SWR2 Wort zum Tag

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„Eva, laß den Apfel hängen", so lautet ein Buchtitel. Er spielt an auf die Geschichte vom Anfang der Bibel, als Adam und Eva im Paradies die Frucht vom verbotenen Baum der Erkenntnis pflücken. "Ihr werdet sein wie Gott", hatte ihnen die Schlange versprochen. Und genau das hat offenbar die ersten Menschen gereizt. Haben, was ich nicht habe. Sein, was ich nicht bin. Die ersten Menschen waren neidisch auf Gott. Neid ist offenbar eine der ältesten Triebkräfte des Menschen.
Genieße, was dir Gott beschieden. Entbehre gern, was du nicht hast. Ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand auch seine Last. Dieser Spruch steht in meinem Poesiealbum aus der Schulzeit. Entbehre gern, was du nicht hast. Das ist die Gegenposition zum Neid. Ist sie besser, christlicher? Steht sie moralisch höher?Die Bibel wertet es als Sündenfall, dass Eva die Frucht pflückt und dass sie und Adam davon essen. Aber ist es wirklich nur verwerflich, dass dieser Baum der Erkenntnis sie besonders anzieht? Daß sie gut und böse erkennen wollen? Und vor allem, dass sie ihr Bild von sich an Gott, ihrem Schöpfer, orientiert haben? Wir Menschen vergleichen uns, miteinander und auch mit Gott - das gehört offenbar zu uns. Und dieses Vergleichen kann zerstören oder beflügeln. Auch davon erzählt ja die Bibel. Sie erzählt, wie Kain seinen Bruder Abel tötet, weil er neidisch ist auf ihn. Und sie erzählt, wie die Menschen, einmal aus dem Paradies vertrieben, die Erde bebauen und gestalten und wie sie Gemeinschaften aufbauen, sich Ordnungen geben, wie sie schöpferisch sind in vielfacher Hinsicht. Vergleichen, konkurrieren - es hilft nichts, wenn wir diese Anwandlungen verteufeln, unterdrücken oder gar nicht wahrhaben wollen. Besser ist, ihnen ins Auge zu sehen, sie zu begrenzen, bevor sie mich und andere zerstören. Und ihre Kraft zu nutzen, die häufig in ihnen liegt. Wir Menschen können nicht sein wie Gott. Aber wir sind geschaffen nach seinem Ebenbild. Eva hat den Apfel gepflückt. Seitdem ist das unsere Situation: Uns begrenzen als Menschen und über uns hinausstreben zu Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11968
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