O weh!“ sagte er diesmal. (…) Als ich aber zu ihm aufblickte (…) da schmunzelte er mir zu. (…) Das Schmunzeln war sein großes Geschenk; es bedeutete Vergebung.
Quelle:
Steindl-Rast, David: Credo, Herder Verlag 2. Auflage 2015, S. 205f.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41453SWR3 Gedanken
Unser Kühlschrank ist kaputt. Deshalb muss ein neuer her – und zwar schnell! Im Netz gibt es so viele verlockende Sparangebote – aber stopp, ganz so einfach will ich‘s mir nicht machen. Einen Kühlschrank brauchen wir jeden Tag, der muss schon gut sein. Ein Impulskauf ist also ausgeschlossen! Denn was mir wichtig ist und meinen Alltag derart beeinflusst, das braucht eben Zeit und gute Vorüberlegungen.
Wie mit meinem Kühlschrank werde ich es auch mit meiner nächsten Entscheidung handhaben. Die ist viel wichtiger und reicht viel weiter: Meine Wahlentscheidung. Im Februar steht die Wahl des Bundestags an. Es wird gewählt, wer die nächsten vier Jahre unser Land regiert. Deshalb: Stopp, ganz so einfach will ich‘s mir nicht machen. Ich will mich nicht von reißerischen Schlagzeilen im Netz locken lassen; will mich nicht von hohlen Versprechungen lenken lassen. Ich schau mir genau an, was die Parteien planen und ihre Kandidatinnen versprechen. Ich will auf keinen Fall eine Impulswahl! Keine Wahl aus Wut, Zorn oder Trotz heraus. Deshalb überlege ich mir gut: Was ist mir besonders wichtig für unser Land? Ich erwarte als Bürgerin Deutschlands, dass die Politik die vielen unterschiedlichen Menshcen zusammenhält; als Mutter erwarte ich, dass an Nachhaltigkeit und Bildung gedacht wird; und als Christin ist es mir wichtig, dass besonders die in den Blick genommen werden, die unsere Hilfe brauchen. Ich informiere mich genau, welche Partei sich für diese Punkte engagiert. Ich lasse mir für diese Entscheidung Zeit – sehr bewusst sehr viel mehr Zeit als für meine Kühlschrankentscheidung. Alles andere wäre absurd. Denn hier gilt ganz besonders: „Was mir wichtig ist und meinen Alltag derart beeinflusst, das braucht eben Zeit und gute Vorüberlegungen.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41465SWR Kultur Wort zum Tag
Wie viel Einheit braucht eigentlich eine Religionsgemeinschaft, wie viel Verschiedenheit verträgt sie und worin liegt eigentlich die größere Stärke? Das sind Fragen, mit denen sich das Christentum seit seinen Anfängen auseinandergesetzt hat. Die katholische Kirche beschwört bis heute den Gedanken der Einheit. Es kann nur eine allgemeine Kirche geben. Die protestantischen Kirchen – der Plural macht es schon deutlich -praktizieren dagegen ein Modell der individuellen Verschiedenheit. Unübersichtlich ist ihre Zahl. Die orthodoxen Kirchen hüten seit tausend Jahren ein göttliches Geheimnis. Und die charismatischen Kirchen überlassen diese ganzen Fragen getrost dem Wirken und Wehen des Heiligen Geistes.
Wer in dieser Vielfalt nach so etwas wie einem kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, nach irgendetwas, bei dem sich alle einig sind, muss weit in der Geschichte zurückgehen. 1700 Jahre. Bis ins Jahr 325. An der Spitze des römischen Reichs, das die europäische Welt beherrscht, steht Kaiser Konstantin. In seiner Regierungszeit wird das Christentum von einer geduldeten und teilweise immer noch verfolgten Religion zu einer staatlich geförderten.
Im Jahr 325 hat Konstantin ein Konzil einberufen; mehr als 200 Bischöfe kommen nach Nicäa zur ersten ökumenischen Vollversammlung der Weltgeschichte. Es geht um theologische Streitfragen. Und es geht auch um die Macht. Der Kaiser kann eine zerstrittene Kirche nicht gebrauchen; er will Stabilität und innere Sicherheit. Unter historischen Gesichtspunkten kann man das nüchtern und auch kritisch betrachten.
Herausgekommen ist aber auch ein Dokument von großer Schönheit und Kraft. Das Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel. Ein Text, der formuliert, was Christen auf der ganzen Welt im Innersten zusammenhält. Zum Beispiel: „Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater …
Sie glauben das nicht? Finden es nur schwer verständlich? Oder eigentlich auch gar nicht so wichtig? Umso besser. Denn dann kann das Gespräch ja weiter gehen. Solange es nicht versiegt, bleibt christlicher Glaube lebendig zwischen Einheit und Verschiedenheit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41464SWR3 Worte
Wie können wir hoffen in Zeiten voller Angst und Hass? Der Holocaustüberlebende Gidon Lev sagt wie es geht:
“Sie sollten sich selbst fragen: Will ich wirklich, dass es besser wird?
Zu oft hängen Menschen in düsterer Stimmung fest – sind süchtig danach.
Gerade auch durch Social Media. Sie tauschen Visionen gegen Bedürfnisse. Und die sollen möglichst schnell erfüllt werden. Aber wir müssen starrköpfiger sein.
Uns immer wieder bewusst gegen die Hoffnungslosigkeit entscheiden; gegen das Bedürfnis, der Angst, der Wut und dem Hass nachzugeben.
Auf Social Media heißt das beispielsweise, immer und immer wieder zu hinterfragen, was wir da sehen, was es eigentlich mit uns und unseren Gefühlen macht.
Quelle: wochentaz 28.11.2024, S. 13, J. Guggenberger: “Anfangs liebten alle Gidon”
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41447SWR3 Gedanken
Das, was gerade alles auf uns einprasselt, an Nachrichten und Ereignissen, ist manchmal einfach zu viel. Wird mir manchmal zu viel. Und ich überlege mir - warum nicht einfach mal den Spieß umdrehen und versuchen, das Gute auf die Welt einprasseln zu lassen? Das ist auch die Idee vom Sänger und Dichter Max Prosa. In einem seiner Gedichte hat er es so beschrieben:
„Hol dir nur diese Welt nicht in die Seele
Gib was aus deiner Seele in die Welt
Das ist die eine Chance sie zu verändern
Der Faden, an dem sich noch Hoffnung hält.“
Ein guter Rat. Finde ich. „Gib was von Deiner Seele in die Welt.“ Und genau das ist es vielleicht:
Mit der Liebe, die man mit sich trägt, der Welt begegnen. Mit der Großherzigkeit, die einem gegeben ist, unterwegs sein. Seine Fähigkeit zuzuhören einzusetzen. Kurz: der Menschlichkeit Raum geben. Immer wieder neu. Ein Faden von vielen zu sein, der zusammen mit anderen Hoffnungsfäden ein starkes Seil bildet. Und auch mir so hilft, dem Zuviel dieser Welt zu begegnen. Ein Faden, der in diesem Seil mit drin steckt, ist das Versprechen Gottes, das mich in allem immer wieder neu begleitet – und mir Hoffnung gibt: Gott sagt: Fürchte dich nicht. Ich stärke und ich halte Dich. Und ich bin bei dir, alle Tage, bis an der Welt Ende.
(aus: Max Prosa, #2024, 17.12.2024, https://www.instagram.com/p/DDriHNpsJ9P/?igsh=MW4xeDQ1YnNmeTU5cg==)
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