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24APR2024
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Es gehört zu den kürzesten Worten und wird heute in vielen Standesämtern, auch in Kirchen gesprochen: Ja. Zwei Buchstaben, ein Versprechen.

Heute ist der 24.04.2024 und der Tag wird wie andere dieser Art von Vielen zum Ja-Sagen gewählt. Es gibt mehr Buchungen bei Standesämtern als an anderen Mittwochen und in vielen evangelischen Kirchen finden heute Trauungen statt. Pfarrerinnen und Pfarrer laden heute bewusst Menschen ein, die ohne die ganz große Feier, ohne viel Drumherum einfach Ja sagen möchten. Sie öffnen dafür ihre Kirchen und Kirchgärten und tun, was wir immer tun: Wir sprechen ein „Amen“ auf das „Ja“ von zwei Menschen. An einem Mittwoch, dem 24.04.24.

Eva, sie ist Mitte 60, wird heute Nachmittag zusammen mit Thomas in eine Kirche kommen. Es war geplant, dass sie jeweils selbst ein Versprechen formulieren und sprechen. Ein paar Tage vorher hat Eva dann der Pfarrerin, die sie trauen wird, gemailt:

Wir finden keine Worte. Ach, wir finden zu viele Worte. Wir verlieren uns, uns fällt immer noch was Wichtigeres ein, was wir dem anderen sagen möchten. Und wissen doch beide, nach all diesem Leben, dass es nicht die Menge an Worten ist. Eigentlich ist’s für uns schon viel, dass wir uns überhaupt trauen, uns dieses Versprechen zu geben, dass wir füreinander gut sein wollen. Obwohl wir ganz genau wissen, dass wir uns auch wehtun werden.

Können wir’s so machen“, so endet die Mail, „dass Sie einfach fragen und wir antworten: Ja?“

Manchmal, wenn es sehr wichtig ist im Leben, dann ist es gut, wenn wir einfach gefragt werden. Und nur antworten müssen. Nicht selbst Worte finden. Nicht an Worten verzweifeln, die nicht ausreichen. Nicht eitel werden an Worten, die mir allzu gut gefallen.

Heute Nachmittag werden die beiden – so wie viele andere – antworten: Ja.
Und bei Trauungen in den Kirchen und Kirchgärten werden die Menschen antworten: Ja, mit Gottes Hilfe. Weil wir für die wirklich großen Versprechen noch mehr brauchen als das, was Menschen versprechen können.

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23APR2024
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Es ist schon ein paar Jahre her, da wurde das schönste deutsche Wort gesucht. Es gab viele Einsendungen mit ganz normalen und ganz besonderen Worten. Viele Vorschläge sind von Leuten gekommen, für die Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Teresa aus Spanien sagt zum Beispiel: „Fernweh ist für mich das schönste deutsche Wort, denn es erklärt den Schmerz, den man manchmal fühlt und für den es kein spanisches Wort gibt.“

„Fernweh“ kennen nur wenige Sprachen, trotzdem ist es vielen Menschen bekannt. Und es überkommt uns, wenn wir an einem Bahnsteig stehen – ganz unvermittelt, selbst wenn an der Anzeigetafel nur Koblenz-Hauptbahnhof steht. Erst recht in der Abflughalle eines Flughafens, besonders dann, wenn wir nur dort sind, um jemand abzuholen.

Fernweh haben vielleicht nur Menschen, die ein Zuhause haben. Und wir sollten es auf keinen Fall verwechseln mit dem inneren und äußeren Druck, den Menschen empfinden, die ihre Heimat unter widrigen Bedingungen verlassen.

Wenn ich die Vorschläge für das „schönste deutsche Wort“ all derjenigen lese, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben, dann werde ich klüger und muss auch schmunzeln: Doppelhaushälfte ist auch dabei. So ein Wort muss einem erstmal einfallen! Da wird ein Haus verdoppelt, um dann einen korrekten Begriff für das halbe Haus zu finden…

Sprache, Worte, sie sorgen dafür, dass wir uns verstehen, dass wir uns von dem erzählen können, was uns wirklich wichtig ist. Sogar diese komischen Empfindungen in Worte fassen, wenn wir Flugzeuge starten sehen.

Als Menschen angefangen haben aufzuschreiben, wie die Welt und die Menschen entstanden sind, da haben sie sich vorgestellt, dass Gott den Menschen bittet, allen Pflanzen und Tieren ihren Namen, besser: ihr Wort, zu geben. Sie zu bezeichnen.

„Fernweh“ hat übrigens diesen Wettbewerb um das schönste deutsche Wort nicht gewonnen. Doppelhaushälfte auch nicht. Sondern „Habseligkeiten“. Auch eins von diesen wunderbaren Worten, die die wir uns ausgedacht haben, um uns die Welt zu erschließen.

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22APR2024
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Es ist Montag und der hat ja bei manchen ein schlechtes Image. Außer vielleicht bei Friseurinnen und Friseuren. Die haben frei. Was aber auch nicht mehr für alle stimmt.

Jana mag Montage. Sie ist Busfahrerin, ihre Tour geht montags morgens um 6.20 Uhr los. Sie findet, der Montag verdient mehr Aufmerksamkeit als die anderen Tage. „Guten Montag“, sagt sie deshalb statt, „guten Morgen“. Manche, die einsteigen, verziehen das Gesicht. Sie denken wahrscheinlich daran, wie lang es noch bis zum nächsten Wochenende dauert.

Ängstlich gucken diejenigen, denen in dieser Woche schweres bevorsteht. Montags, wenn die Woche anbricht, wirkt es so als würde die ganze Last der Woche auf einmal anstehen. „Guten Montag!“, ruft Jana deshalb nicht mit einem Grinsen, sondern ganz neutral. Jana weiß, dass Montage auch schwer sein können.

Sie mag die Schulkinder, vor allem die Kleinen, die sich montags immer am allermeisten zu erzählen haben.

Jana mag auch den Mann mit der Mütze. Er fährt nur manchmal montags mit. „Guten Montag“, sagt sie während er seine Karte rauskramt. Und er schaut hoch, als sei sie seit Freitag der erste Mensch, der mit ihm spricht. Vielleicht ist’s ja auch so. Für manche ist der Montag ein Segen. Sie alle sitzen montags so zusammen im Bus.

Vor langer Zeit haben Menschen aufgeschrieben, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat. Irgendwann musste es angefangen haben mit der Welt. Und mit Gott. Vielleicht hatte der erste Tag damals auch schon so ein schlechtes Image. Weil wir Menschen immer ein bisschen Angst haben, wie wir alles schaffen sollen.

In der Bibel geht am ersten Tag alles mit zwei Wörtern los: Es werde.
Zwei Wörter, die der Startschuss sind für ein ganzes Gewusel an Stimmen, Ihre, meine, eben alle Stimmen. Stimmen, die sich austauschen, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Zwei Wörter, die das Chaos am Anfang der Welt ordnen. Und am Anfang der Woche wohl auch.

„Guten Montag!“, sagt Jana, die Busfahrerin. Und nimmt dem Montag ein bisschen von seinem schlechten Image. Was zwei Wörter alles können.

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20APR2024
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Mitten in der vielfältigen Kirchenkrise ermutigt mich, wie Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umgeht. Er ruft seine zwölf engsten Freunde zusammen und sagt ihnen: Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!

Hier mutet Jesus seinen Anhängern eine Menge zu – Kranke heilen, sogar Tote auferwecken. Wunderbare Heilungen waren zur Zeit Jesu nicht so außergewöhnlich wie sie uns heute erscheinen. Sie waren jedoch einzelnen Wundertätern vorbehalten. Jesus aber beauftragt gleich eine ganze Jüngerschar. Und er mutet ihnen das nicht nur zu, er traut es ihnen auch zu. Er verleiht ihnen dazu seine Vollmacht. Er hütet seine Sendung und Vollmacht nicht ängstlich wie ein Magier sein Geheimwissen oder ein Zauberkünstler seine Tricks. Sondern er gibt sie weiter an seine Jünger. Er beteiligt sie aktiv an seinem großen Heilswerk. Das ist überraschend, wenn nicht ein Wunder. Und ein weiteres Wunder ist: Die Jünger machen mit. Sie sind Fischer, Steuereinnehmer und anderes, aber keine Mediziner oder Wunderheiler. Keiner sagt, tut mir leid, wie man mit Netzen und Steuern umgeht, das weiß ich, aber für’s Medizinerhandwerk habe ich zwei linke Hände. Sie vertrauen auf Jesus, auf die ihnen verliehene Kraft – und legen los. Und später wird Jesus noch viel mehr Menschen aus seiner Anhängerschaft beauftragen und so seinem Werk Breite und Wirkung verleihen.

So schickt Jesus voller Vertrauen seine Leute los: Er mutet ihnen etwas zu, aber er traut es ihnen auch zu. Er gibt ihnen reichlich von seinem eigenen Vermögen, seiner eigenen Vollmacht. Und er grübelt nicht, ob die Frauen und Männer wohl genug wissen und können, um dem Auftrag gerecht zu werden.

Ich finde das ungeheuer ermutigend für jede und jeden, die heute versuchen, an dem Werk Jesu mitzuarbeiten. Aller Schuld, allem Zweifel, allem Versagen zum Trotz dürfen Christinnen und Christen auf diesen Auftrag vertrauen. Weil Jesus es ihnen zutraut.

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19APR2024
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Worte können verletzen, ja regelrecht vernichten. Anfeindungen und Drohungen in den sozialen Netzwerken, Kränkungen und Beleidigungen perlen nicht einfach ab. Sie machen Angst und verwunden. Ehrenamtliche geben ihr Engagement auf, Kommunalpolitiker ihr Amt, weil sie den Shitstorm, die Anfeindungen gegen sich und ihre Familien nicht mehr ertragen. Dabei hat die Anonymität eine besondere Bedeutung: Sie erleichtert hinterhältige Gemeinheiten und erschwert die Gegenwehr.

Das Problem ist nicht neu, es existiert nicht erst mit dem Internet. Die Bibel ist voller Klagen über Verleumdung, Spott und üble Nachrede. Zunge und Mund, aus denen die verletzenden Worte kommen, werden als scharfes Messer, als Schwert und spitze Pfeile bezeichnet, die schlimmstenfalls töten können. Kein Wunder, dass viele Beter sich an Gott wenden und um Schutz bitten vor übler Nachrede und Beschimpfung.

Die Bibel schaut aber auch auf die Spötter, Lügner und Verleumder und was ihre hasserfüllten Reden mit ihnen selbst anstellen. Wer hasst, schadet nicht nur seinem Opfer, er verdirbt sich selbst, bringt sich selbst in Schwierigkeiten. Denn Hass ist wie ein seelischer Krebs, er verzehrt den Hassenden von innen, bringt ihn um gute Tage und verdunkelt sein Leben. Ganz anders, wer sich von Verleumdung und Lüge fernhält. Den vergleicht die Bibel mit einem lebendigen Baum, der ans Wasser gepflanzt keinen Mangel leidet, sondern Blätter treibt und Früchte bringt. Einfach mal den Mund halten und Ärger oder Wut nicht in die Tasten hacken – dann geht es einem vielleicht selbst besser.

Das hilft aber nicht denen, für die Hassreden im Netz ein Weg sind, sich selbst aufzuwerten, sich wichtig zu machen. Denn durch Schweigen und Selbstbeherrschung fällt man im Netz nicht auf. Hier macht die Bibel einen anderen Vorschlag: Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen, verschaffe dem Bedürftigen und Armen sein Recht. Auch mit dem Einsatz für andere kann ich mir Gewicht verschaffen und Bedeutung – ohne dass es mich innerlich zerfrisst.

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18APR2024
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Ich höre und lese es immer wieder: Die jungen Leute wollen nicht mehr so viel arbeiten. Sie wollen nicht mehr all ihre Kraft und Energie in Beruf und Karriere stecken. Sie wollen mehr Zeit für sich, für Familie und wichtige Dinge außerhalb der Erwerbsarbeit. Die junge Generation sei nicht bereit, den erreichten Wohlstand kraftvoll zu sichern, sich etwas abzuverlangen. Bequemlichkeit, mangelnde Einsatzbereitschaft werden unterstellt.

In krassem Gegensatz dazu steht eine Aktion, die heute beginnt: Heute startet die 72-Stunden-Aktion der katholischen Jugend in Deutschland. „Uns schickt der Himmel“ heißt ihr Motto. In nur 72 Stunden stellen bis zu 100.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene komplette Projekte auf die Beine. Das kann ein Mehrgenerationenfrühstück für 1000 Menschen sein. Oder der Aufbau von Klettergerüsten in einer Kita. Oder die Anlage eines Nutzgartens auf einem Abenteuerspielplatz und eines Volleyballfeldes bei einer Unterkunft für Geflüchtete. Noch viele hundert andere soziale und ökologische, politische und religiöse Projekte gehören dazu. Die jungen Leute wollen ihrem Glauben Hand und Fuß geben, so sagen sie. Und sie wollen die Welt ein Stück besser machen. Das soll konkret und sichtbar geschehen. Dafür hängen sie sich 72 Stunden rein, bringen vollen Einsatz. Ohne materiellen Vorteil oder Gewinn. Vielmehr aus Glauben, sozialer Verantwortung und Einsatzbereitschaft.

Diese Aktion gehört auch zum Bild der jungen Leute von heute. Möglicherweise ist diese Generation gar nicht bequemer oder weniger einsatzbereit. Sie setzt nur andere Akzente. Statt des persönlichen Fortkommens in Beruf und Karriere ist ihnen vielleicht wichtiger, dass die Welt ein Stück besser wird. Dafür müssen sie dann auch Zeit haben neben Familie und Beruf. Und zugleich zeigen die Kinder und Jugendlichen: Man kann wirklich etwas ändern, schon in 72 Stunden. Das macht Mut. Zum einen denen, die sich um die junge Generation sorgen. Und zum anderen allen, die sich auch eine bessere Welt wünschen. Die Jungen machen‘s vor.

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17APR2024
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Die Caritas bei uns in der Eifel macht mit beim Aktionstag Schichtwechsel. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen lädt dazu ein.

Mir gefällt das prima, ich hatte in der Zeitung darüber gelesen.

Menschen aus der Caritas-Werkstatt St. Raphael in Mayen tauschen ihren Arbeitsplatz für einen Tag mit Menschen aus dem sogenannten 1. Arbeitsmarkt.

In seinem normalen Alltag in der Werkstatt verpackt Michael zum Beispiel Heizrohrhalter für die Industrie. Die kleinen blauen Klemmen braucht man, um die Rohre von Fußbodenheizungen zu fixieren. Für manchen wäre es eintönig, diese kleinen Klemmen auf Rohre zu spannen und in 20ger Päckchen zu verpacken, aber Michael und seinen Kollegen gefällt grade die Ruhe in der Werkstatt und dass die Arbeit nicht schwierig ist – und mir gefällt, dass es bestimmte Arbeiten gibt, die die Maschinen nicht erledigen können. Einfache Arbeiten, die aber gemacht werden müssen und so sind die Kollegen in den Werkstätten genau so nützlich für unser Leben wie der Oberbürgermeister auf seinem Chefsessel.

Mit dem hat nämlich Michael einen Vormittag den Platz getauscht.

Und da hat es ihm auch gefallen: der Schreibtisch war aufgeräumt, er durfte ans Telefon gehen und mehrmals eine Unterschrift leisten. Dann führten die Leute aus der Verwaltung Michael durch das Haus und zeigten ihm die Büros und die Sitzungsräume. Er wäre gern länger dort geblieben, aber zum Mittagessen sollte er wieder an seinem eigenen Arbeitsplatz sein.

Der Oberbürgermeister hatte in der Zwischenzeit die Arbeit von Michael erledigt und hat auch einiges dazugelernt.

Die beiden trafen sich beim Mittagessen in der Kantine von der Werkstatt. Die Mitarbeiter essen da, aber auch die sogenannten Fremdesser, wie die Gäste genannt werden.

Die helfen manchmal, wenn jemand sein Schnitzel nicht durchschneiden kann.

Es ist schön zu erleben, wie aus den Fremdessern Vertraute werden.

Ein Vormittag in den Schuhen eines anderen Menschen macht aus Fremden Bekannte, und vielleicht mehr.

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16APR2024
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Warum gibt es Schutzhäuser für Frauen und ihre Kinder? Weil es Gewalt gibt in engen Beziehungen, Gewalt von Männern gegen Frauen und Kinder.

Ehe jetzt jemand denkt: Frauen schlagen auch: ja, ungefähr 10 % der Betroffenen von häuslicher Gewalt sind Männer, allerdings 90 % Frauen und Kinder.

Und es kommt in allen Familien vor, egal, ob Ärzte oder Arbeitslose, Journalisten oder Handwerker, Migranten oder Deutsche.

Wenn die Frau die Gewalt in ihrem Leben nicht mehr ertragen kann, kann sie sich an die Polizei wenden oder an eine Hilfsorganisation und kann dann mit ihren Kindern in ein Schutzhaus gehen.

Ich wurde gefragt, ob ich eine Familie aus einem kleinen Dorf mit dem Auto in ein Schutzhaus fahren würde.

Die Familie kommt aus Syrien, lebt aber schon länger hier, die beiden Töchter, 6 und 8 Jahre alt, gehen in die Grundschule. Als ich fragte, wie lange sie schon in Deutschland seien, meinte die 6-jährige Dima: eine Woche. Ja, was eine Woche ist, kann sie nicht einschätzen, aber beide Kinder sprechen gut Deutsch, nur die Mama nicht. Die Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle hatte erklärt: Die mit dem grünen Auto, die kommt zu euch. Also fanden alle schnell Vertrauen. Im Auto erklärte die 8-Jährige, manchmal werde der Papa böse und die Mama hätte Angst, dass er sie tot macht. Deshalb würden sie wegfahren.

Das darf der Papa nicht, der Mama und euch so Angst machen, sagte ich. Sie hatte morgens in der Schule gelernt, in Englisch bis zehn zu zählen. Das machte sie ein paar mal. Dann sagte sie: der Papa soll der Mama nicht weh tun.

Nein, das darf er nicht, deshalb fahren wir jetzt weg.

Sie lächelte zufrieden: sind wir bald da?

Es ist schlimm genug, wenn Erwachsenen Gewalt angetan wird. Aber bei Kindern finde ich es unerträglich. Wie brauchen da viel mehr Aufmerksamkeit und auch Geld, damit Staat und Kirche ihre Schutzhäuser offenhalten können. Die Familien brauchen einen friedlichen Ort, um zur Ruhe zu kommen und sich neu zu orientieren.

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15APR2024
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Treppauf – treppab. Wenn ich zuhause aus dem 1. Stock nach unten gehe, nehme ich Kaffeebecher mit runter oder Milch oder meine Wanderschuhe. Und unten auf der Treppe liegen die Sachen, die nach oben müssen: Einkäufe, der Wäschekorb, damit sie beim nächsten Gang treppauf mitgenommen werden. Ich hatte also oben alte Zeitungen in der rechten Hand und mein Handy in der linken. Da ich Linkshänderin bin, ist die Linke meine Haupthand und ich warf das Handy in den Papierkorb und legte die Zeitungen auf den Tisch. Umgekehrt wäre besser gewesen.

Ich betrachtete das Handy im Papierkorb. Wie wichtig ist mir dieses Teil.

Wenn ich nachts wachliege, kann ich was lesen. Es ist mein Wecker. Ich führe da meinen Terminkalender, tausche Mails und andere Nachrichten, schau mir in den sozialen Netzwerken irgendwelche Belanglosnachrichten an.  Ich erfreue mich an Fotos der Zwillinge meiner Nichte und auf Wanderungen knipse ich schöne Aussichten, teile sie mit meinen Freunden und schreib noch dazu, wie viele Schritte es waren. Und die Bewegungsapp lobt mich, dass ich mein Ziel erreicht habe, dann freue ich mich.

Noch wichtiger ist mir die Brille, ohne die bin ich völlig aufgeschmissen. Dann kommt in der Wichtigkeit die EC-Karte, damit ich nicht ohne Geld dastehe. Aber dann schon das Handy.

Meine Schwester hat früher in der Familie gern Umfragen gemacht, so zum Beispiel:

was sind die 3 wichtigsten Dinge in deinem Leben.

Da war bei mir immer die Brille auf Platz eins und das Handy kam nicht vor.

Heute bin ich ziemlich abhängig davon, mehr, als mir eigentlich recht ist.

Als ich mein Gerätchen mal verloren glaubte und meiner Schwester mein Leid klagte, sagte sie mitleidlos: kannst du noch atmen?

Ja, konnte ich.

Lebensnotwendig ist die Luft zum Atmen.

Wasser und etwas zu essen.

Ein Dach über dem Kopf.

Familie und Freunde.

Ich glaub, das wars.

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13APR2024
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Als ich zehn Jahre alt war, habe ich einen Zauberwürfel geschenkt bekommen. Kennen Sie bestimmt. Ein Würfel mit farbigen Seiten in Rot, Orange, Blau, Grün, Gelb und Weiß. Die Würfelseiten sind in neun kleinere Würfel unterteilt. Und die kann man gegeneinander verschieben und verdrehen. Wenn der Würfel ganz verdreht und durcheinander ist, dann muss man ihn wieder richtig hinbekommen – sodass jede Seite nur eine Farbe hat. Das ist gar nicht so einfach. Als Kind hat mich der Würfel fasziniert, aber ich habe es nicht geschafft, diese Knobelaufgabe zu lösen.

Vor kurzem habe ich mir wieder einen Zauberwürfel gekauft. Das wollte irgendwie mein Kind im Manne so. Ich wollte es noch mal wissen. Aber ich gebe zu, dass ich mir diesmal Hilfe geholt haben. Es gibt nämlich Anleitungen, die erklären, wie man ganz grundsätzlich den Zauberwürfel lösen kann. Die genauen Lösungswege sind dann immer noch verschieden. Trotzdem hat mir die grundsätzliche Anleitung geholfen und ich habe es diesmal geschafft. Das war ein gutes Gefühl.

„Weise mir, Gott, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit“, steht in Psalm 86. Den Zauberwürfel habe ich natürlich nicht mit Gottes Hilfe gelöst, sondern mit der Anleitung eines erfahrenen Zauberwürfellösers.

Gott gibt ganz andere Anleitung – nämlich: wie wir gut zusammenleben können. Die bekannteste Gottesanleitung heißt Nächstenliebe. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wie ich das genau mache, ist von Mal zu Mal so verschieden wie das Lösen des Zauberwürfels. Nächstenliebe ist auch nicht immer so einfach. Aber die Anleitung funktioniert. Vor allem, das Ergebnis befriedigt am Ende nicht nur mich selbst, sondern es tut meinem Nächsten gut. Und darum sollten sich von dieser Knobelaufgabe immer wieder alle herausfordern lassen.

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