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25JAN2025
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Eine der schönsten Geschichten in der Bibel ist für mich die mit den Emmausjüngern. Beide Männer mussten miterleben, dass in Jerusalem ihr großes Vorbild für eine neue und bessere Welt gewaltsam am Kreuz gestorben ist. Nun sind sie niedergeschlagen und gehen traurig zurück in ihr Dorf. Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, schließt sich ihnen ein Fremder an; erst am Ende stellt sich heraus, dass es der auferstandene Jesus ist, den sie zunächst nicht erkennen. Sie laufen gemeinsam weiter und unterhalten sich über das, was geschehen ist. Sie reden und reden. Und genau das fasziniert mich an dieser Geschichte! Der Held der Geschichte, der sich als Sohn Gottes verstanden hat, lässt sich auf ein offenes Gespräch ein. Er gibt sich nicht sofort zu erkennen, er drängt sich nicht auf, um sie gleich zu überzeugen. Nichts davon! Stattdessen ein offenes Gespräch. Der Fremde ist geduldig, er tröstet sie.

Immer wenn ich Menschen begegne, die ihre Religion wie eine Waffe einsetzen, um andere Menschen zu bekehren, muss ich an diese Geschichte denken. Denn die Geschichte sieht den Weg zum Glauben als ein Gespräch unter Freunden. Der Fremde begegnet auf Augenhöhe, menschlich, nahbar, fühlbar. Für mich ist mein Glaube noch immer ein solcher Weg, auf dem ich begleitet werde mit allen meinen Fragen und Zweifeln.

Am Ende der Geschichte mit den Emmausjüngern bitten sie den Fremden, bei ihnen zu bleiben, weil es Abend wird. Erst danach kommt er mit ihnen ins Haus. Gott drängt sich nicht auf, das sagt mir diese Geschichte. Er sucht unsere Augenhöhe und das fasziniert mich so sehr an dieser Geschichte.

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24JAN2025
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Einsamkeit ist eines der großen Themen von heute. Wie damit umgehen? Kann Künstliche Intelligenz vielleicht dafür eine Lösung sein? Heute schon wird sie eingesetzt, um einsamen Menschen das Gefühl zu geben, nicht mehr einsam zu sein. Ich kann mittlerweile täuschend echte Gespräche mit Maschinen führen, fast so wie mit richtigen Partnern oder Partnerinnen. Mag sein, dass Einsamkeit so gelindert werden kann.  – Aber möchte ich das wirklich? Mich in Zukunft mit Maschinen unterhalten oder von ihnen sogar umarmt werden, damit ich nicht so einsam bin?

Ich muss an meinen Sohn denken, der manchmal vor dem Schlafengehen noch ein Familienkuscheln einfordert. Wenn Menschen sich gegenseitig drücken und in die Arme nehmen – ist das nicht viel viel mehr wert? Es ist eine Illusion zu denken, dass wir über noch so täuschend echte Maschinen eine Umarmung ersetzen könnten. Einsame Menschen brauchen Menschen, die sie in den Arm nehmen. Ohne Umarmungen fehlen die Nähe und die Wärme. Mir gibt eine Umarmung in manchen Situationen hundertmal mehr als alle einfühlsamen Worte. Eine Umarmung schenkt mir Geborgenheit. Eine Umarmung sagt mir: ich nehme dich an, fühl dich gedrückt.  – Eine Maschine kann mich nicht annehmen, sie kann nur rechnen. Dass ich als Mensch die Umarmung so nötig habe, weiß auch der Gott, an den ich glaube. Deshalb stelle ich mir einen Gott vor, der seine Arme ausstreckt. Sie sind weit und offen für mich und für alle Menschen. Und Gott möchte, dass mich die Energie seiner Umarmung packt und frei und glücklich macht. Immer dann, wenn Menschen sich umarmen und herzen, wird etwas spürbar von dieser göttlichen Lebens-Energie.

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23JAN2025
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Heute in einem Monat findet die Wahl zum 21. Bundestag statt. Wie schon bei der letzten Wahl wird es auch dieses Mal nicht leicht werden, eine regierungsfähige Mehrheit zusammenzustellen. Dabei wäre es so wichtig, dass sich die Parteien zusammenraufen. Denn die Herausforderungen sind riesengroß. Für die heiße Phase des Wahlkampfes und für die Zeit danach wünsche ich mir deshalb eines am allermeisten: dass wirklich alle spüren, was auf dem Spiel steht!

Der Westen und sein Lebensmodell der Freiheit stehen auf dem Spiel, und zwar so massiv wie lange nicht mehr. Der Klimawandel bleibt das Thema überhaupt mit allen sozialen Folgen, die sich jetzt schon überall zeigen. Dann die vielen Kriege, Konflikte, Gewalt – und die Frage: wie geht ein gerechter Friede?

Angesichts dieser Megathemen wünsche ich mir Menschen in der Politik, die sich bemühen, das Wohl der gesamten Menschheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Ich wünsche mir Menschen an der Macht, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen und sich dafür stark machen, dass die Menschenwürde unbedingt geachtet wird – weltweit. Ich wünsche mir noch viel mehr Mut, gegen skrupellose Machtgier aufzustehen und sich zur Not dagegen zu wehren. Ich wünsche mir entschlossene Menschen, die sich für eine gute Zukunft einsetzen. Denn ob die Zukunft gut wird, liegt an uns allen!

Dass alles wünsche ich mir als Christ, weil ich glaube, dass meine Wünsche keine Hirngespinste sind. Meine Wünsche kommen aus meiner tiefsten Überzeugung: jeder und jede kann heute schon damit beginnen, die Welt ein klein wenig besser zu machen. Und was im Kleinen gelingt, gelingt vielleicht auch in der großen Politik.

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22JAN2025
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„Ich habe jeden Abend mehr zu danken als zu meckern“. Den Weihnachtsbrief einer älteren Dame mit diesen Zeilen habe ich immer noch auf meinem Schreibtisch liegen. Im Sommer letztes Jahr war sie nur kurz von zuhause weg. Als sie wieder nach Hause gekommen ist, ist Wasser aus den Wänden gekommen. Im Obergeschoss war eine Leitung defekt. Das Wasser hatte sich wohl über Wochen seinen Weg bis in die untersten Stockwerke gesucht. „Das Chaos könnt ihr euch vorstellen“, schreibt sie. Das Haus war unbewohnbar geworden, die ältere Dame zog für Monate in ein Hotel. Und kurz vor Weihnachten kam die schöne Nachricht: Weil viele mit angepackt haben, ist sie endlich wieder in ihr Zuhause eingezogen!

Mich hat beeindruckt, dass die Frau nie geklagt hat. Sie schreibt: „Ein solches Drama gibt auch die Chance, auszumisten und wegzugegeben“. Sie wusste, dass es viel schlimmere Schicksale gibt. Und sie schreibt, was ihr Halt gibt: „Alles in Gottes Hände legen und alles in Gottes Händen lassen. Er macht es gut“. Die Dame hat nicht nur gesehen, was sie an geliebten Erinnerungen loslassen muss. Für sie war darin auch die Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das hat sie innerlich freigemacht. Ihr Fundament war der Glaube an Gott und liebe Menschen, die sie unterstützen. Das hat ihr Mut gemacht, auch in ihrem Alter noch mal neu anzufangen.

Wie stark mein persönlicher Glaube gerade in einer solchen Situation wäre, weiß ich nicht. Aber ich wünsche mir, dass ich aus meinem Glauben heraus auch die Kraft habe, Altes loszulassen, das ich nicht unbedingt brauche. Und neu anzufangen. Mit der festen Überzeugung, dass ich von Gott getragen bin. Und von Menschen, die es gut mit mir meinen. Auch heute wieder.

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21JAN2025
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Haben Sie Ihren guten Vorsatz fürs neue Jahr bis heute durchgehalten? Bei mir hat das nie funktioniert. Im letzten Jahr zum Beispiel: Ab Neujahr wollte ich mehr nach draußen gehen. Wollte sportlich aktiv sein. Anfangs hat das auch wunderbar geklappt. Drei Wochen später war dann aber alles wie früher. Ich bin einfach zuhause geblieben, weil's da gemütlicher war und nicht so kalt. Der gute Vorsatz hat sich in Luft aufgelöst.

Dieses Jahr wollte ich mir den Frust ersparen und mir überhaupt keinen Vorsatz machen. Kurz vor Weihnachten haben wir dann in einer Gruppe über einen weihnachtlichen Text aus der Bibel gesprochen. Die Hirten erzählen da von ihrer Begegnung mit dem Christuskind in der Krippe. Im Text heißt es: „Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde“ (Lukas 2, 18). Da hat ein Mann aus unserer Runde gesagt: „Ich bin schon so alt, aber ich kann immer noch staunen über alles Schöne, was Gott mir schenkt“. Die Augen des Mannes strahlten. Im Leuchten seiner Augen habe ich sogar eine echte jugendliche Freude gespürt.

Wieder öfter staunen! „Das kann mein neuer Vorsatz fürs neue Jahr sein“, habe ich gleich gedacht. Und war fasziniert von diesem schönen Gedanken. Natürlich wird es in meinem Alltagstrott immer wieder Dinge geben, die ich nicht bemerke. Vielleicht weil sie für mich selbstverständlich sind. Aber trotz allem will ich wieder staunen können über unverhoffte Begegnungen oder gute Gespräche.  Über ein freundliches Wort, das jemand zu mir sagt. Einfach so. Und in allem sehe ich dahinter auch die Handschrift Gottes, der mir das alles schenkt.

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20JAN2025
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„Ich bin Marxist und Christ“, hat er gesagt. Ernesto Cardenal war katholischer Priester und Politiker.  Unermüdlich hat er gekämpft für die Gerechtigkeit und die Rechte der Armen. Und dabei hat er oft selbst sein Leben riskiert. Heute wäre er hundert Jahre alt geworden. In Nicaragua ist er geboren. Er hat Literatur und Theologie studiert. Hat sich in Klöster zurückgezogen und tiefsinnige Bücher über Gott und die Welt verfasst. „Die ganze Welt ist die Schönschrift Gottes“ - so hat er geschrieben.

Sein Statement war klar: Gott liebt alle Menschen. Und damit müssen auch alle gleichberechtigt sein. Aus dieser Überzeugung hat er sich aktiv an der Revolution gegen die Diktatur in seinem Land beteiligt. Nach dem Umsturz wurde er sogar Kultusminister der neuen Regierung. Als katholischer Geistlicher war es ihm allerdings nicht erlaubt, politische Ämter zu haben. Geschweige denn sich in einer Partei der sogenannten politischen „Linken“ zu engagieren!

Dass er damit gegen kirchliches Recht verstoßen hat, hat ihn Papst Johannes Paul II.  sogar öffentlich spüren lassen. Bei einem Besuch in Lateinamerika im Jahr 1983 hat er ihm den Segen verweigert und ihn mit erhobenem Finger ermahnt. Kurze Zeit danach wurde er vom Priesteramt suspendiert. Erst 2019 hat Papst Franziskus das alte Urteil gegen ihn offiziell aufgehoben. Mehr als dreißig Jahre danach. „Mit Wohlwollen“, so wie es im offiziellen Schreiben heißt. Ein Jahr später starb Ernesto Cardenal im Alter von 95 Jahren.

Dass ein Mensch trotz aller Anfeindungen und äußeren Hindernisse seine innere Überzeugung leben kann, macht mir Mut. Auch für mein persönliches Wirken als Priester. Weil ich manchmal auch sehe, dass kirchliche Gesetze für manche Menschen nicht passen. Weil sie bedrücken, statt ihnen zu helfen. Die frohe Botschaft von der Liebe Gottes ist aber größer ist als alle menschlichen Gesetze. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Weil die Liebe Gottes zum Leben befreit.

Danke für dein Lebenszeugnis, Ernesto!

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18JAN2025
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Meine kleine Nichte liebt Anna und Elsa, die beiden Prinzessinnen aus dem Disney-Film „Die Eisprinzessin“.

Besonders Elsa findet sie faszinierend. Elsa hat nämlich besondere Fähigkeiten: Sie kann allein mit ihren Händen Eis und Schnee entstehen lassen. Als Kind hat sie diese Gabe aber noch nicht richtig im Griff, und es kommt zu einem Unfall, der beinahe tödlich ist.

Seitdem verschließt Elsa sich. Sie unterdrückt ihre besondere Fähigkeit, weil sie ihr Angst macht. Sie wächst hinter verschlossenen Türen auf, um ihre unheimliche Gabe geheim zu halten. So entfernt sie sich von allen. Von ihrer Schwester und von den Menschen, deren Königin sie eigentlich einmal sein soll.

Als sich um sie herum eine Krise zuspitzt, flieht Elsa in die Wildnis und baut sich dort ein Schloss aus Eis, zu dem niemand Zugang haben soll. Dadurch wird aber in ihrem Königreich alles nur noch schlimmer.

Die Geschichte geht gut aus. Denn Elsas Schwester Anna gibt sie nicht auf. Sie sucht Elsa und findet sie in ihrem Schloss aus Eis. Durch die Liebe ihrer Schwester lässt Elsa sich schließlich dazu anleiten, ihre Gabe zum Guten für alle Menschen im Königreich einzusetzen. Und so wird sie auch endlich ganz sie selbst.

Vielleicht ist es gar nicht so selten, dass Menschen besondere Gaben haben, die sie aber nicht offen zeigen. Ich meine jetzt natürlich nicht, Eis oder Schnee zu zaubern.

Aber wenn jemand zum Beispiel besonders schön singen kann, wäre es doch für alle toll, er würde das nicht verstecken, sondern alle hören lassen. Oder wenn jemand andere zum Lachen bringen kann. Oder ein Händchen dafür hat, sich besonders und farbenfroh anzuziehen.

Aber manchmal müssen Menschen erstmal erfahren, dass sie geliebt werden, so wie sie sind. Damit sie sich dann auch trauen, ihre wunderbaren Fähigkeiten zu zeigen und ganz sie selbst zu werden.

Ich glaube, Gott schaut jeden Menschen mit ganz viel Liebe an. Und sieht oft vielmehr Gaben als man selbst. Und ich glaube, Gott freut sich, wenn jemand zeigt, was er oder sie kann und es mit anderen teilt. Und wenn ein Mensch dann ganz er selber wird.

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17JAN2025
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Einer meiner liebsten Familienfilme, „Findet Nemo“, spielt im Pazifischen Ozean. Die Hauptfiguren sind zwei Clownfische: Der körperlich beeinträchtigte Junge Nemo und sein überbehütender alleinerziehender Vater Marlin.

Nemo geht bei einer Mutprobe im Pazifik verloren – so fängt die Geschichte an. Eine spannende Suche beginnt, auf der Marlin nicht nur den weiten und gefährlichen Weg vom heimischen, sicheren Korallenriff bis in den Hafen von Sydney zurücklegen muss. Der ängstliche Papa muss vor allem auch innerlich immer wieder seine Komfortzone verlassen. Er muss lernen, seine Angst vor dem Unbekannten zu überwinden. Er muss lernen, sich auf Fremde einzulassen. Und er muss lernen, anderen etwas zuzutrauen. Nicht zuletzt seinem Sohn, den er vor dem Leben nicht beschützen kann.

Im Laufe der Geschichte überwindet Marlin seine Ängste – und gewinnt einen ganz neuen Zugang zu seiner Welt, dem weiten Ozean mit all seinen kuriosen Kreaturen. Er entwickelt eine neue Sicht auf das Leben, das zwar voller Gefahren ist, aber auch voller Glück. Und es entsteht eine leichtere Beziehung zu seinem Sohn: Er lernt, ihn zu lieben ohne ihn einzusperren.

Das alles gelingt ihm nur deshalb, weil seine Suche ein Ziel hat, das ihm wichtiger ist als er selbst: Nämlich seinen Sohn wiederzufinden, den er über alles liebt.

Vom Suchen und Finden handelt auch ein Satz aus der Bibel. Da heißt es: „Gott sagt: Wenn ihr mich von ganzem Herzen sucht, will ich mich von euch finden lassen.“ (Jer 29,13).

Gott von ganzem Herzen suchen, das heißt vielleicht, ihn so zu suchen wie Marlin seinen Nemo sucht. Ich glaube nämlich, dass ich Gott nicht in meiner Komfortzone finde, in der  ich mich so schön und sicher eingerichtet habe. Ich glaube, Gott muss ich draußen suchen, in der Welt, so unbequem sie auch ist. Um Gott zu suchen, muss ich mich auf Fremde einlassen und von ihnen lernen. Um Gott zu suchen, muss ich üben, ihm etwas zuzutrauen.

Und wenn ich Gott dann finde, dann kann ich ihn vielleicht sogar lieben, ohne ihn einzusperren.

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16JAN2025
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Phileas Fogg, ein reicher englischer Gentleman, reist um die Welt. Er riskiert Kopf und Kragen, nur um an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit wieder am Ausgangspunkt seiner Reise einzutreffen. So in etwa lässt sich der Roman „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne zusammenfassen. Die Geschichte hält allerlei Verwicklungen bereit und ist ein spannendes Abenteuer. Im 19. Jahrhundert, zur Zeit des Gentlemans Phileas Fogg, war eine Weltreise nämlich noch komplizierter als heute. Damals konnte man nicht einfach in ein Flugzeug steigen. Phileas Fogg war auf alle möglichen anderen Transportmittel angewiesen und musste sich wahnsinnig anstrengen auf seiner Reise.

Die Geschichte wurde mehrfach verfilmt und ist immer noch unterhaltsam. Man fiebert richtig mit, ob Phileas Fogg es schafft, seine Weltumrundung rechtzeitig zu beenden.

Denn das ist sein einziges Ziel, und der Grund, aus dem er sich überhaupt erst auf den Weg gemacht hat: Er hat mit anderen darum gewettet, dass er das in 80 Tagen schaffen kann. Auf so eine Idee käme ich nie. So viel Energie aufzuwenden, nur um eine Wette zu gewinnen!

Obwohl: Manchmal macht es ja schon Spaß, sich selbst und andere herauszufordern. Im Kleinen mache ich das manchmal mit meinen Kindern. Wetten, dass ich es länger aushalte, mein Handy nicht anzufassen?

Mit anderen solche Wetten abzuschließen ist ja eigentlich nichts anderes, als sich selbst herauszufordern. Sich selber aus der Komfortzone zu locken, um über sich hinauszuwachsen. Das geht mit einer Wette besser, als wenn man sich nur für sich alleine etwas vornimmt.

Sowas ähnliches wird auch in der Bibel einmal vorgeschlagen: „Lasst uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“ (Hebr 10,24)

Vielleicht wäre das ja doch was für mich. Mal überlegen, was ich eigentlich gut finde, wozu ich mich aber oft nicht aufraffen kann. Und dann eine Wette abschließen. Zum Beispiel mit meinem Mann: Wetten, dass ich es dieses Jahr länger durchhalte, einmal die Woche Sport zu machen, als Du?
Oder mit den Nachbarn: Wetten, dass wir es diesen Sommer wirklich schaffen, ein Straßenfest zu organisieren und die Neuen aus unserer Straße einzuladen?

Top, die Wette gilt!

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15JAN2025
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Ich bewundere Leute, die einen guten Orientierungssinn haben. Die nicht nur anderen den Weg gut beschreiben können, sondern selber auch immer ungefähr wissen, in welcher Himmelsrichtung ihr Ziel liegt. Mein Orientierungssinn ist eine Katastrophe. Ohne Navi würde ich mich andauernd verlaufen.

Es gibt eine Geschichte von einem Mann, der seinen Weg im Leben auf eine sehr merkwürdige Art und Weise gefunden hat, ganz ohne Navigationssystem: Forrest Gump. In einem Film aus den 90er Jahren wird seine Lebensgeschichte erzählt.

Forrest Gump hat keine guten Startbedingungen für seinen Weg ins Leben. Er ist sehr viel weniger intelligent als der Durchschnitt und total naiv. Als Kind wird er von den anderen gemobbt, nur seine beste Freundin Jenny hält zu ihm. Als die anderen ihn verprügeln wollen, stellt Forrest fest, dass er eine Sache gut kann: Laufen.

Seit diesem Zeitpunkt läuft Forrest Gump weite Strecken. Er läuft einfach los, ohne Navi. Und sein Weg nimmt immer wieder überraschende Wendungen. Dabei verfolgt er keinen besonderen Plan, er hat kein bestimmtes Lebensziel. Es geht ihm zum Beispiel nicht darum, Karriere zu machen oder einen bestimmten Status zu erreichen.

Er findet seinen Weg einzig und allein, indem er auf sein Herz hört. Sein Herz ist sein Kompass. Sein Herz weist ihm immer wieder den richtigen Weg. Seine Himmelsrichtungen sind Freundschaft, Liebe, Ehrlichkeit und Freundlichkeit. Forrest meistert sein Leben und wird in seiner Geschichte zum Helden, weil er sich radikal an dieses innere Navigationssystem hält. Und damit hat der naive Tor am Ende den klugen Leuten so einiges voraus.

Ein solcher innerer Kompass hilft mir natürlich nicht, wenn ich mich in einer fremden Stadt verlaufe. Und die radikale Naivität, mit der Forrest Gump durchs Leben geht, ist auch nicht für meine Wirklichkeit gemacht. Aber für den Lebensweg, der vor mir liegt, ist ein gutes Herz ja vielleicht trotzdem der beste Kompass.

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