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Ein „Erklärungsangebot", so nennt der Wetten-dass-Moderator Thomas Gottschalk den christlichen Glauben in einem Interview. Ich finde das eine spannende Beschreibung. Glaube als ein Angebot zur Erklärung. Glaube erklärt Welt, Menschen und Gott. Und für Thomas Gottschalk auf überzeugende Art und Weise.
Gottschalk ist mit dem Glauben groß geworden, wie so viele seiner Generation. Er war Messdiener und hat als kleiner Junge zu Hause Gottesdienste nachgespielt. Und hat den Glauben immer als etwas Positives erlebt. Als Kraft, die ihn auch in seinem Leben trägt. Bis heute. Bis in die Wetten-dass-Sendungen hinein. Ein gläubiger Mensch, da ist sich Gottschalk sicher, ist ein fröhlicher Mensch. Und so lebt Gottschalk auch - oder versucht es zumindest. Das schließt Fragen und Zweifel nicht aus. Auf die Frage, ob er an ein Leben nach dem Tod glaubt, gesteht er seine Unsicherheit. Aber er gibt auch zu bedenken: „Wenn ... alles aus wäre und ich mich ... getäuscht haben sollte, habe ich nichts zurückzunehmen." Kurz: Gottschalk würde es bedauern, wenn sein Glaube falsch wäre. Enttäuscht würde. Aber er lässt ihn hier gut leben. Gottschalk hat viel Glück gehabt im Leben. Dass er Entertainer sein darf, für ihn ist das ein Geschenk Gottes. Aber dieses Glück hat ihn nicht vor der schweren Erfahrung bewahrt, als in einer Show der Kandidat Samuel Koch schwer stürzte. Fragen bleiben nicht aus. Nach dem guten und gerechten Gott. Aber für Gottschalk zählt hier vor allem, wie die Familie von Samuel Koch reagiert hat. Wie sie mit dem Unglück aus einem großen Glauben heraus umgeht. Thomas Gottschalk erzählt: „Schon am Tag nach dem Unfall habe ich in der Frühe mit der Familie im Hotelzimmer ein Vaterunser gebetet. Das hat uns eine gemeinsame Ebene gegeben, ihnen in ihrer Verzweiflung, mir in meiner Ratlosigkeit." Das ist ein Glaube, der mir zu Denken gibt. Weil er in frohen und schlimmen Stunden hilft, sich selbst, anderen und Gott ein Stück näher zu kommen. Um so einen Glauben beneide ich Thomas Gottschalk auch ein bisschen.

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Auf allen Kanälen werden sie gesucht: die intelligentesten Deutschen und die attraktivsten Bauern, unser Star für Baku und das nächste Topmodel. Und Ratemillionäre natürlich auch. Und wenn dann diese Sieger und Stars gefunden sind, denkt kaum einer mehr an die vielen tausend, die sich auch beworben haben. Die Hoffnungen hatten und enttäuscht wurden. Sie spielen keine Rolle mehr, treten in den Hintergrund.
Ich bin auch keiner von diesen Siegern. Ich hab noch nie bei Günther Jauch gesessen. Kann nicht gut genug singen und meine Figur reicht auch nicht für eine Model-Karriere. Und so geht es den meisten anderen ja auch. Im Rampenlicht stehen, das ist nur wenigen vorbehalten.
Aber die Stars und Sieger brauchen genau solche Leute. Leute, die eben nicht im Rampenlicht stehen. Die Superstars brauchen Musiker, die ihnen einen neuen Hit schreiben. Die bekannte Sängerin braucht eine Managerin und Assistenten. Die sorgen nämlich dafür, dass alles rund um die Auftritte klappt. Und der Formel-1-Rennfahrer kann ohne seinen Rennstall, ohne die Ingenieure und Mechaniker nicht gewinnen. Es braucht Menschen im Hintergrund. Menschen, die für andere da sind.
Für all die Menschen im Hintergrund steht für mich Johannes der Täufer. Er ist eine wichtige Adventsgestalt. Johannes lebt zur Zeit Jesu. Er predigt in der Wüste und die Menschen strömen in Massen zu ihm. Wie ein Magnet zieht er sie an. Aber ein Superstar will er nicht sein - er bleibt der Mann im Hintergrund. Auch wenn die Leute versuchen, ihn in den Himmel zu heben. Er sagt ganz nüchtern: „Es kommt einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren." (Lk 3,16) So weist Johannes der Täufer auf Jesus hin.
Umso erstaunlicher ist eigentlich, wie beliebt dieser Mann im Laufe der christlichen Geschichte gewesen ist. Er wird verehrt, Kirchen werden nach im benannt, Kinder auf seinen Namen getauft. Obwohl er nur der Mann ist, der auf Jesus hinweist. Aber vielleicht macht das den Johannes gerade sympathisch. Weil er eben nicht der Superstar ist, sondern der Heilige für alle, die im Hintergrund stehen.

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Das war unser Tag. Der Nikolaus-Tag. Schon am Abend vorher konnten wir vor Aufregung kaum einschlafen. Und sind dann am Morgen runter ins Wohnzimmer gestürzt. Und wie immer lagen dann Lebkuchen und Äpfel, Nüsse und Mandeln, Schokolade und Mandarinen in einem Teller. Leibhaftig kam der Nikolaus niemals. Wir haben immer nur am Morgen seine Geschenke gefunden.
Ich fand das als Kind geheimnisvoll und spannend. Aber so ähnlich erzählen es auch viele alte Legenden. Da hört Nikolaus, dass ein Mann seine Töchter nicht mehr ernähren kann. Sie sollen verkauft werfen. Und Bischof Nikolaus schleicht sich in der Nacht heimlich zum Haus der Familie, wirft Geld durchs Fenster oder durch den Kamin. Die Familie ist gerettet.
Und da gibt es noch die Legende von der wunderbaren Getreidevermehrung. In Myra, in der heutigen Türkei, war Nikolaus Bischof. Einmal herrscht dort eine große Hungersnot. Da legen im Hafen Getreideschiffe an. Nikolaus macht sich auf, will um Korn für Myra bitten. Aber das Getreide ist für den römischen Kaiser bestimmt. Nikolaus aber bittet und bettelt so lange, bis er 100 Scheffel bekommt. Seine Garantie? Er versichert den Kaufleuten, dass durch sein Gebet kein Korn von der Ladung fehlen würde. Und so ist es auch. In Rom sind auf wundersame Weise die 100 Scheffel Getreide wieder mit an Bord. Märchenhaft hört sich das an. Wer soll das glauben? Ich glaube, dass in solchen Geschichten ein wahrer Kern steckt, wie in vielen Märchen auch. Der wahre Kern dieser Legenden? Nikolaus macht vor, dass Armut und Hunger niemandem egal sein können. Hunger und Armut sind skandalös. Im vierten Jahrhundert in Kleinasien, und auch heute noch überall auf der Welt. Und sie enden erst dort, wo Menschen etwas von ihrem Besitz abgeben. Wo sie Korn oder Geld oder Wissen oder Zeit für andere bereitstellen.
Davon hat uns auch der Teller am Nikolausmorgen erzählt. Wie gut es tut, etwas geschenkt zu bekommen - auch wenn man genug Geld und genug zu essen hat. Und wie gut tut das erst recht denen, die zu wenig zum Leben haben.

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Warum schaffen wir den Advent nicht einfach ab? Wo doch die meisten über den Advent stöhnen. Wie schnell die Zeit verfliegt. Wie voll die Geschäfte sind. Wie stressig die Jagd nach den letzten Weihnachtsgeschenken. Da wäre es doch wirklich sinnvoll den Advent abzuschaffen.
Ich musste in den letzten Tagen oft darüber nachdenken. Was würde mir eigentlich fehlen, wenn der Advent ersatzlos wegfällt? Auf den ersten Blick wenig. Denn alles wäre ja so wie immer. Auch die restliche Zeit des Jahres ist ja oft gut verplant. Im Garten ist immer was zu tun. Und oft genug hetze ich auch so achtlos durch die Stadt. Unser Wort Advent kommt vom lateinischen »adventus«. Das heißt Ankunft. Advent ist aber die Zeit vor der Ankunft. Die Zeit, in der Menschen etwas erwarten, erhoffen. Die Zeit, in der einem bewusst werden kann: Die Gegenwart ist nicht alles. Und es ist gut, sich darauf vorzubereiten.
Am Ende des Advents wird ein Kind geboren. Jesus. Eine Kind: Es gibt wohl kaum ein größeres Symbol für das Neue und Andere. Jede Schwangerschaft ist in diesem Sinn eine adventliche Zeit. Und auch die Zeit vor einem Geburtstag. Gerade für Kinder ist das oft unerträglich, diese letzten Tage vor dem Fest. Was gibt es für Geschenke? Wer kommt zu Besuch? Manche erleben so etwas wie einen kleinen Advent, wenn sie Gäste bekommen oder die Kinder sich wieder mal zu Besuch angemeldet haben. Was soll ich kochen oder backen? Wie haben sich die Enkel entwickelt? Was unternehmen wir? Das sind adventliche Fragen.
Und jetzt stelle ich mir vor, all das gibt es nicht. Keinen Advent. Und auch sonst keine Zeit, in der ich mich auf etwas freuen kann, auf ein Fest, auf Besuch. Eine schreckliche Vorstellung. Ich finde es schön, an den nächsten Tag, an das nächste Fest zu denken. Finde es schön, zu planen, einen besonderen Anlass vorzubereiten. Das ist manchmal anstrengend. Aber erfüllt eben auch immer wieder. Und umgekehrt ist es ja genauso. Wenn ich eingeladen werde und merke: da hat jemand auf mich gewartet, sich Gedanken gemacht. Dann tut das einfach gut. Ich lebe von solchen adventlichen Momenten. Den Advent abschaffen? Mit mir nicht.

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„Papa - da - hoch! Stern!" Freudestrahlend erzählt der kleine Junge in der Kinderkrippe von seinem Sternenhimmel. Dem Sternenhimmel, der seit ein paar Tagen über seinem Bett leuchtet. Sein Papa hat ihm diese Leuchtsterne an der Decke festgeklebt. Das macht den kleinen Jungen glücklich, überglücklich. Überall muss er davon erzählen. „Papa - da hoch! Stern!"
Jeden Abend schaut er von seinem Bett aus in den Himmel und in die Sterne und fühlt sich beim Einschlafen geborgen und sicher. Es stört ihn nicht, dass die Sterne im Laufe der Nacht langsam, aber sicher verblassen. Der kleine Junge weiß, dass sie da sind. Sein Papa hat sie für ihn aufgeklebt.
Auch uns leuchtet in der Adventszeit ein Stern. Es ist der Weihnachtsstern, der schon den Weisen aus dem Morgenland den Weg gezeigt hat. Auch uns führt er wieder durch den Advent hin zum Wunder im Stall. Und da geht es uns wie dem kleinen Jungen: Dieser Stern wurde für uns festgemacht - hoch am Firmament. Von Gott, unserem Vater.
Und wir können den Stern sehen. Er leuchtet uns, er ist da. Im Alltag. Eben dort wo es hell wird zwischen Menschen. Dort wo eine gute Freundin mich in den Arm nimmt und sagt: Du schaffst das. Dort, wo ein Papa seinem Kind eine wunderbare Freude macht. Dort wo Menschen nach einem Streit doch noch eine gemeinsame Lösung finden.
Dieser Stern ist da. Auch mir zeigt der Stern den Weg durch die Adventszeit. Er leuchtet mir, wenn ich mich im Alltagsstress mal wieder verliere und keine Ruhe finde. Dann fällt sein Licht auf Menschen, die die das gleiche Ziel haben: miteinander im Advent zur Ruhe zu kommen und sich auf Weihnachten vorzubereiten.
So zeigt der Stern mir den Weg. Auch wenn sein Licht manchmal blass ist, auch wenn meine Augen ihn nicht immer am großen Firmament finden.
Diese eine, besonderen Stern. Vor beinahe dreitausend Jahren hat der Prophet Jesaja schon von ihm gesprochen und seit dem hat er vielen Menschen den Weg gezeigt. Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein großes Licht. Die im Land der Finsternis wohnen, Licht leuchtet über ihnen. (Jesaja 9,1)
Dieses Licht leuchtet im Advent. Warm. Beruhigend. Es ist da. Über mir. Oder wie der kleine Junge sagt: „Papa - da - hoch! Stern!"

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Heute morgen habe ich das Türchen geöffnet. An meinem Adventskalender und mich gefreut über das, was dahinter war: ein Stückchen Schokolade. Ich öffne gerne das Türchen, weil mich immer etwas Schönes dahinter erwartet. Und darauf freue ich mich schon jetzt für die nächsten 23 Tage.
Heute Mittag habe ich meine Tür geöffnet. Meine Haustür, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte und lieber in Ruhe fertig gegessen hätte.
Aber ich bin an meine Tür gegangen. Weil ich gedacht habe: Derjenige, der jetzt klingelt, erwartet, dass ich aufmache. Ansonsten würde er ja nicht klingeln. Und außerdem war ich selbst neugierig, wer denn zur Mittagszeit etwas von mir will. Also habe ich meine Tür aufgemacht und vor mir stand ein junges Paar. Ob sie mit mir reden könnten, fragten sie. Ja. Aber ob sie nicht lieber reinkommen wollten? Ja, wenn das möglich wäre. Natürlich. In der offenen Tür redet es sich nicht gut. Also sind wir reingegangen, ich habe uns Kaffee geholt und sie haben erzählt. Über das, was ihnen passiert ist, wie es ihnen jetzt geht und über die Ungewissheit, wie es weitergehen kann. Ich habe einfach nur zugehört, mir angehört, was sie bewegt. Und nach einer Weile sagten sie ganz glücklich: Danke! Danke, dass sie Zeit hatten, dass wir reinkommen durften. Das haben wir nicht erwartet. Das tat gut.
Und als ich die Tür hinter ihnen zugemacht hatte, habe ich gemerkt: auch mir hat diese Begegnung gut getan! Ja, es war gut, die Tür aufzumachen und das Klingeln nicht zu ignorieren. Auch wenn ich nicht gewusst habe, was mich erwartet. Gewiss, nicht immer sind das angenehme Erfahrungen Man muss auch ein bisschen vorsichtig sein. Aber trotzdem ist es wichtig, immer wieder offen zu sein.
Das ist wie beim Adventskalender. Mich erwartet etwas, wenn ich das Türchen öffne. Mich erwartet jemand, wenn ich die Tür öffne. Begegnung kann etwas Wunderbares, etwas Schönes sein. Das allerdings weiß ich nur, wenn ich die Tür öffne. Morgens mein Türchen und danach meine Tür. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr, der Herrlichkeit. Singen wir ....
Also öffne ich die nächsten 23 Tage Türchen und Tür und freue mich auf das, was sich dahinter verbirgt.

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Lieber Gott, bis jetzt geht's mir gut. Ich habe noch nicht getratscht, die Beherrschung verloren, war noch nicht muffelig, gehässig, egoistisch oder zügelos. Ich habe noch nicht gejammert, geklagt, geflucht oder Schokolade gegessen. Die Kreditkarte habe ich noch nicht belastet. Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauch ich wirklich deine Hilfe...
Dieses Gebet steht auf meinem Adventskalender. Und ich habe sehr darüber geschmunzelt. „Liebe Gott, bis jetzt geht's mir gut, Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe!" Es passt so wunderbar zu meinem Leben. Denn ich brauche so oft Gottes Hilfe.
Neulich zum Beispiel. Da war mein Telefon plötzlich kaputt. Einfach so. Dachte ich. Es war aber nicht das Telefon, sondern der Anschluss. Und der war auch nicht kaputt, sondern umgestellt. Weil ich nämlich ein schnelleres Internet wollte. Und bei meiner Bestellung wurde ein winziges Häkchen falsch gesetzt und schwupp - hatte ich plötzlich schnelles Internet, aber das Telefon war weg. Keine Anrufe mehr rein, keine mehr raus. Abgeschnitten von der Welt.
Als mir das klar gewesen ist, habe ich wirklich Gottes Hilfe gebraucht. „Lieber Gott", habe ich zu ihm gesagt, „hilf mir, dass ich nicht ausflippe, gib mir Geduld mit der Situation, dass ich niemanden zur Schnecke mache, auch nicht den Telefonservice!"
Und die Hilfe kam - in Gestalt meines Mannes. Der unendlich geduldig mit einem Menschen vom Störungsservice telefonierte und zu einer provisorischen Lösung kam. Gott hilft manchmal, indem er mir ganz unauffällig einen Menschen schickt, der mein Problem regelt. Ohne groß Aufsehen drum zu machen. Ich hätte in diesem Moment nicht so ruhig telefonieren können, ich wäre laut geworden. Und so kann ich manches nicht einfach selber machen, weil ich mir einfach im Weg stehe, ungeduldig bin.
Ganz oft hilft mir dann Gott weiter. Indem er mir jemanden schickt, der mich wieder auf die Reihe bringt. Ob am frühen Morgen, wenn ich erst noch aus dem Bett krabbeln muss oder im Laufe des Tages oder wie jetzt am Abend. Lieber Gott, ich brauche deine Hilfe. Darum können Sie auch bitten. Und gespannt sein, was dann passiert.

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Wunderbar dieser Winter. Ich mag ihn. Denn im Winter ist so vieles anders, so verwandelt, verzaubert. Viele Winterbilder sind mir in Erinnerung. So auch dieses: Ein Eisbaum. Das ist keine neue Züchtung, sondern ein Kunstwerk der Natur. Und es ist ganz in der Nähe bei mir auf der Wiese gestanden. Ein Baum, der von einer dicken Eisschicht überzogen ist. Und diese Eisschicht lässt die Zweige und Äste dieses Baumes ganz anders erscheinen als üblich. Erhaben, mächtig, winterlich.
Wenn man genauer hinschaut, erkennt man aber auch die Folgen dieser Eisschicht. Das gefrorene Wasser macht dem Baum zu schaffen. Äste und Zweige sind gebrochen, manche werden nur noch durch das Eis am Baum gehalten.
Der Eisbaum ist für mich zum Sinnbild geworden für die Freude und die Last des Winters. Die Freude- das ist, wenn ich die weiße Pracht morgens sehe, überall Schnee, Schlitten fahren, Schneemann bauen oder ein Iglu im Vorgarten. Die Last- das ist: jeden Morgen Schnee schippen, die darauf folgenden Rückenschmerzen, Ärger über die ausgefallenen Züge, die spiegelglatten, rutschigen Straßen.
Die einen stöhnen unter der Last des Schnees und über die verspäteten oder ausgefallenen Züge, die anderen freuen sich über jede Schneeflocke und darüber, dass der Schulbus nicht kommt. Genau daran erinnert mich der Eisbaum: an die Freude und Last des Winters. Und daran, wie Schnee und Eis den Baum verändern, ihn zu einem Kunstwerk machen.
Auch wenn der Baum unter der Ast des Eises leidet, seine Zweige und Äste schon brechen, so ist er dennoch wunderschön. Er verzaubert mich, wenn ich ihn sehe, wenn ich mich an ihn erinnere.
Und genauso ist es mit dem Advent: Jedes Jahr verzaubert mich diese Zeit aufs Neue. Auch wenn ich so manches Mal unter der Last der vielen Weihnachtsfeiern leide, auch wenn sich das Weihnachtsgebäck auf meine Hüften legt, auch wenn hektische Betriebsamkeit mich überfällt, weil ich noch so viel zu organisieren habe, so freue ich mich dennoch wie ein Kind auf diese Zeit. Denn es passiert so viel Schönes: ich sitze in Ruhe mit meiner Familie am Tisch, wir zünden Kerzen an, singen Lieder und freuen uns auf Weihnachten.
So wie Eis und Schnee den Baum verzaubern, so kann der Advent auch Sie verzaubern. Mit seiner Last, aber vor allem mit seiner Vorfreude.

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Advent ist im Dezember! Ups! Da hat sich die Evangelische Kirche mit ihrem Slogan wohl geirrt. Denn gestern, am 27. November, hat die Adventszeit begonnen. Hat da jemand nicht aufgepasst?
Aber nein. Natürlich gehören die letzten Novembertage auch zur Adventszeit.
„Advent ist im Dezember" dieses Motto der Evangelischen Kirche möchte sagen: alles zu seiner Zeit der Altweibersommer gehört zu September und Oktober, die Tage des Trauerns und des Gedenkens in den November. Alles zu seiner Zeit. Und der Advent gehört nun mal in den Dezember. Und manchmal halt auch ein paar Tage vom November. Also alles der Reihe nach: erst nehmen wir uns Zeit für die letzten Sonnenstrahlen im Oktober, dann Zeit für die Schwermut und das Erinnern im November.
Erdbeeren im Oktober lassen mich an den Mai denken, Orangen im Sommer geben mir ein winterliches Gefühl. Das verwirrt mich. Und wenn mich dann schon im September die Christstollen im Supermarkt anlachen und Schokoladenweihnachtsmänner mich mit ihren Blicken im Oktober verfolgen, dann komme ich aus meinem Rhythmus. Ich brauche Ordnung im Jahr. Damit ich einfach weiß, was dran ist.
Advent ist eine wunderbare, gefühlvolle Zeit. Und Advent ist im Dezember! Das Motto der Evangelischen Kirche will helfen, das ganz bewusst zu erleben: Jetzt hat eine neue Zeit angefangen. Jetzt kann ich mich konzentrieren auf das, was bald kommt: Weihnachten, das Fest der Geburt des Kindes in einem Stall.
Vielleicht kann ich mich auf diese Ankunft so vorbereiten: mit Gebäck und Tee, mit besinnlichen Momenten und schöner Musik, bei guten Gesprächen mit Freunden, in Gottesdiensten und Andachten, bei Morgengrüßen und Abendgedanken. Noch ganze 26 Tage lang. Und Jeder einzelne Tag ist eine Chance, uns einzustimmen auf Weihnachten. Auch wenn der erste Advent in den November fällt: Advent ist im Dezember. Und jetzt ist er da. Wie schön!

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Ich bewundere immer wieder Menschen, die in Not sind, und dabei auf ganz ungewöhnliche Ideen kommen. Flüchtlinge, Gefangene, Verfolgte. Faszinierend, auf was man kommen kann, um jemanden zu retten, um in die Freiheit zu gelangen oder auch nur um Nachrichten weiterzugeben.
Gefangene schreiben Gedichte, obwohl sie eigentlich gar kein Papier haben. Sie kritzeln mit dem eigenen Blut, wenn man ihnen die Tinte verweigert. Oder sie schmuggeln Kassiber, wo es scheinbar gar keinen Weg gibt.
Von einer ganz besonderen Überlebensstrategie erzählt Barbara von Haeften, eine der Frauen der Widerstandskämpfer des 20. Juli. Sie berichtet, wie sie mit Hilfe der Lieder des Gesangbuches mit der Inhaftierten in ihrer Nachbarzelle, mit Gräfin Yorck, tröstliche Gedanken austauschen konnte. Ihren goldenen Trauring durften die Frauen auch im Gefängnis behalten. Und mit ihm klopften sie die Gesangbuchnummer eines Liedes an die Zellenwand. Die Strophen wurden dann gekratzt, so dass man deutlich unterscheiden konnte: Lied 368, Vers soundsoviel. So konnten sie sich verständigen, so wünschten sie sich Guten Morgen und sagten sich auch Gute Nacht.
Die Gesangbuchlieder gaben den Frauen Trost und halfen ihnen, Depressionen zu überwinden. Als Barbara von Haeften viele Jahre später einmal von ihrer Tochter gefragt wurde, ob ihr Glaube denn wirklich noch so lebendig sei, antwortete sie: „Je älter ich werde, desto weniger kann ich über meinen Glauben aussagen." Aber damals, in der direkten Bedrohung des eigenen Lebens und dem Tod ihres Mannes, damals konnte sie seltsamerweise aussagen.
Immer wieder werden Menschen Opfer von Gewalt und Bedrohung. Und immer wieder wird ihnen auf überraschende Weise die Fähigkeit geschenkt, sich über ihre Feinde und Peiniger zu erheben. Mit kreativen Ideen, die ihnen helfen zu überleben. Der Seele wachsen Flügel, auch wenn man sie nicht sieht.

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