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22MAI2025
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Normalerweise steige ich nicht zu Fremden ins Auto. Normalerweise quatsche ich auch keine Fremden auf der Straße an. Normalerweise… Aber dummerweise habe ich mich verirrt, überall Baustellen, und ich kann die Haltestelle für den Bus zurück zum Bahnhof nicht finden. Also spreche ich eine Frau an, die mir vertrauenerweckend erscheint:
„Wissen Sie, wo ich hier die Bushaltestelle in Richtung Bahnhof ist?“
„Tut mir leid“, sagt sie im Vorbeigehen, „ich kenne mich hier selber nicht aus.“ Und damit überquert sie die Straße. Sie überlegt es sich und kommt zurück.

„Soll ich Sie mitnehmen? Ich kann am Bahnhof vorbeifahren, ist kein Problem.“ Sie spricht mit südländischem Akzent.
„Wirklich?“, frage ich verdattert. „Das würden Sie tun?“
„Na klar“, sagt sie. „Kommen Sie! Kommen Sie! Da hinten steht mein Auto.“

Ich folge ihr. Sie fährt ein flottes Cabrio und erzählt freudestrahlend von ihrer Mutter in Tunesien, die schon immer gesagt hat:
„Mädchen, du bekommst nie einen Mann ab, so bestimmend, wie du bist!“
Ich muss lachen, denn das kann ich mir lebhaft vorstellen.
„Und sie hatte recht!“, sagt sie lachend und haut übermütig aufs Lenkrad. Plötzlich kommt uns ein Geldtransporter entgegen mit Polizeieskorte und viel Blaulicht. Sie winkt und sagt:
„So einen bin ich früher auch mal gefahren.“ Und wir unterhalten uns ein wenig über ihre beruflichen Erfahrungen. Dann wirft sie mir einen Seitenblick zu:
„Und was machen Sie?“
„Ich bin Pfarrerin.“
„Oh, dann sind Sie ja auch Fahrerin!“
„Nein, nein. Pfarrerin - in der Kirche.“
„Was??“, ruft sie und tritt vor Überraschung auf die Bremse. „So jemandem bin ich ja noch nie begegnet! Gut, ich bin ja auch Muslima. Trotzdem: das ist doch was Seltenes, oder? Das freut mich! Das freut mich sehr!“

Als wir am Bahnhof ankommen, tut es mir fast leid, auszusteigen. Es kam mir wie eine himmlische Fügung vor, so spielend verschiedene Religionen zusammenzubringen. Man glaubt ja gar nicht, was man alles versäumt, wenn man sich immer nur nach demselben Muster verhält.

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21MAI2025
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Ich bin auf dem Kirchentag in Hannover und die Wege sind weit. Nach einem guten Frühstück im Hotel mache ich mich zu Fuß und mit der Straßenbahn auf den Weg zur Bibelarbeit. Ich bin noch unterwegs, da schreibt eine Freundin: „Die Kirche ist schon überfüllt.“ Ich überlege kurz, ob ich woanders hinfahren soll, entscheide mich dann aber doch für die überfüllte Kirche. Meine Freundin hat mir einen Platz vor der Kirche in der Sonne gesichert. Draußen an der Kirchenmauer sitze ich mit vielen anderen, um den Worten drinnen zu lauschen. Die Übertragung ist gut, aber noch viel besser ist es, dass ich hier in der Sonne sitze. Es ist der dritte Kirchentags-Tag und mir geht vieles durch Kopf und Herz. Was ich bisher gehört habe, hat eigene Themen in Bewegung gebracht. Und die brauchen Zeit, um sich zu sortieren. Und so wird mir der Platz in der Sonne zur Atempause.

Nach der Bibelarbeit treffe ich eine Kollegin, die ich lange nicht gesehen habe. Wir beschließen, gemeinsam zur Messe zu fahren. In ein paar Stunden mache ich dort Standdienst auf dem Markt der Möglichkeiten. Auf der Messe angekommen schlendern wir ein wenig hin und her und ich erzähle ihr, was in mir in Bewegung gekommen ist. Sie hört mir sehr aufmerksam zu. Schließlich sagt sie: „Lass uns doch mal hierhin setzen, ich habe noch Zeit.“ Sie hört weiter zu. Und sie stellt gute Fragen. So kann sich das, was in mir ist, weiter sortieren.

Mutig, stark, beherzt! Das war das Motto des Kirchentags in Hannover. An vielen Stellen bin ich dort gefragt worden: Wann warst du das letzte Mal mutig, stark und beherzt? An diesem Morgen war ich beherzt und habe meine unfertigen Gedanken erzählt. Und meine Kollegin war stark, weil sie gespürt hat, dass ich das jetzt gerade brauche. Aber war es auch mutig? Wenn mutig sein bedeutet, sich auch sehr verletzlich zu zeigen, dann war ich auch mutig. Und ich habe mitten in der Angebotsfülle einfach mal eine Pause eingelegt. Manchmal wachsen gerade aus den Pausen neue Möglichkeiten und machen den Aufbruch wieder möglich.

Meine Kollegin umarmt mich fest, dann gehe ich los zu meinem Standdienst und sie besucht das nächste Podium.

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20MAI2025
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Als ich am Bahnhof ankomme, merke ich, dass es gut gewesen wäre, wenn ich den Spielplan des 1. FCK im Blick gehabt hätte. Mit mir stehen nämlich Hunderte fröhlicher Fans nach einem Heimspielsieg auf dem Bahnsteig. Als der sowieso schon gut gefüllte Zug kommt, schaffe ich es nicht mehr rein mit Koffer und Rucksack. Ich muss eine Stunde auf den nächsten Zug warten. Ich setze mich in die Sonne und überprüfe auf dem Handy, ob ich mein Ziel heute noch erreichen kann. Es wird klappen und da gelingt es mir meinen Ärger über meine schlechte Planung loszulassen. In der nächsten Bahn bekomme ich sogar einen Sitzplatz.

Alles gut. Bis Ludwigshafen. Dort bleibt die Bahn stehen. Keine Durchsage, keine Information, nur Stillstand. Irgendwann läuft über die Anzeige der Text: „Bitte alle aussteigen.“ Gehetzt steige ich aus und sehe, wie ein Mann kurz mit einem Bahnmitarbeiter spricht und dann mit seinem Koffer Richtung Ausgang rennt. Ich schließe mich an und frage ihn, wie er nun nach Mannheim kommt. „Mit einem Taxi!“, ruft er und rennt weiter. „Kann ich mitfahren?“, rufe ich und renne neben ihm her zu den Taxis. „Klar“, sagt er und schon sitzen wir beide im Taxi zum Mannheimer Hauptbahnhof. Ich will ihm den halben Fahrpreis bezahlen. Er lädt mich ein. In Mannheim ist der Anschluss weg, aber wir können einen anderen Zug nehmen. Wir erzählen einander, dass wir beide auch in Frankfurt noch einmal umsteigen müssen und bangen, ob wir das schaffen. Wir sind nun eine kleine Gemeinschaft mit einem Ziel geworden. Wir informieren uns über die wachsende Verspätung und rüsten uns zum Spurt über den Frankfurter Hauptbahnhof. Dort haben wir knappe 2 Minuten. Wir nehmen es sportlich, rennen nebeneinander 6 Gleise weiter und schaffen es gerade in den ICE. Wir strahlen uns an und er hält mir die High Five Hand hin. Ich klatsche ab. Dann trennen sich unsere Wege. Er geht in die 1. Klasse und ich in die 2.

Diese Fahrt fällt nicht nur in die Kategorie Alltagsabenteuer, sondern sie macht mir so deutlich, wie gut es ist, dass wir als Menschen einander zu Nächsten werden können. Denn zu zweit lassen sich nicht nur die kleinen Abenteuer des Lebens besser bestehen.

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19MAI2025
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Vor mir erstreckt sich ein großes Rasenlabyrinth. In der Mitte dieses Labyrinths steht ein schöner alter Baum.

Ich bin auf dem Disibodenberg. Hier hat im Mittelalter Hildegard von Bingen viele Jahre in einer sogenannten Frauenklause gelebt. Es wird erzählt, dass sie als junges Mädchen mit zwei anderen Frauen in dieser Klause fern von den Männern des Klosters eingemauert war. Nur durch ein Fester kam das Tageslicht herein. Dennoch kamen viele Pilger an dieses Fenster, um sich Rat zu holen. 40 Jahre hat Hildegard hier gelebt und im Laufe der Jahre sind immer mehr Frauen dazugekommen. Es entstand eine eigene Frauenabteilung und die Frauen sind in ein größeres Gebäude innerhalb des Klosters umgezogen. Hildegard wurde für viele Frauen ein Vorbild im Glauben und Hoffen.

All das geht mir durch den Kopf, als ich mich auf den Weg mache durch das Rasenlabyrinth. Ich tauche gewissermaßen ein in die alte Geschichte dieses Klosters und denke gleichzeitig über die Ziele in meinem eigenen Leben nach. Wohin geht mein Weg? Meine Kinder sind jetzt alle ausgezogen und das fühlt sich für mich nach einem neuen Lebensabschnitt an. Unbekannte Wege sind das für mich. Brauche ich ein neues Ziel? Hier oben ist es leicht, das Ziel zu finden. Der Baum in der Mitte steht groß und fest und das Labyrinth lenkt meinen Schritt.

Ob Hildegard immer ein Ziel vor Augen hatte? Von ihr wird der Satz überliefert: „Wo der menschliche Zweifel nicht ist, da ist nicht die Antwort des Heiligen Geistes.“ Das gefällt mir sehr gut. Es geht gar nicht um ein klares Ziel. Der Zweifel gehört zum Weg und im Zweifel ist Platz für den Heiligen Geist. Hildegards Weg ging weiter. Auf dem Rupperstberg in Bingen gründete sie gegen viele Widerstände ein eigenes Frauenkloster.

Schritt für Schritt gehe ich weiter durch das Labyrinth. Und dann stehe ich am Baum, berühre seine harte Rinde, lehne mich an, ruhe aus. Der frische Wind streichelt mein Gesicht. Ich bin auf dem Weg und ein neues Ziel wird sich finden, wenn der Heilige Geist genügend Platz hat.

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17MAI2025
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Opa sein ist etwas Schönes, manchmal aber auch ganz schön stressig. So tauchen Ängste wieder auf, die mich seit 30 Jahren nicht mehr geplagt haben. Wenn nämlich der Enkel, der doch gerade noch neben mir stand, wie vom Erdboden verschluckt ist.

Dann steigt der Puls schlagartig. Denn die Welt ist für besorgte Eltern und Großeltern zunächst einmal böse und gefährlich, auch in der Fußgängerzone und auf dem Spielplatz. Ich werde Zeit meines Lebens den Schrecken nicht vergessen, als im Urlaub im fremden Land, weit weg von zu Hause unsere kleine Tochter auf dem belebten Markt plötzlich weg war. Was folgte, waren die längsten 5 Minuten meines Lebens, Horror pur.  Am Ende war alles ganz harmlos. Sie hatte einem Straßenkünstler zugeschaut, unser Rufen nicht gehört, unser Suchen nicht bemerkt.  Mach so was nie wieder! Grenzenlose Erleichterung mischen sich da mit Ärger über das Kind, liebevolle Umarmung mit dem Gedanken an eine Strafpredigt. Diese Geschichte ist schon viele Jahre her, aber seitdem ist eine kurze Begebenheit in der Bibel für mich viel lebendiger geworden. Da wird erzählt, dass der 12-jährige Jesus mit seinen Eltern zum Passahfest nach Jerusalem gereist ist. An diesem hohen Feiertag wimmelte es da vor Menschen, da war buchstäblich die Hölle los. Und in diesem Trubel geht Jesus verloren. Drei Tage suchen die Eltern ihn, das kann man sich gar nicht vorstellen. Mir haben fünf Minuten schon fast den Herzinfarkt beschert. Sie finden ihn im Tempel, wo er den Gelehrten zuhört und mit ihnen redet. Und er kann nicht verstehen, was die Eltern für einen Aufruhr veranstalten.  Mach das nie wieder!  „Wusstet ihr denn nicht, dass ich hierhin gehöre“ antwortet er ihnen. Klar, der Sinn der Geschichte liegt nicht darin, etwas über gestresste Eltern und ungehorsame Kinder zu sagen. Es geht um die wahre Bestimmung dieses Jesus, der Gott seinen Vater nennt. Für mich ist es aber trotzdem auch eine ganz menschliche Geschichte, die von Loslassen und Trennungsschmerz erzählt, von Kindern, die eigene Wege gehen und Eltern, die das manchmal gar nicht verstehen können. Leben pur eben. Es ist gut, dass wir unsere Kinder beschützen. Aber sie gehören uns nicht, auch wenn diese Erkenntnis für uns Eltern und Großeltern ganz schön stressig sein kann.

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16MAI2025
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„Auf – es klappt schon, du schaffst das.“ Ich stehe 100 Meter unterhalb der Gipfelstation des Pic du Midi. Das ist ein Berg in den französischen Pyrenäen. Ich kann nicht mehr. Die Beine sind schwer, die Luft ist knapp. Am liebsten würde ich umdrehen. Da ruft mir von oben eine wildfremde Frau zu: Komm, das schaffst du. Auf geht’s.  Und ich gehe los und komme oben an. Ich weiß bis heute nicht, ob ich ohne diesen Ansporn weiter gegangen wäre. Hochgezogen oder getragen hat mich ja keiner. Ich musste den Weg alleine schaffen. Und es hat dann ja auch geklappt. Weil mir von oben jemand Mut gemacht hat: Komm schon, es klappt. Ich hab‘s ja auch geschafft.  An dieses Erlebnis muss ich manchmal denken, wenn ich über meine Lebenssituation nachdenke. Ich bin jetzt 68 Jahre alt, im übertragenen Sinne „oben“ angekommen, hab das Arbeitsleben geschafft. Meine Kinder und meine Enkel haben noch so viel vor sich und ich ertappe mich bei den Gedanken: was mag da alles noch auf sie zukommen?  Wie steinig und steil wird der Weg sein, den sie noch zu gehen haben? Ganz ehrlich: wird’s mir schon manchmal anders, wenn ich so auf das Weltgeschehen blicke. Meine Eltern und Großeltern lebten nach der Devise: unsere Kinder sollen es mal besser haben und ich als ein Vertreter der Baby-Boomer-Generation habe davon profitiert. Und was tun wir als Gesellschaft? Wir Alten lasten den Jungen immer mehr auf. Ich habe da auch keine Lösung und ich möchte auch den Rentnerinnen und Rentnern, zu denen ich ja auch gehöre, kein schlechtes Gewissen machen. Aber ich habe beschlossen, mich in meiner kleinen Welt nicht zum Pessimisten zu entwickeln nach dem Motto:  unsere Kinder werden es mal schlechter haben. „Kommt, ihr schafft das!“  Für meine Kinder und Enkel ist mir kein Lob und keine Minute Zeit zu viel. Und ich verlange von unserer Gesellschaft, dass für unsere Kinder mindestens genau so viel getan wird wie für den Aufbau der Bundeswehr. Meine Gipfeltour damals am Berg hatte übrigens ein seltsames Ende. „Willkommen. lieber Wanderer“, stand da auf einem Schild an einer verschlossenen Tür. „Der Eintritt zur Gipfelstation beträgt 25€“. Erst wollten wir uns ärgern, dann haben wir gelacht. Man darf sich einfach nicht entmutigen lassen.

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15MAI2025
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„Wenn man dir von klein an eintrichtert: du musst kämpfen, du darfst niemals aufgeben, dann ist es unglaublich schwer um Hilfe zu bitten, wenn es irgendwann alleine nicht mehr geht.“  Das sagt Jan Ullrich. Der war mal Radprofi, hat 1997 die Tour de France gewonnen.  Und war in einen Dopingskandal verwickelt. Auch dadurch fiel er nach dem Ende seiner Karriere in ein tiefes Loch, bekam Depressionen.  Sich da alleine raus zu kämpfen, ging nicht. Aber es habe lange gedauert, das einzusehen.  Ja, denke ich, als ich das lese, das kenne ich auch: immer alles alleine hinkriegen wollen. Niemanden nach dem Weg fragen, wenn man sich verlaufen hat. Den Schrank aufbauen, obwohl ich die Bauanleitung nur halb verstehe, den Arztbesuch solange aufschieben, bis ich buchstäblich auf allen vieren in die Praxis kriechen muss. Mann –mit zwei „n“ geschrieben- schafft das schließlich alleine. Oder eben doch nicht. Die Bibel erzählt eine Geschichte, in der ein Mann anders handelt und laut um Hilfe schreit. Bartimäus heißt er. Er ist blind und bettelt am Straßenrand. Auf dieser Straße ist Jesus unterwegs, „mit einer großen Menschenmenge“, so erzählt es die Bibel. Ich habe diese Geschichte mal in einer Gruppe in verschiedenen Szenarien nachspielen lassen. In einer Version war Bartimäus ein verbitterter Mann, der von keinem Hilfe wollte mit dem Ergebnis, dass er ein paar Tage später im Straßengraben verhungert.  In einer anderen wird er von den Begleitern Jesu abgewiesen. Er resigniert und bleibt allein zurück. Das Original sieht anders aus: Bartimäus ruft laut um Hilfe. Und als man ihm befiehlt den Mund zu halten ruft er noch lauter: „Hab Erbarmen mit mir!“ Das ist ja noch eine Stufe mehr als um Hilfe zu rufen. Es signalisiert: hier geht es wirklich ums Eingemachte. Und sein Mut und seine Hartnäckigkeit werden belohnt. Er kann wieder sehen und das Leben kann weiter gehen. In der Gruppe haben wir darüber gesprochen, ob man so eine Wundergeschichte auf das alltägliche Leben übertragen kann. „Jein“, kam dabei heraus. Naiver Wunderglaube ist fehl am Platz. Aber den Mut zu finden, um Hilfe zu bitten wenn‘s nötig ist und dafür auch mal lauter zu werden, wenn man beim ersten Mal nicht gehört wird, das kann man schon.  Und darüber hinaus in schweren Lebenssituationen auch einmal Gott um Erbarmen zu bitten in einem kurzen Gebet, das ist einen Versuch wert.

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14MAI2025
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„Wer suchet, der findet!“ Dieser Spruch kommt mir leicht über die Lippen. Zuletzt erst, als meine Kollegin verzweifelt ihren Schlüssel gesucht hat. Wenn ich allerdings selbst alles auf den Kopf stelle und einen Ohrring oder was auch immer suche, dann sieht das schon ganz anders aus. Dann bin ich oft sehr verbissen, angespannt. Genervt. Ich sehe das verlorene Stück genau vor mir, kann es beschreiben, weiß wann und wo ich es das letzte Mal in den Händen hatte. Und verstehe nicht, warum ich es nicht finde. Den Spruch „Wer suchet, der findet“ höre ich dann gar nicht gern. Das klingt dann für mich so, als ob ich nur zu faul bin oder nicht gründlich genug suche.

Da gefällt mir ein Satz, der dem Künstler Pablo Picasso zugeschrieben wird, schon wesentlich besser: „Ich suche nicht – ich finde.“ Das klingt in meinen Ohren erst mal total entspannt. Ich suche nicht. Weder verkrampft noch mühsam, sondern kann gelassen und offen sein, für das, was kommt. Was mir begegnet. Was mir quasi in die Hände oder vor die Füße fällt. Ich stelle mir dabei nichts Konkretes vor; bin einfach offen für Unbekanntes und Neues. Und ich vertraue darauf, dass ich schon finden werde, was für mein Leben wichtig ist. Was ich brauche. Was mir guttut.

Ich suche nicht – ich finde. Mit den Worten und der Haltung starte ich gerne in den neuen Tag, - gelassen und neugierig auf das, was ich heute finden werde. Wer weiß? Vielleicht sogar ganz überraschend und ohne Stress den Ohrring, der mir abhandengekommen ist.

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13MAI2025
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Ich mag Freundebücher. Bücher, die an Freundinnen und Freunde weitergegeben werden, damit sie reinschreiben, was sie mögen, gut können oder auch schrecklich finden. Nach der Lieblingsfarbe oder dem Lieblingsessen wird oft gefragt. Nach Hobbies oder was einen ärgert. In den Grundschulen machen diese Freundebücher oft die Runde.

Und Lisa, die Tochter einer Freundin, hat gerade so ein Buch aus dem Ranzen geholt, als ich mich mit ihrer Mama auf einen Kaffee getroffen habe.

Die ersten Fragen kann sie ganz flott ausfüllen. Alter, Augenfarbe, Größe. Aber bei den nächsten Zeilen stockt sie. Als ihre Mama fragt, warum sie so lange braucht, sagt Lisa: „Ich bin halt was Besonderes.“ Ich muss schmunzeln. Die Antwort finde ich klasse. Was sie damit sagen will: Ihr ist wichtig, dass ihre Antworten besonders sind. Ausgefallen. Dass die Antworten sich von denen der anderen im Buch unterscheiden. Das wäre sonst nämlich total langweilig, meint Lisa. „Ich bin halt was Besonderes.“ Und darum können unmöglich solche 08/15-Antworten aufs Papier gebracht werden. Lisa nimmt sich Zeit, um wirklich das aufzuschreiben, was ihr Ding ist, was sie so unverwechselbar macht.

Abends zuhause habe ich mich in das alte Kinderzimmer unserer erwachsenen Töchter verkrochen und mir ihre Freundebücher von früher angeschaut. Die stehen da nämlich noch. Herrlich, was ich da alles lesen konnte. Und wie originell die meisten Antworten waren. Wenn sich auch so mancher Berufswunsch von damals nicht erfüllt hat, eins ist mir klar geworden: Jede und jeder ist etwas ganz Besonderes! Und über so manche Frage lohnt es sich auch als Erwachsene mal wieder nachzudenken und eine ehrliche und passende Antwort zu finden. An einer Frage bin ich besonders hängen geblieben: „Was macht dich glücklich?“ Sie beschäftigt mich. Auch heute.

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12MAI2025
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Montags gibt es bei uns meistens Reste. Essensreste vom Wochenende. Und manchmal ist sogar noch ein Stück vom Hefezopf übrig, der oft am Wochenende bei uns gebacken wird.  Den mögen wir alle und beim Backen denke ich mir oft: Von so einem Hefeteig kann ich einiges lernen. Etwas, das mir auch im Alltag helfen kann.

Es sind ja nur wenige Zutaten, die ich benötige: Mehl, Butter, Zucker, Eier, Milch, Hefe. Und: -das scheint mir das Wichtigste zu sein- Zeit! Das geht nicht mal so rasch nebenbei. Da ist nix mit schnell schnell. Der Teig bringt mir bei, geduldig zu sein. Denn der Teig muss ruhen. Muss gehen. Aufgehen. Und ich muss ihn gehen lassen. An einem warmen, geschützten Ort. Das Wichtigste geschieht ohne mein Zutun. Klar, das ist nicht bei allem so. Aber manches reift und gelingt eben nur, wenn ich der Sache Zeit und Geduld schenke.

Ich denke dabei an Paul, das Kind meiner Bekannten. Paul wollte einfach im Kindergarten nicht sprechen. Er hat alles mitbekommen und verstanden, nur selbst sprechen, das wollte er nicht. Paul brauchte seine Zeit. Bis er so weit war. Und jetzt? Jetzt plappert er freudestrahlend und erzählt, was ihm durch den Kopf geht.

Oder wenn ich einfach nicht weiß, wie ein Problem anzupacken ist. Dann muss es halt auch mal liegen bleiben. Dann brauche ich und auch andere Geduld, bis es so weit ist, dass es gelöst werden kann.

Eine Sache einfach auch mal gehen lassen. Ruhen lassen – bis sie soweit ist und bearbeitet werden kann. Das fällt mir nicht gerade leicht. Aber vom Hefeteig kann ich es lernen.

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