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Wenn Bienen schwärmen, ist das ein faszinierendes Ereignis. Tausende Bienen sprudeln zusammen mit der alten Königin aus einem Bienenkasten. Oft setzen sie sich erstmal an den nächstbesten Baum. Von dort suchen sie nach einem neuen Zuhause – einer geeigneten Nisthöhle.
Der Biologe Thomas Seeley hat sich sein ganzes Leben mit dem Studium von Schwärmen beschäftigt. Er sagt: Ein Bienenschwarm entscheidet sich in einem demokratischen Prozess für eine neue Wohnung.
Einzelne Bienen erkunden die Landschaft nach Nisthöhlen. Sie vermessen sie sogar akribisch. Tanzend berichten diese Kundschafterinnen von ihrer Entdeckung. Schließlich stehen verschiedene Nistplätze – quasi als Kandidaten – zur Wahl. Dafür machen einzelne Bienen Werbung, also Wahlkampf. Die übrigen Bienen sind die Wählerschaft.
Ich finde diesen Prozess beeindruckend. Er kann dauern, wenn lange Zeit Uneinigkeit herrscht. Jede Biene wird angehört, keine wird ausgegrenzt. Aber die Argumente für die jeweilige Nisthöhle müssen überzeugend sein. Sie werden auch überprüft, indem andere Bienen sie sich anschauen. Leere Versprechungen werden also schnell entlarvt. Und es wird nicht nach dem eigenen Vorteil gesucht, sondern nach einer guten Lösung für das gesamte Bienenvolk. Letztlich wird die Nisthöhle genommen, die am meisten überzeugt hat. Und tatsächlich ist es in der Regel die bestmögliche Entscheidung für den Schwarm.
Diese zauberhaften kleinen Insekten gestalten auf ganz natürliche Weise einen demokratischen Prozess. Da werden wir es ja wohl schaffen, unsere Demokratie zu bewahren und nicht menschenfeindlichen und ausgrenzenden Parolen auf den Leim zu gehen.
Im alten Ägypten hieß es, Bienen seien von den Göttern geschickt. Sie sollen uns zeigen, wie wir in Süße, Schönheit und Frieden miteinander leben. Als Christin kann ich da gut mitgehen: Bienen sind für mich Geschöpfe Gottes. Und auch für uns geht es doch darum, im Miteinander die bestmögliche Lösung zu finden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42506Im Frühjahr hatte meine Mutter einen Schlaganfall und der verursachte eine halbseitige Lähmung. Es war das Szenario, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte. Am dritten Tag im Krankenhaus war Chefarztvisite. Der Chefarzt fragte: „Wie geht es Ihnen?“ Sie sagte: „Ich will nach Hause.“
Ich biss mir auf die Lippe und wartete gespannt auf seine Antwort. Die fiel ganz anders aus als ich dachte. Er sagte: „Das ist sehr gut! Wirklich! Hauptsache, Sie wollen etwas.“ Er erklärte noch näher, was er damit meinte: „Der Großteil meiner Patientinnen und Patienten will gar nichts mehr und das ist ganz schlimm. Dann passiert auch nichts mehr. Heute und auch morgen können Sie noch nicht nach Hause. Es wird etwas dauern. Aber die Hauptsache ist: Sie wollen etwas!“
Seine Worte haben mich erstaunt und beeindruckt. Er tat ihren Wunsch nicht ab im Sinn eines Hirngespinstes, das jemand hat, der die eigene Lage offensichtlich völlig überschätzt oder falsch wahrnimmt. Schließlich war im Gehirn gerade einiges kaputtgegangen. Er nahm sie ernst und unterstützte sie. In den anschließenden Tagen und Wochen wurde mehr als deutlich, was er gemeint hatte. Es gab gute Tage mit positiven Entwicklungen, es gab schwere Tage, und es gab Tage, in denen alles auf der Kippe stand. Aber immer war da dieser Wille – auch der mal kräftiger, mal etwas angeschlagen. Mal zweifelnd, mal schimpfend, mal stolz, mal einfach guter Dinge. Aber er war immer da. Der Arzt hatte den Kern getroffen: Es braucht diesen entschlossenen Willen und ein klares Ziel. Ein Ziel, das sie für sich selbst bewahrt und das sie verteidigt – auch gegen Skepsis, Zweifel und Ängste anderer.
Inzwischen sind vier Monate vergangen. Krankenhaus, Kurzzeitpflege, Reha. Meine Mutter sagt immer: „Man geht abends gesund ins Bett und morgens ist die Welt eine ganz andere.“ Ja, das ist so. Und ich kann mich nicht wirklich auf alle Eventualitäten und Entwicklungen vorbereiten. Aber ein starker Wille kann offensichtlich ein Segen sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42505Dieser Vierzeiler hat mich aufhorchen lassen: „Halt an, wo läufst Du hin? Der Himmel ist in dir! Suchst Du Gott anderswo, Du fehlst ihn für und für.“
Die Sprache klingt zwar ein wenig altertümlich. Die Aussage aber ist verblüffend modern! Ich fühle mich direkt angesprochen. Wie oft bin ich rastlos und hektisch unterwegs. Nicht nur in den alltäglichen Dingen, die ich erledigen muss. Auch in meinen Gedanken. Da ist immer wieder das Gefühl des Getriebenseins. Und da kommt jemand und sagt mir: Halt an! Nimm dir Zeit. Komm´ zur Ruhe. Dann wirst Du entdecken: In dir ist der Himmel. Gottes Gegenwart musst Du nirgendwo anders suchen.
Der Mann, der mir das rät, heißt Johann Scheffler. Er lebte im 17. Jahrhundert. Seine Zeit war noch chaotischer und zerrissener als unsere. Damals tobte der Dreißigjährige Krieg in Deutschland. Katholiken und Protestanten bekämpften einander bis aufs Blut. Über Jahre ist Scheffler der Leibarzt eines streng lutherischen Herzogs in Schlesien. Dann aber fällt er wegen seiner Gedichte in Ungnade. In ihnen sucht er Gott im Herzen der Menschen und nicht in trockenen Glaubenssätzen. Für den evangelischen Hofprediger ist der Medicus ein ketzerischer „Schwarmgeist“.
Und so wechselt der Dichter die Konfession und wird katholischer Priester. Fortan nennt er sich Angelus Silesius, der „Engel aus Schlesien“. Und als solcher schreibt er weiter frische, gefühlvolle Texte. Einige werden zu Kirchenliedern, die heute in ökumenischer Eintracht von Katholiken und Protestanten gleichermaßen gesungen werden. So zum Beispiel: „Morgenstern der finstern Nacht“, „Ich will dich lieben, meine Stärke“ oder „Mir nach, spricht Christus, unser Held“. Heute vor genau 348 Jahren ist Angelus Silesius in Breslau gestorben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42491Vor über 30 Jahren war ich das erste Mal in London. Damals stand dort noch das altehrwürdige Wembleystadion. Das wollte ich unbedingt besuchen. Auch wenn kein Spiel anstand. Die Weltmeisterschaft 1966 war meine erste, die ich als Kind im Fernsehen gesehen hatte. Natürlich auch das Finale in Wembley: England gegen Deutschland. Die Fußballfans wissen schon, das mit dem „dritten Tor“. Also nahm ich an einer Führung teil. Der Guide zeigte unserer kleinen Gruppe die historischen Umkleidekabinen, den Spielertunnel und die köngliche Loge. Zuletzt spazierten wir über den „heiligen“ Rasen. Nostalgie pur.
Zur Besuchergruppe gehörte ein Ehepaar aus Ostdeutschland. Die beiden hatten mich gebeten, immer ein wenig zu übersetzen, weil sie kein Englisch verstanden. Am Ende der Tour blieb der Ehemann zurück. Ich sah, wie er auf dem Rasen kauerte. War ihm schlecht geworden? Ich wollte zu ihm, aber seine Frau hielt mich zurück. Dann nahm sie mich zur Seite. „Das ist ein ganz wichtiger Tag für meinen Mann“, sagte sie. Sie erklärte mir, warum. Damals, ´66, war er bei der NVA, der DDR-Armee. Am Tag des Finales, einem Sonntag, hatte er Dienst. Den Soldaten war es streng verboten, das Spiel zu sehen. Trotzdem hatten ein paar von ihnen einen kleinen Fernseher organisiert. Doch sie wurden erwischt und mit Arrest bestraft.
„Mein Mann hat das nicht vergessen können. Deshalb musste er nach London und in dieses Stadion. Jetzt kann er damit abschließen.“ Kurz darauf kam er vom Rasen zu uns zurück. Noch mit Tränen in den Augen. Aber auch mit einem Lächeln.
Für mich war Wembley nur eine harmlose Kindheitserinnerung. Für den Mann aus der ehemaligen DDR aber ein Sehnsuchtsort. Wir alle brauchen solche Orte, an denen sich unser Leben verdichten kann. Egal, ob es eine Kirche ist, ein traumhafter Platz in der Natur oder eben auch ein Fußballstadion.
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Er war einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer und Holzschnitzer: Tilman Riemenschneider. 1531 ist er gestorben. Heute ist sein Todestag.Es sind vor allem die Geschichten des Neuen Testaments, die seine Arbeiten bestimmen. Riemenschneider schnitzt seine Figuren aus Lindenholz. Er verzichtet darauf, sie farblich zu fassen. So wirken seine biblischen Gestalten lebensnah und ausdrucksstark. Zugleich strahlen sie eine große Ruhe aus, scheinen ganz in sich gekehrt zu sein. Das macht Riemenschneiders Kunst so unverwechselbar.
Eines seiner größten Werke steht in der Jakobskirche in Rothenburg ob der Tauber. Es ist der Heiligblutaltar, der um 1500 entstand. In ihm setzt sich der Meister mit der Leidensgeschichte Jesu auseinander. Im Zentrum steht dabei das letzte Abendmahl. Doch Riemenschneider rückt nicht Jesus in den Mittelpunkt, sondern ausgerechnet Judas Iskarioth, der den Messias verraten wird. Das ist ungewöhnlich. Denn die Künstler des Mittelalters verbannen Judas als Außenseiter meist an den Rand des Geschehens. Hier aber ist es Judas, der die Blicke der Betrachter auf sich zieht. Nachdenklich wendet er sich Jesus zu. Der reicht ihm das Brot, das er zuvor in den Kelch getaucht hat. Dass sich beide sehr nahe sind, zeigt Riemenschneider auch dadurch, dass ihre Gesichtszüge einander ähneln. Hat also nicht auch Judas Anteil an der Heilsgeschichte, weil erst sein Verrat die Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu möglich macht?
Diese Frage hat Tilman Riemenschneider wohl sehr beschäftigt. Das Leben des Künstlers endet tragisch. Im Bauernkrieg stellt er sich als Würzburger Stadtrat auf die Seite der Aufständischen. Nach der Niederlage der Bauern wird Riemenschneider eingekerkert und gefoltert. Ob man ihm dabei auch seine Hände brach, bleibt ungewiss. Sicher aber ist, dass Riemenschneider nach dem Bauernkrieg bis zu seinem Tod sechs Jahre später kein einziges Werk mehr geschaffen hat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42489„Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“, dieses Zitat wird Oscar Wilde zugeschrieben, einem irischen Schriftsteller. Und ich mag diesen Satz. Er hängt über meinem Schreibtisch und in so manch schwieriger Situation hat mir der Satz schon Mut gemacht.
In der vergangenen Woche hatte ich ein junges Paar in meinem Arbeitszimmer sitzen. Plötzlich war es mir unangenehm, dass dieser Satz über meinem Schreibtisch hängt. Er war einfach so unpassend. Das Paar ist zu mir gekommen, weil ihr ungeborenes Kind in der 28. Schwangerschaftswoche gestorben ist. Statt es in die Arme zu nehmen, müssen sie es in die Erde legen. Wir haben über die Beerdigung gesprochen. Und wir haben genau das gemerkt in unserem Gespräch: Es wird nicht immer am Ende alles gut.
Die Mutter hat erzählt: „Wir haben uns schon so lange ein Kind gewünscht, wir haben schon so vieles versucht und jetzt war ich endlich schwanger. Wir können uns nicht vorstellen, dass es jemals wieder gut wird.“
„Am Ende wird alles gut.“, dieser Satz klingt in der Situation des jungen Paares hohl und oberflächlich und falsch. So einfach ist das Leben nicht. Manches wird eben nicht mehr gut. Aber – und das hat mir das Paar erzählt – sie dürfen spüren, wie Menschen sie in dieser verzweifelten Situation begleiten. Das tote Kind wurde gesegnet. Sie hatten gute Gesprächspartner im Krankenhaus. Sie bekamen Hilfe und Hilfsangebote für die Zukunft. Sie bekamen den Satz: „Ihr seid Eltern. Ihr habt ein Kind. Euer Kind ist jetzt ein Sternenkind“. Und sie durften sagen: „Wir verstehen Gott nicht. Wieso hat Gott unser Kind nicht mit uns leben lassen? Aber wir wissen, es ist jetzt bei ihm. Gott ist da am Ende.“
Die beiden haben mich tief beeindruckt und ich möchte Oscar Wilde mit ihren Worten widersprechen: Nein, am Ende wird vielleicht nicht alles gut, aber Gott ist da am Ende. Dieser Satz muss unbedingt über meinen Schreibtisch, direkt neben das Zitat von Oscar Wilde: „Vielleicht wird nicht alles gut, aber Gott ist da am Ende.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42451Ich bin Jägerin und Sammlerin. Ich denke immer: Das kann ich sicher noch mal gebrauchen. Nur irgendwann sind die Stapel so hoch, dass ich gar nicht mehr weiß, was da ganz unten liegt.
Jetzt habe ich mir einen Ruck gegeben und räume auf. Mein Büro hat es echt schon lange nötig. Ich arbeite mich durch einen Stapel nach dem anderen. Und dabei sage ich mir immer wieder diesen Satz vor, den Jesus einmal gesagt hat: „Häuft keine Schätze auf der Erde an. Hier werden Motten und Rost sie zerfressen.“ (Math. 6,19) Der Satz hilft beim Aufräumen und vor allem: beim Wegwerfen. In einer Kiste, die mit den Jahren ganz nach unten gewandert ist, finde ich meine alten Handpuppen wieder. Und darin sind wirklich die Motten. Alles zerfressen. Hätte ich doch die Sachen früher an jemanden verschenkt, der sie wirklich gebrauchen kann. An diesen Schatz hätte ich mein Herz besser nicht gehängt.
Das mit dem Aufräumen und Wegwerfen geht bei mir am Anfang immer richtig gut. „Häuf Dir keine Schätze an“, sage ich zu mir bei jeder Sache, die ich in die Hand nehme. So wächst der Wegwerfstapel ganz schnell. Bis, ja bis mir dann doch etwas in die Hand fällt, das ich nicht einfach auf den Wegwerfstapel legen kann. So wie das T-Shirt, das mir ein Konfirmandenjahrgang zum Abschied geschenkt hat mit allen Unterschriften. Ich werde dieses T-Shirt bestimmt nie anziehen, aber ich lese einen Namen nach dem anderen und erinnere mich an diese Konfis. An dieses eine intensive Jahr mit der Gruppe und mit jedem einzelnen. Die Konfis sind jetzt schon junge Erwachsene. Manche habe ich aus den Augen verloren und frage mich, was wohl aus ihren Wünschen und Träumen geworden ist?
Das Aufräumen und Wegwerfen ist ins Stocken geraten, denn an diesen Dingen hängt mein Herz, auch wenn die Motten und der Rost sie zerfressen können. Aber eigentlich sind es ja nicht die Dinge, an denen ich hänge, sondern die Menschen, an die sie mich erinnern. Und so hebe ich das T-Shirt auf. Weil es Schätze auf dieser Erde gibt, die es durchaus wert sind, dass ich mein Herz an sie hänge.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42450Mein Mann und ich haben sehr unterschiedliche Arbeitszimmer. In meinem Arbeitszimmer herrscht kreatives Chaos: Projekte, die ich gerade vorbereite stapeln sich neben denen, die schon lange erledigt sind. Zum Aufräumen habe ich keine Zeit oder, wenn ich ehrlich bin, keine Lust. Mein Mann dagegen braucht Ordnung, um gut arbeiten zu können. Alles hat in seinem Arbeitszimmer seinen Ordner oder seine Schublade.
Was ich in meinem Arbeitszimmer nicht tue, das mache ich aber im wirklichen Leben. Nämlich: in Schubladen sortieren. Neulich zum Beispiel: Wir waren zu Besuch in Berlin. Ich fahre mit dem Auto eine vierspurige Straße durch Neukölln. Alles ist mir zu groß, zu schnell. Plötzlich hupt es hinter mir, dann Lichthupe. Im Auto hinter mir ein dunkelhaariger Mann mit Sonnenbrille, die Scheibe runter gekurbelt und den Ellenbogen raus. „Typisch!“, denke ich. „Klar, dem fahre ich einfach nicht schnell genug.“ Ich tue so, als hätte ich nichts bemerkt, schaue und fahre stur geradeaus weiter - und ärgere mich über diese Typen, die immer… Er hupt wieder und setzt an, um rechts zu überholen. Der Sonnenbrillenträger überholt aber nicht, sondern fährt gleichauf mit uns und hupt weiter, gestikuliert, ruft. Irgendwann wird es meinem Mann zu blöd und er macht das Seitenfenster auf. „Hey!“ ruft der andere aus seinem Wagen „Eure Seitenspiegel sind angeklappt. So könnt Ihr doch gar nichts sehen.“
Mein Fehler, gleich zwei Mal: Zum einen hatte ich vergessen, die Seitenspiegel auszuklappen, als ich losgefahren bin. Aber zum zweiten und das war der viel größere Fehler: Ich habe diesen Mann fein säuberlich in eine meiner Kopfschubladen aufgeräumt. Und zwar in die Schublade: Von dem kann nichts Gutes kommen. Natürlich habe ich mich nachher bei dem Mann bedankt, aber diese Geschichte geht mir nach. Und ich denke: Ja, es braucht Schubladen, im Arbeitszimmer, genau wie im Kopf. Aber die Sortierung ist nie perfekt. Und etwas kreative Unordnung kann sehr hilfreich sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42449Vorgestern habe ich den Zug um Sechs Uhr Siebzehn erreichen müssen. Also bin ich früh aufgestanden und aus dem Haus gegangen. Jetzt im Sommer war zu dieser Uhrzeit der Tag bereits erwacht.
Ich mag das, wenn morgens die Sonne scheint. Trotzdem brauche ich eine Jacke. Die Morgenfrische kitzelt in der Nase. Natürlich sind die Vögel bereits wach und pfeifen um die Wette. Und wie die Vögel so zwitschern, denke ich: das ist bei uns Menschen ähnlich. Es gibt sozusagen die frühen Vögel, die sind morgens früh munter und agil. Lerchen nennt man sie. Und es gibt Eulen, also die Nachtmenschen, weil sie wie Eulen abends und nachts fit und aktiv sind.
Und während ich über morgendliche Lerchen und Nachteulen nachdenke, frage ich mich: Wozu gehört Gott? Ist Gott eine Eule oder eine Lerche? Mein erster Gedanke: wahrscheinlich eine Lerche. Denn die Bibel erzählt, wie Gott kurz nach der Erschaffung der Welt durch die Morgenfrische im Garten Eden spaziert (1. Mose 3,8).
Und mir gefällt die Idee. Das wäre doch was. Wenn ich jetzt in der Morgenfrische, auf dem Weg zum Bahnhof, Gott treffen würde. Kommt Gott gerade da vorne um die Ecke? Oder winkt er mir von der anderen Straßenseite zu? Ja, so wird es sein: Gott ist früh auf den Beinen. Aber ich glaube sogar: er ist schon die ganze Nacht unterwegs. Unterwegs durch die Nacht und gerade in den Nächten des Lebens, wenn alles so düster scheint.
Ist Gott also doch eher eine Nachteule und keine Lerche? Oder ist er einfach immer da? Ich entscheide mich für: immer da. Gott kann mir und dir jederzeit begegnen, nicht nur auf dem Weg zum Bahnhof. So verspricht es auch die Bibel: „Siehe, der dich behütet, schläft und schlummert nicht. Gott behütet dich, damit dich am Tag die Sonne nicht steche, noch der Mond in der Nacht.“ (Psalm 121,4-6)
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42382Heute vor 67 Jahren, am 1. Juli 1958 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten. Endlich durften verheiratete Frauen auch ohne die Zustimmung ihres Mannes arbeiten gehen. Außerdem wurde noch einmal bestätigt, dass in der Ehe das Letztentscheidungsrecht nicht beim Mann liegt, sondern dass die Eheleute in ihrer Ehe gemeinschaftlich Verantwortung tragen. Und es wurde beschlossen, dass die Ehe eine Zugewinngemeinschaft ist. So wird im Falle einer Scheidung das gemeinschaftlich erwirtschaftete Vermögen geteilt und bleibt nicht allein beim Ehemann.
Allerdings ist mit dem Gesetz von 1958 die Gleichberechtigung noch lange nicht vollumfänglich erreicht worden. Es folgten weitere Gesetze. Außerdem geschieht Gleichberechtigung nicht nur im Bundestag. Sondern sie muss auch in den Köpfen und Herzen der Menschen passieren. Es gibt noch einiges zu tun, um Frauen und Männer wirkungsvoll gleich zu stellen.
Das Statistische Bundesamt hat beispielsweise ermittelt, dass es aktuell deutliche Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Frauen verdienen häufig weniger, weil sie weniger Stunden arbeiten. Weil es immer noch die Frauen sind, die sich um die Kinder oder um die pflegebedürftigen Angehörigen kümmern. Dabei könnten dies genauso gut Männer tun, oder?
Auch in der Lebenswelt der Bibel werden Frauen und Männer selten als gleichgestellt beschrieben. Und trotzdem hat der Apostel Paulus im Brief an die Galater geschrieben: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Galater 3,28) Und damit werden alle Christenmenschen gleichgestellt. Alle sind eins im Glauben.
Allerdings muss dieser Satz mehr sein als ein frommer Wunsch. Er muss ein Ziel sein, das wir im Kopf und im Herz verwirklichen – als Christinnen und Christen und als Bürgerinnen und Bürger.
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