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SWR3 Worte

20JAN2025
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Der Bischof Augustinus hat seine Gedanken über Gott und die Menschen vor rund tausend-fünfhundert Jahren aufgeschrieben. Aber manches liest sich topaktuell. Zum Beispiel dies:

 

“Die Menschen machen weite Reisen,

um zu staunen über die Höhe der Berge,

über die riesigen Wellen des Meeres,

über die Länge der Flüsse,

über die Weite des Ozeans

und über die Kreisbewegung der Sterne.

An sich selber aber

gehen sie vorbei, ohne zu staunen.”

 

Quelle: abgedruckt in: F. Schorlemmer (Hg.): Das soll dir bleiben, Radius Verlag 2012, S. 84

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SWR Kultur Wort zum Tag

20JAN2025
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Die Demokratie sei gefährdet. Das lese ich immer wieder und das bekomme ich auch in vielen persönlichen Gesprächen mit. Viele, die um die Demokratie besorgt sind, halten heute den Atem an: Der 47.te Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird heute vereidigt.

Doch wann sind Demokratien eigentlich bedroht? 
Was macht Demokratie im Kern aus?

Sind es die Wahlen - wenn Präsidenten oder Parteien vom Volk frei und geheim gewählt werden? Das gehört bestimmt zur Demokratie. Doch Wahlen allein schützen nicht vor Verbrechern an der Macht und verbrecherischen Gesetzen.

Bertold Brecht (1898 – 1956) hat es angesichts der Wahlerfolge der Nationalsozialisten einmal so ausgedrückt: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“

Trotz möglicher Verblendungen des Wahlvolkes ist mir die Demokratie heilig.
Aus einem Grund: Es ist eine Form der politischen Herrschsaft, in der ohne Waffengewalt etwas verändert werden kann – ohne Blutvergießen.

In der Demokratie wird Macht auf Zeit verliehen und durch Wahlen bestätigt oder wieder entzogen.
Das ist für eine Demokratie wirklich unverzichtbar: den Sieg der anderen Seite anzuerkennen. Und das schließt ein: Verlieren können!

Hier, so habe ich den Eindruck, liegt der Knackpunkt, an der eine Demokratie zerbrechen kann.

Es ist darum ein Segen für den Erhalt einer Demokratie, wenn sich Demokraten ihre Niederlage eingestehen und sie akzeptieren. Auch wenn es schwer fällt.


Was das mit Religion zu tun hat? Erst einmal gar nichts.
Religiös begründete Theokratien haben die Macht des Allerhöchsten schnell auf Diktatoren übertragen. Unbefristet. Das passiert bis heute. Zum Unheil der Menschen.

Doch ich glaube,  der entscheidende Punkt zur Bewahrung einer Demokratie ist im Christentum fest verankert:
Jesus, der Sohn Gottes, ist einer, der Macht abgegeben hat.

Er ist diesen Weg konsequent gegangen - bis ans Kreuz auf Golgatha – und hat so Unterlegenen gezeigt: Selig sind, die auch verlieren können!

Sie sind nicht von Gott verlassen.

Im Gegenteil: Gott wird die Erniedrigten erheben!


Wo dieser Geist lebendig ist, kann Demokratie blühen!

Können Frieden und Gerechtigkeit unter Menschen aufblühen...

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SWR3 Gedanken

20JAN2025
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Never dim your light for nobody. Ein Zitat, ein Satz, der auf TikTok gerade die Runde macht.

Und mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Never dim your light for nobody. Also: Dimme niemals dein Licht für niemanden. Meint: Für niemanden das Licht schwächer zu machen, oder die Strahlkraft runterzudrehen. Warum mir der Satz nicht mehr aus dem Kopf geht? Vielleicht auch, weil ich finde, dass in jedem Menschen in gewisser Weise ein Leuchten steckt, ein Strahlen. Das immer wieder zum Vorschein kommt, zum Beispiel, wenn man sagt: Er oder sie strahlt übers ganze Gesicht. Wenn die Freude groß ist und wenn Liebe spürbar wird, dann sieht man dieses Strahlen manchmal ganz buchstäblich. Das innere Licht sozusagen. Und „Never dim your light for nobody“ – das bedeutet soviel wie: dreh die Strahlkraft, dein inneres Leuchten niemals runter, für niemanden.

Lass dich und dein Licht nicht kleinmachen. Und lass schon gar nicht zu, dass dir jemand dein Licht dimmt. – Denn wenn diese Welt eines brauchen kann, dann Licht. Und Menschen, die ihr inneres Licht, das von Liebe und Freude erzählt, nicht dimmen. - „Ihr seid das Licht der Welt.“ Heißt es auch in der Bibel. Und dann: Ein Licht ist nicht dazu da, es anzünden und es dann zu verstecken, sondern um es auf einen Leuchter zu stellen. (Mt 5,14f) Auch deshalb nehme ich diesen Satz mit – Never dim your light for nobody. Bewahre dir dein Strahlen und Licht. Und lass die Welt daran teilhaben.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20JAN2025
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Die Bibel erzählt im „Buch Daniel“ (Kap.5) eine gespenstische Geschichte: Der babylonische König Belsazar, ein kriegslüsterner Machtprotz im 6. Jahrhundert vor Christus, feiert mit seinen Vasallen eine Gala. Man besäuft sich mit Wein aus liturgischen Gefäßen, die man aus dem Jerusalemer Tempel geraubt hatte. Doch plötzlich erscheint an der Wand eine Geisterhand und kritzelt: „Mene-Tekel“. Auf Deutsch: Deine Tage, König, sind gezählt, du wurdest gewogen und zu leicht befunden. Der „entfärbt sich“, übersetzt Martin Luther, wird kreidebleich, so fährt ihm der Schreck in die Glieder. Die Party ging abrupt zu Ende, und um den König wars geschehen.

Eine grandiose Performance, finde ich. Ich wünschte mir eine solche Installation in Trumps „Oval Office“, in Putins Kreml und in allen Regierungszentralen: „Mene-Tekel“ an der Wand und auf allen Bildschirmen, wenn die Machthaber Krieg führen, statt zu verhandeln, die Welt zu Tode rüsten, statt Hunger und Elend zu bekämpfen und den Klima-Wandel zu stoppen. Wenn sie sich selber gottgleich produzieren, statt dem Gemeinwohl zu dienen.

Die Frage ist nur: Wer führt diese Geisterhand? Wer schreibt das „Mene-Tekel“ an die Wand? Das Volk natürlich, denn in der Demokratie sind wir der Souverän und haben das Sagen. Das passt machtbesoffenen Despoten gar nicht in den Kram. Doch auch demokratische Regierungen spuren nur dann, wenn sich die da unten immer wieder lautstark artikulieren, sonst regieren die da oben am Volk vorbei. Ja – Demokratie ist schrecklich anstrengend, aber nur so funktioniert sie.

Bitter, wie Jesus von Nazareth die politische Klasse seiner Zeit beschreibt: „Ihr wisst doch: Die Herrscher richten ihre Völker zugrunde. Bei euch soll es anders sein: Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht“ (Matthäus-Evangelium 21,26-27).

Dieser Geist qualifiziert für ein Regierungsamt. Wenn nun bald ein neuer Bundestag zu wählen ist, messe ich die Kandidatinnen und Kandidaten an ihrer Dienstbereitschaft. Abgeordnete müsste man an ihrer Demut und das heißt – alt-deutsch – an ihrem „Dien-Mut“ erkennen.

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SWR4 Abendgedanken

20JAN2025
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In Washington wurde vor dem Kapitol schon manche Rede gehalten. Einige wenige haben sich in das Gedächtnis der Weltgeschichte eingeschrieben. Dazu gehören die Worte von Abraham Lincoln zur Abschaffung der Sklaverei und die Rede, die Martin Luther King im Sommer 1963 gehalten hat. Seine Worte „I have a dream – „Ich habe einen Traum“ stehen für einen Wendepunkt in der Geschichte der Vereinigten Staaten – es ist der große Ruf zu einem Leben, das von Freiheit, gegenseitigem Respekt und einem friedlichen Miteinander geprägt ist.

Um diesen Gedanken für die Vereinigten Staaten festzuhalten, wurde 1986 nach langen Debatten der „Martin-Luther-King-Tag“ als Bundesfeiertag eingeführt. An diesem Feiertag sollen die Menschenrechte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten besondere Aufmerksamkeit erfahren. Die Gleichheit aller Menschen soll mehr als ein Traum sein, sie soll in diesem Land miteinander gelebt werden. Sie ist die Grundlage der Demokratie und fest in der christlichen Wertevorstellung verankert. Das ist kein Wunder, denn Martin Luther King war ein Baptistenpastor. Er hat daran geglaubt, dass Veränderungen mit Gottes Hilfe möglich sind. Darum hat er es in der Tradition der biblischen Propheten gewagt, Missstände in der Gesellschaft zu benennen und zu einer Umkehr im Denken und im Miteinander aufzurufen: Wenn Gott alle Menschen geschaffen hat, dann gibt es keinen Grund, von der Gleichheit aller Menschen nur zu träumen, sondern sie ist schon vorgegeben, es liegt an uns, sie zu leben.  

In den Vereinigten Staaten wird heute am Martin-Luther-King-Tag dazu aufgerufen, mit anderen Menschen Zeit zu verbringen. „Share your time: Teile deine Zeit“ heißt es an vielen Orten.  Freiwillige lesen Kindern etwas vor oder besuchen Senioreneinrichtungen, andere sammeln gemeinsam an den Stränden Müll ein, damit die Umwelt für alle sauberer ist. Nachbarschaftsfeste werden gefeiert. Mir gefällt die Idee dieses Tages: Träume müssen keine Träume bleiben, sie können Wirklichkeit werden. Das passiert nicht einfach so, sondern irgendein Mensch muss damit beginnen, einen Traum in die Hand zu nehmen und ihn Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich hoffe, dass ein wenig vom Geist dieses amerikanischen Feiertages auf den Geist des neuen amerikanischen Präsidenten am Tag seiner Einführung wirkt. 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

20JAN2025
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„Ich bin Marxist und Christ“, hat er gesagt. Ernesto Cardenal war katholischer Priester und Politiker.  Unermüdlich hat er gekämpft für die Gerechtigkeit und die Rechte der Armen. Und dabei hat er oft selbst sein Leben riskiert. Heute wäre er hundert Jahre alt geworden. In Nicaragua ist er geboren. Er hat Literatur und Theologie studiert. Hat sich in Klöster zurückgezogen und tiefsinnige Bücher über Gott und die Welt verfasst. „Die ganze Welt ist die Schönschrift Gottes“ - so hat er geschrieben.

Sein Statement war klar: Gott liebt alle Menschen. Und damit müssen auch alle gleichberechtigt sein. Aus dieser Überzeugung hat er sich aktiv an der Revolution gegen die Diktatur in seinem Land beteiligt. Nach dem Umsturz wurde er sogar Kultusminister der neuen Regierung. Als katholischer Geistlicher war es ihm allerdings nicht erlaubt, politische Ämter zu haben. Geschweige denn sich in einer Partei der sogenannten politischen „Linken“ zu engagieren!

Dass er damit gegen kirchliches Recht verstoßen hat, hat ihn Papst Johannes Paul II.  sogar öffentlich spüren lassen. Bei einem Besuch in Lateinamerika im Jahr 1983 hat er ihm den Segen verweigert und ihn mit erhobenem Finger ermahnt. Kurze Zeit danach wurde er vom Priesteramt suspendiert. Erst 2019 hat Papst Franziskus das alte Urteil gegen ihn offiziell aufgehoben. Mehr als dreißig Jahre danach. „Mit Wohlwollen“, so wie es im offiziellen Schreiben heißt. Ein Jahr später starb Ernesto Cardenal im Alter von 95 Jahren.

Dass ein Mensch trotz aller Anfeindungen und äußeren Hindernisse seine innere Überzeugung leben kann, macht mir Mut. Auch für mein persönliches Wirken als Priester. Weil ich manchmal auch sehe, dass kirchliche Gesetze für manche Menschen nicht passen. Weil sie bedrücken, statt ihnen zu helfen. Die frohe Botschaft von der Liebe Gottes ist aber größer ist als alle menschlichen Gesetze. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Weil die Liebe Gottes zum Leben befreit.

Danke für dein Lebenszeugnis, Ernesto!

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SWR3 Worte

19JAN2025
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‘Ohne zu lügen’ heißt das Gebet, das ich in mein Notizbuch eingeklebt habe und überall hin mitnehme. So sind die Worte von Dorothee Sölle zu meinen geworden:

 

“Schaffe in mir Gott ein neues Herz

das alte gehorcht der Gewohnheit.

Schaff mir neue Augen,

die alten sind behext vom Erfolg.

Schaff mir neue Ohren,

die alten registrieren nur Unglück (…)

Eine neue Zunge gib mir

statt der gewaltverseuchten, die ich gut beherrsche.

 

Mein Herz erstickt an der Ohnmacht aller, die deine Fremdlinge lieben.

Schaffe in mir Gott ein neues Herz.

 

Und gib mir einen neuen Geist,

Dass ich dich loben kann ohne zu lügen.

Mit Tränen in den Augen, wenn’s denn sein muss,

Aber ohne zu lügen.”

 

 

 

Quelle:

Dorothee Sölle: Loben ohne Lügen, Gedichte. Fietkau-Verlag 2000, S. 17

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41441
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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

19JAN2025
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Maria hat mir geholfen. Ein kleines Schild mit goldenen Buchstaben hat jemand an einer Wand im Wallfahrtkloster im saarländischen Blieskastel angebracht. Und es ist nicht das einzige Schild. Da berichten Menschen von ihren wundersamen Heilungen. Manchmal ganz konkret mit Namen und Datumsangabe. Ihre Gebete wurden offensichtlich erhört. Maria, Heilige, Engel und Gott selbst sind ihre Retter in der Not, bei denen sich die Menschen bedanken. Wie gut und wieviel Gottvertrauen, denke ich mir. Gleichzeitig frage ich mich: Wie viele rufen nach Hilfe und erhalten keine Antworten. Sie schreien buchstäblich in die Nacht hinein und hören nur ihr eigenes Echo, das an der Wand zurückhalt. Denn ihre Schmerzen bleiben. Wie viele werden enttäuscht trotz ihres Glaubens an Gott, der doch alles gut machen soll. Wie viele verzweifeln an ihrem Gott, dem sie sich doch von Kindheit an mit ihren großen und kleinen Sorgen anvertraut haben.

Im Krankenhaus in dem ich als Seelsorger arbeite, stehen im Fürbittbuch am Eingang der Kapelle oft ganz andere Gebete. Unerhörte Gebete sind es. Nicht mit Goldbuchstaben, eher mit zittrigen Händen sind sie geschrieben.  Da stehen verzweifelte Hilferufe im Leid einer Krankheit, die bleibt.  Stammelnde Gebete nach einem Schicksalsschlag, der von jetzt auf nachher alles verändert hat. Und Schreie zum Himmel für die Liebsten.

Heute wird im katholischen Sonntagsgottesdienst in einem Text aus der Bibel berichtet, wie Maria Jesus, ihren Sohn, um etwas bittet und bei ihm nur auf blanke Ablehnung stößt. Ihre Bitte bleibt zunächst unerhört. Es ist die Geschichte von der Hochzeit in Kana. Und die ist schnell erzählt. Zur Zeit Jesu war eine Hochzeit DAS Fest. Das ganze Dorf kommt zusammen. Jeder und jede, die Braut oder Bräutigam kennen, sind dabei. Auch Jesus, seine Jünger und Maria, seine Mutter gehören zu den Gästen. Mehrere Tage wird gefeiert. Gegessen und getrunken. Getanzt und erzählt. Doch da geschieht etwas, was auf einer Hochzeit einfach nicht vorkommen darf. Der Wein geht aus. Das geht überhaupt nicht. Eine Hochzeit ohne Wein. Undenkbar ist das. Und mehr als peinlich für Braut und Bräutigam. Maria merkt das sofort. Hilfesuchend richtet sie ihre Bitte an den Sohn. Er ist ihre letzte Rettung. So oft hat er doch schon in der Not geholfen. Leise flüstert sie ihm ins Ohr: Der Wein ist ausgegangen. Kein Tropfen ist mehr da. Bitte hilf den Gastgebern. Doch der lässt sie links liegen und wendet sich von ihr ab. Nur ein abfälliges Was willst du von mir? hat er für sie übrig.

 

 

Die Geschichte von der Hochzeit erzählt auch von den Gebeten vieler Menschen. Von all den Bittgebeten, die nicht erhört werden. Von all den Enttäuschungen nicht angehört zu werden. Sie erzählt von der verzweifelten Suche nach jemandem der mir in meiner Not hilft. Sie erzählt von all den Menschen, die nur das Beste für andere wollen.

Maria hat geholfen, steht auf dem Schild beim Kloster in Blieskastel. In Kana damals wird ihr nicht geholfen. Sie erlebt nur Abweisung. Doch sie bleibt gelassen und vertraut umso mehr. Sie geht zu den Dienern und Bediensteten und meint nur: Was er euch sagt, das tut. Maria erlebt bei ihrem Sohn immer wieder, dass sein Sprechen von Gott so ganz anders ist als die Frommen ihrer Zeit es lehren. Er betet wie ein Kind. Er hat ein grenzenloses Vertrauen in seinen Vater im Himmel, wie er immer wieder sagt. Selbst in der Aussichtslosigkeit seines gewaltsamen Todes am Kreuz bleibt er dem treu und vertraut sich seinem Gott an. Mein Gott warum hast Du mich verlassen ist sein Schrei in die Nacht hinein. Bis heute wird so im Gebet das Leid hinausgeschrien. Und bis heute fügen Menschen an: In deine Hände lege ich mein Leben. Dir allein vertraue ich mich an.

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana nimmt einen guten Ausgang. Sechs leere Steinkrüge werden herbeigebracht und mit Wasser gefüllt.  Ein scheinbar sinnloses Unterfangen. All die Peinlichkeit mit dem Wein, der ausgegangen ist, wird noch einmal in den mit Wasser gefüllten Steinkrügen vor Augen geführt. So lässt sich keine Hochzeit feiern. Doch vielleicht kennen sie ja den Ausgang der Hochzeitsgeschichte. Das Wunder geschieht. Beim Schöpfen und Trinken reiben sich alle die Augen. Aus dem Wasser ist bester Wein geworden.

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana. Lesen wir sie nicht als historischen Bericht von vor 2000 Jahren. In ihr wird nämlich erzählt, was Glaube bedeutet. Maria macht es vor. Und bis heute all die Menschen, die trotz ihrer Gebete, die nicht in Erfüllung gehen, vertrauen.

Vielleicht braucht es nur das. Das Eingeständnis meiner Leere und Ohnmacht. Das grenzenlose Vertrauen, dennoch in Gott getragen zu sein. Mein ehrliches Gebet in der Verzweiflung. Mein Festhalten an Gott, trotz seiner Unbegreiflichkeit, wie der Theologe Karl Rahner meinte. Gebete, nicht in goldenen Buchstaben geschrieben. Eher mit zittriger Hand.

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SWR3 Gedanken

19JAN2025
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Neulich habe ich einen Engel gefunden. Einfach so, auf der Straße. Ziemlich klein. Weiß, mit einem feinen blaugetupften Kleid und einem ebenso blau verzierten, eleganten Kopftuch. Aus Ton, liebevoll selbstgemacht. Er lag in einer dieser Kisten vor den Hauseingängen – zu verschenken stand auf einem Zettel daneben. Ich habe ihn mitgenommen. Und zunächst hatte er noch einen Platz unter dem Weihnachtsbaum. Wie ein Geschenk eben. Jetzt steht er bei uns am Fenster, blinzelt in die Wintersonne und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, muss ich lächeln.

„Wie geht denn so etwas“, denke ich. Einen Engel einfach so vor die Tür zu stellen. Am Anfang fragte ich mich noch fast ein bisschen empört, warum er wohl in einer Kiste auf der Straße gelandet ist. Da hat jemand mit viel Liebe, Geduld und Fantasie diese Figur gemacht, und dann landet er auf der Straße. Doch dann habe ich verstanden: Vielleicht gehört ein Engel ja genau dahin. Dieser Engel, der von soviel Liebe, Geduld und Fantasie erzählt, wenn man ihn nur richtig anschaut. Für den ist auf der Straße vielleicht gerade sein Platz. Mitten im Leben, am Rand des alltäglichen Trubels. In einer unscheinbaren Kiste. Mit einem großartigen Angebot: Zu verschenken.

Oder auch: Nimm diesen Engel mit. In dein Leben, in deinen turbulenten Alltag. Dahin bringt er, wenn du richtig hinschaust und innehältst, vielleicht etwas von der Liebe, Geduld und Fantasie, mit der er gebastelt wurde. Was Engel eben so machen! Und mir kommt eine verrückte Idee – vielleicht stelle ich demnächst auch einen kleinen Engel auf die Straße. Selbstgemacht. Aus was, muss ich noch schauen. Aber ich nehme mir vor, auch ganz viel Liebe und Geduld und Fantasie reinzustecken. Und diesen Engel dann in die Welt zu schicken. Mit einem kleinen Schild: #Engelzuverschenken.

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SWR1 Begegnungen

19JAN2025
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Christopher Hoffmann trifft: den britischen Sänger J.P. Cooper.

Und mit dem international erfolgreichen Musiker J.P. Cooper. Ich treffe John Paul Cooper als er auf seiner Welttournee in Köln Station macht. Anschließend reist er mit seiner Band nach Japan, Ozeanien und Südafrika weiter. Er gehört zu den besten zeitgenössischen Soul- und Folkstimmen. Allen voran „September Song“ und die gemeinsame Single mit DJ Jonas Blue -  „Perfect Strangers“ - , die machten ihn weltberühmt. Es regnete Gold- und Platinauszeichnungen. Trotzdem erlebe ich den 41-Jährigen sehr bodenständig und zugewandt. Vielleicht auch, weil er schon viel durch hat im Leben. Der Brite wuchs in einem Arbeiterviertel in Manchester auf. Als er elf Monate alt war, starb seine Mutter:

Ich war sehr jung, gerade mal knapp ein Jahr, ein Baby. Und ich konnte logischerweise nicht verstehen, was geschah. Aber natürlich hat das alles meine Familie und meine Kindheit ganz entscheidend verändert. Mein Vater brauchte sehr lange, um seine Trauer zu überwinden. Es kam mir so vor, als sei ich unter einer Wolke geboren. Aber ich hatte Glück in dem Sinne, dass mein Papa uns eine enge Beziehung zu ihr ermöglichte. So hatten wir zum Beispiel an ihrem Geburtstag oder an ihrem Jahrestag zu Hause eine kleine Feier. Und da musste er dann seine Arbeit unterbrechen, sich freinehmen; er hatte ja fünf Kinder, um die er sich kümmern musste. Wir hatten nie viel Geld, aber er sorgte stets dafür, dass es irgendwas Besonderes gab an diesen Tagen.

Bis heute fühlt sich JP Cooper seiner Mutter sehr nah– als Christ glaubt er daran, dass es ihr gut geht, da wo sie jetzt ist. Musik ist für ihn eine Möglichkeit mit ihr zu kommunizieren:

Ich höre ihre Stimme in meiner Musik und ich spreche mit ihr jeden Tag. Und ich denke, Musik öffnet irgendwie den Himmel. Wie auch immer man dazu steht oder es nennen will: Es kommt definitiv von einem anderen Ort. Je älter ich werde, desto dankbarer bin ich, dass ich diesen Segen, dieses Geschenk teilen darf.

Was ihn tröstet, teilt er auch mit seinen Fans, etwa in dem Song „Mommas prayers“, Mamas Gebete. Zusammen mit dem Rapper Stormzy singt er darüber, dass ihre Mütter sie mit ihren Gebeten begleiten:

Meine Mutter ist physisch nicht mehr hier, aber ich glaube, sie beschützt mich „von oben“. Und mein Papa schreibt seit Jahren seine Gebete jeden Morgen auf; und das mache ich jetzt auch. Er hat unzählige Bücher voller Gebete aufgeschrieben. Und ich weiß es gibt sehr viele Menschen, die für mich beten, die mir helfen und mir den Weg zeigen - mehr als es mir vielleicht bewusst ist – daran glaube ich. An Dinge, die du nicht sehen und anfassen kannst, die aber definitiv da sind.

Inzwischen ist J.P. Cooper selbst Vater von zwei Kindern, das dritte ist unterwegs. Seinen katholischen Glauben will er ihnen weitergeben, indem er ihn vorlebt - so wie er das bei seinem Vater erfahren hat:

Und es sind diese Beispiele gelebten Glaubens. Jetzt bin ich auch ein Papa, ich spüre die Verantwortung und ich hoffe, dass ich in dieser Rolle weiterwachse. Vater zu werden hat mir dabei geholfen, ein wenig mehr von Gottes Liebe zu verstehen.

Ich treffe den britischen Musiker J.P. Cooper, der lange Zeit in den Bars von Manchester kellnerte, während er noch auf seinen musikalischen Durchbruch gewartet hat. Und der in seinem Song „Holy water“ auch davon singt, dass wir bei Gott immer wieder eine neue Chance bekommen, dass es darum geht, im Leben immer wieder aufzustehen:

Wir sind alle Menschen, und es gibt einen Unterschied zwischen Fallen und Scheitern. Wir fallen, aber das heißt nicht, dass wir scheitern. Und ich glaube das ist die Botschaft: Wir sollten gnädiger mit uns selber sein.

Wenn ich etwas mache, dann gerne 100-prozentig. Und was meinen Glauben betrifft: Manchmal gehe ich nicht auf dem guten Weg und manchmal, wenn ich Dinge tue, wo ich genau weiß, das sollte ich nicht tun, schäme ich mich, es einzugestehen. Aber dann sollte ich mich erinnern: an die Liebe Gottes. Wir sind Menschen, Gott erwartet nicht, dass wir perfekt sind.

Und deshalb betet er auf Tour auch am liebsten das „serenity prayer“, das Gelassenheitsgebet: „Gott, gib mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Aus seinem Glauben schöpft er Kraft, um dann auch untereinander für mehr Mitgefühl zu werben. Sein Lied „Call my name“ ist eine energiegeladene Hymne gegen Einsamkeit und für mehr echtes Interesse an meinem Nächsten:

Ich denke, es gibt viele einsame Menschen. Wir haben zwar so viele digitale Beziehungen, zum Beispiel auf social media, und oftmals ist es einfach, so zu tun, als ob wir glücklich sind und eine gute Zeit haben. Denn die Leute teilen nur die guten Sachen. Wir haben diese Kultur kreiert, wo wir Menschen nicht runterziehen wollen, die wollen nichts von meinen Problemen wissen. Aber ich habe das Glück, Menschen um mich zu haben, die auch da sind, wenn’s mir schlecht geht. Ja, das ist so wichtig, Menschen zu haben, die für dich da sind. Und der Song „Call my name“ feiert es, dass wir immer für jemanden da sein können!

Und wie blickt der weitgereiste Musiker auf unserer Welt, in Zeiten, in denen viele auf Abgrenzung und das Nationale setzen?

Ich lerne so viele Kulturen kennen und in ihnen allen gibt es so viel Schönheit. Ich glaube an das Gute in der Menschheit. Und ich wünsche mir, dass wir mehr nach der Schönheit im Anderen suchen und uns nicht von Angst und Gier leiten lassen.

Die Musik von J.P. Cooper gehört über Kontinente hinweg für viele Menschen zum Soundtrack ihres Lebens– für den Sänger das größte Kompliment:

Ich liebe Menschen und mich interessieren ihre Lebensgeschichten und wie sie unterwegs sind. Meine Musik hilft ihnen vielleicht über einen Verlust hinweg, sie nehmen sie für einen Heiratsantrag oder ihre Hochzeit. Das ist für mich ein Dienst. Und ein Geschenk!

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