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Es gibt noch Hoffnung. Das denke ich jedes Mal, wenn ich vor unserer Haustür sitze und den Bienen lausche. Um mich herum summt es mittlerweile nämlich gewaltig!
Das war schon mal anders. Vor ein paar Jahren ist mir miteinemmal aufgefallen:
Irgendwas vermisse ich. Ich wusste bloß zuerst nicht, was. Und dann bin ich draufgekommen: Es war das Summen und Brummen der Insekten. Es war weg; da war fast nichts mehr zu hören.
Was tun? Sofort bin ich losgezogen und habe ein Insektenhotel gekauft. Und dann habe ich es ganz stolz aufgestellt und mich gefühlt wie die Retterin aller Insekten.
Heute weiß ich, dass reine Bienenhotels besser sind; man beherbergt sonst womöglich Gäste, die den Bienen schaden...
Sei´s drum, jedenfalls, ich habe fortan stündlich nachgesehen, ob sich schon was tut, in meinem neuen Hotel. Aber nichts da: Keine Biene weit und breit.
Und auch das weiß ich heute besser: Die meisten Wildbienen nisten im zeitigen Frühjahr. Und ich bin mit meinem Hotel einfach zu spät dran gewesen. Aber im Jahr drauf ist es dort umso munterer zugegangen. Und seither nutzen ganz viele Bienen das Hotel und es werden mehr und mehr...
Mittlerweile stehen bei uns elf solcher kleinen Hotels - man könnte schon fast von einer Reihenhaussiedlung sprechen. Und ich habe den leisen Verdacht, ich werde schon unter den Insekten weiterempfohlen: „Hast du schon gesehen? Da steht schon wieder ein Neubau. Nichts wie hin!“
Es muss aber keine Hotelsiedlung sein. Auch schon ein Mini-Bienenhotel wirkt Wunder. Oder ein Blumenkasten mit Glockenblumen und Salbei. Die mögen Bienen. Und das Beste ist: Anders als viele Wespen interessieren sich die Wildbienen überhaupt nicht für uns und unsere Nahrung; und sie sind äußerst friedlich.
Wenn ich jetzt im Frühjahr vor unserer Haustür sitze, dann freue ich mich über das ganze Gesumme. Und ich fühle mich mit der Natur verbunden. Und mit meinem Schöpfer. Und denke: Ja, es gibt noch Hoffnung...
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„Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hinein-kommen“, hat Jesus einmal gesagt. (Lk 18,17)
Und er hat das nicht zu irgendwelchen Leuten gesagt; er hat es zu seinen engsten Vertrauten gesagt, den Jüngern. Die wollten ihn eigentlich gerade vor einer Gruppe Kinder abschirmen. Aber damit ist Jesus überhaupt nicht einverstanden gewesen. Und dann hat er diesen berühmten Satz gesagt.
Warum? Ich glaube, Jesus wollte den Jüngern etwas klarmachen.
Die Jünger haben ja ganz schön was auf sich genommen, als sie sich Jesus angeschlossen haben. Sie haben alles stehen und liegen lassen, um ein Leben als Wanderprediger zu führen. Und aus meinem spontanen Rechtsempfinden heraus würde ich behaupten:
„Die haben sich das Reich Gottes nun wirklich mehr als verdient!“
Und vielleicht haben die Jünger das auch manchmal so bei sich gedacht, wenn sie gerade frustriert waren; wenn sie Jesus mal wieder nicht so ganz verstanden haben und Kritik einstecken mussten... Vielleicht haben sie sich dann mit dem Gedanken getröstet: „Schön und gut, aber wenigsten das Himmelreich ist uns sicher!“
Und nun das! „Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“ Das bedeutet doch: ausgerechnet diejenigen, die noch nichts zustande gebracht haben und die nichts vorweisen können, die dazu noch schwach sind und bedürftig - ausgerechnet die sollen unsere wahren Vorbilder sein...? Ja, ist denn dann die ganze Anstrengung umsonst gewesen?
Aber dann kommt mir miteinemmal der Gedanke:
Wir sind doch alle einmal Kinder gewesen. Sie. Ich. Die Jünger. Alle Menschen. Wir alle tragen doch diesen Schatz noch in uns: Dieses kindliche Wesen, gerade mal dem Himmelreich entsprungen, noch so verletzlich und klein..., aber angefüllt bis an den Rand mit Vertrauen und Staunen.
Vielleicht sollten wir diesen Schatz mal wieder heben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37701„Handwerker müsste man sein“, denke ich manchmal. Ich finde das toll, was die alles so zustande bringen. Eben war der Wohnblock, in dem ich aktuell oft bin, noch eine Baustelle - jetzt ist er schon bewohnbar. Jeden Tag sieht man, wie es vorwärtsgeht; jeden Tag wird etwas fertig.
Da denke ich: Wie schön muss es sein, wenn man am Feierabend immer sieht, was man am Tag alles geschafft hat. Meine Arbeit ist nicht mit den Händen zu greifen. Oft kommt sie mir so flüchtig vor. Und da ist fast nichts, was ich vorweisen kann.
Vor ein paar Tagen bin ich wieder mal einem der Baggerfahrer begegnet. Ich hatte meinen kleinen Enkel auf dem Arm. „Du musst dich dann später schön anstrengen, in der Schule, damit du was lernst - und nicht als Bauarbeiter endest, wie ich“, hat er gesagt.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Und habe erschrocken geantwortet:
„Aber wie könnte das alles hier entstehen, wenn es keine Bauarbeiter gäbe - wie Sie?“ Da hat er verlegen gelächelt und hat sich wieder an die Arbeit gemacht.
Natürlich weiß ich, dass ein guter Schulabschluss und eine gute Ausbildung viel wert sind. Und natürlich beneide ich keinen um körperliche Schwerstarbeit bei Wind und Wetter und geringer Bezahlung.
Und dennoch passiert es mir immer wieder, dass ich bei anderen die Vorzüge ihrer Arbeit sehe, und an meiner eigenen eher die Nachteile.
Dabei habe ich einem Kollegen für exakt diese Sichtweise mal ordentlich den Kopf zurechtgerückt. Er hat neidisch auf die Ärzteschaft geblickt und hat gesagt:
„Die haben es gut, die können den ganzen Tag lang ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen und werden nicht andauernd von irgendwelchem anderen Kram aufgehalten.“
„Von wegen“, habe ich gesagt. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wieviel Zeit die allein mit dem Dokumentieren zubringen?“
Ja, und eigentlich weiß ich auch das: Vergleichen bringt nichts. Es genügt vollkommen, die Arbeit der anderen zu würdigen; und die eigene eben auch.
Aber ich falle halt immer wieder hinter mich selber zurück
Wie ist das bei Ihnen?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37700
Am Wochenende feiern wir Pfingsten. Gott schüttet sich in seinem Geist hinein in die Welt. Und gerade im Frühling scheint dieser Geist allgegenwärtig.
Und sooft ich kann, gehe ich jetzt eine Runde durch den Wald. Hier wird mein Herz weit, ich atme mit jeder Faser meines Körpers das Neue ein. Alle Sinne sind offen. Meine Augen sehen das frische Grün, das niemals so zart und wunderschön ist wie gerade im Mai. Meine Ohren hören das Zwitschern der Vögel, die vom Leben singen. Ich rieche den Flieder und bin wie betrunken von diesem Duft. Ich laufe durch den Wald und staune. Jedes Frühjahr neu, als sähe ich es zum ersten Mal. Und mein Herz ist voll und mein Mund singt eines meiner Lieblingsmailieder: Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottes Güt. Des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Und ich höre genau hin und ich weiß: Das Leben ist ein Geschenk. Und die Schöpfung in der ich lebe auch. Und gerade im Frühling habe ich den Eindruck, dass die ganze Schöpfung mitstaunt, dass sie lebt und wächst, grünt und blüht.
Doch all das Grün und das pralle Leben können nicht darüber hinwegtäuschen, wie bedroht die Schöpfung ist. Mir wird das wieder mal besonders deutlich, als ich in einer Ausstellung die Bilder eines Fotografen sehe. Er hat auf seinen Wanderungen durch den Pfälzer Wald die Folgen des Klimawandels eingefangen, vertrocknete Erde, abgestorbene Bäume, überflutete Städte. Und aus dem Staunen über die Schönheit der Schöpfung wird ein Seufzen, ein Schmerz über die Zerstörung.
Wenn ich auch in Zukunft noch durch Gottes Schöpfung laufen, staunen, loben und singen will, braucht es neben Gottes Geist auch meinen persönlichen Einsatz. Es ist nicht egal, wie ich lebe. Und jeden Tag neu kann ich mich entscheiden aus dem Staunen etwas wachsen zu lassen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37708„Die Tauben haben einen neuen Platz an der Kirche gefunden.“ Eine Kollegin zeigt mir ein Nest auf der Rückseite einer Säule an der Kirchentür. „Sie sind halt clever, stehen ja nicht umsonst für Gottes Geist,“ sagt sie und freut sich ein wenig schelmisch.
Es stimmt, die Taube ist ein Symbol für Gottes Geist. Als Jesus im Jordan getauft wird öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme erklingt: „Du bist mein geliebter Sohn.“
Wir stehen in der Küche des Pfarrhauses und blicken auf die Kirche. Die Kollegin hat mich eingeladen einen Gottesdienst mitzugestalten. Seit langer Zeit bin ich mal wieder in dieser Gemeinde. Als junge Pfarrerin war ich dort zusammen mit meinem Mann 12 Jahre tätig. Jetzt gehen wir gemeinsam durch unser ehemaliges Pfarrhaus und die Kollegin zeigt mir, wie sie und ihre Familie sich eingerichtet haben. Sehr schön sieht es hier aus und gleichzeitig ist der Besuch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Ich sehe auf einmal unsere drei Kinder als kleine Jungs durch Haus und Garten tollen, höre das Gackern der Hühner, sehe meinen Mann und mich über einem Gottesdienst brüten. Und ich bin auch ein wenig wehmütig. Wir hatten hier eine erfüllte Zeit mit Höhen und Tiefen einer jungen Pfarrfamilie.
Der Gottesdienst ist schön. Wir segnen eine junge Frau und ihre Familie. Wir singen und beten, zwei machen Musik, die früher schon in der Gemeinde musiziert haben. Ich sehe vertraute Gesichter und neue, werde umarmt und ausgefragt. Es ist viel passiert seit damals. Mein Leben hat sich sehr gewandelt. Und doch heute schwelge ich gerne in Erinnerung
Nach dem Gottesdienst feiern wir auf dem Kirchenplatz weiter. Dabei fällt mein Blick wieder auf das Taubennest. Und ich spüre in dem Moment. Im Wandel der Zeit, im Wandel des eigenen Lebens schüttet Gott seinen Geist aus und mit ihm ganz viel Liebe. Und weil es sie gibt, kann ich leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37707
„Bin gerade in der Wohnzimmerkirche… kleine Glücksnachricht.“ Das schreibt mir mein Sohn an einem Freitagabend. Seit 2 Monaten lebt er in Hamburg. Und schon bevor er umgezogen ist, hab ich ihm ständig in den Ohren gelegen: „Geh mal zur Wohnzimmerkirche. Das ist eine ganz neue Form von Gottesdienst. An einem Freitagabend mit Essen und Trinken. Statt Kirchenbänken stehen da Sofas in der Kirche, das Licht ist gedämpft, Lichterketten hängen rum.“ So habe ich ihm vorgeschwärmt. Also nicht, dass ich schon mal dort war, aber ich habe alles dazu gelesen, was ich finden konnte. Die Wohnzimmerkirche trifft meine Sehnsucht von Gottesdienst. Menschen kommen in der Kirche miteinander in Kontakt. Sie reden über Fragen des Lebens, singen miteinander, beten. Und das Ganze in Wohnzimmeratmosphäre. Hier ist gut sein und in kleinen Gruppen fällt es leichter über die Fragen des Lebens zu sprechen als in großer Runde. Keine lange Predigt, sondern der persönliche Austausch über mein Leben im Horizont meines Glaubens. Als mein Sohn die Wohnzimmerkirche besucht hat, ging es ums Glück. Was ist dir heute geglückt? Was macht dich glücklich? Mich hat seine Nachricht ganz glücklich gemacht, sie war ein Fenster zu meinem Sehnsuchtsort.
Für alle, die nicht in Hamburg wohnen, gibt es ein paar Tage später die Wohnzimmerkirche als Gottesdienst auf Instagram. Und so sitze ich an einem Sonntagabend auf meinem Sofa und feiere die Wohnzimmerkirche zum Thema Glück selbst mit. Digital kommen Menschen aus ganz Deutschland zusammen und hören Musik, beten miteinander und schreiben in die Kommentare, wo für sie das Glück wohnt, was ihnen heute geglückt ist und dass Glück auch bedeuten kann, Geld für ein Projekt zu spenden.
Für eine Stunde sind wir auf den Sofas Deutschlands eine geistliche Gemeinschaft und ich spüre, Gottes Geist kennt keine Grenzen. Digital oder analog, bei meinem Sohn in Hamburg oder bei mir in Kaiserslautern oder sonstwo. Gottes Geist verbindet und manchmal schenkt er dir mitten am Tag ein kleines Glück. Das wünsche ich Ihnen heute.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37706Für unser Büro haben wir einen neuen Computerbildschirm bekommen. Richtig groß! Das Teil ist wirklich super. Aber wenn ich daran arbeiten will, muss ich meinen Stuhl erst ein wenig nach hinten rücken. Erst so bekomme ich den vollen Überblick. Ein Stück zurück, um den Überblick zu behalten. Oft würde ich mir sowas auch in öffentlichen Debatten wünschen. Da macht zum Beispiel ein Politiker einen Vorschlag und schon geht’s ab im Netz. Abfällige Kommentare, hämische Bemerkungen. Ganz oft abwertend bis beleidigend. Ich gebe zu, manchmal ertappe ich mich auch selbst dabei, dass ich denke: „War ja klar! Was kann man von dem schon erwarten.“ Wenn ich ehrlich bin, ganz schön überheblich. Denn woher nehme ich eigentlich die Überzeugung, es besser zu wissen? Zu allem irgendeine Meinung zu haben heißt ja noch lange nicht, von allem auch Ahnung zu haben. Oft wäre es besser, mich erstmal selbst in der Sache kompetent zu machen, bevor ich mitrede.
Sicher, eine Demokratie lebt davon, dass Fragen kontrovers diskutiert werden. Dass man sich um die beste Lösung für alle auch offen streitet. Am besten mit heißem Herz, aber kühlem Kopf. Für mich gehören zwei Dinge unbedingt dazu: Solange da nicht gegen Menschen gehetzt und verleumdet wird, dem anderen zuzuhören. Wirklich aufmerksam zuzuhören! Das kann manchmal schwerfallen, wenn mir dieser Mensch vielleicht nicht sympathisch ist oder mir seine Argumente nicht passen. Und dann: Abwägen und Nachdenken. Auch darüber, ob nicht doch was dran sein könnte am Vorschlag des anderen.
In der Regel des Heiligen Benedikt, die der schon vor 1500 Jahren für seine Mönchsgemeinschaft aufgeschrieben hat, gibt es eine Stelle, die mich immer besonders beeindruckt. Wenn es um eine wichtige Entscheidung für die Gemeinschaft geht, dann soll nämlich nicht der Abt allein entscheiden. Vielmehr soll allen Mönchen aufmerksam zugehört werden, bis hin zum jüngsten Novizen. Denn vielleicht habe der ja gerade die Idee, die alle weiterbringt. Freiwillig ein Stück zurücktreten und anderen erstmal zuhören. Manchmal nicht die schlechteste Idee, um ans gewünschte Ziel zu kommen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37625Energiesparen war gestern. Inzwischen werden bedeutende Bauwerke nachts wieder angestrahlt. Auch Kirchen. Die meisten immerhin mit energiesparender LED-Technik. Ich bin da trotzdem hin- und hergerissen. Zum einen bin ich mir sicher, dass wir auch in Zukunft sparsamer mit Energie umgehen müssen. Zum anderen sind fast tausend Jahre alte Gebäude wie etwa die Dome in Speyer, Mainz oder Trier natürlich etwas ganz Besonderes. Die imposanten Kirchengebäude haben diese Städte oft über Jahrhunderte hinweg geprägt und machen sie heute einzigartig.
In Dresden hat sich die „Stiftung Frauenkirche“ nun dafür entschieden, die Beleuchtung nicht wieder einzuschalten. Die Vorsitzende der Stiftung begründet das mit dem Klimaschutz. Aber sie hat noch etwas gesagt und das hat mich besonders nachdenklich gemacht. Die Kirche strahle ja schließlich von innen, meinte sie. In diesem Fall war das wohl ganz wörtlich gemeint. Dass das Licht ja durch die großen Fenster nach außen strahlt, wenn es dunkel wird und die Frauenkirche innen erleuchtet ist. Ich finde aber, das Bild sagt noch sehr viel mehr, im übertragenen Sinn. Denn das scheint mir gerade das Problem der großen Institution Kirche zu sein, dass sie inzwischen kaum mehr von innen leuchtet. Dass sie vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und deshalb kaum noch Licht in die Welt und die Gesellschaft ausstrahlen kann. Und wenn das so ist, dann bringt es tatsächlich auch nicht viel, im Scheinwerferlicht zu stehen. Angestrahlt zu werden. Denn dann sind da zwar imposante Mauern, Jahrhunderte alt, in deren Innern es aber dunkel geworden ist.
Ich bin dennoch überzeugt, dass das Licht auch drinnen noch nicht erloschen ist. Weil in den Menschen, die die Kirche ausmachen, der Glaube an Gott noch immer lebt. Und weil die christliche Hoffnung nicht klein zu kriegen ist. Die Hoffnung, dass am Ende das Leben gewinnt, auch wenn scheinbar alles dagegenspricht. Die Hoffnung darauf, dass es Gerechtigkeit gibt, auch wenn es so oft anders erscheint. Weil am Ende vor Gott kein Täter davonkommen und kein Opfer vergessen sein wird. Dieser Hoffnung eine Stimme zu geben, das ist Aufgabe der Kirchen. Dann können sie auch etwas ausstrahlen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37624Es ist ein Ort des Grauens. Die Gedenkstätte Plötzensee in Berlin-Charlottenburg. Im Schatten der Justizvollzugsanstalt steht der Schuppen, in dem die Nationalsozialisten fast 3000 Frauen und Männer hinrichteten. Die meisten von ihnen waren Widerstandskämpfer. Sie kamen aus rund 20 Nationen. Bis 1942 starben sie durch das Fallbeil, danach durch den Strang. An einem Balken sieht man noch einige der Fleischerhaken, an denen die Verurteilten aufgehängt wurden.
In der Nähe dieses schrecklichen Ortes wurde vor 60 Jahren die Kirche Maria Regina Martyrum, „Königin der Märtyrer“, geweiht. Sie soll die Erinnerung an jene mutigen Menschen bewahren, die sich dem mörderischen NS-Regime entgegenstellten.
Das haben sich auch die Ordensschwestern im benachbarten Kloster zum Ziel gesetzt, das seit 1982 besteht. Die Nonnen kamen damals aus dem Konvent in Dachau, wo die Karmelitinnen neben dem ehemaligen Konzentrationslager einen Ort der Stille und des Gebets geschaffen haben.
In Plötzensee findet jedes Jahr am 20. Juli ein ökumenischer Gottesdienst statt, zu dem sich die Angehörigen der Widerstandskämpfer um den Hitler-Attentäter Claus Graf Schenk von Stauffenberg treffen. Dessen Bruder Berthold wurde ebenso in Plötzensee erhängt wie Helmut James Graf von Moltke oder der Jesuitenpater Alfred Delp.
Die Ordensfrauen in Plötzensee haben aber auch die Gegenwart im Blick. Krieg, Unrecht und Gewalt sind ja nicht verschwunden. Jeden Tag beten die Nonnen für den Frieden in der Welt. Und das tun sie nicht allein. So nimmt auch eine junge Frau, die aus der Ukraine nach Berlin gekommen ist, am Gebet in der Krypta der Kirche teil. Sie sorgt sich um ihre Familie, die in der Heimat zurückbleiben musste. Die Ordensschwester Mirjam (OCD) weiß:
„In Gemeinschaft ist es leichter, einer Hoffnung auf Frieden Ausdruck zu verleihen, einer Hoffnung, die wir nicht aufgeben möchten und nicht aufgeben dürfen.“1
1: zitiert nach: Fürbitten. Jesuiten. Nr.1/2023. S. 14-15
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37623Heute feiert die katholische Kirche den Namenstag des Johannes von Nepomuk. Die meisten kennen ihn als „Brückenheiligen“. Vielerorts erinnert eine Figur an diesen böhmischen Priester aus dem späten Mittelalter. Die sicher bekannteste Skulptur steht auf der Karlsbrücke in Prag. Hier wurde der Geistliche auf Befehl des Königs nach schwerer Folter in die Moldau geworfen und ertränkt. Hintergrund des Verbrechens war ein Streit zwischen dem König und der Kirche.
Fast 300 Jahre lang stand auch eine Nepomukfigur auf der Flussbrücke im kleinen Ort Rech im Ahrtal. Dann kam die entsetzliche Flut am 14. Juli 2021. Die Wassermassen rissen einen Teil der Brücke weg, auch den Hl. Nepomuk. Die Ruine wurde zu einem Sinnbild der Katastrophe, der 134 Menschen zum Opfer fielen. Und wie wir heute wissen, hätten die meisten Anwohner gerettet werden können. Noch immer leiden die Betroffenen unter den Folgen der Flut. Der Wiederaufbau kommt mancherorts nur mühsam voran. Und die bohrende Frage bleibt: Wie konnte sich so etwas ereignen?
Wer für das Desaster juristisch verantwortlich ist, das prüfen Staatsanwaltschaft und Gerichte. Parallel versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtags das Geschehen aufzuklären.
Worauf viele Menschen im Ahrtal aber noch immer warten, das bringt Werner Michael Minwegen auf den Punkt. Seine Eltern kamen bei der Flut ums Leben. Er beklagt: „Ich hätte mir eine ehrliche Entschuldigung gewünscht. Doch zu der ist es leider bis heute nicht gekommen.“1 Das kostbarste Gut einer Gesellschaft ist das gegenseitige Vertrauen.
Das aber kann nur wieder wachsen, wenn die Verantwortlichen die Kraft haben, die Betroffenen an der Ahr um Vergebung zu bitten.
Übrigens: Bei den Aufräumarbeiten fand man die kopflose Nepomukfigur. Sie wurde restauriert, mit einem neuen Kopf versehen und auf der Ruine der Brücke wieder aufgestellt. Und so ist der Hl. Nepomuk für die Einwohner von Rech zu einem Zeichen der Hoffnung geworden.
1: zitiert nach: Die Flutkatastrophe an der Ahr – Fehler, Folgen und Verantwortung. Eine SWR-Dokumentation, 2023. (43:22-43:30 min)
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