SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

05JUL2023
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In München steht ein Zuhörraum. Mitten in der Stadt, zwischen Schrannenhalle und Hochbunker an der Prälat-Zistl-Straße. Hellgrüne Holzfassade, geschwungene Wände. Er sieht irgendwie aus wie eine Mischung aus Ohrmuschel und moderner Mini-Camper. Innen drin an der geschwungenen Wand entlang befinden sich eine Bank und eine richtig gute Kaffeemaschine. Hier kann jede und jeder hinkommen und sprechen. Und hier sind Menschen, die zuhören. Der Verein dahinter heißt `Momo hört zu´ und klar: Patin ist die berühmte Romanheldin Momo, eine Meisterin des Zuhörens. Bei ihr haben einfach alle ihr Herz und ihre Münder geöffnet. Hier in München sind es Ehrenamtliche, die für alles offene Ohren haben. Sie wechseln sich im zwei-Stunden-Takt ab, so dass der Zuhörraum jeden Nachmittag besetzt ist.
Das Angebot wird gut angenommen. Und es geht nicht immer um seelische Krisen oder Hilfe. Es geht manchmal um den kleinen alltäglichen Plausch, der mit der Nachbarin nicht mehr möglich ist. Es geht auch darum, vom Tag zu erzählen oder von einer guten Nachricht. Manchmal auch um Smalltalk. Und natürlich auch um ganz heftige Themen: kein Kontakt mehr zur Tochter, ein lieber Mensch ist gestorben, psychische Krisen. Dazu wird immer ein Kaffee angeboten. Weil auch das manchmal hilft, wenn es der Seele nicht gut geht.


Wer Ohren hat, der höre. Ein alter und weiser Satz aus der Bibel. Manchmal denke ich, dass Zuhören das Allerwichtigste ist, damit wir gut zusammenleben und zusammenarbeiten. In der Politik, im Job und im Privaten sowieso. Ich sage das manchmal zu meinen Kindern, wenn ich das Gefühl habe, sie sind gerade ganz woanders.
Es wird komplizierter, zuzuhören und genau hinzuhören. Es ist so viel los im Alltag, so viel, das auf mich einprasselt. Ich will mit meiner Tochter sprechen und hören wie die Schule war, da klingelt das Handy, unsere Jüngste brüllt, und nebenbei mache ich mir einen Kaffee. Das alles zusammen funktioniert nicht. Zum Sprechen und zum Zuhören brauche ich Zeit und Ruhe. Klar für die kleinen Infos zwischendurch reicht es, aber ein richtiges Gespräch entsteht so nicht.


Wer Ohren hat, der oder die höre. Für mich ist das ein Auftrag, der mich oft -vor allem im Alltag- herausfordert. Der aber auch Spaß macht und durch solche Projekte wie den Zuhörraum in München erfüllt wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37966
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