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SWR2 Lied zum Sonntag

18JUN2023
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May the road rise to meet you.
May the wind be always at your back.
May the sun shine warm upon your face,
The rains fall soft upon your fields
And until we meet again,
Until we meet again,
May God, may God hold you
In the palm of His hand.


Möge dir dein Weg entgegenkommen
Möge der Wind immer in deinem Rücken sein
Möge der Sonnenschein dein Gesicht wärmen
Der Regen sanft auf deine Felder herabkommen
Und bis wir uns wiedersehen
Möge Gott dich schützend in seiner Hand halten

 

Dieses Lied ist als  „irish blessing“ – als irischer Reisesegen bekannt und weit verbreitet. Der Text geht wohl auf einen irisch-gälischen Segenswunsch aus dem 4. Jahrhundert zurück. Und er wurde wahrscheinlich von Mönchen verbreitet, die von einem Ort zum andern gezogen sind und den christlichen Glauben in Irland bekannt gemacht  haben.

Ich stelle mir vor, wie das damals war, wenn sich jemand auf eine Reise begeben hat. Das war meist eine Trennung auf lange Zeit – ohne erreichbar zu sein. Reisen war gefährlich, nicht jeder kam wohlbehalten zurück. Da lag es nahe, einen Segen mit auf den Weg zu geben. 

May the road rise to meet you. ..
Möge dein Weg dir entgegenkommen
Möge der Wind immer in deinem Rücken sein
Möge der Sonnenschein dein Gesicht wärmen
und der Regen sanft auf deine Felder herabkommen

Reisen bedeutete auf endlosen Wegen zu Fuß unterwegs zu sein, dem Wetter ausgesetzt. Ohne zu wissen, wie man unterwegs aufgenommen wurde. Oft ohne das Ziel genau zu kennen. Passen die Segensworte eigentlich zu dieser Realität?

Ein Segen will das Gute bewirken und das Negative bannen. Wenn man jemanden mit einem Reisesegen verabschiedet, vertraut man ihn Gott an. Er soll den Reisenden vor allen Gefahren beschützen. Und zugleich verbindet ein Segen den, der fortgeht mit dem, der bleibt. Denn wer für einen anderen Gutes will, der trägt ihn im Herzen. 

Das  kann ein Trost sein, gerade dann, wenn der Abschied schwer fällt. Auch Sonnenschein, Wind und Regen verbinden Menschen über weite Entfernungen hinweg, weil wir ja alle ein Teil der Natur sind. Und diese Natur zu erspüren hilft , etwas von Gott zu erfahren.

Das ist typisch für die irische Frömmigkeit. Wenn der Wind kräftig bläst, spürt man etwas von der Kraft, die in Gott ist. Wenn die Sonnen scheint, dann ist das, wie wenn man Gottes Güte direkt auf der Haut spürt, und der sanfte Regen, der für Irland so typisch ist, lässt alles wachsen und gedeihen, nicht nur Blumen und Bäume sondern auch Vertrauen und Zuversicht. In der Schöpfung erfährt  der Reisende Gottes Schutz gewissermaßen hautnah. Und so endet jede Strophe mit dem Refrain

Und bis wir uns wiedersehen halte Gott dich fest in seiner Hand

Aus Irland kommt nicht nur dieser schöne Segensspruch. Von dort zogen Mönche weiter auf den Kontinent und brachten ihren tief in der Schöpfung verwurzelten Glauben bis in unsere Gegend. Zum Beispiel der Heilige Pirmin, der das berühmte Kloster auf der Insel Reichenau gegründet hat. Was für einen Mut und was für ein Gottvertrauen muss er gehabt haben, alles Vertraute hinter sich zu lassen! Ich stelle mir vor, dass er mit den Segensworten des heutigen Liedes aufgebrochen ist und unterwegs immer wieder Gottes Güte und seine belebende Kraft erfahren hat.

Vielleicht hat ihn die kleine Insel im Bodensee an seine Heimat, die große grüne Insel erinnert. Und er hat sich dann verbunden gefühlt mit den Menschen und den Orten, die er dort zurückgelassen hat.

Segensworte können uns verbinden, wenn wir getrennt sind. Das ist auch heute noch wichtig. Ob wir nun freiwillig auf Reisen gehen, oder gezwungen werden, die Heimat zu verlassen…

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SWR2 Wort zum Tag

07JUN2023
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Was kann künstliche Intelligenz? Und was macht sie mit uns? Was kommt z.B. dabei heraus, wenn ich ChatGPT, einem Programm, das Texte verfassen kann, den Auftrag gebe: „Schreibe mir einen spirituellen Impuls zum Thema Dankbarkeit.“ Ich habe es ausprobiert und das ist das Ergebnis:

In unserer schnelllebigen Zeit kann es leicht passieren, dass wir uns im Alltag von der Hektik und dem Stress des Lebens mitreißen lassen. Wir verlieren uns in den unzähligen Aufgaben und Verpflichtungen und vergessen dabei, uns bewusst Zeit für uns selbst zu nehmen und uns auf die positiven Dinge in unserem Leben zu besinnen. Dabei ist es so wichtig, dankbar zu sein. Es hilft uns dabei, uns auf die guten Dinge in unserem Leben zu konzentrieren und uns von den negativen Dingen abzulenken. Dankbarkeit lässt uns wertschätzen, was wir haben, und uns über die kleinen Freuden des Lebens freuen.

Das Ergebnis ist gar nicht so schlecht, finde ich. Bei genauerem Nachlesen fällt mir dann aber doch auf, dass der Text einseitig ist. Es geht nur um die eigene Person und ihre Befindlichkeit. Wie kann mein Leben besser werden? Dankbarkeit als Strategie zur Optimierung meines Lebens.

Ich bin auch davon überzeugt, dass Dankbarkeit guttut. Aber das Entscheidende ist für mich dabei, dass ich lerne, mich selbst zurückzunehmen. Nicht alles muss sich um mich drehen. Da gibt es andere Menschen, denen ich vieles verdanke. Da ist die Welt um mich herum – die Luft, die ich einatme, die Bäume, die jetzt so herrlich ihr Grün entfalten. Ich bin ein Teil davon, vielfältig verbunden mit dem ganzen Leben.

Dankbar sein führt mich dazu, nachzudenken und zu staunen. Wem verdanken wir das Leben? Woher kommt es? Mich führt diese Spur zu Gott, dem Ursprung und Schöpfer des Lebens. Dankbarkeit hat für mich daher eine spirituelle Dimension. Leben zu dürfen ist ein Geschenk, das ich aus Gottes Händen annehme. Die vielen schönen Momente, aber auch schwere Zeiten. Ich lerne darauf zu vertrauen, dass alles seinen Sinn hat.

Dankbar sein hilft, mein Herz zu öffnen und die ängstliche Sorge um mein kleines Ich zu überwinden. Ich muss nicht ständig nachrechnen, ob ich nicht etwa zu kurz gekommen bin. Wenn ich mir immer wieder bewusst mache, wieviel ich anderen verdanke, werde ich auch dazu bereit sein, meinen Teil beizutragen. Und so entsteht ein Gefühl von Verbundenheit, weil Menschen geben und nehmen. Ich bin überzeugt: Dankbarkeit macht unser Leben reicher.

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SWR2 Wort zum Tag

06JUN2023
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Wer häufig Reden halten muss, hat in der Regel jemanden, der ihn oder sie dabei unterstützt. So jemanden, der Texte für andere schreibt, den nennt man einen Ghostwriter. Seine Aufgabe ist es, sich mit dem gestellten Thema auseinanderzusetzen, gute Argumente zu sammeln, rhetorische Kniffe einzubauen und natürlich das zu vertreten, was im Sinne des Auftraggebers ist. Damit das gelingt, muss der Ghostwriter oder die Ghostwriterin sich gut in einen anderen einfühlen können. Er muss wissen, wie der andere denkt und spricht und ihm die richtigen Worte in den Mund legen. Im besten Fall gibt es eine gewisse Übereinstimmung zwischen beiden und sie sind „eines Geistes“.

Einen ganz besonderen Ghostwriter hatte der Apostel Petrus. In der Bibel wird davon berichtet, dass er eine fulminante Rede gehalten hat und seine Zuhörer regelrecht fesselte. Das war an Pfingsten. Zuvor war Petrus nicht als der große Redner aufgefallen. Von Beruf war er Fischer. Sicher ein zupackender Mann. Auch einer, der eine eigene Meinung hat. Ich stelle ihn mir als Anführer-Typ vor. Aber die großen theologischen Zusammenhänge erkennen und darüber auch noch eine Rede halten, das hätte niemand dem Petrus zugetraut. Am wenigsten er selbst. Doch genau das hat er an Pfingsten getan, als er vom Plan Gottes erzählt hat und wie es jetzt nach dem Tod und der Auferstehung von Jesus weitergehen soll.

Diese Worte und Gedanken hat ihm ein anderer eingegeben – der Heilige Geist. Der war sozusagen sein Ghostwriter. In der Bibel wird erzählt, dass der Heilige Geist wie eine feurige Zunge auf Petrus herabgekommen ist. Das finde ich ein sehr anschauliches Bild. Der Heilige Geist hat ihm die Worte in den Mund gelegt. Und das war so gut, dass niemand den Eindruck hatte, Petrus verkündet einen fremden Text. Im Gegenteil. Petrus ist erfüllt vom Heiligen Geist, er wird innerlich von ihm so durchdrungen, dass er „eines Geistes“ mit ihm wird. Seine Worte sind ganz authentisch und gehen zugleich weit über ihn hinaus. Er trifft seine Zuhörer ins Herz und jeder kann ihn sogar in seiner eigenen Muttersprache verstehen, wie es in der Apostelgeschichte heißt.

Den Heiligen Geist als Ghostwriter haben. Das wünsche ich mir auch. Ich glaube, das kann gelingen, wenn ich dem, was mich ermutigt und aufatmen lässt, innerlich Raum gebe. Ich vertraue darauf, dass der Heilige Geist auch in mir wirken kann. Vielleicht nicht so fulminant wie damals bei Petrus, aber eben doch so, dass es mir immer wieder gelingt, das Herz von anderen Menschen zu erreichen.

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SWR2 Wort zum Tag

05JUN2023
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Heute, am 5. Juni, wird in rund 150 Ländern der World Environment Day begangen, der Welttag der Umwelt. Er erinnert an die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Schutz der Umwelt, und die fand 1972 in Stockholm statt.

51 Jahre ist das nun her. Doch der Umweltschutz blieb lang ein Nischenthema, wichtig waren Wachstum und technologischer Fortschritt. Heute sprechen alle von Umwelt– und Klimaschutz. Wir spüren die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen durch den Klimawandel überall auf der Welt, zunehmend auch bei uns. Trotzdem ist es mühsam die Art und Weise, wie wir wirtschaften und leben, grundlegend zu verändern. Das ist eigentlich kaum zu verstehen, denn es gibt keine Alternativen und wir haben kaum noch Zeit. Doch wir haben uns an dieses bequeme Leben allzu sehr gewöhnt, wo immer alles zur Verfügung steht. Und natürlich gibt es auch genügend wirtschaftliche und politische Kräfte, die genau so weitermachen wollen wie bisher, weil sie davon profitieren.

Manchmal lässt mich das verzweifeln.

Aber dann denke ich an die vielen Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Probleme aufgezeigt, sondern auch nach Lösungen gesucht haben: Etwa Wissenschaftlerinnen, die die Zusammenhänge des Klimas erforscht und Ingenieure, die neue technische Möglichkeiten zur Energiegewinnung entwickelt haben. Landwirte und Entwicklungsorganisationen, die sich zugleich für umweltschonende Anbaumethoden und gerechte Preise einsetzen, Journalisten und Umweltaktivistinnen, die politische Entscheidungen kritisch hinterfragen. Sie alle haben nicht resigniert, sondern nach neuen Ideen und Konzepten gesucht. Sie haben sich miteinander vernetzt und dafür gekämpft, ernst genommen zu werden. Und so haben sie immer mehr Menschen erreicht, die Veränderung wollen und auch schon leben. Die Erd-Charta der Vereinten Nationen ermutigt dazu, auf diesem Weg weiterzugehen. Dort steht:

„Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit fordert uns unser gemeinsames Schicksal dazu auf, einen neuen Anfang zu wagen […] Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte, als eine Zeit, in der nachhaltige Entwicklung entschlossen auf den Weg gebracht wurde, als eine Zeit, in der das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam, und an eine Zeit der freudigen Feiern des Lebens.“

Diese Vision macht mir Hoffnung, dass die Erde ein Lebenshaus für alle bleibt.

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SWR2 Lied zum Sonntag

12FEB2023
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Mama und Papa sind oft die ersten Worte von Kindern. Wenn sie diese Laute intuitiv nachahmen und spüren, dass ihre Eltern sich darüber freuen, dann werden sie es immer wieder tun und dabei erfahren, dass es da jemanden gibt, dem sie unendlich wichtig sind.

In den meisten Sprachen klingen diese Worte ähnlich. Im Hebräischen etwa „Abba“ – für Papa. Und mit diesem kindlichen Wort hat Jesus Gott angesprochen.

Für ihn als Jude war das ungewöhnlich. Gott wurde mit Adonai angesprochen – also „Mein Herr“. Darin klingen Respekt und Verehrung an, ein Wissen um den Abstand zwischen Gott und den Menschen. Doch für Jesus war Gott zugleich ganz nah. Er fühlte sich so verbunden mit ihm wie ein Kind mit seinen Eltern.

Wenn Jesus gebetet hat, dann haben seine Jünger diese Verbundenheit gespürt und so sagen sie zu ihm: Lehre uns beten. Da gibt Jesus ihnen die Worte des Vaterunsers und lässt sie so teilhaben an seiner eigenen Verbundenheit mit Gott. Sein abba – sein Vater - wird zu ihrem Vater: „Unser Vater, der du bist im Himmel“. Beides gehört zusammen: die Nähe zu Gott und zugleich Staunen und Respekt vor seiner Größe.

Musik 1. Strophe

 

Das Vaterunser ist ein Gebet, das verbindet: Gott und Mensch, Himmel und Erde. Und die Menschen untereinander. Wenn ich es mit anderen zusammen bete, wird mir bewusst, dass die Menschen zusammengehören, weil wir alle Kinder eines gemeinsamen Vaters sind. Das kommt besonders schön in der vierstimmigen, gesungen Form zum Ausdruck. Das Vaterunser weitet unser kleines Ich zum großen Wir. Es ist ein weltumspannendes Gebet mit der zentralen Bitte, dass Gottes Reich kommen soll. Dazu gehört das Brot, das wir Tag für Tag brauchen. Für den Leib und für die Seele. Wenn wir dieses Brot miteinander teilen, unser Leben mit anderen teilen, die Freuden und die Nöte, dann kann Gottes Reich wachsen.

Musik: 2. Strophe 

 

 

Weil Gott uns vergibt, können auch unsere menschlichen Beziehungen heilen.  

Schuld zerstört Beziehungen. Unser Herz wird hart und wir fühlen immer weniger mit den andern. Am Ende kreisen wir nur noch um uns selbst. Gott macht unser Herz wieder weit, weil er in uns einen Raum für Vergebung öffnet. Ich muss meine Schuld nicht mehr verdrängen, weil Gott mich trotz meiner Fehler annimmt und mir verzeiht. Aus dieser Erfahrung kann ich andere um Vergebung bitten und auch meinerseits vergeben. So wird Versöhnung möglich und wir werden aus den oft unheilvollen Verwicklungen von eigener und fremder Schuld befreit.

Die letzte Bitte im Vaterunser lautet „Und führe uns nicht in Versuchung sondern erlöse uns von dem Bösen“. Von dem Bösen in uns selbst und von dem Bösen in der Welt. Das Vaterunser resigniert nicht vor der dunklen Macht des Bösen. Wer es betet, vertraut darauf, dass Gottes Liebe stärker ist. Am Ende wird seine göttliche Energie alles durchdringen und verwandeln.

Musik. 3.Strophe

 

 

Musikquelle: AMS M0472059(AMS)

01-009 1'51 1'51 „Vater unser im Himmel“ für Chor a cappella Produktion 27.-28.01.2017 im Hans-Rosbaud-Studio Baden-Baden Raiser, Christian-Markus CoroPiccolo Karlsruhe;

Vater-unser nach Rimskij-Korsakov    ca. 1min45sec

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SWR2 Wort zum Tag

18JAN2023
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„Wenn der Mensch betet, atmet Gott in ihm auf“. Der Schriftsteller Friedrich Hebbel hat das gesagt. Ein Satz, an dem ich hängengeblieben bin.

Beten heißt, die eigene Seele vor Gott auszubreiten: die Bitte und den Dank, was mich verzweifeln lässt und worauf ich hoffe. Wer betet, möchte mit Gott in Verbindung kommen. Aber wie kann das gehen?

Mir hilft es, wenn ich mit Worten aus den Psalmen bete. Psalmen sind wie Gedichte – sie haben eine besondere Form: je zwei Halbverse beziehen sich aufeinander. Man betet einen Halbvers auf einen Atemzug, dann hält man inne, um die Luft wieder einströmen zu lassen und führt den Vers zu Ende.

 „Wenn ich rufe, erhöre mich / Gott, du mein Retter!“

Weiter heißt es in diesem Psalm:

 „Du hast mir Raum geschaffen, als mir angst war. /

Sei mir gnädig und hör auf mein Flehen.“ (Psalm 4)

 

Wenn man bewusst ausatmet und dann abwartet, weitet sich der Brustraum von selbst, und neuer Atem kann einströmen. Diese Erfahrung hat eine spirituelle Dimension. „Du hast mir Raum geschaffen“ – Wenn ich meine Seele zu Gott hinwende und dabei innehalte, kann ich erfahren, wie sich die Seele weitet, wie neue Lebenskraft und Zuversicht einströmen. Beten und atmen - das gehört zusammen. Der Rhythmus von Ausatmen und Einatmen ist eine Grundübung des Betens.

Ich muss mich nicht anstrengen und abmühen, um zu Gott zu kommen – sein Atem kommt zu mir. Das erinnert mich an die alte biblische Erzählung von der Erschaffung des Menschen. Gott formte den Adam aus der Erde – auf hebräisch: „Adama“ – und blies in seine Nase den Lebensatem. Der Mensch gehört zur Materie wie alles Geschaffene. Aber lebendig wird er erst durch den göttlichen Lebensatem. Als Mensch bin ich  ein Beziehungswesen und kann  nur im Austausch leben. Das gilt für meinen Körper, aber auch für meine Seele. Mit jedem Atemzug wird mir mein Leben neu geschenkt. Beim Beten kann mir das bewusst werden und so komme ich mit der Quelle des Lebens, mit Gott, in Berührung

„Wenn der Mensch betet, atmet Gott in ihm auf.“

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SWR2 Wort zum Tag

17JAN2023
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Die Bibel ist kein Buch wie jedes andere. Für Christen und Juden ist es ein heiliges Buch, das von der Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt. Was in der Bibel steht, hat den Anspruch auf Wahrheit, und so haben biblische Texte das Weltbild der Menschen lange Zeit geprägt. Etwa, dass Gott die Erde erschaffen hat, über der sich der Himmel mit der Sonne und den Sternen wölbt. Die Erde galt daher im Mittelalter als der feste Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Doch mit dem Beginn der Neuzeit haben Gelehrte eigene Beobachtungen und Berechnungen über die Welt und den Kosmos angestellt. Einer von ihnen war Nikolaus Kopernikus. Er kam vor rund 500 Jahren zu einer bahnbrechend neuen Erkenntnis: Nicht die Sonne dreht sich um die Erde, sondern umgekehrt: Die Erde ist ein Planet, der sich um die Sonne dreht.

Auch heute erleben wir, dass biblische Aussagen und unser heutiges Menschenbild sowie moderne wissenschaftliche Erkenntnisse heftig aufeinanderprallen – etwa bei der Bewertung von Homosexualität. In der Bibel wird Homosexualität an manchen Stellen als Unzucht und somit als Sünde beschrieben. Über Jahrhunderte wurde daher Homosexualität in der Kirche und folglich auch in der Gesellschaft unterdrückt und sogar verfolgt. Heute erkennen immer mehr Christen, darunter auch Bischöfe, dass dadurch Homosexuellen großes Unrecht angetan wurde, und sie fordern eine neue Bewertung homosexueller Beziehungen. Nehmen sie die biblische Botschaft nicht mehr ernst?

Ich denke nicht. In der Bibel sind die Glaubenserfahrungen von vielen Generationen bewahrt – von Menschen geschrieben, die von ihrem jeweiligen geschichtlichen Umfeld geprägt waren. Der große Theologe Karl Rahner hat diesen Prozess als „Gottes Wort in Menschen Wort“ beschrieben. Wir müssen daher Aussagen der Bibel in unsere Zeit übersetzen. Das bedeutet zu suchen und zu fragen, nicht alles schon zu wissen, sondern sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander zu setzen und beispielsweise nicht über,sondern mit homosexuellen Menschen zu reden. So kann ein tieferes Verständnis biblischer Texte auch zu neuen Einsichten und Bewertungen führen. Etwa dass in der Bibel missbräuchliches homosexuelles Verhalten abgelehnt wird. Für mich geht es daher nicht um die sexuelle Orientierung, sondern um die Werte, die in einer Beziehung gelebt werden: gegenseitige Achtung und Solidarität, Aufrichtigkeit und Treue, die Bereitschaft sich zu vergeben und immer wieder aufeinander zuzugehen. Das ist der Kern der biblischen Botschaft.

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SWR2 Wort zum Tag

16JAN2023
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Ich habe einige Erbstücke bei mir zu Hause, die mich mit Menschen verbinden, die schon gestorben sind – z.B. einen alten Holzschrank von meiner Großmutter oder die Briefe von einer lieben Freundin. Sie haben ihren besonderen Platz gefunden. Aber ich kenne auch das Problem, dass ich für manche Erbschaften keinen Platz habe – etwa für die vielen Bücher, die sich in unserer Familie angesammelt haben. Da muss ich aussortieren und auswählen, was ich wirklich behalten will.

Erbschaften gibt es für mich nicht nur im Hinblick auf Dinge. Es gibt auch ein geistiges Erbe, etwa die Werte und Glaubensgrundsätze meiner Eltern. Je älter ich selber werde, desto mehr wird mir bewusst, wie sehr ich von ihnen geprägt bin. Aber ich kann sie nicht einfach übernehmen wie ein Möbelstück. Mir fällt dazu der Ausspruch von Goethe ein: „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ Gerade ein geistiges Erbe muss ich mir aneignen, wenn es nicht eine äußere Fassade bleiben soll. Dazu gehört, dass ich mich damit auseinandersetzen kann, dass ich auswähle, was zu mir und in meine Zeit passt. Das gilt besonders für den Glauben. Einfach nur Traditionen fortzuführen – etwa Weihnachten und Ostern zu feiern, gelegentlich in die Kirche zu gehen, bedeutsame Lebensabschnitte wie eine Hochzeit oder die Ankunft eines Kindes mit einem kirchlichen Fest zu begehen – das reicht nicht aus.

Für mich war es wichtig, dass ich Menschen begegnet bin, die mich inspiriert haben und meinen Fragen nicht ausgewichen sind. So habe ich etwa einen Zugang zur Bibel gefunden, weil mir im Theologiestudium biblische Texte in ihrem geschichtlichen Kontext erschlossen wurden. Doch ich kenne auch viele, denen das religiöse Erbe ihrer Vorfahren fremd geworden ist, weil sie keinen Zugang gefunden haben.

Glauben ist nicht so sehr die Übernahme abstrakter Glaubenssätze, sondern ein existentieller Akt des Vertrauens: nämlich daran zu glauben, dass ich von Gott geliebt und gewollt bin, dass mein und unser aller Leben einen Sinn hat – egal, was passiert. Ich kann das nicht allein. Ich brauche die innere Verbindung zu Menschen, die aus diesem Gottvertrauen leben. Mit meiner Freundin war das so. Viel zu jung ist sie an Krebs erkrankt – unheilbar. Bei unserem letzten Gespräch kurz vor ihrem Tod hat sie zu mir gesagt: „Ich habe nicht so große Angst vor dem Sterben. Ich habe schon das Licht erfahren, zu dem ich hingehe.“

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SWR2 Lied zum Sonntag

04DEZ2022
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Musik:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,

es kommt der Herr der Herrlichkeit!

Ein König aller Königreich,

ein Heiland aller Welt zugleich,

der Heil und Segen mit sich bringt,

derhalben jauchzt und freudig singt,

Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich an Rat.

  

Dieses Lied ist zum ersten Mal vor knapp 400 Jahren erklungen - am 2. Advent 1623 – nämlich bei der Einweihung einer Kirche im ostpreußischen Königsberg. Ihr Pfarrer Georg Weissel hat es extra für diesen Zweck gedichtet.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ Jesus Christus soll in die neue Kirche einziehen, damit aus dem von Menschen errichteten Gebäude ein Gotteshaus wird. In barocker Sprachpracht entfaltet Weissel das Bild eines Königs, der allen seinen Segen bringt und alles wie eine Freudensonne mit seinem Glanz erhellt. So lautet die Aufforderung an die Gläubigen: Lasst Jesus herein! Nicht nur in eure Gotteshäuser, so großartig sie auch sein mögen, sondern in euer Herz, damit dieses zum Tempel Gottes werden kann. 

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, euer Herz zum Tempel zubereit.“ Das Lied wendet sich an jeden Einzelnen. Das ist typisch für die Barockzeit: In deinem ganz persönlichen Leben will Jesus ankommen. Das ist die Botschaft dieses 400 Jahre alten Liedes, das schon über so viele Generationen weitergegeben worden ist.

Wichtig war dafür, dass Johann Freylinghausen es 1704 in sein bekanntes Gesangbuch aufgenommen hat. Von ihm stammt wahrscheinlich auch die schwungvolle Melodie, die Alt und Jung bis heute gerne singen. Freylinghaus hat ein Waisenhaus geleitet, die Franckesche Anstalt in Halle. Dort sind völlig verwahrloste Kinder aufgenommen worden, die bis dahin nur Hunger, Angst und Gewalt erfahren hatten. Nun durften sie Geborgenheit und menschliche Zuwendung erleben und das Gefühl, etwas wert zu sein. Sie bekamen eine Ausbildung. Und die religiöse Erziehung durfte natürlich auch nicht fehlen.

Gerade diesen Kindern galt ja die Zusage, dass Jesus Christus in ihrem Herzen wohnen will. Dass sie seiner Liebe wert sind. Aber wie kann diese Botschaft wirklich ankommen in einem Kinderherz, das schon so viel Negatives erlebt hat? Die Therapie damals war Singen. Beim Singen öffnen wir uns für den Klang, für die Worte und den Sinn. Wenn wir ein Lied immer wieder singen, kann es uns zu einem inneren Erfahrungsraum werden, zur Seelennahrung – gerade auch in dunklen Zeiten.

Deswegen war Freylinghausen das gemeinsame Singen so wichtig. Aus den vernachlässigten Waisenkindern wurden oft gut ausgebildete Sänger, die durch die Straßen zogen, um sich mit ihrem Singen ein paar Groschen zu verdienen. Und so haben sie das wunderbare Lied bekannt gemacht.

 

Musik:

Komm, o mein Heiland, Jesus Christ,

meins Herzens Tür dir offen ist.

Ach zieh mit deiner Gnade ein,

dein Freundlichkeit auch uns erschein.

Dein Heilger Geist uns führ und leit,

den Weg zur ewgen Seligkeit.

Dem Namen dein, o Herr,

sei ewig Preis und Ehr.

 

Komponist:

T: Georg Weissel, M: Halle 1704

 

Musikquellen:  

CD Carus-Verlag -Weihnachtslieder; Orpheus-Vokalensemble, Ltg. Michael Alber

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SWR2 Wort zum Tag

23NOV2022
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„Bleiben Sie zuversichtlich“ – das sagt der Moderator Ingo Zamperoni immer am Ende der Tagesthemen. Nach Nachrichten, die meistens wenig Anlass zu Hoffnung und Zuversicht geben. Bleiben Sie – trotz allem – zuversichtlich! Er sagt das freundlich, zugewandt, und es geht durchaus eine kleine Stärkung von dieser fast rituellen Abschiedsformel aus.

Aber – so möchte ich ihn manchmal fragen - woher soll ich die Zuversicht nehmen? Wird nicht alles immer schlimmer? Und rücken uns die schlechten Nachrichten nicht immer näher auf den Leib?  

Es gibt Menschen, die Zuversicht ausstrahlen – wie etwa Ingo Zamperoni. Es geht von ihnen eine Kraft aus und wenn ich selber voller Angst und Sorgen bin, dann tun mir solche Menschen gut. Doch zugleich frage ich skeptisch: Kann ich ihnen trauen? Oder verbreiten sie nur Zweckoptimismus.

Zuversicht ist der Glaube, dass die Zukunft Gutes bringen wird. Sie macht sich also an etwas fest, das noch nicht ist. Ich bin zuversichtlich, weil ich schon kleine Anzeichen wahrnehme, dass etwas Gutes im Entstehen ist. Oder ich hoffe auf eine überraschende Wende. Auf jeden Fall braucht es ein Vertrauen darauf, dass die Zukunft gut werden kann.

Für mich ist Zuversicht daher nicht zu trennen von meinem Glauben. Alles kann sich zum Guten wenden, weil die letzte, die bestimmende Kraft in allem, was geschieht, Gottes Liebe ist - zu uns Menschen und zu seiner Schöpfung.

Die Zukunft ist also mehr als die Fortschreibung aller Katastrophenszenarien – in der Zukunft kommt Gott auf uns zu. Das ist die Botschaft der Adventszeit, die in wenigen Tagen beginnt. Aber nicht als ein massiver Einbruch in unsere Geschichte, die Topnachricht auf allen Nachrichtenkanälen, sondern eher als schöpferische Werdekraft, als Hoffnungsfunken, der nicht erlischt.

„Bleiben sie zuversichtlich“ fordert also meine Hoffnung heraus, meine Bereitschaft, überhaupt zuversichtlich zu werden. Mich nicht dem Sog der schlechten Nachrichten zu überlassen. Trotz allem das Gute zu entdecken und zu tun. So wie es in der letzten Strophe eines bekannten Kirchenliedes heißt:

Sing bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getrau

und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu.

Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.

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