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SWR3 Gedanken

27JUL2024
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Ich hasse Achterbahn fahren. Ich finde es nicht normal, mit Karacho Loopings in schwindelerregender Höhe zu schlagen. Aber hin und wieder lasse ich mich doch überreden. Ich sitze in dem kleinen Wägelchen und frage mich, warum ich mir sowas antue. Und dann rasen wir schon los… Aber wenn ich dann ankomme - und immer noch lebe! -, dann denke ich: Siehste, du hattest Angst, aber du hast es trotzdem gewagt! Und das ist ein echt gutes Gefühl: mutig sein. Seiner Angst die Stirn bieten.

„Man muss auch mal über sich hinauswachsen“, sagt er und guckt mich grimmig an. Er ist fest entschlossen: Er wird die Prüfung machen. Wobei man anmerken muss: Prüfungen, das ist so ganz und gar nicht seins… In eine Prüfung hineinzugehen und nicht zu wissen, was verlangt wird und ob man den Anforderungen genügt, davor hat er Bammel. Und trotzdem wird er zur Prüfung antreten.

Maria wusste auch nicht, was auf sie zukommt. Im wahrsten Sinn des Wortes: aus heiterem Himmel schwanger. Und dann auch noch sozusagen als Kirsche obendrauf: der Engel, der ihr erklärt: „Hab keine Angst, das Kind ist von Gott, alles wird gut.“ Ja, sicher. Und doch: Maria wagt es, den Schritt ins Ungewisse. Für mich zählt Maria zu den mutigsten Menschen in der Bibel überhaupt.

Trotz Angst Achterbahn fahren.
Trotz Angst eine Prüfung wagen.
Trotz Angst Ja sagen zu einer ungewissen Zukunft mit göttlichem Kind.

Ich glaube, es tut gut, ab und zu seine Komfortzone zu verlassen – weil wir auch nur dann Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten lernen, wenn wir herausgefordert sind. Und ja, das kann manchmal in die Hose gehen und manchmal schmerzhaft sein. Aber wir müssen uns etwas trauen, mutig sein, Neues ausprobieren und das Leben leben.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27JUL2024
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Batsch – batsch – batsch – so tönt es dieser Tage allabendlich von Terrassen und Balkonen. Klingt nach Beifall, ist aber pure Notwehr. Denn in der Nähe von Bächen, Tümpeln und Seen haben in diesem Sommer die Mücken die Lufthoheit übernommen. Da werden sogar Tierfreunde zu Massenmördern.

Mir kommt die Taktik dieser Quälgeister bekannt vor. Auch im menschlichen Miteinander tut man sich ähnlich weh. Immer und immer wieder wird man gepiekst und schmerzlich an irgendetwas erinnert, was längst vergessen schien. Hab ich dich damals nicht mit einem anderen erwischt? Dabei wurde dieser Vorfall nach einer gründlichen Aussprache beigelegt. Bist du nicht an der Stelle von der Straße abgekommen, ein Gläschen zu viel und so? Hast Du mich nicht kürzlich unendlich blamiert und mich im Regen stehen lassen? Du Feigling hast dich ja nicht einmal gewehrt, sondern den Schwanz eingezogen, und, und, und, zum tausendsten Mal! Man bekommt scheinbar nie genug davon, sein Gegenüber permanent und genüsslich an sein Versagen, an dunkle Stunden in seinem Leben zu erinnern und bei jeder passenden Gelegenheit zu sticheln. Das ist nicht nur lästig, das tut vielmehr verdammt weh und saugt Lebenskraft ab.

Wie bei der Mückenplage gibt’s nur eine einzige wirksame Gegenstrategie, nämlich die Brutstätten in Wasserlachen und stinkenden Pfützen trockenzulegen. Das bedeutet, immer noch schwelende Konflikte aufzuarbeiten, beharrlich miteinander zu reden und notfalls auch Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Am Ende bleibt vielleicht nur, einander zu verzeihen. Denn unser Leben erspart uns leider nicht, dass wir immer wieder aneinander schuldig werden.

 „Herr, wie oft muss ich dem, der an mir schuldig geworden ist, verzeihen?“, fragt Petrus einmal seinen Meister. „Reicht vielleicht siebenmal?“ Und Jesus kontert: „Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal“ (Matthäus-Evangelium 18,21-22).

Heftig. Aber Verzeihen und um Verzeihung zu bitten, ist immer noch besser, als nochmals siebzigmal siebenmal gepiesackt zu werden.

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SWR3 Worte

27JUL2024
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Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein! Das predigen Minimalisten und machen daraus sogar einen Lebensstil. Die Philosophin Kathrina Ceming gibt aber folgendes zu bedenken:

(E)s gibt viele schöne Dinge (…), die man ohne oder mit wenig Geld tun kann, zum Beispiel die Natur bei einer Wanderung genießen, Musik machen, Sport im Verein ausüben, Malen, in einem Chor singen und so weiter. Das stimmt, und zum Glück gibt es viele Menschen, die dies mit großer Freude tun. Es ist jedoch ein Unterschied, ob Sie etwas tun, weil Sie sich nichts anderes leisten können, oder ob Sie viele andere Möglichkeiten hätten, dies aber bewusst nicht in Anspruch nehmen. (...)
Minimalismus als Lebensstil geht fast immer von einer Reduktion vorhandener Besitztümer aus. (…) So absurd es klingt: Verzicht muss man sich leisten können.

Katharina Ceming, Sinn erfüllt

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SWR Kultur Wort zum Tag

27JUL2024
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„Probiers noch mal“ hat der Stuttgarter Großvater meines Mannes immer gesagt, wenn bei seinen Kindern oder Enkeln wieder einmal etwas schiefgelaufen war. Leider kann ich zwar alles Mögliche, aber kein Schwäbisch, denn der Satz „Probiers noch mal“ klingt, in freundlichem Schwäbisch geäußert, noch mal so mutmachend. Finde ich.

Im Unterschied zu seinem Sportlehrer, der den zweiten Versuch beim Felgaufschwung am Reck stets mit abfälligen Bewertungen garniert hat, war der Stuttgarter Opa für meinen Mann ein wohlwollender Mutmacher. Er hat sich damit in gut biblische Tradition gestellt. Mich erinnert sein „Probiers noch mal“ nämlich an die Szene im Lukasevangelium, als Jesus Simon ermutigt, nach einem großen Misserfolg beim Fischefangen die Netze doch noch einmal auszuwerfen. „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen,“ antwortet Simon. Und hat Erfolg.

Oder ich denke an den erschöpften Propheten Elia, der einfach nicht mehr für Gott streiten kann und von einem ziemlich geduldigen Engel ermutigt wird, es doch noch einmal zu versuchen. Menschen wie der Stuttgarter Opa sind wie Engel, die helfen, sich wieder aufzurappeln und es eben, trotz aller Misserfolge, noch einmal zu versuchen. Sie machen Mut zum Leben und zum nächsten Versuch. Klar, manchmal stellt sich auch nach wiederholten Versuchen heraus, dass man für den Felgaufschwung einfach nicht geboren ist. Oder dass man nach einem vergeigten Examen möglicherweise besser einen alternativen Berufsweg einschlagen sollte, als es noch mal und noch mal zu versuchen. Vielleicht gibt es ja einen anderen Beruf, der einem selbst und anderen mehr zum Segen gereicht. Doch in vielen Fällen gelingt es tatsächlich, die Welt beim zweiten Versuch aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Ob nun oben vom Reck aus, oder auf dem Podium, wenn einem das Zeugnis überreicht wird. Dann wirft man die Netze aus und hat reiche Beute und spürt, dass sich die Anstrengung gelohnt hat.

Das mutmachende „Probiers noch mal“ ist wie eine Atempause, die einem hilft, die ganze Angelegenheit noch einmal in Ruhe zu betrachten, statt in der allerersten Verzweiflung die Netze in den Mülleimer zu werfen oder alle sportlichen Aktivitäten einzustellen. Mag sein, es klappt nicht alles, aber setz erst mal auf die schwäbisch-engelhafte Unterstützung.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27JUL2024
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Ferientage im Westerwald – von der Eifel aus eine prima Sache.

Höchstens zwei Stunden Anreise mit dem Auto, fremde Gegend, die Kroppacher Schweiz und die Westerwälder Seenplatte oder die Abtei Marienstatt sind echt gute Urlaubsziele.

Helga und ich machen, was wir immer machen: wir wandern.

Und wir machen, was wir sehr selten machen: wir gehen zum Essen ins Restaurant, kochen, obwohl wir eine Ferienwohnung haben, nicht selbst.

Frühstück und Abendessen natürlich in der Ferienwohnung.

Und mein Glas Wein am Abend auch. Helga bevorzugt Wasser.

Auf den Wanderungen quatschen wir, sind aber auch nicht blind für das, was uns begegnet.

Auf dem Weg Schnecken mit oder ohne Haus und Mistkäfer. Einer liegt hilflos auf dem Rücken. Ich halte ihm ein Blatt unter den Körper und helfe ihm, sich umzudrehen. Ins Gras krabbeln soll er selbst, ich gebe nur Hilfe zur Selbsthilfe.

Auf dem Rückweg sehen wir einen Mann, der sich zu diesem Käfer runterbeugt. Wahrscheinlich will auch er ihm auf die Beine helfen. Der hat das nicht verdient, sage ich, den habe ich eben auch schon umgedreht.

Nein, wenn die auf dem Rücken liegen, haben sie sich zum Sterben bereit gemacht, erklärt uns der Kenner. Oje, da hab ich dem Käfer ja echt einen Bärendienst erwiesen, als ich ihn umgedreht habe.

Wir stehen da, schauen auf den Käfer, dann machen der Mann und ich gleichzeitig ein Segenskreuz über ihn und wünschen ihm: „Ruhe sanft“. Sag nochmal jemand, die Leute wären nicht „alltagsfromm“.

Für die Käferkenner unter uns: so allgemein stimmt die Regel nicht; nicht jeder Käfer stirbt, wenn er auf dem Rücken liegt. Ich hab Google gefragt. Aber trotzdem war das mit dem gesegneten Mistkäfer ein eindrückliches Erlebnis. Gottes Segen – für jeden „Mistkäfer“ auf dieser Welt.

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SWR3 Gedanken

26JUL2024
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„Perfekt. Die sind einfach perfekt. Alles bei denen ist perfekt.“

Sie guckt mich an und seufzt: „Die perfekte Familie! Das Haus ist schön und modern, immer aufgeräumt, sauber. Der Garten – ein Traum! Die Kinder? Gesund und munter. Ein Junge, ein Mädchen, natürlich. Frau Pfarrerin“, sagt die eigentlich gestandene Frau zu mir, „ich bin nicht neidisch, das nicht, aber ich finde es ungerecht: warum die? Warum kann nicht auch meine Familie ein bisschen perfekter sein? Vielleicht nicht unbedingt perfekt-perfekt, aber doch nicht so…“

Ich nicke, höre ihr zu, und kann verstehen, was sie sagt – aber ich denke auch an die vielen Familien, die ich als Pfarrerin kennengelernt habe. Und dabei habe ich eine Erkenntnis gewonnen: Die perfekte Familie gibt es nicht. Manchmal hat man den Eindruck: Ja, bei denen ist es so, bei denen läuft alles perfekt – aber jede Familie hat ihre Alltagssorgen und kleine oder größeren Probleme.

Und während die junge Frau mir so von ihrer Familie erzählt, gucke ich sie an: Sie ist eine beeindruckend starke Frau, hat sich von ihrem Mann getrennt, weil er sie geschlagen hat. Sie bringt sich und die Kinder mit ihrem Gehalt als Arzthelferin allein durch. Und ich denke: Vielleicht ist ihre kleine Familie nicht perfekt, aber ich bewundere sie, ich finde sie stark.

Abends denke ich noch mal an die Mutter mit ihren Kindern. Abends, wenn ich im Bett liege, bete ich. Ich lege Gott ans Herz, was mich den Tag über bewegt hat, was mich beeindruckt hat. Und so bitte ich Gott für alle, die vielleicht nicht perfekt sind, keine perfekte Familie haben, aber die sich stark durchs Leben schlagen. Und vielleicht ist das Gebet für mehr Familien, als ich mir vorstelle.  Gott, sei mit ihnen, stehe ihnen bei.

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SWR3 Worte

26JUL2024
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Der Kolumnist Axel Hacke hat manchmal Angst, dass die Welt wirklich und wahrhaftig untergeht. Bei all den Krisen kein Wunder. Seine Tochter hat ihn inzwischen aber davon geheilt. Wie, erzählt er so:

(Wir) standen (…) in der Küche, meine Frau, unsere damals zwölfjährige Tochter und ich. Einer unserer Söhne rief an. Meine Frau sprach mit ihm, offenbar erkundigte er sich nach meinem Wohlergehen, denn sie sagte irgendwann (ich glaube sogar: lächelnd) "Papa geht es nicht so gut, er hat heute Morgen schon vom Weltuntergang gesprochen."
"Weltuntergang?!", rief die Tochter erschrocken, "Aber ich hab doch noch gar kein Abitur!" Nun hat sie es längst. Und die Welt ist immer noch da.

Axel Hacke, Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte

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SWR Kultur Wort zum Tag

26JUL2024
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„Die Tiere bekommen als erste ihr Futter“ hat mir meine Großmutter erklärt. Dabei hat sie ihren Kanarienvögeln einen Schnitz Apfel in den Käfig geschoben und Körner und Wasser in Schälchen gefüllt. Ich war etwa fünf Jahre alt und fand diesen Satz im besten Sinne des Wortes merk-würdig. Ich habe ihn mir bis heute gemerkt, obwohl ich selbst nie ein Tier besessen habe. Für mich steht der Satz meiner Großmutter stellvertretend für eine Haltung, die die eigene Person zurücktreten lässt gegenüber anderen, die bedürftig sind. Eben nicht „Me first“, sondern zuerst die Schwächeren, die, die sich nicht selbst helfen können. Sogar ich, das von ihr über alles geliebte Enkelkind, musste mit dem Frühstück warten, bis die Kanarienvögel versorgt waren. Dann erst bekam ich mein Müsli. Meine Großmutter hat ihren Satz übrigens ganz entschieden vorgebracht. Da gab es keine Diskussionen. Die Tiere kommen zuerst dran. So ist es eben. Ich habe damals nicht nur gelernt, dass – jedenfalls für meine Großmutter – die Kanarienvögel am Morgen Vorrang vor den Menschen haben, sondern auch, dass man nicht verhungert, wenn man mal auf das Essen wartet. Im Gegenteil schmeckt das Frühstück sogar viel besser, wenn man vorher einem kleinen Geschöpf das Lebensnotwendige gegeben hat.

Was das Verhungern betrifft: Meine Großmutter hat im Krieg noch selbst gehungert. Noch schlimmer war für sie, dass sie ihr Kind – meinen Vater - nicht jeden Tag satt bekommen hat. Diese Erfahrung hätte ja auch dazu führen können, sich in späteren, guten Zeiten, den Teller randvoll zu häufen, ohne an andere zu denken. Und zwar als erste Tat am Morgen. Doch meine Großmutter hat Haltung bewiesen. Im Krieg und danach. Krieg und Hunger können dazu führen, dass Menschen sich ent-menschlichen. Dass sie ihre Werte verlieren, und ihre Einstellung zum Leben. Meine Großmutter hat das nicht zugelassen. Für sich nicht – und nicht für ihre Familie. Die christlichen Werte, die sie einmal gelernt hatte – Nächstenliebe, Barmherzigkeit, das Eintreten für Gottes Geschöpfe – die hat sie auch in der Not nicht vergessen und dies an ihren Sohn weitergegeben, auch zu Zeiten, als sie ihm zu ihrem Schmerz nicht ausreichend Brot geben konnte. Und später, in besseren Zeiten, an mich, ihr Enkelkind. Und mir den Teller mit einem jedenfalls immer ganz randvoll gefüllt: mit sehr, sehr viel Liebe.

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SWR4 Abendgedanken

26JUL2024
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Als ich ein Schüler war, da habe ich immer gedacht: Menschen, die 60 Jahre alt sind, sind uralt und eigentlich fast schon tot. Jetzt bin ich 60 Jahre alt. Und ich fühle mich noch überhaupt nicht tot. Ich fühle mich noch ziemlich lebendig. Ich stehe noch mitten im Beruf, meine Kinder sind teilweise noch in der Ausbildung und ich freue mich über fünf Enkelkinder. Da ist noch ganz schön viel Leben drin. Hätte ich als Schüler nicht gedacht.

Und dennoch ist mir eines bewusst geworden: Auch wenn ich noch ziemlich lebendig bin, meine Lebenszeit ist dennoch begrenzt. Ich habe definitiv schon viel mehr Jahre hinter mir als noch vor mir. Die Zeit verfliegt immer schneller. Und darum muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass nicht mehr alles in meinem Leben möglich ist, was ich mir vielleicht wünschen würde. In sieben Jahren gehe ich spätestens in Rente. Ich muss mir überlegen, was ich noch in meinem Beruf schaffen kann – und was nicht mehr. Meine Kraft ist begrenzt. Ich kann keine Nächte mehr durcharbeiten und leider auch keine mehr durchfeiern – so wie früher - ohne am nächsten Tag völlig k.o. zu sein. Meine Ziele sind begrenzt. Ich werde auch nicht mehr jedes Land bereisen können, das ich gerne noch sehen würde. Und ich kann nicht mehr jedes Buch lesen, das mich interessiert. Ich fange an, meine Begrenztheit zu begreifen und damit zu leben.

Und ich frage mich viel mehr als früher: Was ist wirklich wichtig? Wofür will ich meine verbleibenden Jahre einsetzen? Auf was kann ich verzichten? Ich merke, dass mir Menschen und die Zeit mit ihnen wichtiger geworden sind. Begegnungen, gute Gespräche, zusammen zu essen und zu reden und zu lachen. Das ist wichtig. Und ich frage mich jetzt immer öfter: Was hat Gott noch mit mir vor?

In der Bibel heißt es mal im Psalm 91: „Gott, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“. Das Sterben kann ruhig noch etwas warten. Aber klug möchte ich heute schon werden. Oder mit einem anderen Wort: weise. Ich will meine Jahre im Vertrauen auf Gott weitergehen. Auch wenn nicht mehr alles im Leben möglich ist, wird er mir das geben, was wirklich zählt. Darauf vertraue ich, wenn ich jetzt 60 geworden bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40312
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26JUL2024
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Selbstgemachter Kartoffelsalat. Lecker. Die Pellkartoffeln kocht man am Vortag. Warum, weiß ich nicht mehr, aber so habe ich es von meiner Mutter und meiner Großmutter gelernt.

Beim Pellen der Kartoffeln merke ich, dass die Schale nicht überall gleich gut abgeht, manchmal bleibt etwas Kartoffel an der Schale hängen. Egal, kommt nachher in die Ökotonne. Vielleicht freuen sich irgendwelche Kleintiere darüber, wenn sie im Ökoabfall Kartoffelreste finden.

Und dann schießt mir ein Gedanke in den Kopf, der mich nicht loslässt:

Wie könnte man aus diesen Kartoffelschalen mit etwas Zwiebel oder irgendwas anderem eine Wassersuppe mit ein paar Kalorien für hungrige Kinder kochen.

Ich schäme mich, dass ich diese Lebensmittelreste so gedankenlos wegwerfe. Es gibt 735 Millionen Menschen auf der Welt, die hungern. Die Zahl ist von 2022, aktuell sind es bestimmt noch mehr. In den Kriegsgebieten natürlich, aber auch einfach so, weil die Menschen so sind, wie sie sind. Die Erde könnte alle Menschen ernähren.

Meine Mutter hat noch die Hungerjahre nach dem 2. Weltkrieg erlebt und hätte nie ein Stück Brot weggeworfen. Ich mache das auch nur im Notfall, wenn das Brot schimmelig geworden ist. Aber über die Kartoffelreste an den Schalen hatte ich mir erst keine Gedanken gemacht.

Iss deinen Teller leer, die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie so viel zu essen hätten wie du, so sagte meine Oma. Hatten die Kinder in Afrika was davon, wenn ich aufaß – oder Reste bleiben? So was diskutierte man früher nicht.

Aber das Bild der Kartoffelreste an der Schale lässt mich nicht los.

Was kann ich tun? 

Ich gehe in mein Onlinebanking und überweise etwas Geld an eine Hilfsorganisation, die sich in Äthiopien engagiert. Von 15 Euro im Monat können zwei Kinder ein Jahr lang jeden Tag in der Schule Mittagessen.

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