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SWR Kultur Wort zum Tag

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge,
würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Weltuntergang - weiß ich´s? Würde ich es tun? Einen Baum pflanzen?
Ich würde? In diesem Sprichwort ist das als eine Möglichkeit formuliert.
Eine ausgedachte Möglichkeit – ein Sprachspiel. Und doch auch mehr als das.
Ich beobachte an mir, wie mich Weltuntergangsvorstellungen immer wieder einmal beschleichen – und manchmal auch runterziehen und lähmen: Der Klimawandel, das schier grenzenlose Auspressen von Rohstoffen, die Verschmutzung der Meere, Kriegsgefahren, nicht zu beherrschende Techniken.
Alle diese Szenarien beängstigen, verbreiten Panik. Ganz gleich ob es reale Gefahren – ausgedachte – oder eingebildete sind.
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge,
würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Martin Luther wird diese Weisheit zugeschrieben. Nachweisen konnte das bisher niemand. Ob Luther das wirklich einmal so gesagt hat? Egal. Für mich hört es sich so an – als steckt darin die Summe seiner Lebens- und Glaubenserfahrungen.
Wie viele Untergangsvorstellungen kursierten zu seiner Zeit. Wie viele waren damals erstarrt aus Angst vor der Zukunft – aus Angst vor Gott. Er selber auch.
Und da war das Luthers große Befreiung: Nichts soll mich in Angst erdrücken oder erstarren lassen. Nichts soll mich vom Leben abbringen. Hier und Jetzt und Heute – und Morgen auch – kann ich in meinem Leben etwas von der Güte Gottes erfahren.
Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge...“ –  dasheißt für mich:
Sei es auch nur eingebildet – oder sei es wirklich so: Selbst dann noch wäre das angezeigt: Heute - unbedingt heute! -  noch einen Apfelbaum pflanzen.
Mir ist dieses Wort zu einem Schlüssel für meine Lebensfreude geworden.
Selbst wenn mich manchmal die Vorstellung beschleicht, es könnte kein Morgen mehr geben – dann darauf vertrauen:
Gott lässt seine Schöpfung nicht im Stich.
Dann: Heute leben, heute Neues beginnen, in jeder Hinsicht etwas säen und pflanzen – und weiter lieben und hoffen.
Nicht sich die Welt uni schwarz malen lassen. Durch Angst mir nicht die Zukunft - den Morgen verbauen. Für diese Zuversicht steht dieses konkrete Zeichen:
Einen Apfelbaum pflanzen, auch wenn die Welt unterginge.  Jetzt – im Herbst, da die Blätter fallen – ist Pflanzzeit für Apfelbäume. Ein Hoffnungszeichen für Heute und für Morgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20783
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Und was machen Sie, wenn die Welt untergeht? Am 21. Dezember soll es ja nach dem Mayakalender wieder so weit sein. Manche haben dafür schon eine Party organisiert. Weltuntergangsstimmung gibt's ja genug.
Dafür braucht man keinen Mayakalender. Da genügt ein Blick nach Doha, wo gestern die Weltklimakonferenz zu Ende gegangen ist. Nach der aktuellen Bilanz, ist der globale CO2- Ausstoß im Jahr 2011 erneut um drei Prozent auf 34,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid angestiegen. Wachsen die Treibhausgasemissionen wie bisher- und vieles spricht dafür- dann könnte die globale Temperatur die 2 Grad übersteigen und bis auf 5 Grad hochgehen. Damit bewegen sich die Emissionen an der Obergrenze des „Worst-Case" Szenarios des Weltklimarats.
Konkret: wir werden es mit Hitzewellen, Missernten, Extremwetterlagen und einem Anstieg des Meeresspiegels zu tun haben, deren Ausmaß und Folgen wir vielleicht nicht mehr bewältigen können. Vor 40 Jahren hat Dennis Meadows mit seiner Studie „Grenzen des Wachstums" die Umweltbewegung in Gang gebracht. Heute glaubt der 70 jährige, dass die von ihm prophezeite Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden ist, dass wir das global nicht mehr schaffen.
Und doch freut sich Dennis Meadows jeden Tag über die Solaranlage auf seinem Dach und dass Menschen sich engagieren für die Energiewende und dafür sogar auf liebgewordene Gewohnheiten verzichten.
Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen, soll Martin Luther gesagt haben. Für ihn waren Apfelbäume der Inbegriff von Gottes Güte und Gnade.
Was mich an dieser Haltung so fasziniert, das ist diese Freiheit. Niemand weiß, ob und wann die Welt untergeht. Und selbst wenn es so kommen sollte. Heute werde ich noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Werde Strom sparen, öfters aufs Fahrrad umsteigen, erneuerbare Energie nutzen, fair gehandelte Produkte kaufen und was es sonst noch so gibt. Apfelbäumchen pflanzen! Weil es einfach richtig ist. Und weil es sich gut anfühlt, die Nähe zu Gottes Güte und Gnade. Die Nähe zu Apfelbäumchen. Weltuntergang hin oder her.

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SWR3 Gedanken

16NOV2022
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Kleinkrieg unter Nachbarn. So könnte man es bezeichnen. Ich habe einen Apfelbaum. Gut ein Drittel dieses Apfelbaums hängt auf der Seite des Grundstücks meiner Nachbarin. Sehr gerne pflückt sie die Äpfel. Aber alle Äpfel, die faul sind oder wurmstichig, die wirft sie einfach in meinen Garten. Ha, ich habe aber wesentlich mehr faule und wurmige Äpfel, die ich ihr in den Garten werfen kann. So geht es im Herbst hin und her mit den Äpfeln.

Der Stein, den ich in den Händen halte, wird immer schwerer.
Heute ist Buß- und Bettag. Ein vergessener Tag. Nur wenige kommen am Abend in den Gottesdienst in die Kirche. Dabei ist es einer der schönsten Gottesdienste im Jahr.

Wir bekommen einen Stein und wir vertrauen diesem Stein alles Doofe, Peinliche, Schwere an, alle Missverständnisse, alle kleinen und großen Lügen, alle Gemeinheiten, allen Streit. Es hört sich banal an, aber es tut ziemlich gut, diesen Stein vor Gott abzulegen. Es ist wirklich so, als ob eine Last von einem genommen wird. Ich atme wieder leichter, stehe aufrechter.

In diesem Gottesdienst beten wir zu Gott, weil wir in so vielen Strukturen gefangen sind: gesellschaftliche Ungerechtigkeiten oder wirtschaftliche Abhängigkeiten oder, oder. Das alles bringen wir vor Gott, klagen es ihm.

Aber am Ende des Gottesdienstes geht jeder mit einer Blume nach Hause. Eine Blume für all das Schöne im Leben! Trotz allem.

Und ich nehme mir vor, am Wochenende einen Apfelkuchen zu backen, damit werde ich zur Nachbarin gehen. Wäre doch gelacht, wenn wir den Apfelstreit nicht beilegen könnten!

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SWR3 Gedanken

Es ist an der Zeit, ein Apfelbäumchen zu pflanzen! Martin Luther soll das mal gesagt haben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Denn das mit dem Weltuntergang kommt gefühlt zumindest immer näher. Etwa, wenn man den Risikobericht des Weltwirtschaftsforums liest. Es hat vorletzte Woche im schweizerischen Davos  getagt. Sein Bericht sieht in diesem Jahr besonders düster aus: Eine rasant wachsende Aufrüstung. Großmächte, die sich immer feindlicher gegenüberstehen. Handelskriege, die den Wohlstand bedrohen. Staaten, die sich nach außen abschotten. Und über allem schwebt auch noch der Klimawandel, der längst im Gange ist. Puh! Keine Lektüre für ängstliche Gemüter.

Also doch schnell ein Apfelbäumchen pflanzen? Ob der Satz wirklich von Martin Luther stammt ist fraglich. Aber für mich schwingt etwas darin mit, dass Luther auf jeden Fall hatte: Gottvertrauen. Es geht da ja nicht um harmlose Beschwichtigung, um ein „Alles-halb-so-wild“. Nein, es geht schon darum, den Dingen nüchtern ins Gesicht zu sehen. Und wenn es tatsächlich so aussieht, dass der Untergang bevorsteht, dann soll ich trotzdem heute noch ein Bäumchen pflanzen. Allen Hiobsbotschaften zum Trotz. Sollte die Welt dann untergehen, war die Mühe umsonst. Klar. Aber mit diesem Bäumchen lehne ich mich ja trotzig dagegen auf. Hoffen bis zuletzt. Gottvertrauen nannte man das mal. Das unerschütterliche Vertrauen, dass da wenigstens noch einer ist, der einen Plan fürs Ganze hat.

Angesichts der Probleme heute könnte mehr Gottvertrauen nicht schaden, finde ich. Und in diesem Vertrauen die Ärmel hochkrempeln und nach Auswegen suchen, das wäre es. Dann würde das Bäumchen tatsächlich zum Hoffnungszeichen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28056
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SWR4 Abendgedanken

Schwester Marietta ist Küchenschwester. Das heißt: Sie ist diejenige, die seit über 30 Jahren jeden Tag in der Klosterküche steht und für die Mitschwestern kocht.

Und das sind heute rund 20 Schwestern im  Benediktinerinnenkloster Kellenried. Es liegt in der Nähe vom Bodensee, in Oberschwaben. Und die Schwestern verbringen hier das ganze Leben. Also, nach dem Eintritt ins Kloster bleiben sie immer dort. Ich kann mir das nicht so gut vorstellen. Den ganzen Tag im Kloster, ein Leben lang?

Schwester Marietta wollte ursprünglich gerne Schneiderin werden, wie sie mir erzählt. Aber in der Küche wurde jemand gebraucht als sie neu ins Kloster kam und das ist jetzt schon viele Jahre her. „Und ich bereue es keine Sekunde“, sagt sie und strahlt mich an. Und während sie mit mir redet, kocht sie, natürlich. Heute gibt es schwäbischen Apfelauflauf. Mit Äpfeln aus dem eigenen Garten.

Früher war der Garten viel größer, da waren es auch noch 80 Schwestern, heute haben die Schwestern immerhin noch eigene Äpfel, Zwetschgen und Beeren. Schwester Marietta liebt es in der Küche zu sein. Sie verrät: „Hier habe ich einfach meine Ruhe und kann meinen Gedanken nachhängen oder mit Gott reden“. „Ora et labora“, das ist das Grundrezept für jede Benediktinerin, erzählt sie mir. Beten und arbeiten – und das täglich und stundenlang. „Für mich ist das mein Lebenselixier“, verrät mir Schwester Marietta. „Es ist schön, wenn ich weiß, wo ich hingehöre. Mein Tag ist strukturiert. Wenn die Glocken läuten, lasse ich alles liegen und mache Pause – für Gott. Und diese Unterbrechungen tun einfach gut - jeden Tag“, sagt sie. Ob sie denn nicht manchmal was vermisst, frage ich nach. „Ja“, gesteht sie und ich bohre nach. „Ab und zu hätte ich gerne eine Reise gemacht. In die Südsee oder nach Rom“, träumt sie laut, während sie den Brandteig anrührt. Ihr Gesicht strahlt so viel Wärme aus. Ich glaube, Schwester Marietta vermisst gar nichts. „Die Gemeinschaft hier“, sagt sie, „ist einfach spitze“. Und wenn mal nicht, dann geht sie einfach in die Küche, zwinkert sie mir zu. Sie schüttet den Teig über die Äpfel in die Pfanne und ab in den Ofen damit. Der Apfelauflauf duftet schon als sich alle Schwestern im Oratorium, im Gebetsraum zum Mittagsgebet treffen. Aber jetzt ist der liebe Gott dran und der Apfelauflauf brutzelt im Ofen alleine weiter. Beim letzten Gong läuft sie auch schon wieder in die Küche und serviert den Schwestern den Auflauf im Speisesaal. Er ist das Lieblingsessen der Schwestern in Kellenried. Gesegnete Mahlzeit!

Kochbuch „Gesegnete Mahlzeit“ zu bestellen auf http://www.fachstellenshop.de/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18067
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SWR Kultur Wort zum Tag

11MRZ2024
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Ich hätte schwören können, in der Bibel kommt ein Apfelbaum vor. Nämlich der in der Mitte des Garten Edens, von dem Adam und Eva nicht essen sollen. Ist aber gar nicht so, von Apfelbaum ist nie die Rede. Der Baum trägt zwar Früchte, aber welche - das wird nicht genauer beschrieben.

In der Bibel wird er „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ genannt. Und was rund um diesen Baum erzählt wird, gleicht wirklich einer Theatervorstellung: Schlange überredet Eva, Eva überredet Adam, und dann wird tatsächlich gemeinsam gegessen. Ob es Granatäpfel, Orangen oder Äpfel sind, spielt keine Rolle. Es geht darum, dass die Menschen die ihnen gesetzten Grenzen nicht hinnehmen.

Gott weiß alles, er überblickt alles, er kann hinter die Kulissen schauen und erkennt die Zusammenhänge. Und die Menschen möchten das auch. Und darum essen sie diese Frucht vom „Baum der Erkenntnis“. Das haben die Verfasser des Alten Testaments schon erkannt. Und sie haben wohl auch erkannt, dass damit viele Probleme beginnen.

Überall dort, wo Menschen Gott nachahmen möchten, kann es kritisch werden. Zum Beispiel, wenn Menschen über Leben und Tod entscheiden wollen. Wenn sie Lebensanfang und Lebensende bestimmen, oder wenn sie festlegen, was lebenswert ist und was nicht. Oder wenn Menschen sich zu Besitzern von Land oder Rohstoffen erklären. Wenn sie die Umwelt ausbeuten, wenn sie das für sich beanspruchen, wovon alle leben müssen.

Gott hat den Menschen wirklich tolle Fähigkeiten gegeben: Wir können Krankheiten heilen, Dinge entwickeln, die das Leben leichter machen. Wir können die Energie der Erde nutzen oder über weite Strecken mühelos miteinander kommunizieren. Immer mehr ist uns möglich, und damit wird es auch immer schwieriger zu beurteilen, was unter welchen Bedingungen ethisch noch vertretbar ist und was nicht.

All unsere Talente und Möglichkeiten gehören zum Menschsein dazu. Das behauptet die Geschichte vom Paradies auch nicht anders. Aber genauso gehört dazu, dass wir sorgsam mit dieser Verantwortung umgehen, dass wir das akzeptieren, was nicht in unserer Macht steht. Und vor allem, dass wir wissen, wo Schluss ist. Wo wir – im Bild gesprochen – von dem Baum essen, der uns gefährlich werden könnte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39471
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Kannst du einen Apfel aufschneiden?“ Ich hielt dem 16jährigen Jungen in der ersten Reihe einen Apfel und mein Jagdmesser hin. Er schaute mich ungläubig an, suchte nach der Falle in meiner Frage. Es war Schulgottesdienst und vermutlich wollte er nur ganz cool auf seinem Stuhl diese Stunde absitzen.
„Hier hast du einen Apfel. Komm und schneide ihn mal auf“, sagte ich. Er zögerte noch etwas und schnitt dann den Apfel beherzt durch. „Falsch“, sagt ich sofort, als er die zwei Hälften in der Hand hielt. „So schneidet ja jeder einen Apfel auf, kann man das nicht auch anders machen?“ Jetzt sah ich in viele fragende Gesichter. Jeder weiß doch, wie man einen Apfel aufschneidet, was sollte man daran „anders“ machen können? „Schneide den Apfel nicht von oben nach unten, sondern horizontal, quer durch die Mitte, auf.“ Ich drückte ihm einen zweiten Apfel in die Hand. Er setze das Messer an und schnitt jetzt genau quer durch die Mitte. „Und jetzt schau dir mal das Kerngehäuse an“, sagte ich ihm, „wie sieht es für dich aus?“ „Wie ein Stern, cool!“

Wenn man einen Apfel anders, eben quer durchschneidet, entdeckt man, wie wunderschön das Kerngehäuse aussehen kann: wie ein Stern, mitten im Apfel.

Wir Menschen sehen meist nur das Äußere eines anderen, aber Gott sieht das Herz an. So steht jedenfalls in der Bibel. Wir Menschen sehen schnell, was uns stört, das nennen wir dann verächtlich: „Apfelkrotzen“. Dabei übersehen wir, dass im Kerngehäuse die geballte Lebensenergie der Frucht steckt. Das Wesentliche des Apfels ist sein Kerngehäuse. Gott sieht also nicht nur den wunderschönen Stern in unserer Mitte, er sieht das Wesentliche: Er sieht, was uns wertvoll macht, unsere Bestimmung – die wir leider oft übersehen.

Den Schülern und Schülerinnen habe ich zum Schluss noch eine Erfahrung von mir mitgegeben: Wenn ich einen anderen gar nicht ausstehen kann, dann frage ich mich: was ist sein besonderer Kern? Was sieht Gott wohl in diesem Menschen? Was ist sein Wesentliches? Was macht diesen Menschen besonders und wertvoll?

Das ist nicht immer leicht, aber schon oft habe ich dann etwas an diesem Menschen entdeckt, was sogar ich besonders fand.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22557
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SWR Kultur Wort zum Tag

„Eva, laß den Apfel hängen", so lautet ein Buchtitel. Er spielt an auf die Geschichte vom Anfang der Bibel, als Adam und Eva im Paradies die Frucht vom verbotenen Baum der Erkenntnis pflücken. "Ihr werdet sein wie Gott", hatte ihnen die Schlange versprochen. Und genau das hat offenbar die ersten Menschen gereizt. Haben, was ich nicht habe. Sein, was ich nicht bin. Die ersten Menschen waren neidisch auf Gott. Neid ist offenbar eine der ältesten Triebkräfte des Menschen.
Genieße, was dir Gott beschieden. Entbehre gern, was du nicht hast. Ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand auch seine Last. Dieser Spruch steht in meinem Poesiealbum aus der Schulzeit. Entbehre gern, was du nicht hast. Das ist die Gegenposition zum Neid. Ist sie besser, christlicher? Steht sie moralisch höher?Die Bibel wertet es als Sündenfall, dass Eva die Frucht pflückt und dass sie und Adam davon essen. Aber ist es wirklich nur verwerflich, dass dieser Baum der Erkenntnis sie besonders anzieht? Daß sie gut und böse erkennen wollen? Und vor allem, dass sie ihr Bild von sich an Gott, ihrem Schöpfer, orientiert haben? Wir Menschen vergleichen uns, miteinander und auch mit Gott - das gehört offenbar zu uns. Und dieses Vergleichen kann zerstören oder beflügeln. Auch davon erzählt ja die Bibel. Sie erzählt, wie Kain seinen Bruder Abel tötet, weil er neidisch ist auf ihn. Und sie erzählt, wie die Menschen, einmal aus dem Paradies vertrieben, die Erde bebauen und gestalten und wie sie Gemeinschaften aufbauen, sich Ordnungen geben, wie sie schöpferisch sind in vielfacher Hinsicht. Vergleichen, konkurrieren - es hilft nichts, wenn wir diese Anwandlungen verteufeln, unterdrücken oder gar nicht wahrhaben wollen. Besser ist, ihnen ins Auge zu sehen, sie zu begrenzen, bevor sie mich und andere zerstören. Und ihre Kraft zu nutzen, die häufig in ihnen liegt. Wir Menschen können nicht sein wie Gott. Aber wir sind geschaffen nach seinem Ebenbild. Eva hat den Apfel gepflückt. Seitdem ist das unsere Situation: Uns begrenzen als Menschen und über uns hinausstreben zu Gott.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07FEB2022
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In meinem Garten stehen alte Apfelbäume. Sie sind wohl in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gepflanzt worden. Der Gärtner, der sie schneidet, sagt: „Nun ist es Zeit, sie in Würde sterben zu lassen.“ Aber es tut mir weh, wenn ich mir vorstelle, dass sie herausgerissen werden müssen. Nicht immer, aber in manchen Jahren tragen sie so viel Frucht, dass ich davon ein ganzes Jahr Saft zu trinken habe. Die Bäume haben eine bewegte Form, sind verzweigt und an manchen Stellen sind sie verknöchert, weil die Jahre ihnen zugesetzt haben und sie nicht immer pfleglich behandelt wurden.

Ich entdecke erstaunliche Parallelen zu mir. Schon deshalb, weil meine Ursprünge auch in den sechziger Jahren liegen. Inzwischen bin ich ein Mensch, der Narben mit sich herumträgt und dem man sein Alter ansieht. Ich habe schon so manches gesehen und erlebt. Ich bin verwurzelt an dem Ort, wo ich lebe und in meinem Beruf als Pfarrer und hier im Radio. Und, ja, manchmal frage ich mich, wie viele Jahre mir noch bleiben. Hoffentlich noch viele. Aber wenn es ans Sterben geht, dann bitte in Würde.

Bis zum Herbst muss ich mich entscheiden, was mit meinen Apfelbäumen geschieht. Sie könnten schon noch ein paar Jahre stehen bleiben. Aber wenn ich grundsätzlich daran denke, neue zu pflanzen, und ich noch erleben will, dass die neuen Früchte tragen, dann darf ich nicht zu lange warten. Ich muss auf den richtigen Zeitpunkt achten. Und auch da bin ich wieder bei mir selbst. Denn der Moment, an dem an meiner Stelle ein anderer sein wird, der kommt unweigerlich. Ich bin zu ersetzen wie jeder Mensch. Ein anderer wird meine Aufgaben übernehmen. Ich bin nur einer von so vielen. Es ist klug, sich darauf vorzubereiten und rechtzeitig zu überlegen, wie es weitergeht, wenn ich weg sein werde. Den Boden zu bereiten für Neues.

Bäume und Menschen haben viele Gemeinsamkeiten. Sie sind groß und nicht zu übersehen, Riesen unter den Geschöpfen. Aber auch deren Zeit kommt. Keiner sollte sich zu wichtig nehmen, für unersetzbar halten. Aber solange er da ist, das Beste aus seinem Leben machen.

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SWR3 Gedanken

17NOV2020
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Zum ersten Mal bin ich bei meiner Freundin Lisa Zuhause und lerne ihren Vater kennen. Er ist Anfang 80 und hält sich mühsam aufrecht, als wir uns begrüßen. Gleichzeitig merke ich, wie sehr er sich freut, dass ihn seine Tochter mit einer Freundin besucht. Aus der Küche kommt der Duft von frischgebackenem Apfelkuchen.

Er stellt sich mit seinem Namen vor und sagt dann erklärend dazu „ich bin Lisas Mutter.“ Sofort bemerkt er seinen Versprecher und korrigiert sich: „Nein, ihr Vater natürlich. Sie wissen sicher, dass Lisas Mutter schon vor 15 Jahren gestorben ist. Ich habe eben daran gedacht, dass sie sich auch über den Besuch gefreut hätte. Entschuldigen Sie.“

Es wird ein sehr netter Nachmittag. Lisas Vater ist ein aufmerksamer Zuhörer, wunderbarer Gastgeber und erzählt die lustigsten Anekdoten. Als ich wieder Zuhause bin, denke ich nochmal an seinen Versprecher: „Ich bin Lisas Mutter“. So wie er mit Lisa umgeht, würde das auch passen.

Irgendwie entspricht das auch meinen Vorstellungen von Gott. Ich bin das Vater-Mutter, männlich-weiblich Gezerre um Gott so leid. Wäre doch schön, wenn Gott als Vater gleichzeitig Mutter ist.

Bei diesem Gedanken habe ich den Duft des frischgebackenen Apfelkuchens bei Lisas Vater in der Nase. Ich stelle mir vor, wie Gott mir in Gestalt von Lisas Vater den Kuchen auftischt und sagt:
„Ich bin Deine Mutter.“ So bin ich gerne Gottes Kind.

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