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SWR3 Worte

11MAI2024
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Der Fernseharzt und Moderator Dr. Johannes Wimmer hat das Schlimmste erlebt, was Eltern passieren kann: Seine Tochter Maximilia starb mit nur neun Monaten an einem unheilbaren Hirntumor. Für ihn war es enorm wichtig mit Menschen über seine Trauer zu sprechen. Johannes Wimmer sagt:

Es gibt genug Menschen, weil sie auch niemand zum Reden haben, niemand zum Verarbeiten, die schieben das immer vor sich her und sind nach zwei Jahren […] als wäre die Person gestern gestorben. Weil sie verharren in diesem Zustand. […] und wenn wir nicht miteinander reden, das passiert immer mehr, dann rutschen wir in eine Einsamkeit, und Einsamkeit ist sogar medizinisch nachweislich nicht gut – wir brauchen uns. […] Dafür sind Menschen da. Es hilft dem Gegenüber und es hilft auch oft mir. […] Menschen brauchen Menschen.“

Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=38708, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:45 Uhr

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39863
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SWR3 Worte

10MAI2024
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Die Journalistin Isabel Schayani ist eine gläubige Bahai– was bedeutet für sie der Glaube an Gott in ihrem Alltag?

„Das mystische Verhältnis zu Gott […], ich glaube, das braucht man. Das muss sozusagen immer hin- und herfunken. Das ist das, was am Ende dem Herzen und der Seele das Leben gibt. Und dann ist es aber das andere sozusagen, dass man ins praktische Tun kommt und mit der Gemeinde zusammen was macht. […] Wenn alle Menschen vor Gott gleich sind, was ja überhaupt nicht nur ein Glaube ist, den die Bahai haben, sondern den gibt es ja in allen Religionen- wenn das sozusagen die Überschrift ist, dann muss man ja versuchen, das irgendwie in den Alltag zu übersetzen. Und das ist das, was ich sowohl mit meiner Arbeit, als, auch wenn ich in der Gemeinde aktiv bin, versuche. […] Gott ist die Kraft, das ist mein Glaube, die mich wahrscheinlich nie verlässt und auf die wir uns immer verlassen können.“

 

Quelle:https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=39407, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:42 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39862
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SWR3 Worte

09MAI2024
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Heute ist Christi Himmelfahrt. Aber was ist das eigentlich: Himmelfahrt?! Kathrin Altwegg ist Astrophysikerin an der Universität Bern. Die Professorin für Weltraumforschung wurde in einem Interview gefragt, wie Wissenschaft und Glaube zusammengehen können. Die Himmelsforscherin sagt:

Wir haben uns schnell darauf geeinigt, dass wir Naturwissenschaftler fragen «Wie?» und die Theologen fragen «Warum?». Das sind andere Dimensionen, andere Ebenen. Und darum tun sich die Naturwissenschaft und die Religion absolut nicht weh. Sie überschneiden sich nicht. […] Vor Kurzem wurde mein zweites Enkelkind geboren. Das ist ein Wunder, das kann man nicht anders sagen! Dass das Wesen aus Atomen besteht, das kann ich naturwissenschaftlich gut erklären. Aber der Geist, den das Kind mitbringt, verblüfft mich. […] Wir bringen als Menschen bereits einiges mit, wenn wir auf die Welt kommen. Wir sind einzigartig.“

 

Quelle:https://www.annabelle.ch/leben/astrophysikerin-und-professorin-kathrin-altwegg-menschen-sind-aus-sternenstaub-gemacht/ , Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:40 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39861
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SWR3 Worte

08MAI2024
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Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben im Februar 2024 eine gemeinsame Erklärung herausgegeben. Sie heißt: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“. Darin schreiben sie:

„Für die Kirche aber ist klar: Jeder Mensch besitzt eine unantastbare und unverfügbare Würde. Sie gründet in der Gottebenbildlichkeit aller Menschen und ist die Basis der Menschenrechte. […] Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar. […]. Wir appellieren an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch an jene, die unseren Glauben nicht teilen, die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen […]. Wer in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft leben will, kann in diesem Gedankengut keine Heimat finden.“

 

Quelle: https://www.dbk-shop.de/de/publikationen/sonstige-publikationen/voelkischer-nationalismus-christentum-unvereinbar-erklaerung-deutschen-bischoefe#files, Download und Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:38 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39860
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SWR3 Worte

07MAI2024
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Der Schauspieler Andreas Pietschmann wurde mit seiner Rolle als Jonas Kahnwald in der Netflix-Serie „Dark“ bekannt. Er hat aber auch schon Jesus Christus in einem Film gespielt- in einem Interview erinnert er sich an die Vorbereitung für diese Rolle am Set:

„Ich habe dann das Neue Testament noch mal genau studiert- das waren natürlich ganz besondere Texte. Und ganz tolle Inhalte, mit denen zu beschäftigen sich total lohnt […].Ich erinnere mich, dass ich sehr beeindruckt war von der Bergpredigt. Und da ist mir aufgefallen, dass diese Texte viel schöner sind, als ich sie in Erinnerung hatte aus Lesungen oder aus Kirchbesuchen einerseits und andererseits, was für ein Werkzeugasten das ist für ein gutes Leben. All das, was da gesagt wird, taugt wahnsinnig gut um die Welt zu einer besseren zu machen, wenn jeder das etwas mehr beherzigen würde.“

 

Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=39565, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:33 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39859
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SWR3 Worte

06MAI2024
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Der Komiker Teddy Teclebrahn ist als Kind aus Eritrea mit nur sieben Monaten nach Deutschland geflüchtet. Baden-Württemberg wurde seine neue Heimat. Er erinnert sich an seine Schulzeit und sagt:

„Viele Kinder aus Eritrea kamen direkt an die Hauptschule. Aber auch dort gab es Menschen, die einfach nur toll waren. Eine Lehrerin, […] , zum Beispiel. Die war ein Engel auf Erden. Was hat diese Lehrerin so besonders gemacht? Sie hat mich gesehen. Und mir vermittelt: Es läuft noch nicht ideal, aber hab keine Angst, das wird noch. Das kommt alles. Das ging bei mir direkt ins Herz. […] Sie ist eine ganz, ganz tolle Frau. […] Und sie hat erkannt, wie viel man mit Scham kämpft, wenn man als Migrant in ein fremdes Land kommt, und dann hat sie mir das Gefühl gegeben: „Hey, du brauchst dich nicht zu schämen. Das ist super, wie ihr das macht“.“

 

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/medien/teddy-teclebrhan-interview-neue-show-amazon-e306511/?reduced=true, Ausdruck vom 30.04.2024 um 9:31 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39858
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SWR1 Begegnungen

05MAI2024
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Anna Dushime copyright: Johanna Wittig, rbb

Christopher Hoffmann trifft: Anna Dushime

Am vergangenen Wochenende hat sie den Grimme-Preis verliehen bekommen – für ihre Gesprächsführung in der Talksendung „Der letzte Drink“. Bei der Preisverleihung hat sie ihrem Vater, der vor 30 Jahren im Genozid in Ruanda umgebracht wurde, die Auszeichnung gewidmet.  An ihn gerichtet, sagte sie in die Kameras: „Wir haben überlebt…mit dem Grimme-Preis kannst du jetzt im Himmel angeben.“ „Wir“- das sind ihre Mutter und ihre Schwestern. Fast alle anderen Familienmitglieder sind in dem Völkermord umgebracht worden. Rund 1 Millionen Menschen starben innerhalb von 100 Tagen. Anna Dushime war damals fünf Jahre alt, als sie im „Hôtel de Mille Collines“, das später in dem Film als „Hotel Ruanda“ bekannt geworden ist, Zuflucht fand:

Uns hat das das Leben gerettet, dass wir dahin fliehen konnten. Und das war in der Nähe von der Schule, in der mein Vater unterrichtet hat und wiederum diese Schule war direkt in der Nähe von unserem Haus und als es dann losging sind wir zunächst in die Schule geflohen, da waren natürlich die Familien aus der Nachbarschaft. Da wurde dann mein Vater umgebracht und nach und nach wurden die Männer zuerst umgebracht und da wussten wir, dass wir nicht in Sicherheit sind

Nach Wochen in der Schule suchen Anna Dushime, ihre Mutter und ihre Schwestern deshalb zunächst Obdach im „Hôtel de Mille Collines“ und von dort fliehen sie nach Uganda. Annas jüngste Schwester ist damals ein sechs Monate altes Baby, ihre Mutter trägt es auf der Flucht ins Nachbarland auf dem Rücken.  

Ich glaube es ist unmöglich in Ruanda rein zahlenmäßig jemanden zu treffen, der vom Genozid nicht berührt ist. Entweder hat man wie wir Familienmitglieder verloren oder die Familie war in irgendeiner Form am Genozid beteiligt, manchmal sogar beides –das ist eine sehr schmerzhafte, sehr verwobene Geschichte des Landes, die aber nicht unüblich ist für viele Länder, die kolonialisiert wurden. 

Anna Dushime ist es wichtig zu benennen, dass der Konflikt zwischen den Gruppen der Hutus und Tutsis nicht über Nacht ausgebrochen ist. Volksgruppen wurden jahrelang gegeneinander aufgewiegelt. Es begann nicht mit Taten, sondern erstmal mit Hetze im Alltag. Deshalb findet es Anna Dushime auch enorm wichtig jeder Form von Antisemitismus und Rassismus heute zu begegnen, bevor es zu spät ist.

Man kann sich die Stimmung im April 1994 ungefähr so vorstellen, dass man im Radio täglich zugedröhnt wurde: Dass Tutsis Kakerlaken sind. Im Nachhinein denkt man: Was, das haben die Leute geglaubt? Dass Tutsis irgendwie eine Rippe mehr haben.

Unfassbar und schrecklich. Anna Dushime hat den Genozid überlebt, aber auch in ihrer Seele hat er tiefe Wunden hinterlassen. Bis heute arbeitet sie das, was sie erleben musste, therapeutisch auf. Darüber zu sprechen, sagt sie, ist enorm wichtig. Wie geht es ihr heute damit?

Für mich ist das Ziel Frieden in meinem Herzen und, dass ich diese Bitterkeit und diese Gefühle nicht an mein Kind weitergebe oder an andere Menschen, die nichts dafür können.

Ich treffe Anna Dushime in Berlin-Charlottenburg. Hier lebt und arbeitet sie – als Programmchefin des Satireformats „Browser-Ballett“, als Kolumnistin für die taz und als Moderatorin. Mich hat sie neugierig gemacht, als ich sie in einem Podcast von funk, dem jungen Netzwerk von ARD und ZDF, gehört habe: und zwar über Glauben und Kirche. Die 36-Jährige wünscht sich viele Reformen in der Institution Kirche. Aber sie würde nicht austreten. Weil sie denen den Rücken stärken will, die mit langem Atem für Veränderungen in der Kirche kämpfen. Und weil Kirche für sie, die progressive Journalistin aus der Hauptstadt, auch eine Heimat ist:

Vor allem: ich brauch einfach eine Heimat oder etwas, wo mein Glaube sozusagen verwurzelt sein kann. Dafür muss ich nicht jeden Sonntag gehen, das schaffe ich ehrlich gesagt gar nicht, aber wenn ich geh, gibt mir das immer total viel. Früher war ich auch wie jeder Teenager: „Oh nein, ich will nicht in die Kirche“. Aber jetzt fehlt mir das total, wenn ich das nicht mache.

Nach dem Genozid in Ruanda hat sie schwer mit Gott gehadert. Inzwischen ist Gott für sie ein ganz wichtiger Gesprächspartner im Alltag:

Jeden Tag zu beten oder mit meinem Kind zu beten. Also wenn ich bete, habe ich das auch schon mal erlebt, dass Partner gesagt haben: „Hä? Ich wusste gar nicht, dass du betest, ich dachte du telefonierst oder so“, weil ich rede so ganz normal. Und ich erzähle so von meinem Tag und frage auch um Rat und das ist glaub ich dann so eine väterliche oder mütterliche also eine elterliche Figur ist Gott für mich.

Ganz wichtig ist ihr auch das christliche Menschenbild: Dass der Wert eines Menschen nichts mit seiner Leistung zu tun hat, sondern die Würde aller Menschen wirklich gleich ist:

Mensch ist Mensch! Alle haben irgendwas Interessantes zu erzählen oder irgendwas Besonderes an sich, wirklich jeder Mensch!

Anna Dushime ist das auch deshalb wichtig, weil sie immer noch Alltagsrassismus erlebt – manche Menschen können sich nicht vorstellen, dass eine Schwarze Frau eine Redaktionsleiterin ist oder eine Talkshow im deutschen Fernsehen moderiert:

Weil viele Leute eben Schwarze Frauen meistens nicht dahin verorten, wo ich bin. Und deshalb gehen sie auch nicht so mit mir um. Das kommt dann vielleicht im Gespräch und dann ändert sich das und das finde ich sowieso ganz schlimm. Ich finde, dass man immer mit allen Leuten so höflich umgehen sollte und nicht, weil man denkt die Person könnte vielleicht irgendwie wichtig sein oder so.

Menschen, die sich erst über andere erheben und ihr Verhalten dann ändern, wenn sie einen eigenen Vorteil wittern- geht gar nicht! Deshalb thematisiert sie in ihrer Arbeit Rassismus. Aber eben auch, dass Schwarze Menschen mehr zu bieten haben als dieses Thema.

Viele von den Schwarzen Journalist*innen, die ich kenne, reden sehr oft über Diversität und Rassismus, nicht weil sie Expert*innen darin sind, sondern weil sie oft dazu gemacht werden - oft werden uns diese Themen zugeschoben- und ich will damit nur sagen, dass wir auch noch mehr Themen anzubieten haben:  über Finanzen, über Start-ups, über Feminismus, …

Und deshalb hoffe ich sehr, dass auf die Grimme-Preis-prämierte Folge von „Der letzte Drink“ noch viele Getränke und Gespräche mit Anna Dushime folgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39864
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SWR3 Worte

05MAI2024
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Helga Schubert hat 2020 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen und zählt zu den renommiertesten Autorinnen der Gegenwart. In der ehemaligen DDR arbeitete sie als freie Schriftstellerin und Psychotherapeutin. Ihr Glaube an Gott spielt für sie eine große Rolle. Sie sagt:

„Ich glaube an eine konstruktive Kraft, die hier waltet. Und die unermesslich ist und unerforschlich in ihrer Allmacht […] und in ihrer Dauer. Und das ist etwas, was ich spüre. Und ich weiß, dass ich dazugehöre und das gibt mir sehr viel Geborgenheit und alle anderen, die das nicht wahrhaben wollen, gehören ja auch dazu. Bloß bei mir, denk ich immer, kommt dann noch von da aus auch Wärme, weil ich daran glaube.“

Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=39628, Ausdruck vom 30.04.2024 9:28 Uhr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39857
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SWR Kultur Zum Feiertag

01APR2024
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Helga Schubert und Christopher Hoffmann copyrigt: Christopher Hoffmann

Christopher Hoffmann spricht mit Schriftstellerin Helga Schubert

Christopher Hoffmann:

Ich bin Christopher Hoffmann von der katholischen Kirche. Meine Gesprächspartnerin heute am Osterfest ist die Schriftstellerin Helga Schubert. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg 1940 in Berlin geboren. Sie arbeitete als Psychotherapeutin und freiberufliche Schriftstellerin in der DDR und 2020 erhielt sie den Ingeborg-Bachmann-Preis. Ihre Erzählung „Vom Aufstehen“* hat für mich auch ganz viel mit dem Osterfest zu tun. Und deswegen meine erste Frage, Frau Schubert, Sie sind evangelische Christin – was feiern Sie heute am Fest der Auferstehung, an Ostern?                                                          

Helga Schubert:

Ich feiere, dass der ganze Verrat vorbei ist – das ist für mich ein Lebensthema und das Ostern für mich das Symbol ist, dass es weitergeht. Und dass also jede im weitesten Sinne böse Absicht anderen Menschen gegenüber aufgelöst ist durch Ostern. Es ist ein Sieg im weitesten Sinne des Guten und der Hoffnung.

Christopher Hoffmann:

In dem Erzählband „Vom Aufstehen“, da haben Sie auch eine Erzählung mit dem Titel: „Meine Ostergeschichte“. Und da schreiben Sie: „Heute weiß ich. In dieser einen Woche vor Ostersonntag passiert alles, was ich inzwischen vom Leben verstanden habe. Wie schnell sich das Schicksal für einen Menschen ändert. Dass man verraten werden kann. Dass es immer unvermuteten Beistand gibt und einen Ausweg. An diese Hoffnung will ich erinnert werden. Einmal im Jahr.“** Was meinen Sie damit?  

Helga Schubert:

Die Ostergeschichte birgt alles - birgt alles an menschlicher Versuchung und an menschlicher Anständigkeit und an Schuld und wie man mit Schuld umgeht, alles. Da kann man auch wirklich das ganze Jahr darüber nachdenken. Ist für mich wirklich die allerwichtigste Geschichte der Bibel. Weil ich auch so viel darüber nachgedacht habe, finde ich auch so viele Beispiele im wirklichen Leben. Also das hat sich gegenseitig beeinflusst.

Christopher Hoffmann:

Sie haben auch eben gesagt: Verrat ist ein Lebensthema bei Ihnen – und Sie schreiben auch: „Dass man verraten werden kann.“ Wie würden Sie das biografisch verorten? Warum ist Ihnen das so ein wichtiges Thema?

Helga Schubert:

Also ich habe selbst erlebt, dass man also wirklich von dem allernächsten Menschen, das ist in diesem Fall meine Mutter gewesen, nicht richtig angenommen wurde. Ich wurde immer verglichen mit verhassten Personen, also zum Beispiel mit ihrer Schwiegermutter, wie ich ihr nun ähnele. Und sie hat mich immer bekämpft. Und ich hab auch das Gefühl gehabt sie hat mich verraten. Also zum Beispiel als ich mich aus der ersten Ehe scheiden wollte, da gab es wirklich Gründe – da hat sie tatsächlich an den Richter geschrieben, an den Familienrichter. Der hat mich hinbestellt in sein Arbeitszimmer, das hat er noch nie erlebt – sie hat gesagt sie sollen mir nicht glauben: In Wirklichkeit wäre ich glücklich verheiratet und sie soll die Ehe nicht scheiden. Und dieser Richter, der hat gesagt:  So was hat er noch nie in seinem Leben gehabt.

 Christopher Hoffmann:

Wie war das für Sie als Christin in der DDR?

Helga Schubert:

Ich bin ja Jahrgang 1940. Als ich eingeschult wurde, gab es noch richtigen Religionsunterricht in der Schule. Also ich hab noch Zeugnisse richtig vom Religionsunterricht in der Schule. Das war natürlich später überhaupt nicht mehr möglich. Als Christin war es so, dass man erst mal innerhalb der Klasse natürlich mit den Freundinnen befreundet war, mit denen man dann in den Kindergottesdienst ging, das war erst mal das Erste. Und das war für mich eine vollkommen andere Geisteshandlung als die, die in der Schule gepredigt wurde mit Diktatur der Arbeiterklasse und so. Hier ging es immer um Versöhnung und Frieden und so weiter. Vor allem dieser Segen am Ende des Gottesdienstes, das war für mich also das alles vergeben wird und dass einem nicht jemand immerzu was übel nimmt und dass man nicht immerzu mit einer schweigenden Mutter konfrontiert ist, die einem das oder das übel nimmt, die tagelang mit einem nicht gesprochen hat.

 Christopher Hoffmann:

Was bedeutet Ihnen ihr Glaube an Gott?

Helga Schubert:

Ich glaube an eine konstruktive Kraft, die hier waltet. Und die unermesslich ist und unerforschlich in ihrer Allmacht auch und in ihrer Dauer. Und das ist etwas, was ich spüre. Und ich weiß, dass ich dazugehöre und das gibt mir sehr viel Geborgenheit und alle anderen, die das nicht wahrhaben wollen, gehören ja auch dazu. Bloß bei mir, denk ich immer, kommt dann noch von da aus auch Wärme, weil ich daran glaube. Und ich will auch gar niemand jetzt missionieren. Das ist etwas, was wahrscheinlich ein Diktaturschaden bei mir ist, aus der DDR: Dass ich eben nichts Pathetisches, niemand überreden will. Dann kann man es wirklich bloß durch eigenes Beispiel machen.

Christopher Hoffmann:

Das tun Sie ja, Sie leben es ja. Frau Schubert, Sie haben das Buch „Der heutige Tag – ein Stundenbuch der Liebe“*** geschrieben. Sie pflegen Ihren Ehemann 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Ein Leben zwischen Büchern und Blasenkatheter-zwischen Prosa und Palliativmedizin…

Helga Schubert:

…ist ganz schön reich. Ist ein reiches Leben. Es kommt ja auch der Pflegedienst- also 24 Stunden minus zweimal zwanzig Minuten. Als ich das Buch schrieb, hab ich es noch allein gemacht , und morgens kam er nur aber jetzt kommt der Pflegedienst zweimal am Tag. Ich freu mich auf die Schwestern und den Pfleger, weil die so die Außensicht bringen und weil die relativieren können, weil sie mir auch Mut machen und weil das normale Leben plötzlich da sitzt und ich versuche  immer die irgendwie zu einem Kaffee noch zu überreden-die haben natürlich sehr wenig Zeit. Ich hab mich gestern bei einer Schwester bedankt-ich sagte: ich finde Sie sehr nett. „Ja, Sie sind ja auch nett“, sagte sie da. Das hat mich gefreut.

Christopher Hoffmann:

Ich finde Sie beschreiben eindrücklich wie schwierig es ist jemand für die Pflege auch zu finden. Und vielleicht können Sie uns da auch noch mal schildern, was unternehmen Sie da alles, oder was würden Sie sich wünschen vielmehr auch, dass Pflege einen anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat-aufgrund Ihrer Erfahrung.

Helga Schubert:

Das ist wirklich ein eigenes Thema. Das ist ein riesengroßes Thema in Bezug auf die Überalterung der Gesellschaft in der wir leben und in Bezug auf den den Zerfall der Kleinfamilien-die Großfamilien sind sowieso zerfallen. Der Pflegeberuf muss mehr anerkannt werden, muss besser bezahlt werden.

 Christopher Hoffmann:

Sie haben ja den Untertitel gewählt: „Ein Stundenbuch der Liebe“ - möchten Sie damit auch ausdrücken auch Pflege, auch gelebte Nächstenliebe kann Gebet sein?

Helga Schubert:

Ja, Ja!

 

 Christopher Hoffmann:

Das Stundenbuch ist ja in der katholischen Kirche ein Gebetbuch mit den Tagzeitengebeten.

Helga Schubert:

Ja, ich hab das dann in dem Moment erst als Untertitel genommen, weil mich meine sehr intelligente katholische Lektorin im DTV beruhigte, sie hat gesagt: Stundenbuch  bedeutet nicht, dass die Mönche jede Stunde beteten, sondern dass es bloß zu bestimmten Zeiten war es dann vorgeschrieben zu beten, also muss ich auch nicht mir für jede Stunde etwas ausdenken für jede Stunde, was in dem Buch passiert. Denn dann-es sollte durchaus auch was Religiöses sein in diesem Buch, denn ich habe ja auch ein Motto genommen aus Matthäus: „Darum sorge nicht für den morgigen Tag. Denn der morgende Tag wird für das seine sorgen. Es ist genug, dass der heutige Tag seine eigene Plage habe.“ (Mt 6,34). Also das ist durchaus ein Hoffnungssatz und durchaus ganz diesem Stundenbuch geschuldet. Das ist formal angelehnt, bloß nicht so schön illustriert, wie die Mönche es im Mittelalter machten.

 Christopher Hoffmann:

Aber ich finde das ganze Buch atmet ja genau diese Zuversicht und diese in aller ohne Pathos geschilderten Sachlichkeit der Pflegesituation, atmet es Hoffnung und atmet es diese Grundzuversicht: Da ist noch jemand der diesen Weg mit mir geht.

Helga Schubert:

Ja, und es geht auch weiter. Auch wenn der Weg, also diese Wegstrecke zu Ende wäre, also so.                                    

Christopher Hoffmann:

Da fällt mir jetzt sofort eine Stelle ein: „Dies ist unsere nächste Lebensaufgabe. Annehmen, Kreatürlich Leben, Wärme auf der Haut. Verlass mich nicht.“*** Wunderbar. Ganz stark, finde ich. Mit ganz wenig Worten alles gesagt!

Helga Schubert:

Eine Passionsgeschichte, die in diesem Fall hoffentlich gut ausgeht, kann ich nur hoffen.

Christopher Hoffmann:

Sie unterhalten sich ja auch mit Ihrem Mann darüber was kommen könnte-auch was nach dem Tod kommen könnte und schreiben: „Er möchte dass ich in der Sonne neben ihm sitze. Beim lieben Gott will er ein gutes Wort für mich einlegen, gleich am Eingang sitzen bleiben, bis ich nachkomme und sagen: Da ist sie.“****

Helga Schubert:

Ja. Haben wir heute früh auch wieder drüber gesprochen. Es geht darum sein eigenes Leben zu relativieren, sein eigenes Leben einzubetten in einen Sinn, in eine Liebe und eine Geborgenheit.

 Christopher Hoffmann:

Ganz ganz herzlichen Dank, Frau Schubert, für das Gespräch. Das war die Sendung SWR2 Zum Feiertag. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Ostermontag. Christopher Hoffmann, Koblenz, von der katholischen Kirche.

Literatur:

*Helga Schubert: Vom Aufstehen, in Helga Schubert: Vom Aufstegen, Ungekürzte Ausgabe, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München, S. 213-233.

** Helga Schubert: Meine Ostergeschichte in, Helga Schubert: Vom Aufstehen, Ungekürzte Ausgabe, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München, S.54

***Helga Schubert: Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München, S. 188.

****Helga Schubert: Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München, S. 10.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39628
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SWR1 Begegnungen

24MRZ2024
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Andreas Pietschmann Copyright: Mathias Bothor

Christopher Hoffmann trifft: Andreas Pietschmann.

Der Schauspieler ist immer wieder im deutschen Fernsehen zu sehen. Etwa im Tatort, bei Wilsberg oder Polizeiruf 110. Mit der Netflix-Serie „Dark“ feierte er dann 2017 seinen internationalen Durchbruch - in der Hauptrolle als Jonas. Mich hat er aber schon früher begeistert. Und zwar als Jesus! Denn in der italienisch-deutschen Koproduktion „Ihr Name war Maria“ spielt Andreas Pietschmann den Sohn Gottes. Wie war das für ihn?

Es ist natürlich eine andere Rolle als jede andere, das ist völlig klar. Und für dich als Schauspieler ist auch klar: Normalerweise begegnet dir sowas nie im Leben, dass du so eine Figur spielst. Ich habe dann das Neue Testament noch mal genau studiert- das waren natürlich ganz besondere Texte. Und ganz tolle Inhalte, mit denen zu beschäftigen sich total lohnt und was für einen Schauspieler eine ganz besondere Aufgabe ist.

Gab es einen Bibeltext, der Andreas Pietschmann persönlich besonders gepackt hat?

Ich erinnere mich, dass ich sehr beeindruckt war von der Bergpredigt. Und da ist mir aufgefallen, dass diese Texte viel schöner sind, als ich sie in Erinnerung hatte aus Lesungen oder aus Kirchbesuchen einerseits und andererseits, was für ein Werkzeugasten das ist für ein gutes Leben. All das, was da gesagt wird, taugt wahnsinnig gut eigentlich, um die Welt zu einer besseren zu machen, wenn jeder das etwas mehr beherzigen würde.

Dabei ist Andreas Pietschmann alles andere als unkritisch gegenüber Religion:

Menschen tendieren dazu - gerade wenn es um Religion geht - in allen Religionen sie sich zu Nutze zu machen zur Sicherung ihrer eigenen Position, zur Machtsicherung, zur Ausübung von Macht leider auch. Das ist die große Gefahr. Würde man aber ganz nüchtern und von all dem befreit diese Texte sich ansehen, insbesondere in der Bergpredigt, dann taugt es zu einer sehr guten Lebensanleitung, also ein gutes Leben zu führen.

 „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit – denn sie werden satt werden“ (Mt 5,6), steht da zum Beispiel. Und: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Auch Andreas Pietschmann orientiert sich in seinem Leben an diesen Worte Jesu. Glaubt er auch an Gott und an einen Sinn im Leben?

Ich habe immer das Gefühl gehabt, irgendwie muss noch über den Zufall hinaus – und das habe ich auch nach wie vor - was anderes Ursache sein für mein Dasein und auch Ziel sein für mein Dasein. Und das mag ich auch immer noch glauben. Ich habe kein Wissen, ich habe einen Glauben, ich habe eine Hoffnung.

 Mit 19 Jahren hat Andreas Pietschmann einen schweren Autounfall. Er überlebt…

…und ich habe das schon für mich als Auftrag gesehen, einerseits und als Chance andererseits, dass Dinge noch passieren mit mir und dass ich noch Aufgaben zu erfüllen habe. Und ich finde das ein recht gesundes Bewusstsein, was einem Zuversicht gibt und auch Kraft gibt und Motivation nicht aufzugeben und auch sein Leben mitunter als Dienst zu sehen.

Ich treffe Andreas Pietschmann in Berlin-Pankow, wo er mit seiner Frau, der Schauspielerin Jasmin Tabatabai und seinen drei Kindern lebt. Der 55-Jährige setzt sich gemeinsam mit der Hilfsorganisation „Save the children“ für Kinder ein, die in Kriegen hungern und leiden – auch in vergessenen Krisen wie in Syrien, wo der Konflikt inzwischen schon seit 13 Jahren andauert. Dort sind gerade über 16 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen – ein trauriger Rekord seit Kriegsausbruch:

So viele Leute wie aktuell - und gerade Kinder, Jungen und Mädchen -  in Syrien leiden, gab es noch nie. Und wir dürfen das nicht vergessen, dass die Kinder da wenigstens zu essen und ein Dach über dem Kopf bekommen und irgendwie eine Perspektive bekommen, wenn sie spüren: da sind noch Menschen, die denken an uns.

 Aber Andreas Pietschmann verschließt auch nicht die Augen vor dem Leid vor der eigenen Haustür. In seiner Nachbarschaft unterstützt er das Kinderhospiz „Sonnenhof“ in Pankow…warum?

Es handelt sich da um eine meist für alle Menschen unsichtbaren Nische in unserer Gesellschaft, die es aber gibt – also Leute, die in solcher Not sind, werden meisten nicht gesehen.

 Und das will Andreas Pietschmann ändern:  Er beteiligt sich an Fußball-Benefizturnieren, denn als junger Mann hat er selbst in der dritten Bundesliga für die „Würzburger Kickers“ gespielt und bis heute ist das runde Leder seine große Leidenschaft. Und als passionierter Motorradfahrer sammelt er mit vielen anderen Bikern auch bei der sogenannten „Sonnenhoftour“ Geld. Immer wieder geht der sensible Botschafter aber auch selbst vor Ort und trifft im Hospiz Kinder, die an schweren, unheilbaren Krankheiten leiden und deren Familien:

Das ist ein ganz besonderer Ort. Und zwar, was mich eben so beeindruckt hat, nicht nur ein Ort von Trauer natürlich und von Innehalten und von Schmerz, sondern -  weil diese Leute so eine unglaubliche Energie da haben -  auch ein Ort von Hoffnung. Und das ist wahrscheinlich auch der einzige Weg, wie man helfen kann: Wenn die Hoffnung da ist und die Kraft da ist, wenn die Liebe da ist, um sich um diese Menschen zu kümmern, um diesen Menschen, die in dieser traurigen Extremsituation sind, Hoffnung zu geben.

 Andreas Pietschmann bewundert deshalb die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kinderhospiz sehr:

Und für diese Arbeit braucht man natürlich einerseits eine unglaubliche Hilfsbereitschaft und Hingabe, aber auch ein breites und starkes Kreuz, denn man ist natürlich täglich mit dem Tod konfrontiert und auch einfach mit Menschen, denen er bevorsteht. Und die sich dadurch in einer Extremsituation befinden.

Leid und Tod – das ist auch Thema der bevorstehenden Karwoche. Gibt die Osterhoffnung, der Glaube an Auferstehung, auch Andreas Pietschmann persönlich Kraft?

Ich habe die Hoffnung, dass ich den von mir geliebten Menschen nach meinem Tod auch wieder begegne, ja.

Das hoffe und glaube ich auch. Und wir beide glauben daran, wie wichtig diese Botschaft von der Liebe, die stärker ist als der Tod, auch in unserer Welt heute weiterhin bleibt.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39565
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