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28MRZ2024
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Heute ist Gründonnerstag. Als Kind habe ich gedacht, Gründonnerstag heißt so, weil es wieder grün um einen herum wird. Aber vermutlich geht es eher auf das althochdeutsche Wort „greinen“ zurück - das heißt so viel wie „weinen“. Und das ergibt ja auch Sinn, am Tag vor Karfreitag.

In der Bibel wird erzählt, wie Jesus die Nacht von heute auf morgen in Todesangst verbracht hat (Mt 26,17-56). Mit seinen engsten Freunden flieht er in den Garten Gethsemane. Er möchte beten. Die Freunde sollen ein wenig abseits wachen. „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“, sagt er. „Bleibt hier und wacht mit mir.“

In der Stille des Gartens wirft er sich auf die Erde und bringt seine entsetzliche Angst vor Gott. Und seinen innigsten Wunsch:

„Vater, ist´s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen.

Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Dreimal betet er so, zerrissen zwischen göttlichem Auftrag und menschlicher Angst. Er möchte weiterleben und nicht diesen furchtbaren Tod erleiden. Und zugleich gibt er sich unendlich vertrauensvoll in Gottes Hand.

Während Jesus um sein Leben und Sterben ringt, schlafen seine Freunde ein.

Sie sind so müde und die Todesangst ist so fern...

„Konntet ihr nicht eine Stunde wachen?“, fragt Jesus, als er sie so findet. Und man hört den Vorwurf. Die Enttäuschung. Und die abgrundtiefe Einsamkeit.

Aber eben das ist die Welt, für die er sterben wird:

Eine Welt voller Unzulänglichkeiten. Voller Abgründe. Voller Grausamkeit und himmelschreiender Ungerechtigkeit. Und voller Hass. Und zugleich eine Welt voller Leben und Freude und unergründlicher Schönheit. - Es ist die Welt, die Gott liebt.

Diese göttliche Liebe ist in Jesus Mensch geworden. Eine menschgewordene Liebe, die den Hass überwinden wird, indem sie sich ihm vollkommen ausliefert; bis ans Kreuz, bis in den Tod.

Aber auf den Trümmerfeldern von Tod und Zerstörung wird die Liebe Gottes auferstehen. Denn sie ist stärker; stärker als jeder Tod.

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27MRZ2024
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So eine Szene kommt in jedem besseren Krimi vor:

Da ist jemand getötet worden. Und eine völlig unverdächtige Person aus dem Umfeld gibt sich die Schuld: „Es ist alles meine Schuld“, bricht es aus ihr heraus. Und immer, wirklich immer, ist die Reaktion wie folgt:

Augenblicklich versucht jemand reflexartig, diesem Menschen die Schuld wieder auszureden: „Nein, das ist nicht Ihre Schuld“ beteuert beispielsweise die untersuchende Kommissarin.

Und das, obwohl es nie funktioniert.

Die Schuld geht davon im Krimi genauso wenig weg wie im richtigen Leben.

Aber warum ist das so? Weil alle aneinander vorbeireden.

Für die Außenstehenden ist die Sache klar: Da gibt es eine echte, nachweisbare Schuld. Und eine gefühlte - oder auch nur eingebildete - Schuld. Und von dieser Beurteilung möchten die Außenstehenden dann auch die betroffene Person überzeugen, die sich die Schuld gibt.

Aber die ist gerade ganz woanders. Sie befindet sich in einer Spirale der Selbstvorwürfe. Das gehört dazu, wenn man einen nahen Menschen verloren hat. Schuldvorwürfe und Selbstanklage sind - wenn man so will - der Preis für eine intensive Beziehung. Die Zuneigung und die Liebe löscht der Tod ja nicht einfach aus.

Und deshalb nehmen Schuldgedanken einen so großen Raum ein.

Es reicht auch nicht, dass man sie einmal denkt. Oder zweimal. Schuldgedanken kreisen und kreisen... Und Fragen und Zweifel wiederholen sich tausendfach...

Aber nicht, um Antworten zu hören; oder gar, um korrigiert zu werden.

Sie sind der Ausdruck tiefer Not.

Und das ist das große Missverständnis.

Für mich als Außenstehende sind diese Selbstvorwürfe kaum zu ertragen.

Sie kommen mir vor wie die reine Selbstquälerei.

Deshalb möchte ich die Qualen des anderen auch so gerne beenden.

Aber dagegen wehrt sich der trauernde Mensch. Er fühlt sich nicht verstanden. Denn es geht nicht um meine Sichtweise, es geht um seine. Und die Frage nach Schuld und Unschuld - die ist ein Teil von ihm in seiner Trauer. 

Auch wenn es schwer ist: Es gibt keinen schnellen Ausweg aus dem Leid.

 (Literaturhinweis: Chris Paul: Schuld / Macht / Sinn)

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26MRZ2024
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Fromme Sprüche sind alles andere als fromm. Jedenfalls dann, wenn ich sie nur benutze, um mich dahinter zu verstecken. Aus Verlegenheit. Oder weil ich nicht weiß, wie ich mein Mitgefühl ausdrücken soll. Aber dann ist es allemal besser, nichts zu sagen und zu schweigen. Denn so ein dahergesagter Spruch kann ungeahnte Folgen haben. 

Ich hab das mal erlebt, im Krankenhaus. Da sitze ich bei einer Patientin am Krankenbett, die erfahren hat, dass ihre Erkrankung nicht mehr heilbar ist.

Plötzlich kommt Besuch hereingeschneit. Und als die Patientin unter Tränen erzählt, was der neueste Stand ist, sagt die Besucherin nach einer kleinen Pause: „Gott lädt keinem mehr auf, als er tragen kann.“

Vermutlich ist ihr gerade nichts anderes eingefallen. Vermutlich hat sie gedacht, das tröstet. Vermutlich...

Aber bewirkt hat sie das genaue Gegenteil:

Die Patientin sieht kurz aus, als hätte man sie geohrfeigt. Dann zeigt sie mit dem Finger auf die Tür und sagt: "Bitte, geh jetzt!"

Die Besucherin verlässt erschrocken das Zimmer. 

„Es tut mir leid“, sagt die Patientin zu mir, „aber das konnte ich keinen Augenblick länger ertragen. - Was maßt sich dieser Mensch eigentlich an? Kommt hier reingeplatzt, macht mein Elend klein und erklärt mir dann auch noch, dass Gott mir das höchstpersönlich aufgeladen hat. Muss ich mich jetzt auch noch verhöhnen lassen!?“

Als sich ihr Zorn gelegt hat, fragt sie mich:

„Glauben Sie das: Gott lädt keinem mehr auf, als er tragen kann?“

„Nein“, sage ich. „Ich glaube nicht an einen Gott, der sich überlegt, welches Leid er, wem am besten aufladen kann. Und es stimmt auch nicht, denn es gibt unendlich viele, die unter ihrer Last zerbrechen.

Ich weiß keine Antwort auf das Leid: Woher es kommt... Wozu es gut ist...

Manchmal können wir einen Sinn darin finden; aber oft genug müssen wir mit der Sinnlosigkeit klarkommen. Nur..., seltsamerweise fühle ich mich Gott ausgerechnet dort am nächsten...“

Wir schweigen eine Weile. Es ist ein gutes Schweigen.

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25MRZ2024
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Gestern hat die Karwoche begonnen. Sie wird auch „stille Woche“ oder „Trauerwoche“ genannt. Weil Christen in dieser Woche an das Leiden und Sterben Jesu erinnern.

Die Karwoche ist auch die Woche der Trauernden; denn es geht auch um ihren Abschied und ihren Schmerz. Da kann die Karwoche wie eine kleine, schützende Pause wirken, vor dem Alltagstrubel.

Denn wer in Trauer ist, fühlt sich oft wie abgeschnitten von der Welt.

Für manche ist es kaum mehr möglich, unter Menschen zu gehen. Weil sie die Normalität nicht ertragen: Wie kann sich die Welt einfach so weiterdrehen, als ob nichts wäre? Wo ich doch das Liebste verloren habe...

Das ist schwer zu begreifen. Und tut weh.

Allein schon der Anblick eines Paares, das einander noch hat....

Oder der Anblick einer Familie, die komplett ist, kann mitten ins Herz treffen.

Ob man nun will oder nicht.

Eine Freundin, die ihren Mann verloren hat, beschreibt dieses Gefühl der Fremdheit so: „Es ist, als wenn ich in zwei Zügen unterwegs wäre, die nebeneinanderher fahren:

In dem einen Zug sitzt das ganz normale Leben. Da geht es unbeschwert zu:

Es wird gelacht, geschimpft und über das Wetter geredet.

Und in dem anderen Zug, da sitzt die Trauer. Das ist eine völlig andere Welt.

Da ist es still und leise. Traurig ist es da. Und düster...“

 

Meine Freundin erzählt, dass sie zwischen beiden Zügen hin und her wechselt.  Wenn sie mit Freunden unterwegs ist, und sich wohlfühlt, dann fährt sie mit im unbeschwerten Zug. Aber kaum endet eine schöne Situation, wird sie direkt wieder in den anderen Zug zurückkatapultiert. Da kann sie gar nichts gegen machen, und fühlt sich wehrlos und ausgeliefert.

Sie sagt:

"Das einzig gute ist: Wenn ich so zurückblicke, ist die Zeit in meinem unbeschwerten Zug immer länger geworden. Und die im düsteren Zug kürzer. Es dauert lange. Aber es wird besser."

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23MRZ2024
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„Alexa! Text vom Vaterunser!“. Ich war echt platt, als eine ältere Dame das mit einem breiten Grinsen im Gesicht rief. Bei der Dame war ich das allererste Mal zu Besuch. Ich habe eigentlich einen alten Menschen erwartet, dessen körperliche und vielleicht auch geistige Kräfte nachgelassen haben. Und wurde völlig von ihrem wachen Geist und der pfiffigen Ansage überrascht.

Kurz zuvor waren Tochter und Schwiegersohn nach Hause gekommen. „Sie haben Ihre Mutter gleich wieder für sich, wir wollen nur noch kurz zusammen das Vaterunser beten“, hab ich noch gesagt.  Und dann betete Alexa, die digitale Sprachassistentin, einwandfrei das Vaterunser-Gebet vor und sang sogar noch ein Kirchenlied dazu. Auch dafür hat die ältere Dame das Kommando gegeben. Wir haben alle herzhaft gelacht und zugleich hat mir die Dame unbewusst eine Lektion erteilt. Ausgerechnet mir, dem Mann von der Kirche.

Beten heißt nicht einfach, einen vorgegebenen Text herunterzuleiern. Beten soll uns bewusst machen, dass wir mit Gott und untereinander verbunden sind. Dazu braucht es eigentlich gar keinen vorgegebenen Text. Es braucht die Wachheit für das, worauf es ankommt. Die hat die ältere Dame gehabt. Und es scherzhaft mit ihrer Alexa zum Ausdruck gebracht.

Jetzt kann ich auch mit einem Lied von Alexa weiterziehen, hab ich mir gedacht: „Alexa, Narhallamarsch!“, hab ich noch gerufen und mich aus der heiteren Runde verabschiedet.

Ich bin froh, dass der Glaube so froh und frei machen kann, wie ich es bei der Dame gespürt habe. Und dass auch Gott anscheinend viel Humor hat.

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22MRZ2024
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Zu Beginn des letzten Schuljahres war ich im Dorf bei uns unterwegs. Es war um die Mittagszeit. Ein Junge stand mit dem Schulranzen auf dem Rücken am Straßenrand vor dem Zebrastreifen und schaute sich um. Weit und breit war kein Auto zu sehen.

Trotzdem blieb er blieb er da stehen und wartete. Bloß auf was?

Kurz darauf kam ein Auto die Dorfstraße entlanggefahren. Bevor es den Zebrastreifen erreichte, streckte der Junge die Hand aus. Das Auto stoppte und der Junge ging sichtlich vergnügt über den Zebrastreifen.

Ich musste schmunzeln. Sicher hatte der Junge gleich zu Beginn seiner Schulzeit Verkehrsunterricht. Er wollte ausprobieren, ob das, was er da gelernt hat auch tatsächlich funktioniert. Einfach die Hand ausstrecken und das Auto stoppt.  Und sicher hat er es auch genossen, dass ein Autofahrer ihm auf sein Handzeichen hingehorcht.

Kinder lernen gerade in ihren ersten Schuljahren unglaublich viel. Sie sind stolz, wenn sie etwas gelernt haben, das sie gleich anwenden können. Oft wollen sie ihr Wissen direkt anbringen und auch ihren Eltern oder Freunden sagen: „Du, ich hab was gelernt. Ich kann das jetzt!“. Das höre ich oft von Kindern in der Schule.

Die kleine Szene mit dem Erstklässler hat mir auch gezeigt: Ich kann selbst auch das Weltgeschehen im Kleinen mitbestimmen. Mit dem, was ich bin und mit dem, was ich gelernt habe. So wie der Junge, der mit einem Handzeichen das Auto gestoppt hat. Wenn ich zum Beispiel heute meinen Kollegen freundlich „Guten Morgen!“ sage, wird die Stimmung um mich herum schon anders.

Wie wäre es also, wenn ich selbst öfter mal darauf schaue, was ich alles kann? Und wie viel ich mit meinem Können bewegen könnte, wenn ich nur will. Auch heute wieder.

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21MRZ2024
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Das schöne Wetter lockt mich jetzt im Frühling hinaus in die Natur. Manchmal finde ich auch die Zeit für einen Ausflug und dann zieht es mich immer wieder mal zu den Klöstern in unserer Region. In den meisten dieser uralten Klöster sind schon lange keine Mönche mehr zu finden. Oft findet man nur noch die Ruinen vor. Und trotzdem ziehen mich diese Orte geheimnisvoll an. Sie strahlen eine besondere Ruhe und Kraft aus. „Bleib doch ein bisschen hier“, sagt mir eine innere Stimme manchmal an solchen Orten.

In vielen Fällen liegen sie auf einem Berg oder Hügel. Von da aus kann ich weit in die Ebene hinunterschauen. Bin ich auch irgendwie losgelöst, bin herausgehoben aus meinem Alltagstrott. Ich kann mit Abstand auf meine täglichen Probleme schauen und auf das, was mich sonst im Leben bewegt. Da oben komme ich zur Ruhe und kann durchatmen.

Der Mönch Benedikt muss gespürt haben, wie wohltuend so ein Rückzugsort auf einem Berg sein kann. Vielleicht hat er deswegen sein erstes Kloster auf dem Berg Montecassino bei Neapel gegründet. Vor beinahe 1500 Jahren war das. Benedikt hat die Klosterkultur nach Europa gebracht. Heute ist sein Todestag.

„Ora et labora - Bete und arbeite!“, so wird die Klosterregel von Benedikt erst lange nach seinem Tod zusammengefasst. Ich bin zwar kein Mönch, aber ich finde diese Regel ziemlich gut und gesund. Auch für meinen Alltag. Sie ist eine Erinnerung, immer mal wieder meine Arbeit zu unterbrechen und zur Ruhe zu kommen. Das muss nicht immer ein Ausflug zu einem alten Kloster auf dem Berg sein. Es genügt mir oft schon, für ein paar Minuten die Augen zu schließen. Durchatmen und zur Ruhe kommen. Auch das ist Gebet. Danach kann es weitergehen mit der Arbeit. Ora et labora. Bete und arbeite.

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20MRZ2024
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Ich wundere mich oft über Menschen, die viel wissen. Oder die meinen, viel zu wissen. Ist es nicht so, dass diejenigen, die wichtige Entscheidungen treffen müssen, den Eindruck machen, als wüssten sie genau, wohin es geht? Menschen, die zu jedem und zu allem was zu sagen haben. Mich nervt so etwas! Denn wie oft werden starke Meinungen später als Irrtümer entlarvt.

Dahinter steht das Bild vom starken männlichen Anführer, der genau weiß, was Sache ist. Leider ist unsere Öffentlichkeit voll von solchen Personen. Zum Bild vom starken Anführer gehört eine bestimmte Vorstellung von Kraft und Stärke: Nur wer sich rücksichtslos durchsetzt, wer laut ist, wer andere übertrumpfen kann und wer sich ja keine Blöße gibt, der ist ein Anführer. Für mich sind Donald Trump oder Putin die perfekten Karikaturen dieses Bildes.

Sicher, natürlich ist es richtig: um wichtige Anliegen zu vertreten, braucht es Durchsetzungskraft, keine Frage. Aber was wäre, wenn wirkliche menschliche Stärke etwas völlig Anderes bedeutet. Zum Beispiel, dass ich zugebe, viele Schwächen zu haben. Oder: wenn ich mir eingestehe, dass ich nicht auf alles eine Antwort habe. Oder dass ich nicht alles selbstverständlich nehme und es mir nicht nehmen lasse, über das Wunder des Lebens zu staunen.

Ich glaube, dass Menschen mit solchen Stärken unsere Welt zu einem besseren Ort machen können. Denn nur, wenn ich meine eigenen Grenzen kenne, kann ich auch die Grenzen von anderen anerkennen. Wenn ich weiter darauf beharre, immer recht zu haben, wird das auch der andere tun. Und dann werde ich es wieder tun, und so weiter und so weiter…

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19MRZ2024
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Meine Lieblingsstadt ist Lissabon, die Hauptstadt von Portugal. Neben verwinkelten Gässchen gibt es dort einen Stadtteil mit geraden Straßen und gleichmäßig aussehenden Häusern. Er passt nicht ganz ins Bild der Stadt.

Am 1. November 1755 zerstörte ein Erdbeben fast die komplette Innenstadt von Lissabon. Zwischen 30.000 und 100.000 Menschen starben damals. Der modern wirkende Stadtteil von Lissabon ist das wiedererrichtete Lissabon nach dem Beben.

Anfang Februar des letzten Jahres erschütterte ein schweres Erdbeben Nordsyrien und den Südosten der Türkei. Zehntausende Menschen kamen ums Leben. Die tägliche Nachrichtenflut hat dieses Ereignis schon fast wieder vergessen gemacht. Das Leid der Menschen ist aber immer noch sehr groß. Es fehlt an allem: Strom, Wasser, Nahrung und warmen Unterkünften.

Damals in Lissabon, vor fast 270 Jahren, löste das Erdbeben heftige Debatten unter den Gelehrten aus: wie konnte Gott so etwas zulassen? Die Frage bleibt aktuell – bis heute. Für mich als Christen ist diese Frage eine der wichtigsten überhaupt. Auch wenn es keine zufriedenstellende Antwort darauf gibt.  

Der Theologe Romano Guardini hat einmal gesagt: Wenn ich tot bin, dann möchte ich mich nicht nur von Gott befragen lassen. Dann möchte auch ich ihn fragen, warum es so viel Leid in seiner Schöpfung gibt. Und dann erwarte ich eine Antwort.

Ich finde diesen Gedanken entlastend. In der Bibel ist die Anklage Gottes sogar eine Form des Gebets, zum Beispiel in den Psalmen. Die Empörung über Gott macht das Leid zwar nicht kleiner.

Sie hilft mir aber, nicht mehr ganz so ohnmächtig zu sein, auch wenn es letztlich keine Antwort gibt.

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18MRZ2024
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Ob Verspätungen, Zugausfälle, Weichenstörungen oder Streiks – alle, die mit der Bahn unterwegs sind, können ein Lied auf die Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn singen. Mein Adrenalinspiegel steigt jedenfalls ungewöhnlich schnell an, wenn ich mal wieder im Zug sitze – und nichts geht vorwärts. Noch schlimmer als die regelmäßige Unzuverlässigkeit, ist für mich, dass man keine Durchsage im Zug macht. Man sitzt im Zug – keine Information, nichts passiert.

So nervig und dringend verbesserungswürdig der Zustand der Bahn auch ist. Ungewollt trägt sie zur Verbesserung der sozialen Stimmung in unserem Land bei. Das ergab neulich eine Studie. Wie das? Ganz einfach: noch beliebter als über das Wetter, ist es, über die Deutsche Bahn zu sprechen – bzw. zu lästern. Besonders dann, wenn sich Menschen zum ersten Mal treffen, ist das Thema Bahn ein sehr gutes Small-Talk-Thema.

Das Entscheidende dabei: Das Thema verbindet uns Menschen in Deutschland über die politischen Grenzen hinweg. Die Deutsche Bahn als Schmiermittel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das heißt natürlich nicht, dass es so bleiben sollte mit der Unzuverlässigkeit der Bahn.

Es zeigt mir aber, wie wenig es manchmal braucht, um Menschen zusammenzubringen. Ein gemeinsames Thema genügt und schon findet eine Begegnung statt, bei der man sich nicht sofort in Freund-Feind-Schemen verheddert. Den Kitt solch kleiner Themen haben wir heute dringend nötig, wo es immer schwieriger wird, Menschen unterschiedlicher Ansichten zusammenzubringen. Ich denke, wir sollten viel mehr Ausschau halten nach solchen kleinen Kitt-Mitteln, denn ohne sie, haben wir uns vielleicht irgendwann nichts mehr zu sagen.

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