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SWR2 Wort zum Tag

11SEP2023
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Supermarktkassen stressen mich. Ich habe immer das Gefühl, ich bin nicht schnell genug. Nicht beim Einpacken und nicht beim Geldbeutel rauskramen. Ich habe noch nicht ganz bezahlt, da wird schon der erste Artikel der nächsten Kundin gescannt. Wenn überhaupt Zeit ist, ein kurzes „Hallo“ und „Tschüss“ und dann bloß weg hier.

Ganz anders läuft es an sogenannten „Plauderkassen“. Die Menschen, die an solchen besonderen Supermarktkassen arbeiten, tragen einen Anstecker auf dem steht: „Plaudern Sie mit mir.“ Der ältere Herr, der gerade dran ist, erzählt z.B. von seinem neuen Nachbarn und von seiner Tochter, die so weit weg ist. Die nächste Kundin spricht nur kurz über das Wetter, dann geht es weiter. Und eine junge Dame hat gerade erfahren, dass sie schwanger ist und muss das gleich erzählen. Sie strahlt.
So eine Plauderei kann schon mal fünf Minuten dauern. Aber Stress oder Druck spürt man an der Plauderkasse nie. Die Mitarbeitenden kennen viele Kundinnen und Kunden. Mit einigen sprechen sie schon seit Jahren. Sie lieben ihre Plauderkasse und können sich nicht mehr vorstellen, in Märkten zu arbeiten, wo alles schnell gehen muss.

Die Idee zu den besonderen Kassen kommt aus den Niederlanden, einige gibt es in der Schweiz, in Japan und inzwischen auch in Deutschland.

Ich finde die Idee der Plauderkassen richtig gut! Dass wir miteinander sprechen, ein freundliches Wort für andere haben, ist für mich das Allerwichtigste. Und so eine Kasse hat eine wichtige soziale Funktion. Menschen, die im Alltag wenig Kontakte haben, können hier sprechen. Oder Leute, die z.B. neu an einen Ort ziehen und niemanden kennen.

Es ist ja eigentlich seltsam, dass es diese Kassen überhaupt geben muss. Als ich klein war, war es völlig normal, ein Wort miteinander zu wechseln, und dann ging es weiter. Dann musste alles schneller werden, ich bin ermahnt worden, wenn ich meine Sachen nicht schnell genug im Wagen hatte, jetzt immer mehr Selbstscan-Kassen und auch das direkte Gegenteil: entschleunigte Plauderkassen. Verrückt. Ich wünsche mir Kassen, an denen beides geht: Einfach in Ruhe einkaufen und wenn es sich ergibt, kurz über den Tag quatschen, das ist aber kein Muss- und dann ohne Hektik raus aus dem Markt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38288
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SWR2 Wort zum Tag

05JUL2023
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In München steht ein Zuhörraum. Mitten in der Stadt, zwischen Schrannenhalle und Hochbunker an der Prälat-Zistl-Straße. Hellgrüne Holzfassade, geschwungene Wände. Er sieht irgendwie aus wie eine Mischung aus Ohrmuschel und moderner Mini-Camper. Innen drin an der geschwungenen Wand entlang befinden sich eine Bank und eine richtig gute Kaffeemaschine. Hier kann jede und jeder hinkommen und sprechen. Und hier sind Menschen, die zuhören. Der Verein dahinter heißt `Momo hört zu´ und klar: Patin ist die berühmte Romanheldin Momo, eine Meisterin des Zuhörens. Bei ihr haben einfach alle ihr Herz und ihre Münder geöffnet. Hier in München sind es Ehrenamtliche, die für alles offene Ohren haben. Sie wechseln sich im zwei-Stunden-Takt ab, so dass der Zuhörraum jeden Nachmittag besetzt ist.
Das Angebot wird gut angenommen. Und es geht nicht immer um seelische Krisen oder Hilfe. Es geht manchmal um den kleinen alltäglichen Plausch, der mit der Nachbarin nicht mehr möglich ist. Es geht auch darum, vom Tag zu erzählen oder von einer guten Nachricht. Manchmal auch um Smalltalk. Und natürlich auch um ganz heftige Themen: kein Kontakt mehr zur Tochter, ein lieber Mensch ist gestorben, psychische Krisen. Dazu wird immer ein Kaffee angeboten. Weil auch das manchmal hilft, wenn es der Seele nicht gut geht.


Wer Ohren hat, der höre. Ein alter und weiser Satz aus der Bibel. Manchmal denke ich, dass Zuhören das Allerwichtigste ist, damit wir gut zusammenleben und zusammenarbeiten. In der Politik, im Job und im Privaten sowieso. Ich sage das manchmal zu meinen Kindern, wenn ich das Gefühl habe, sie sind gerade ganz woanders.
Es wird komplizierter, zuzuhören und genau hinzuhören. Es ist so viel los im Alltag, so viel, das auf mich einprasselt. Ich will mit meiner Tochter sprechen und hören wie die Schule war, da klingelt das Handy, unsere Jüngste brüllt, und nebenbei mache ich mir einen Kaffee. Das alles zusammen funktioniert nicht. Zum Sprechen und zum Zuhören brauche ich Zeit und Ruhe. Klar für die kleinen Infos zwischendurch reicht es, aber ein richtiges Gespräch entsteht so nicht.


Wer Ohren hat, der oder die höre. Für mich ist das ein Auftrag, der mich oft -vor allem im Alltag- herausfordert. Der aber auch Spaß macht und durch solche Projekte wie den Zuhörraum in München erfüllt wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37966
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SWR2 Wort zum Tag

04JUL2023
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Ich soll einen Nachruf auf mich selbst schreiben. Das ist eine der schwersten Aufgaben, die ich je bekommen habe.
Ich mache eine Fortbildung für den Beerdigungsdienst, und da wird diese Aufgabe gestellt. Und jetzt sitze ich da. Wo fange ich an? Wie fange ich an? Nachrufe werden für Tote geschrieben, ich lebe ja. Irgendwie ist das das falsche Format.
Ich fange einfach mal an und versuche mich daran zu orientieren, was ich von Menschen erzähle, die ich bisher beerdigt habe. Wie hat die Person, also in diesem Fall ich, gelebt?

In meinem Nachruf soll stehen, dass ich gerne Menschen um mich gehabt habe, dass ich offen auf Menschen zugegangen bin und überhaupt großen Spaß an Menschen und an vielfältigen Lebensentwürfen gehabt habe. Dass ich gerne gefeiert habe und total dankbar für meine Familie war. Ich würde auch schreiben, dass ich gerne gelacht habe und gut anpacken konnte. Vermutlich steht auch drin, dass ich oft ein schlechtes Gewissen allen und jedem Gegenüber gehabt habe und manchmal unter selbstgemachtem Druck stand. Es steht drin, dass ich Pferde gemocht und das Leben auf dem Land sehr geschätzt habe. Und dass ich viel unterwegs gewesen bin und keine Angst vor weiten Strecken hatte. Und und und…

Es hat ganz schön Schweiß und Nerven gekostet, aber irgendwann war meine Nachruf-Aufgabe soweit fertig. Ich glaube, ich hole ihn ab und zu mal wieder raus, um zu überprüfen, wie ich leben will, und ob ich es auch wirklich so tue. So gesehen wird mein Nachruf eigentlich nie ganz fertig….

Mir ist bei der ganzen Sache eins sehr bewusst geworden: das hier ist nicht alles. Ich gehe fest davon aus, dass nach dem Leben noch was kommt. Dass das Leben bei Gott weitergeht. Und das ist ganz erfüllt. Das soll kein billiger oder schneller Trost sein, sondern entlastet mich. Es wird hier nicht alles möglich sein. Aber nach meinem Leben hier, wird es vollkommen sein.
Bevor es soweit ist, will ich noch viel erleben und feile weiter an meinem Nachruf auf mich selbst. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37965
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SWR2 Wort zum Tag

03JUL2023
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Ria macht nackt Urlaub. Sie campt mit ihrer Familie, und schon seit langem gehen sie auf FKK-Campingplätze. Das heißt: ankommen, ausziehen, aufbauen, einrichten, Urlaub machen. Das alles ohne Kleider. Auf dem Platz zumindest. Wenn man ihn verlässt, ziehen sie sich wieder an.
Ria sagt: „Ich finde diese Art von Urlaub total unkompliziert. Weil ich nicht ständig darüber nachdenken muss, was ich anziehe, ob es passt oder nicht, ob es gut aussieht, ob ich mich in den Klamotten wohlfühle. Und der Koffer ist natürlich viel leichter, weil ich nicht so viel mitnehmen muss.“
Ich bewundere Ria und ihre Familie. Aber für mich ist das auch gewöhnungsbedürftig. Ich weiß nicht, ob das für mich und meinen Urlaub passt. Bin ich dann nicht den ganzen Tag beobachtet und umgekehrt, beobachte ich nicht ständig die anderen nackten Leute? Man muss ja nicht drumherum reden: man guckt immer, wenn jemand nackt ist.

Ria sagt, dass genau das im FKK-Urlaub nicht passiert. Weil es so normal ist. Sie brauchen ungefähr eine halbe Stunde, dann sind sie drin im Leben ohne Kleider. Und was mich sehr erstaunt hat: Ria erzählt, dass sie sich manchmal erschreckt oder wundert, wenn sie die Menschen vom Campingplatz dann angezogen sieht. Wenn sie einkaufen oder essen gehen, zum Beispiel. Die Leute haben dann einen ganz anderen Stil, als sie erwartet, tragen Kleider, die ihr selbst nicht gefallen. Und dann sagt Ria einen Satz, der mich nicht mehr loslässt: „Manchmal finde ich die angezogenen Menschen nicht mehr so schön, wie die nackten.“
Diesen Aspekt finde ich unglaublich, und ich denke immer wieder darüber nach, wenn ich unter Leuten bin. Weil er zeigt, wie sehr ich mich von dem leiten lasse, was ich sehe. Von Äußerlichkeiten also. Und die entscheiden in wenigen Sekunden, ob ich eine Person sympathisch finde, ob sie mir gefällt oder eben nicht.
So gesehen konzentrieren sich Leute, die nackt campen auf das Wesentliche. Sie treffen aufeinander so wie sie sind. Ohne Umwege, ohne Barrieren.
Ich weiß nicht, ob ich jemals FKK-Camping machen werde. Aber ich will mich wirklich nicht mehr davon leiten lassen, was Menschen anhaben. Ich will sie sehen, wie sie sind. Ohne Umwege.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37964
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SWR3 Worte

27MAI2023
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Raphaela Soden ist queer. Agender, d.h. Raphaela ist geschlechtslos. Raphaela arbeitet für und in der kath. Kirche und setzt sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein. Das prägt natürlich das Gottesbild. Raphaela beschreibt Gott so:

Also ich würde ja sagen Gott ist trans. Trans heißt ja über, hinaus: transzendent. Wir sind alle mehr als das, was andere in uns sehen. Auch Gott ist nie das, was wir aus Gott machen und deswegen würde ich sagen: Gott ist trans.“

 

Aus: SWR 1 Begegnungen, 02.04.2023, Johanna Vering trifft Raphaela Soden. https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=37135.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37596
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SWR3 Worte

Wenn man sich mit dem Tod beschäftigt, verändert sich was im Leben. Das hat TV-Moderator Steffen Hallaschka erlebt. Er hat eine Serie über den Tod und das Sterben gemacht. Das hat sich auch auf seinen Glauben ausgewirkt. Hallaschka sagt:

„Mein Glaube ist schon sehr von diesem altmodischen Wort Demut geprägt. Ich bin sehr demütig vor dem Geschenk des Lebens. Ich habe gelernt in meinem Leben, dass es nicht selbstverständlich ist, und dass ich dankbar sein kann für jeden gesunden Tag, den ich auf diesem Erdenball verbringen darf. Und das hat die Arbeit an der Serie eher noch verstärkt. Also dieses Gefühl von Demut vor dem Leben.“

 

Aus: https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.ndr.de%2Fkirche%2FModerator-Steffen-Hallaschka-im-Interview-bei-Gott-und-die-Welt%2Challaschka126.html&data=05%7C01%7Cvering-j%40bistum-muenster.de%7C6175deb7b1e4475f3a5f08db41e9f561%7C810164a5596d439fb9bf84f68aa6f191%7C0%7C0%7C638176245450582486%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C2000%7C%7C%7C&sdata=StJJtAJp3aevhwT3KmDJeeoFxgdfMzyrrbmnZp2Vxgo%3D&reserved=0

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37595
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SWR3 Worte

25MAI2023
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Man glaubt es kaum, aber erst seit kurzem können auch „ganz offiziell“ queere Paare in der katholischen Kirche gesegnet werden. Die Theologin Viola Kohlberger sagt dazu:

„Der Erfolg ist, dass Rom nicht darüber entscheiden kann, was Gott möchte und was nicht.
 Oder ob Gott die Liebe segnet. Die Liebe zwischen Menschen ist etwas Wunderbares, und deswegen ist sie segenswert.“

 

Aus: SZ vom 24. März 2023, Rubrik Bayern, Artikel 13/13 „Kein Aufschieben und Vertuschen mehr“, Süddeutsche Zeitung GmbH, München 2023, Digital-Abo.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37594
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SWR3 Worte

24MAI2023
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Raphaela Soden ordnet sich keinem Geschlecht zu, ist agender und arbeitet auch noch bei der katholischen Kirche. Wir sind ja nicht gerade berühmt dafür, mit dem Thema Geschlechter-Vielfalt gut und zeitgemäß umzugehen. Wie geht Raphaela damit um: agender in der kath. Kirche? Sie sagt:

„Ich bin in der katholischen Kirche aufgewachsen. Ich habe da ganz viel Gutes erlebt. Ich wäre heute nicht der Mensch, der ich bin, wenn ich da nicht in der kirchlichen Jugendarbeit gewesen und da auf Menschen getroffen wäre, die mir Selbstvertrauen gegeben haben.
Warum soll ich denn anderen überlassen, dass die definieren, was richtig katholisch ist und was Gott gewollt ist, und wie die Kirche zu sein hat? Also ich bin auch trotzig, hoffnungstrotzig und genau deswegen bin ich noch dabei.“

 

Aus: SWR 1 Begegnungen, 02.04.2023, Johanna Vering trifft Raphaela Soden. https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=37135.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37593
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SWR3 Worte

23MAI2023
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Steffen Hallaschka ist TV-Moderator und hat eine Serie über das Sterben gemacht. Dabei hat er viel über das Leben gelernt. Auf die Frage, was ist stärker als das Sterben, sagt er:

„Stärker als das Sterben ist ganz sicherlich der zwischenmenschliche Zusammenhalt. Also wenn man Menschen an seiner Seite hat, die bereit sind, ohne Berührungsängste diesen Weg mitzugehen. Das ist von unschätzbarem Wert.“

 

Aus: https://eur01.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.ndr.de%2Fkirche%2FModerator-Steffen-Hallaschka-im-Interview-bei-Gott-und-die-Welt%2Challaschka126.html&data=05%7C01%7Cvering-j%40bistum-muenster.de%7C6175deb7b1e4475f3a5f08db41e9f561%7C810164a5596d439fb9bf84f68aa6f191%7C0%7C0%7C638176245450582486%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C2000%7C%7C%7C&sdata=StJJtAJp3aevhwT3KmDJeeoFxgdfMzyrrbmnZp2Vxgo%3D&reserved=0

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37592
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SWR3 Worte

22MAI2023
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Mathias Maul stottert nicht mehr. Früher hat er fast gar nicht gesprochen. Er war einsam und stand ständig unter Druck. Das hat sich mit einer Therapie geändert. Heute hält er Vorträge und arbeitet als Coach. Seine Sicht hat sich komplett gedreht. Er erzählt:

„Inzwischen habe ich auch ein anderes Menschenbild. Früher war ich davon überzeugt, dass andere mich abwerten. Ich zog mich zurück, die anderen mussten erst beweisen, dass sie mich mögen. Heute gehe ich davon aus, dass Menschen mir wohlgesonnen sind. Das bestätigt sich immer wieder.“

 

Aus: chrismon. Das evangelische Magazin 01/2022, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt am Main, Artikel: Er stottert nicht mehr, S. 46.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37591
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