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Heute steige ich ganz bewusst aufs Fahrrad. Denn heute ist der Europäische Tag des Fahrrads. Und der feiert Geburtstag: Seit 25 Jahren findet er jährlich am 3. Juni statt. Seit fünf Jahren gibt’s diesen Feiertag auch eine Version größer: Als Weltfahrradtag der Vereinten Nationen.
Es ist ein Tag, in dem die Vorteile des Fahrrads in den Blick kommen sollen. Denn das Fahrrad ist ohne Frage das umweltfreundlichste, gesündeste und sozial verträglichste Fortbewegungsmittel.
Für mich aber ist Fahrradfahren noch mehr. Zum einen: Fahrradfahren tut mir gut. Nicht nur Herz und Muskeln. Die Bewegung bringt mein Hirn in Schwung. Da kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Und mir kommen immer wieder neue Idee. Zum anderen: Ich fahre Fahrrad als ganz einfachen Beitrag dafür, unsere Welt zu erhalten. Das klingt vielleicht hochtrabend. Aber es ist ja oft genug so: Angesichts von Umweltverschmutzung, Klimawandel, ungerechter Verteilung von Armut und Reichtum spüre ich oft Ohnmacht. Ich kann nur wenig machen. Und wenn ich es mache, dann fällt es kaum ins Gewicht. Aber wenn ich schon unterwegs bin, dann kann ich einfach aufs Rad steigen. Und einen kleinen Beitrag zu weniger Emissionen leisten.
Was ich toll finde: Wer einen Sound braucht für diesen Tag, für den gibts ganz viele tolle Fahrradlieder. Queen hat schon 1978 Bicycle Race geschrieben. Noch älter ist Ja mir san mitn Radl do. Max Raabe singt im Stil der 20er Jahre vom Fahrrad fahrn und Katie Melua über Nine Million Bicycles und und und. Genauso wie das mit dem Musikgeschmack, ist das mit dem Radfahren. Die einen rasen, die anderen brauchen für zehn Kilometer den ganzen Tag. Ganz egal: Auf dem Fahrrad, da tut man was für sich und für die Umwelt. Auf dem Fahrrad kann ich erleben: Schöpfung bewahren ist eigentlich ein Kinderspiel. Wenn sich alle einbringen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37714Mein Bruder empfiehlt mir ein Buch. „Musst du lesen“, sagt er und drückt es mir in die Hand. „Das kenne ich gar nicht“, sage ich. Später fang ich dann an mit der Lektüre. Ich merke: Irgendwie kommt mir das bekannt vor. Ich weiß nicht, wieso. Lese weiter. Dann wird mir klar: Ich hab das Buch tatsächlich schon mal gelesen. Ist was länger her. Aber ich erinnere mich an die Figuren. Auch wenn ich nur noch eine vage Ahnung habe, wie es ausgeht.
Einen Augenblick zögere ich. Will das Buch schon weglegen. Dann aber lese ich weiter. Bin gespannt. Was weiß ich noch, was kommt mir neu vor? Was denke ich heute über das Buch? Ich lese und versinke in die Lektüre. Tatsächlich: Es ist eine neue Erfahrung. Ich wundere mich, dass ich so viel vom Inhalt vergessen habe.
Etwas ein zweites Mal lesen oder machen oder erleben: Das steht nicht hoch im Kurs. Was zählt ist doch das: Etwas neu erleben, zum ersten Mal machen, auf der Liste der unerledigten Erfahrungen abhaken. Zum ersten Mal das Nordlicht sehen. Einen Song das erste Mal hören. Jemandem endlich sagen: „Ich liebe dich.“
Dass aber auch Wiederholungen gut und wichtig sind, davon erzählen die Religionen der Welt. Sie alle, so verschieden sie auch sind, wissen um die Kraft, die das zweite, dritte und x-te-Mal entfalten kann. Den Sonnenaufgang jeden Tag feiern. Sich wieder und wieder an das letzte Abendmahl erinnern. Einmal im Jahr Ostern und Weihnachten erleben. An einem festen Termin immer wieder zu einem besonderen Ort zu gehen.
Religionen kennen viele Formen der Wiederholung. Ganz wichtig: Ich kann mich drauf freuen, obwohl ich weiß, wie alles abläuft. Und: Wiederholungen geben Sicherheit, weil ich weiß, wie alles abläuft. Nicht zu vergessen: Wie bei einem Buch, das ich zum zweiten Mal lese, kann ich auch bei Festen und Feiern Neues entdecken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37713Ein bisschen hat das schon was vom Paradies. Wenn ich mich morgens aufmache und überall blühende Bäume und Sträucher sehe, Blumen in allen Farben, wenn ich an Wiesen vorbeifahre und kleinen Parks. Selbst dort, wo sich Haus an Haus reiht und wo Straßenasphalt dominiert. Auch da kann ich in diesen Frühlingstagen Natur pur erleben. Ich muss nur die Augen aufmachen. Überall zwängt sich die Natur ans Sonnenlicht. Selbst durch Risse im Beton. Oder in kleinen Moospolstern auf dem Dach.
Für all das, für diese paradiesischen Erfahrungen, braucht es die Erde. Ohne guten Boden, ohne festen Grund kann keine Pflanze leben und überleben.
Erde ist was ganz Elementares. Auch schon in der biblischen Schöpfungserzählung. Denn da werden sogar die ersten Menschen aus Erde gemacht. Gott ist da eine Art Töpfer. Er knetet und formt die Erde, bis sie wie ein Mensch aussieht. Gott erdet sozusagen den Menschen.
Ein schönes Sprachspiel: Der Mensch ist geerdet, das heißt, er ist an die Erde gebunden. Sie ist der Grund des Lebens, der menschlichen Tatsachen. Klar, wir können mit Flugzeugen und Raketen fliegen. Aber zum Leben brauchen wir die Erde. Kein Wunder, dass besonders guter Boden „Mutterboden“ heißt. So wie uns jemand Leben gibt, so hält die Erde am Leben, sorgt für jeden Menschen.
Oft genug vergesse ich das. Vergesse, dass ich die Erde brauche. Und sie nicht nur gebrauchen kann. Vergesse, dass gutes Umgehen mit der Erde lebensnotwendig ist für den Menschen.
Mit der Erde gut umgehen – das legt für mich eine Spur zum Paradies. Denn im Paradies wird mit allem gut umgegangen – mit den Menschen, den Tieren, den Pflanzen und eben auch der ganzen Erde.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37712Seit einem Monat fahre ich wieder mehr Fahrrad. Und das hat auch mit einer Aktion zu tun, die am 1. Mai gestartet hat: „Mit dem Rad zur Arbeit“, heißt sie und wird organisiert von Krankenkasse und Fahrradclub. Man meldet sich allein oder als Team an und sammelt Fahrradkilometer. Es ist also auch eine Art Wettbewerb, denn natürlich schaut man: Welches Team oder welche Firma radelt besonders viel? Unsere Teams aus dem Bistum Mainz haben letztes Jahr insgesamt immerhin über 25.000 Kilometer zusammengebracht. Das hat nicht nur viele Kalorien verbrannt und war gut für die Gesundheit – es hat natürlich auch viel CO 2 gespart. Über viertausend Kilo CO 2 waren es bei unseren kirchlichen Teams.
Mir macht das Fahrradfahren jetzt im Mai wieder richtig viel Spaß, es ist wunderbar, in der Frühsommer-Luft unterwegs zu sein, an leuchtend grünen Bäumen entlang zu radeln. Aber mich motivieren auch besonders diese vielen Kilo CO 2, die wir einsparen. Das Thema Klimakrise wird ja immer drängender. Mir macht es wirklich Sorge, wohin wir mit der Erderwärmung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten steuern und welche Erde ich meinen Nichten und Neffen hinterlasse. Im Bereich Verkehr ist der CO 2-Ausstoß ja immer noch besonders hoch. Dabei ließe sich so viel sparen, gerade, wenn man kurze Strecken mit dem Rad statt mit dem Auto zurücklegt. Klar lässt sich nicht jeder Autokilometer vermeiden. Aber doch so einige.
Für mich ist das immer auch eine religiöse Frage: Wie kann ich die Schöpfung noch besser bewahren, die uns Gott anvertraut hat? Fahrradfahren ist da etwas, was vergleichsweise leichtfällt und eben auch: gut tut. Ich kenne einige Kolleginnen und Kollegen, die das Radfahren über die Aktion richtig liebgewonnen haben und auch danach im Herbst am liebsten mit dem Rad zur Arbeit kommen.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie viele tausend Kilometer wir diesen Sommer fahren werden. Und wie viele Kilo CO2 wir dabei am Ende gespart haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37735Ein langes Wochenende, wie jetzt an Pfingsten: Das ist für viele eine Gelegenheit, mal wieder durchzuatmen und aufzuatmen. Und manche, die jetzt sogar zwei Wochen Pfingstferien haben, dürfen das besonders ausführlich: durchatmen, wieder zu Atem kommen. Sich erholen von all der Atemlosigkeit und Hektik, die oft im Alltag herrscht.
Wieder zu Atem kommen: Das passt übrigens besonders gut zu Pfingsten. In einer der Pfingstgeschichten aus der Bibel wird erzählt: Jesus kommt nach seiner Auferstehung zum ersten Mal wieder in den Kreis seiner Freundinnen und Freunde – und er haucht sie an und sagt: „Empfangt den heiligen Geist!“ (Johannes 20,20). Sein Atem, sein Lebensatem, geht auf sie über. Und dieser Atem erfüllt sie mit neuem Leben und neuer Energie, auch: mit Tatkraft und Mut. Der Geist Gottes als Atem und Belebung: Auch schon in den ältesten Schriften der Bibel gibt es diese Vorstellung. Da heißt es: „Gott formte den Menschen aus Staub vom Erdboden. Er blies ihm den Lebensatem in die Nase, und so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (vgl. Genesis 2,7).
Ich find das eine schöne Vorstellung. Gott haucht mir Leben ein. Nicht nur am Anfang meines Lebens, sondern immer wieder. Gott will, dass ich zu Atem komme, dass ich mich lebendig fühle. Manchmal atme ich deswegen wirklich tief durch, gerade, wenn viel los ist oder mich Dinge ängstigen oder in Stress versetzen, wenn ich merke, dass mein Atem schnell geht und flach. Auch die Medizin empfiehlt das ja in solchen Situationen: ruhig und tief atmen! Für mich hat dieses Aufatmen etwas mit Gott zu tun. Gott ist Atem und Geistkraft, die in mich einströmen und mir neue Kraft geben wollen.
Aufatmen, tief durchatmen, das tut einfach gut. In unruhigen Situationen oder an den Pfingstfeiertagen. In den Pfingstferien oder einfach mal so zwischendurch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37734Es gibt noch Hoffnung. Das denke ich jedes Mal, wenn ich vor unserer Haustür sitze und den Bienen lausche. Um mich herum summt es mittlerweile nämlich gewaltig!
Das war schon mal anders. Vor ein paar Jahren ist mir miteinemmal aufgefallen:
Irgendwas vermisse ich. Ich wusste bloß zuerst nicht, was. Und dann bin ich draufgekommen: Es war das Summen und Brummen der Insekten. Es war weg; da war fast nichts mehr zu hören.
Was tun? Sofort bin ich losgezogen und habe ein Insektenhotel gekauft. Und dann habe ich es ganz stolz aufgestellt und mich gefühlt wie die Retterin aller Insekten.
Heute weiß ich, dass reine Bienenhotels besser sind; man beherbergt sonst womöglich Gäste, die den Bienen schaden...
Sei´s drum, jedenfalls, ich habe fortan stündlich nachgesehen, ob sich schon was tut, in meinem neuen Hotel. Aber nichts da: Keine Biene weit und breit.
Und auch das weiß ich heute besser: Die meisten Wildbienen nisten im zeitigen Frühjahr. Und ich bin mit meinem Hotel einfach zu spät dran gewesen. Aber im Jahr drauf ist es dort umso munterer zugegangen. Und seither nutzen ganz viele Bienen das Hotel und es werden mehr und mehr...
Mittlerweile stehen bei uns elf solcher kleinen Hotels - man könnte schon fast von einer Reihenhaussiedlung sprechen. Und ich habe den leisen Verdacht, ich werde schon unter den Insekten weiterempfohlen: „Hast du schon gesehen? Da steht schon wieder ein Neubau. Nichts wie hin!“
Es muss aber keine Hotelsiedlung sein. Auch schon ein Mini-Bienenhotel wirkt Wunder. Oder ein Blumenkasten mit Glockenblumen und Salbei. Die mögen Bienen. Und das Beste ist: Anders als viele Wespen interessieren sich die Wildbienen überhaupt nicht für uns und unsere Nahrung; und sie sind äußerst friedlich.
Wenn ich jetzt im Frühjahr vor unserer Haustür sitze, dann freue ich mich über das ganze Gesumme. Und ich fühle mich mit der Natur verbunden. Und mit meinem Schöpfer. Und denke: Ja, es gibt noch Hoffnung...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37702
„Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hinein-kommen“, hat Jesus einmal gesagt. (Lk 18,17)
Und er hat das nicht zu irgendwelchen Leuten gesagt; er hat es zu seinen engsten Vertrauten gesagt, den Jüngern. Die wollten ihn eigentlich gerade vor einer Gruppe Kinder abschirmen. Aber damit ist Jesus überhaupt nicht einverstanden gewesen. Und dann hat er diesen berühmten Satz gesagt.
Warum? Ich glaube, Jesus wollte den Jüngern etwas klarmachen.
Die Jünger haben ja ganz schön was auf sich genommen, als sie sich Jesus angeschlossen haben. Sie haben alles stehen und liegen lassen, um ein Leben als Wanderprediger zu führen. Und aus meinem spontanen Rechtsempfinden heraus würde ich behaupten:
„Die haben sich das Reich Gottes nun wirklich mehr als verdient!“
Und vielleicht haben die Jünger das auch manchmal so bei sich gedacht, wenn sie gerade frustriert waren; wenn sie Jesus mal wieder nicht so ganz verstanden haben und Kritik einstecken mussten... Vielleicht haben sie sich dann mit dem Gedanken getröstet: „Schön und gut, aber wenigsten das Himmelreich ist uns sicher!“
Und nun das! „Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“ Das bedeutet doch: ausgerechnet diejenigen, die noch nichts zustande gebracht haben und die nichts vorweisen können, die dazu noch schwach sind und bedürftig - ausgerechnet die sollen unsere wahren Vorbilder sein...? Ja, ist denn dann die ganze Anstrengung umsonst gewesen?
Aber dann kommt mir miteinemmal der Gedanke:
Wir sind doch alle einmal Kinder gewesen. Sie. Ich. Die Jünger. Alle Menschen. Wir alle tragen doch diesen Schatz noch in uns: Dieses kindliche Wesen, gerade mal dem Himmelreich entsprungen, noch so verletzlich und klein..., aber angefüllt bis an den Rand mit Vertrauen und Staunen.
Vielleicht sollten wir diesen Schatz mal wieder heben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37701„Handwerker müsste man sein“, denke ich manchmal. Ich finde das toll, was die alles so zustande bringen. Eben war der Wohnblock, in dem ich aktuell oft bin, noch eine Baustelle - jetzt ist er schon bewohnbar. Jeden Tag sieht man, wie es vorwärtsgeht; jeden Tag wird etwas fertig.
Da denke ich: Wie schön muss es sein, wenn man am Feierabend immer sieht, was man am Tag alles geschafft hat. Meine Arbeit ist nicht mit den Händen zu greifen. Oft kommt sie mir so flüchtig vor. Und da ist fast nichts, was ich vorweisen kann.
Vor ein paar Tagen bin ich wieder mal einem der Baggerfahrer begegnet. Ich hatte meinen kleinen Enkel auf dem Arm. „Du musst dich dann später schön anstrengen, in der Schule, damit du was lernst - und nicht als Bauarbeiter endest, wie ich“, hat er gesagt.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Und habe erschrocken geantwortet:
„Aber wie könnte das alles hier entstehen, wenn es keine Bauarbeiter gäbe - wie Sie?“ Da hat er verlegen gelächelt und hat sich wieder an die Arbeit gemacht.
Natürlich weiß ich, dass ein guter Schulabschluss und eine gute Ausbildung viel wert sind. Und natürlich beneide ich keinen um körperliche Schwerstarbeit bei Wind und Wetter und geringer Bezahlung.
Und dennoch passiert es mir immer wieder, dass ich bei anderen die Vorzüge ihrer Arbeit sehe, und an meiner eigenen eher die Nachteile.
Dabei habe ich einem Kollegen für exakt diese Sichtweise mal ordentlich den Kopf zurechtgerückt. Er hat neidisch auf die Ärzteschaft geblickt und hat gesagt:
„Die haben es gut, die können den ganzen Tag lang ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen und werden nicht andauernd von irgendwelchem anderen Kram aufgehalten.“
„Von wegen“, habe ich gesagt. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wieviel Zeit die allein mit dem Dokumentieren zubringen?“
Ja, und eigentlich weiß ich auch das: Vergleichen bringt nichts. Es genügt vollkommen, die Arbeit der anderen zu würdigen; und die eigene eben auch.
Aber ich falle halt immer wieder hinter mich selber zurück
Wie ist das bei Ihnen?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37700
Am Wochenende feiern wir Pfingsten. Gott schüttet sich in seinem Geist hinein in die Welt. Und gerade im Frühling scheint dieser Geist allgegenwärtig.
Und sooft ich kann, gehe ich jetzt eine Runde durch den Wald. Hier wird mein Herz weit, ich atme mit jeder Faser meines Körpers das Neue ein. Alle Sinne sind offen. Meine Augen sehen das frische Grün, das niemals so zart und wunderschön ist wie gerade im Mai. Meine Ohren hören das Zwitschern der Vögel, die vom Leben singen. Ich rieche den Flieder und bin wie betrunken von diesem Duft. Ich laufe durch den Wald und staune. Jedes Frühjahr neu, als sähe ich es zum ersten Mal. Und mein Herz ist voll und mein Mund singt eines meiner Lieblingsmailieder: Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottes Güt. Des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Und ich höre genau hin und ich weiß: Das Leben ist ein Geschenk. Und die Schöpfung in der ich lebe auch. Und gerade im Frühling habe ich den Eindruck, dass die ganze Schöpfung mitstaunt, dass sie lebt und wächst, grünt und blüht.
Doch all das Grün und das pralle Leben können nicht darüber hinwegtäuschen, wie bedroht die Schöpfung ist. Mir wird das wieder mal besonders deutlich, als ich in einer Ausstellung die Bilder eines Fotografen sehe. Er hat auf seinen Wanderungen durch den Pfälzer Wald die Folgen des Klimawandels eingefangen, vertrocknete Erde, abgestorbene Bäume, überflutete Städte. Und aus dem Staunen über die Schönheit der Schöpfung wird ein Seufzen, ein Schmerz über die Zerstörung.
Wenn ich auch in Zukunft noch durch Gottes Schöpfung laufen, staunen, loben und singen will, braucht es neben Gottes Geist auch meinen persönlichen Einsatz. Es ist nicht egal, wie ich lebe. Und jeden Tag neu kann ich mich entscheiden aus dem Staunen etwas wachsen zu lassen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37708„Die Tauben haben einen neuen Platz an der Kirche gefunden.“ Eine Kollegin zeigt mir ein Nest auf der Rückseite einer Säule an der Kirchentür. „Sie sind halt clever, stehen ja nicht umsonst für Gottes Geist,“ sagt sie und freut sich ein wenig schelmisch.
Es stimmt, die Taube ist ein Symbol für Gottes Geist. Als Jesus im Jordan getauft wird öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme erklingt: „Du bist mein geliebter Sohn.“
Wir stehen in der Küche des Pfarrhauses und blicken auf die Kirche. Die Kollegin hat mich eingeladen einen Gottesdienst mitzugestalten. Seit langer Zeit bin ich mal wieder in dieser Gemeinde. Als junge Pfarrerin war ich dort zusammen mit meinem Mann 12 Jahre tätig. Jetzt gehen wir gemeinsam durch unser ehemaliges Pfarrhaus und die Kollegin zeigt mir, wie sie und ihre Familie sich eingerichtet haben. Sehr schön sieht es hier aus und gleichzeitig ist der Besuch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Ich sehe auf einmal unsere drei Kinder als kleine Jungs durch Haus und Garten tollen, höre das Gackern der Hühner, sehe meinen Mann und mich über einem Gottesdienst brüten. Und ich bin auch ein wenig wehmütig. Wir hatten hier eine erfüllte Zeit mit Höhen und Tiefen einer jungen Pfarrfamilie.
Der Gottesdienst ist schön. Wir segnen eine junge Frau und ihre Familie. Wir singen und beten, zwei machen Musik, die früher schon in der Gemeinde musiziert haben. Ich sehe vertraute Gesichter und neue, werde umarmt und ausgefragt. Es ist viel passiert seit damals. Mein Leben hat sich sehr gewandelt. Und doch heute schwelge ich gerne in Erinnerung
Nach dem Gottesdienst feiern wir auf dem Kirchenplatz weiter. Dabei fällt mein Blick wieder auf das Taubennest. Und ich spüre in dem Moment. Im Wandel der Zeit, im Wandel des eigenen Lebens schüttet Gott seinen Geist aus und mit ihm ganz viel Liebe. Und weil es sie gibt, kann ich leben.
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