Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2 / SWR Kultur

    

SWR3

  

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

13FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Rashid ist Krankenpfleger und hat einen Pflegedienst. Er betreut auch „Oma Lotti“. Rashid folgen auf Instagram fast 700tausend Leute. Und sie alle kennen auch Oma Lotti, eine über 90-jährige weißhaarige Dame. Sie wohnt in einer Wohnung mit hellen Küchenmöbeln. Dort sitzen sie und Rashid in den Videos meistens und trinken Tee. Manchmal bringt er Essen vom Abholservice eines Restaurants mit, manchmal sieht man sie einen Apfel schälen. Einmal hat er Baklava dabei, das Gebäck ist Oma Lotti zu süß – und sie kann es nicht verbergen, dass es ihr nicht schmeckt. Sie ist herrlich ehrlich. Er sagt ihr, dass ihre Haare heute besonders gut aussehen und sie lernt von ihm das Wort „Bad-Hair-Day“ für einen der anderen Tage, wenn ihre Haare vom Liegen hinten ganz platt gedrückt sind. Sie sagt ihm, dass sie seinen Vollbart mag, obwohl sie Männer mit Bärten eigentlich nie mochte.

Sie sind Gefährten auf Zeit, haben einander nicht ausgesucht. Und es hat sich gefügt, dass die beiden füreinander gut sind.

Erstaunlich selten reden sie über das, was Lotti nicht mehr kann, über Krankheiten oder Gebrechlichkeit. Rashid wirkt nie gestresst und sicherlich wird das, nach allem, was wir über die Realität von Pflege wissen, nicht ganz richtig sein. Trotzdem sind die Videos nicht geschönt. Sie sind: fünf Minuten Augenhöhe.

Häufig haben wir im Leben mit Menschen zu tun, die wir uns nicht ausgesucht haben, auf die wir aber irgendwie angewiesen sind. Das ist in der Pflege oder medizinischen Versorgung so, aber auch in Behörden oder in der Schule.

Immer wenn die Augenhöhe verlassen wird, wenn einer von oben herab schaut oder handelt, dann gibt’s diese Schieflage. Das passiert übrigens auch, wenn man’s gut meint.

„Frag mich bloß nicht, wie’s mir geht“, ruft Oma Lotti in einem der Videos Rashid schon an der Tür zu. „Erzähl mir lieber was Schönes!“
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, stellt die Bibel ganz am Anfang fest. Vielleicht weil wir manchmal die Augen eines anderen in gleicher Höhe brauchen, um das Leben zu meistern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41584
weiterlesen...
12FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich liebe Waldorf und Statler. Die beiden, die bei der Muppets Show in der Loge an der Seite sitzen und an keinem, der auf dieser Muppet-Show-Bühne auftritt, ein gutes Haar lassen. Mal fallen Sie Kermit, dem Frosch ins Wort, mal Miss Piggy. Und am Ende der Show sagt der eine zum andern: „Tja, dann will ich mal zum Zahnarzt gehen.“ Und Waldorf fragt nach: „Was, jetzt?“ „Klar! Nach der Show kann nichts mehr weh tun.“

Noch zig Beispiele gibt’s für solche Paare, die vor allem im Dialog und in ihrer Unterschiedlichkeit witzig sind: Ernie und Bert, Tom und Jerry, Dick und Doof, Bud Spencer und Terence Hill. Und Piggeldy und Frederik beim Sandmännchen. Die beiden sind echte Philosophen. Sie sind Schweine-Geschwister und immer geht die Geschichte damit los, dass Piggeldy eine Frage hat. Er will zum Beispiel wissen, was eine Badewanne ist oder ein Gewitter. Oder auch, was Angst ist. Oder Liebe. Und Frederick antwortet immer als Erstes: „Nichts leichter als das, komm mal mit.“ Und am Ende ist nicht nur die Frage beantwortet, sondern das Leben erklärt.

Das Leben ist offenbar darauf aus, mit anderen geteilt zu werden. Und dass uns andere Menschen mitunter herausfordern, das bestätigt das eher. Das Leben zu teilen, liegt in unserer Natur.

Martin Buber, jüdischer Philosoph, beschreibt eindrücklich: Ein Mensch nimmt sich selbst überhaupt erst wahr, wenn er oder sie mit anderen Menschen zu tun hat. Mehr noch: Jeder Mensch entwickelt seine oder ihre Identität erst in der Begegnung mit anderen. Und ist das nicht ein schöner Gedanke: Ich erfahre mich selbst zuerst darin, dass ich geliebt werde, nicht dass ich selbst liebe.

Am Freitag ist Valentinstag und ich werde an die Menschen vielleicht mal ein paar Rosen verteilen, die mir wie Frederick auf jede Frage antworten: Nichts leichter als das. Und auch für diejenigen, denen ich dieses Gegenüber sein darf.

Und Rosen für die Waldorfs und Statlers im Leben, die alles besser wissen und es aber so sagen, dass ich lachen kann. Denn es mag ja stimmen: Ohne sie alle wäre ich nicht, die ich bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41583
weiterlesen...
11FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Sie sitzen nebeneinander in zwei Sesseln mir gegenüber. Solche Sessel, die man per Knopfdruck hoch- und runterfahren kann. Ich hab‘ die beiden schon ein paarmal besucht und wie immer zeigt mir Lydia die Fotos an der Wand. Ihr Finger zeigt durch die Luft, damit ich weiß, welches Bild sie meint. Dazu formt sie Worte, weil sie erzählt, wer auf den Fotos ist. Ich verstehe sie nicht, sie spricht undeutlich und verwaschen. Lydia hatte vor einigen Wochen einen Schlaganfall und die Sprache kommt nur langsam zurück. Theo sitzt neben ihr.

Er sagt: Das sind unsere Enkel als sie noch klein waren. Als wir zusammen an der Nordsee waren. Lydia nickt, aber dann hebt sie ihren Zeigefinger korrigierend hin und her: „Nä, nä.“ „Ach so, Ostsee, stimmt“, sagt Theo.

Lydia spricht weiter. Theo hört zu wie ich. Diesmal guckt er fragend: „Ich weiß nicht, was du sagen willst.“ Sie versucht es nochmal, wird lauter. Theo versucht es, aber schon geht der Zeigefinger hoch: „Nä, nä“.

Theo sagt mit einem Schmunzeln: „Manchmal, wenn sie was Kompliziertes erklären will, dann fährt sie sich richtig fest.“ Ich lache, weil er das so sagt: Sie fährt sich richtig fest. Und Lydia lacht auch. Sie lacht so sehr, dass ihr die Tränen kommen.

„Liebe ist, wenn er meine Sätze zu Ende spricht“ – Sie kennen vielleicht diese „Liebe ist…“-Zeichnungen, die früher in der Tageszeitung waren. Wie kleine Mini-Definitionen. Keine kann vollständig sein, denn wer kann schon Liebe definieren? Theo spricht Lydias Sätze zu Ende. Dabei hat er offenbar einen Ton gefunden, dass sie sich nicht bevormundet fühlt. Wie viele Tage mag es geben, an denen sie nicht lacht, sondern darüber flucht, dass sie keinen klaren Satz mehr rausbringt. Wie viele Tage mag es geben, an denen ihm kein lockerer Spruch einfällt wie „Manchmal fährt sie sich richtig fest“.

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, sagen diese klugen Leute, die die Bibel geschrieben haben. Auch so ein kurzer Satz, fast banal, der erst dann leuchtet, wenn wir zum Beispiel auf Lydia und Theo schauen. Oder auf uns selbst und die Menschen, denen wir gestatten, dass sie unsere Sätze zu Ende sprechen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41582
weiterlesen...
10FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Pepe freut sich immer doll auf Montag. Samstags fragt er, wie viel Mal schlafen noch bis Montag und wenn es dann endlich montags morgens ist, nimmt er seinen Plüsch-Hund an die Leine und klettert mit ihm auf die Sitzerhöhung in Papas Auto. Pepe ist vier und bis letzten Herbst ging er nicht gern in die Kindertagesstätte. Nein, es stimmt eigentlich nicht: Er mochte die Kita, auch Luisa, Timo und die anderen Erzieherinnen und Erzieher. Er mag eigentlich alles dort. Aber trotzdem wollte er nicht dort bleiben. Er hat versucht, stark zu sein, aber immer kamen ihm wieder die Tränen. Und jedesmal wäre er am liebsten wieder mit Papa rausgegangen, auf die Sitzerhöhung geklettert und heimgefahren. Montags war’s immer besonders blöd. Da war er nach dem Wochenende immer so richtig aus der Übung mit dem Kindergarten.

Jetzt ist das nicht mehr so. Pepe freut sich immer doll auf Montag. Sein Papa bringt ihn nur noch bis hinter die erste Tür. Pepe winkt Luisa und flitzt zu den Garderoben. Mit Hausschuhen und ohne Jacke flitzt er zurück zur Tür. Dort wartet er. Sein Plüsch-Hund sitzt neben ihm. Luisa, die Erzieherin, lächelt.

Ein paar Minuten später kommt sein Freund Amir. Und dann sieht man die beiden über den Flur laufen. Sie halten sich an den Händen fest. In der anderen Hand hält der eine den Plüsch-Hund und der andere ein Feuerwehrauto mit Sirene.

 „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“, steht in der Bibel ganz am Anfang. Und beschreibt damit etwas, das die meisten von uns kennen: Es ist oft einfach besser zusammen mit anderen als allein. Offenbar gilt das auch schon für die Pepes und die anderen Kleinen dieser Welt, vielleicht für die am allermeisten. Und vermutlich können wir kaum so richtig mit Worten beschreiben, warum manche Menschen uns nicht nur sympathisch sind, sondern so sind, dass wir ihnen von Herzen vertrauen. So wie Pepe Amir vertraut. Wenn wir romantisch gestimmt sind, dann nennen wir das „Liebe auf den ersten Blick“, und das gibt’s auch bei Freundschaften. Keine Ahnung, ob Pepe und Amir in 20 Jahren noch beste Freunde sind. Aber für ein paar wichtige Tage in ihrem Leben waren genau sie der Mensch, warum der Montag nicht mehr blöd ist. Und der Dienstag auch nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41581
weiterlesen...
08FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich bin Jahrgang 1956 und mir war immer klar: mit 21 bin ich volljährig, darf wählen, alles. Also im Juli 1977.

Dann kam ein neues Gesetz zum 1. Januar 1975, das Volljährigkeitsalter wurde auf 18 festgelegt und am nächsten Tag war ich volljährig:

mit 18 einhalb, völlig unspektakulär, nix zu feiern, einfach so.

Und dann war im März 1975 Landtagswahl.

Mein Vater hatte mir zwar erklärt, wen ich wählen sollte, aber in der Kabine war ich allein und machte zum ersten Mal im Leben in voller Verantwortung als Erwachsene mein Kreuz auf dem Wahlschein. Was für ein Erlebnis.

Heute ist wählen nix Besonderes mehr. Jedenfalls denken viele in Deutschland so. Und manchen ist es lästig.

Mir nicht, ich will mitbestimmen. Ich will, dass unsere Mitwelt gut behandelt wird: die Erde, das Wasser, die Luft, Pflanzen und Tiere. Das ist nicht unsere Umwelt, sondern das sind alles Lebensgefährten in der großen Schöpfung Gottes.

Gerechtigkeit ist mir wichtig. In der Bibel steht: Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Ich will, dass die sogenannten kleinen Leute die Unterstützung erfahren, die sie brauchen.

Religionsfreiheit ist mir wichtig. Ich lebe in meinem christlichen Glauben und ich will, das jüdische und muslimische Menschen auch ihre Religion leben können.

Eine Hilfe bei der Wahlentscheidung ist für mich gern der Wahl-O-Mat.

Eine Wahlentscheidungs-Hilfe im Internet, die mir Fragen stellt und meine Antworten mit denen der Parteien vergleicht. So erfahre ich in 15 Minuten, mit welcher Partei ich die größte Übereinstimmung habe.  Die muss ich nicht wählen, aber ich kann.

Dann gehe ich auch genau  50 Jahre nach meiner ersten Wahl zufrieden in die Wahlkabine und mache mein Kreuz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41542
weiterlesen...
07FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Als Frau Schmitt Montag morgens ins Pfarrbüro kommt, blinkt der Anrufbeantworter energisch. Oje, das fängt ja gut an, denkt die Sekretärin der Kirchengemeinde. Die Stimme der Anruferin ist ihr nicht bekannt, die Nachricht ist von Samstagabend. Die Stimme sagt:

„Ich bin so traurig. Ich bin ganz allein. Mein Mann ist vor einem Jahr verstorben und meine Kinder sind weit weg. Ich habe auch kaum Bekannte. Ich bin ganz allein.“

Man hört, dass die Stimme weint, dann fängt sie sich wieder.

„Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Aber es ist Samstagabend, alle sind mit ihren Familien und Freunden zusammen, da kann ich niemanden stören.

In der Kirche war heute Licht, da dachte ich: hier erreiche ich jemanden.“

Die Stimme bricht wieder kurz.

„Was mache ich bloß? Gibt es niemanden, mit dem ich reden könnte? Und der lange Sonntag kommt erst noch.“

Frau Schmitt ist voller Mitgefühl.

Aber sie hat keine Ahnung, wer das sein könnte.

Da hilft die Technik weiter: die Stimme hat keine Rufnummernunterdrückung und die Gemeindereferentin, der Pastor oder sie selbst,  könnten die Stimme zurückrufen.

Die beiden anderen haben schon Termine für den Vormittag, also ruft Frau Schmitt selbst die Stimme an. Die meldet sich nur zögerlich mit „Ja?“ und Frau Schmitt stellt sich vor und erklärt, woher sie die Nummer hat. Da wacht die Stimme auf und freut sich. Das Telefon hatte schon sehr lange nicht mehr geläutet und sie ist es nicht mehr gewöhnt, zu telefonieren.

Aber jetzt erzählt sie, wie sie den langen Sonntag rumgebracht hat.

Ein Buch, eine Runde bügeln, ein Spaziergang, ein interessanter Film im Fernsehen.

Zum Abschied gibt Frau Schmitt ihr noch einen Tipp:

wenn es wieder ganz still ist, einfach die Telefonseelsorge anrufen. 0800 1110111

Da ist immer jemand zum Reden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41541
weiterlesen...
06FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Auf einer kleinen Wanderung in Kirchwald begegnete mir Max mit seiner Familie.

Er ist vier und wir freuten uns, uns zu treffen. Ich trage mehr Schmuck als seine Mama, das interessiert ihn. Am Finger meiner linken Hand glitzerte es türkis. Er gab mir zu verstehen, dass er das schön findet, also zeigte ich ihm auch an der anderen Hand einen Ring mit einem leuchtenden Stein.

Woher er weiß, dass manche Frauen Ohrringe tragen, keine Ahnung. Aber er prüfte meine Ohren und fand da auch Glitzerdinger, die ihm gefielen. Ein kleiner Fachmann.

Es war sonnig, aber kalt, und er trug Stulpen, aus denen die Fingerspitzen rausschauten. Die Finger seien kalt, er brauche richtige Handschuhe, meinte er. Ich zeigte ihm, dass ich mit der Faust in meine Stulpen reinpasse und dass so die Finger warm bleiben auch ohne Handschuhe. Er probierte es aus und war erfolgreich.

Die Mutter verfolgte leicht amüsiert unsere Fachgespräche. Das muss ja eine große Freude sein, wenn der kleine Wicht, den man gefühlt noch gestern auf dem Arm herumgetragen hat, jetzt ernsthafte Gespräche mit Erwachsenen führt.

Ein guter Trick von Gott, der es so eingerichtet hat, dass Menschen, Tiere und Pflanzen klein anfangen. Und dass speziell wir Menschen vielleicht ein besonderes Gen oder sowas in uns haben, das uns das Kleine lieben lässt.

Ein kleines Blümchen, einen Welpen, ein kleines Kind, da lächeln wir und empfinden Sympathie – jedenfalls die meisten.

Ich finde, Gott war ziemlich pfiffig, als er die Welt ins Rollen brachte.

Er kam ja auch selber als Baby in die Welt – und die Weisen aus dem Morgenland gingen nicht zum mächtigen König Herodes, sondern zu diesem kleinen Kind.

Ich glaube, wir tun gut daran, nicht auf das Große oder die Großen zu starren, sondern das Kleine zu schützen und zu lieben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41540
weiterlesen...
05FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Das Glück sitzt im Kopf. Neurologen messen beim echten, herzhaften Lachen eine verstärkte elektrische Aktivität bestimmter Hirnregionen. Glück – das wunderbarste aller Gefühle suchen Biochemiker in engen Nervenspalten, Molekularbiologen untersuchen Chromosomen, um die Glücksgene zu fangen. Aber so richtig zu packen bekommen hat noch keiner das Glück. Man kann es sich borgen durch alle möglichen Drogen. Aber jeder weiß: das Erwachen daraus ist sehr, sehr traurig. Die Chemie hat den Neurotransmitter Serotonin als wichtigen Glücksboten ausgemacht. Je mehr Serotonin, desto glücklicher fühlt sich der Mensch. Im Alter wird weniger davon produziert. Ob deshalb ältere Menschen tendenziell unglücklicher sind? Seltsam – geborenen Frohnaturen scheint das überhaupt nichts auszumachen. Da muss wohl noch viel mehr dazu gehören, als das, was mit den Händen zu greifen oder mit dem Mikroskop zu sehen ist. Der indische Jesuitenpater und Autor Anthony de Mello sagt sogar, es gehöre nichts dazu sondern eher etwas weg, um glücklich zu sein. „Warum sind Sie nicht genau jetzt glücklich“, fragt er.  „Weil sie sich auf etwas konzentrieren, was sie nicht haben. Doch genau jetzt haben sie alles, was sie brauchen, um glücklich zu sein. Sie brauchen nichts zusätzliches, im Gegenteil: Sie müssen etwas verlieren.“ Mich nicht mehr von so viel abhängig zu machen. Aus meinen Gedankenmustern und Verhaltensweisen auszubrechen. Und meine Vorurteile und Klischees zu hinterfragen.. „Wach werden“ nennt er diesen Vorgang, „wach werden und das Licht sehen, das wir für uns selbst und für die anderen sind, und zu erkennen, dass wir besser sind, als wir meinen.“ Ob’s stimmt oder nicht, man muss es wohl ausprobieren. Aber es ist schon ein Glück, das mir das endlich mal jemand sagt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41513
weiterlesen...
04FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Nur noch Katastrophen auf der Welt, überall Bekloppte an der Regierung, der große Blackout droht, und wenn die russischen Hacker auf den richtigen Knopf drücken, fährt bei uns jedes Auto an die Wand. Wart nur ab, die Menschheit ist dabei, sich selbst abzuschaffen. Und da soll man nicht frustriert sein und aggressiv werden?  Ich krieg echt die Krise“. Das sagt mein Gegenüber. Ja, sie hat uns voll im Griff, die Krise. Deshalb lohnt es sich auch, einmal genauer hin zu schauen, was das Wort denn eigentlich bedeutet. „Krise“, sagt mein Lexikon, kommt aus dem Griechischen und bedeutet: trennen, scheiden, unterscheiden. Der Duden sagt: „Krise“ bezeichnet „(Ent-)Scheidung“, eine „entscheidende Wendung“. Und das in einer Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. Die Krise ist die Zeit und Gelegenheit, Entscheidungen zu treffen, dem Ganzen eine  „entscheidende Wendung“ zu geben. „Die bevorstehende Bundestagswahl ist eine Gelegenheit für viele zu unterscheiden: Zwischen Hetze und Menschenverachtung einerseits, die nur in neue Krisen führen und keine Lösungen sind. Und einer Entscheidung für mehr Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde andererseits. Es lohnt sich zu unterscheiden.  Man muss nicht vor der „Krise“ die „Krise“ kriegen. Man muss nur rechtzeitig die erforderliche Wende vollziehen.  „Alles hat seine Zeit“, lautet eine der bekanntesten Stellen in der Bibel. Es gibt  „eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ernten, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen.“ Wichtig ist es, diese Zeiten zu erkennen und dann die richtige „Krise“, die Wende zu vollziehen. Und wer dabei noch einen Satz Jesu im Ohr hat und darauf vertrauen kann, der hat es vielleicht dabei etwas einfacher: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt“. Deshalb: nur keine „Krise“ kriegen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41512
weiterlesen...
03FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Was glauben Sie, was ich hier alles zu hören bekomme“.  Die Frau hinter der Ladentheke zuckt mit den Schultern. Vorher hatte sich eine Kundin beschwert, dass die Post auch immer teurer werden würde. Dabei hätte sie noch alte Briefmarken zu Hause. Den Einwand, die könne man ja noch benutzen, es gäbe ja Marken um den  fehlenden Betrag zu ergänzen, den lässt sie nicht gelten.  „Die wollte nur Dampf ablassen“, bemerke ich, als ich an der Reihe bin. „Ja, so ist das“ sagt die Angestellte der Postagentur. „Die Leute sind voller Frust und oft auch voller Hass auf alles in der Welt.“  Und ich frage mich, was da passiert ist, dass Menschen so werden.   „Weil alles Mist ist“, antwortet mir ein Bekannter, als ich ihm davon erzähle. Na, vielen Dank, wenn das die Erkenntnis eines Erwachsenenlebens ist. Wohlgemerkt von einem Menschen aus Deutschland, der - in seinem Fall - immer genug Geld zur Verfügung hat, nie gehungert hat und einen Arzt findet, wenn er einen braucht.  Das sage ich ihm auch so. Und ich denke daran, nach welchem Motto meine  Eltern und Großeltern gehandelt haben. Nach dem Satz: Unsere Kinder sollen es mal besser haben.  Die gehörten zu Kriegsgenerationen und wussten, was Entbehrung bedeutet. Und wir? Wir sind diese Kindergeneration und uns geht es auf jeden Fall besser.  Klar, jeder hat seine ganz eigenen Sorgen und Ängste. Und die Probleme und Gefahren auf dieser Welt sind heute andere als damals.  Aber deshalb fauche ich keine Angestellte einer Postagentur an. In meiner Tageszeitung habe ich einen Sinnspruch gefunden, den ich gerne allen mitgeben möchte, die voll Frust, Angst oder sogar Hass  sind. Er stammt vom ehemaligen Berliner Bischof Alfred Bengsch und lautet: „Wir wissen nicht, was das Jahr bringt. Aber wir wissen, dass es jeden Tag eine Gelegenheit bietet, Gutes zu tun.“  Ich finde, das ist eine echte Alternative zum Dampf ablassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41511
weiterlesen...