Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Abendgedanken BW

Kann man eigentlich 'Glück' dosieren und planen?
Eine alte Freundschaft, bis heute gepflegt. Als junge Studenten haben wir uns die Köpfe "heißgeredet" über unsere verschiedenen "Lebensentwürfe".
Mein Freund war immer eher einer der Gemäßigten: Theologisch, im Politischen, im Privaten: Wer mit klarer Überlegung und möglichst leidenschaftslos an Probleme herangeht, dem bleiben dann auch schlimme Enttäuschungen erspart, fand er damals.
Mir war das nicht aufregend genug. Ha! konnte ich damals sagen: Lebe ohne Leidenschaft, vermeide was dir Leiden schafft; Verlangst du nicht nach Morgenrot, bist du schon vor dem Tode tot.
Mit den Jahren hat er dann immer einmal zu mir sagen müssen: Schau, wie glühend du das angegangen bist und wie du dir jetzt die Finger verbrannt hast. Mit deinen hohen Ansprüchen ans Leben bist du ganz schön abgestürzt.
Wenn wir uns heute treffen, sind wir milde gestimmt: Wir lassen einander gelten. Er hat beruflich und privat alles soweit geregelt und alles geht so seinen Gang.
Und er hilft mir, meinen Weg zu verstehen: "Schau, das hat zu dir (und nur zu dir) gepasst: Wie du beruflich ganz unten warst, Bewerbungen geplatzt sind und du dir nichts mehr zugetraut hast. Genau da hat man dir diese Stelle angetragen. Und jetzt bist du da so glücklich und findest, genau da bist du jetzt richtig. Mensch, du kannst manchmal so ausgelassen glücklich sein, da beneide ich dich richtig drum."
Das stimmt, denke ich, wenn ich nicht mehr ein noch aus weiß, ich sag' mal: wenn ich eigentlich "nur noch auf Gott hoffen kann", dann hab' ich bisher erlebt: dann hilft er mir auch. Und dann kann ich auch wieder glücklich sein.
Einen Psalm habe ich dazu gefunden, der genau das ausdrückt:
"Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der HERR hat Großes an ihnen getan! Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. Ps 126
Ich finde: Der Jubel, der einem aus diesem kurzen Lied entgegenklingt, ist einfach mitreissend. Da erfahren Menschen Gottes Hilfe, ohne eigenes Verdienst, unerwartet, unerhofft vielleicht. Das ist wohl so ein großes Glücksgefühl und solchen Jubel wirklich wert.
Mein Freund behält sein Geschick gerne in eigenen Händen. Und er sagt trotzdem: "Aber das reicht nicht, um Leben sinnvoll und glücklich zu machen. Das habe ich bei dir erlebt, beneide dich weiß Gott nicht darum, aber: Wo man mal abgestürzt ist, da kann auch Glück über Gottes wunder - volle Hilfe aufbrechen und Jubel darüber laut werden."
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2060
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Man muss eigentlich mit dem Älterwerden nicht zwangsläufig starr und unbeweglich werden, auch im Kopf und Herzen nicht. Man kann eine Menge tun um beweglich zu bleiben. Beim Bau von "seniorengerechten" Wohnungen wird deshalb zum Beispiel genau darauf geachtet: Dass man sich begegnet, sich vielleicht sogar mit verschiedenen Vorstellungen aneinander reibt, sich auseinandersetzen muss, um gemeinsame Lösungen zu finden.
Das ist sicher nicht immer bequem: Freunde erzählen von einem Nachbarn, der sei so ein richtiges Ekel. Alles störe ihn, jedes versehentliche Haustürschlagen, jedes laute Lachen der Enkelkinder. Kein Wunder, dass man jede Begegnung mit dem möglichst vermeidet, wenn er doch nur rumbruddelt.
Bequemer war es in der Wohnanlage, in der ich ein paar Jahre lang gelebt habe. Kurze Wege zum Müllschlucker; die Kehrwoche, Rasenmähen erledigte der Hausmeister; mit dem Auto fuhr ich von der Arbeit direkt in die Tiefgarage, mit dem Aufzug zur Wohnung, ohne jemandem zu begegnen, wenn ich das nicht wollte. Ärgerte sich einer über einen anderen, beschwerte er sich bei der Hausverwaltung, die das dann zu regeln hatte. Begegnung (natürlich auch unangenehme, konfliktträchtige) wurde so vermieden.
Aber, scheint mir: wer Begegnung vermeidet, wird eher starr und unbeweglich und fällt aus der Gemeinschaft heraus. Dagegen macht es lebendig, wenn man miteinander lebt. Das beschreibt schon der Kirchenvater Augustin: "Miteinander reden und lachen, sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen, zusammen schöne Bücher lesen, sich necken, dabei aber auch einander Achtung erweisen; mitunter sich auch streiten ohne Hass, so wie man es wohl einmal mit sich selbst tut; manchmal auch in den Meinungen auseinander gehen und damit die Eintracht würzen. Einander belehren und voneinander lernen. ... Sich äußern in Miene, Wort und tausend freundlichen Gesten und wie Zündstoff den Geist in Gemeinsamkeit entflammen, so dass aus den Vielen eine Einheit wird".
Natürlich zeichnet dieses Bild des Augustin mit weichen Farben und vielleicht ist in manchem der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Wirklichkeit ist nicht immer so schön. Ich will's aber doch ernst nehmen: Anderen zu begegnen, hält beweglich. Sich wirklich auf andere einzulassen, kann mich vor dem Starrwerden schützen. Wenn seniorengerechte Wohnungen das ermöglichen, ist das sicher gut und sinnvoll. Wenn ich mit dem Älterwerden lerne, unterschiedliche Meinungen gelten zu lassen, dann bleibe ich lebendig. Unterschiede können einen bereichern und halten beweglich.
'Gemeinschaft' gibt es nur, wenn man sich begegnet. Zur Begegnung gehört auch der Konflikt. Aber diesen Preis scheint mir Begegnung wert zu sein. Denn ich will ja kein "unbeweglicher Alter" werden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2059
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Was macht eigentlich 'Größe' aus, was ist 'Stärke'? Dass man sich immer durchsetzt? Dass man andere kleinmacht? Man könnte das meinen, wenn man sich in der Welt umschaut, aber ich glaube das immer weniger.
Triumphierend höre ich einen sagen, der aus der Versammlung rauskommt: "So, die habe ich jetzt aber mal zurechtgestutzt!" und dann, protzend Zeigefinger und Daumen ausgestreckt: "So groß waren die, mit Hut!"
Drinnen im Raum treffe ich dann auf Leute, die betreten schweigen. Die sind gerade "rundgemacht" worden. Einer hat sich - scheinbar - über sie erhoben und die anderen klein gemacht. Einmal hat jemand in einer solchen Auseinandersetzung dagegen gehalten: "Glaub' doch nicht, dass du auch nur einen Millimeter größer wirst, wenn du mich klein zu machen versuchst!" Der hat sich wenigstens gewehrt.
Ich jedenfalls bin gar nicht selbst betroffen, aber trotzdem kann ich die Lähmung im Raum noch spüren.
Jesus traf einmal seine Jünger nach so einer Streiterei wieder. Er muss genauso eine 'lähmende Atmosphäre' gespürt haben, denn er fragte sie: "Worüber habt iht denn unterwegs gestritten?" - "Sie schwiegen, denn sie hatten darüber gestritten, wer von ihnen wohl der Größte sei."
Jesus setzte sich mit ihnen zusammen und sagte: "Wer der Erste sein will, der soll der Letzte sein und den anderen dienen." (Mk. 9, 33ff)
Jesus ändert den Blickwinkel: 'Stark' ist einer, der andere nicht abwertet und 'groß', wer mit seinen Fähigkeiten andere stärkt und unterstützt - " Wer der Erste sein will, der soll der Letzte sein und den anderen dienen".
Wenn ich dem Wort Jesu traue, dann wäre 'Stärke beweisen' für mich als Christ nicht, dass ich mich selbst auf Kosten anderer "besser rede". Dann werde ich anderen mit einer Atmosphäre dienen, in der jede und jeder eigene Stärken entdecken und entwickeln kann und Fehler erkennen und korrigieren. Wenn ich eine Gabe habe, etwas gut kann - vielleicht besser als mancher andere - dann setze ich es ein - für die anderen und für die gemeinsame Sache ...
Damit wird das Miteinander lebendig und wahrscheinlich kommt jeder weiter als er es allein könnte. Ich wünsche Ihnen den Mut zu solcher 'Größe'!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2058
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Manchmal macht man sich selbst das Leben schwer mit dem eigenen Pflichtbewusstsein. Freilich, ohne Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit wäre eine "Veranstaltung" wie unsere Wirtschaft und Arbeitswelt, überhaupt ein Zusammenleben, gar nicht möglich. Wo Pflicht und Pünktlichkeit Leben erleichtern, sind sie gut.
Aber es kann auch anders sein. Sogar Jesus hat das erlebt.
An einem Sabbat hatten seine Jünger unterwegs ein paar Kornähren abgerissen, um die Körner zu kauen. Einigen Obergenauen ging das gegen den Strich und sie warfen ihnen vor: "Sie arbeiten am Sabbat und das ist nach dem biblischen Gesetz verboten." - Jesus antwortet ihnen, vielleicht mit Schalk im Blick: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, nicht der Mensch um des Sabbats willen!" Sollte wohl heißen: Unsere Gesetze, unsere Regeln sollen Zusammenleben ermöglichen, womöglich erleichtern. Dafür sind sie gemacht. Und nicht dafür, dass Menschen in Regeln und Gesetze gepresst werden; auch nicht durch übereifriges Pflichtbewusstsein ...
In Afrika habe ich mal eine ähnliche Geschichte erlebt. Dort war ich als Pfarrer unterwegs, um mit Arbeitern in Fabriken Gottesdienste zu feiern und mit ihnen zu reden..
Eines Morgens war ich bei strömendem Regen (und wer die Tropen kennt, weiß, was ein echter Regenguss ist) früh um 6 Uhr mit dem Motorrad in den Fabrikhof einer Firma eingefahren, in dem mich sonst immer ca. 150 Arbeiterinnen und Arbeiter erwarteten.
Diesmal war der Hof leer - bis auf einen einzigen Mann, der frierend unter einem Wellblechdach hockte. Noch triefend ging ich zu ihm und fragte: "Wo sind denn heute deine Kollegen alle?" - "Ja, die können doch nicht kommen, es regnet doch!"
"Aber du und ich, wir sind doch auch da?!"
Er strahlt mich an und sagt: "Warum du trotz des Regens gekommen bist, weiß ich auch nicht. Ich bin hier, weil ich der Nachtwächter bin. Und ich kann ja nicht heim: Es regnet doch!"
Fast im Wortsinn "wie ein begossener Pudel" bin ich damals dagestanden. Meinem Gegenüber war völlig unverständlich, warum ich "das Natürlichste" nicht getan habe: Nämlich zu Hause zu bleiben.
Die Woche darauf waren alle wieder da - es regnete ja nicht - und ich erzählte, vielleicht sogar ein wenig stolz, dass man in Deutschland auch bei Eis und Schnee pünktlich zur Arbeit zu erscheinen hatte.
Kopfschütteln bei einigen: "Diese Weißen ..." und eine sprach mich an: "Dann stellt ihr also Pünktlichsein und einem Zeitplan gehorchen höher als die eigene Gesundheit?"
Dieses Erlebnis aus Afrika erinnert mich immer wieder: Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit sind gut, wenn sie das Leben ordnen und leichter machen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1456
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Manchmal macht man sich selbst das Leben schwer mit dem eigenen Pflichtbewusstsein. Freilich, ohne Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit wäre eine "Veranstaltung" wie unsere Wirtschaft und Arbeitswelt, überhaupt ein Zusammenleben, gar nicht möglich. Wo Pflicht und Pünktlichkeit Leben erleichtern, sind sie gut.
Aber es kann auch anders sein. Sogar Jesus hat das erlebt.
An einem Sabbat hatten seine Jünger unterwegs ein paar Kornähren abgerissen, um die Körner zu kauen. Einigen Obergenauen ging das gegen den Strich und sie warfen ihnen vor: "Sie arbeiten am Sabbat und das ist nach dem biblischen Gesetz verboten." - Jesus antwortet ihnen, vielleicht mit Schalk im Blick: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, nicht der Mensch um des Sabbats willen!" Sollte wohl heißen: Unsere Gesetze, unsere Regeln sollen Zusammenleben ermöglichen, womöglich erleichtern. Dafür sind sie gemacht. Und nicht dafür, dass Menschen in Regeln und Gesetze gepresst werden; auch nicht durch übereifriges Pflichtbewusstsein ...
In Afrika habe ich mal eine ähnliche Geschichte erlebt. Dort war ich als Pfarrer unterwegs, um mit Arbeitern in Fabriken Gottesdienste zu feiern und mit ihnen zu reden..
Eines Morgens war ich bei strömendem Regen (und wer die Tropen kennt, weiß, was ein echter Regenguss ist) früh um 6 Uhr mit dem Motorrad in den Fabrikhof einer Firma eingefahren, in dem mich sonst immer ca. 150 Arbeiterinnen und Arbeiter erwarteten.
Diesmal war der Hof leer - bis auf einen einzigen Mann, der frierend unter einem Wellblechdach hockte. Noch triefend ging ich zu ihm und fragte: "Wo sind denn heute deine Kollegen alle?" - "Ja, die können doch nicht kommen, es regnet doch!"
"Aber du und ich, wir sind doch auch da?!"
Er strahlt mich an und sagt: "Warum du trotz des Regens gekommen bist, weiß ich auch nicht. Ich bin hier, weil ich der Nachtwächter bin. Und ich kann ja nicht heim: Es regnet doch!"
Fast im Wortsinn "wie ein begossener Pudel" bin ich damals dagestanden. Meinem Gegenüber war völlig unverständlich, warum ich "das Natürlichste" nicht getan habe: Nämlich zu Hause zu bleiben.
Die Woche darauf waren alle wieder da - es regnete ja nicht - und ich erzählte, vielleicht sogar ein wenig stolz, dass man in Deutschland auch bei Eis und Schnee pünktlich zur Arbeit zu erscheinen hatte.
Kopfschütteln bei einigen: "Diese Weißen ..." und eine sprach mich an: "Dann stellt ihr also Pünktlichsein und einem Zeitplan gehorchen höher als die eigene Gesundheit?"
Dieses Erlebnis aus Afrika erinnert mich immer wieder: Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit sind gut, wenn sie das Leben ordnen und leichter machen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1455
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

"Leben wäre eine schöne Alternative!"
Gesprüht auf einen grauen Brückenpfeiler springt mir dieser Spruch im Vorbeifahren ins Auge.
Warum hakt sich dieser Spruch in mir fest? Ich fühle mich fast davon angegriffen: in meinem Leben, meinem Lebens- und Arbeitsstil.
Was bedeutet dem Sprüher wohl "Leben", wenn er meint, "wirklich leben" sei etwas ganz anderes als das, was wir tun, was ich tue?
Ich ärgere mich: Was soll das? Lebe ich denn nicht?
Freilich, oft werde ich gelebt, der Terminkalender, Vorgesetzte, mein Pflichtgefühl, die Erwartungen anderer geben mir meinen Lebensrhythmus vor. Oft haste ich Terminen hinterher, komme nicht zur Ruhe, mache mir selbst Druck. Lässt dann der Druck nach, bin ich eher erschöpft, kann freie Zeit nicht genießen, sondern fühle mich ausgebrannt. Eigentlich ist das doch kein Leben, denke ich dann. Eigentlich hätte ich es gern anders.
Dann eilen meine Gedanken voraus: "Aber im Urlaub, da werde ich mir die Zeit gönnen, da will ich mich dann erholen ..." und schon macht mir weder der Feierabend noch meine Arbeit, die ich doch "eigentlich" gern tue, Freude. Plötzlich liegt die Zeit von heute bis zum Urlaub nur noch als Hindernis vor mir. Das eigentliche Leben ist ganz weit weg in der Zukunft.
Alles, was heute und morgen ist, Arbeit und freie Stunden, zögert auf einmal den erwarteten Urlaub hinaus.
Wie "vertane" Zeit kommt mir das, was grade jetzt ist, vor und ich verschiebe "richtiges Leben" auf später.
"Leben wäre eine schöne Alternative", der Sprayer hat recht: Richtig "gelebt" wird nicht in der Zukunft - im Urlaub, am Wochenende, "wenn ich diesen Auftrag hinter mich gebracht habe", im Ruhestand, am "Sankt Nimmerleinstag", sondern jetzt, heute.
Und wie kann man das hinkriegen?
Manchmal geht das so, dass ich schon im Terminkalender eine Pufferzeit eintrage - und die dann auch einhalte. Ein andermal, wenn es denn möglich ist, gehe ich zu Fuß zum nächsten Ort und Termin. Und ich erlebe, dass das jetzt nicht nur "Arbeit" ist, sondern wirklich Leben: interessant, anregend, erfreulich und manchmal sogar entspannend.
"Meine Zeit steht in deinen Händen", sagt der Psalmbeter und ich möchte diese Zeit achten, indem ich sie bewusst heute und jetzt lebe ….
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1454
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Das sollten wir öfter machen! meinte einer. Nach dem Aufräumen vom Gemeindefest hatten einige Helfer sich noch mit ein paar Bänken in die Abendsonne gesetzt.
"Früher", erzählt einer der Älteren, "in meiner Kindheit, da saßen die Erwachsenen im Sommer oft bei uns zu Hause auf der Treppe und auf der Bank daneben. Wir Kinder spielten davor auf der Straße. Manchmal brachte einer einen Krug Most, eine andere ein paar Scheiben Brot; von der frisch eingekochten Beerenmarmelade gab's für jeden ein 'Versucherle'. Das wichtigste aber war Zusammensein und miteinander reden."
Eine Weile denken wir daran herum, woran es liegen könnte, dass es das heute fast gar nicht mehr gibt: Zwangloses Zusammensitzen und nachbarliches Gespräch. "Es gibt heute viel weniger Gelegenheiten, sich zu begegnen," meint einer. "Vor 40/ 50 Jahren ist man sich in den vielen kleinen Geschäften eines Viertels begegnet. Die Milch hat man im Milchlädchen geholt oder auf einem Bauernhof im Ort. Eine Zeitschrift hat man am Kiosk gekauft und die Briefmarke im Postamt um die Ecke. Überhaupt hat man Besorgungen zu Fuß gemacht."
Natürlich wird uns klar, dass wir ein Idyll erinnern, das es so auch nie gab. Und doch: Die Sehnsucht nach solcher Gemeinschaft ist uns geblieben!
Aber tatsächlich finden wir jetzt auch wieder Möglichkeiten wie "in guten alten Zeiten", ins Gespräch zu kommen, erzählt dann einer: "Im Nachbarort haben sich ganz viele Leute zusammengetan zu einer Art Genossenschaft, um das letzte Einzelhandelsgeschäft weiterhin offen zuhalten. Die stecken da richtig Geld rein für Geschäftsanteile und Zeit, in der sie ehrenamtlich im Lädle schaffen. Und siehe da, Leute reden miteinander: Beim Einkaufen, aber auch, um die Kooperative am Laufen zu halten ..."
Vom Anfang der Kirche wird übrigens ähnliches erzählt (Apg 2, 42-47): "Sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk."
Gemeinsam leben und miteinander reden tut gut. Gut, dass uns die Sehnsucht danach geblieben ist. Wir sollten auf sie hören: Uns füreinander zu öffnen, mal auch von Sorgen zu erzählen, die man hat oder aneinander Anteil zu nehmen. Es muss ja nicht gleich "täglich einmütig beieinander" sein, aber wir schieben bald mal wieder ein paar Bänke zusammen:
Das ist schon ein Anfang ...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1453
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Zeit, zu mir zu kommen
Ein in Meditation erfahrener Mann wurde gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so gesammelt sein könne. Dieser sagte:
Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich sitze, dann sitze ich . . .
Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: Das tun wir auch, aber was machst du noch darüber hinaus?
Er wiederholte: Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich sitze, dann sitze ich . . .
Wieder sagten die Leute: Das tun wir doch auch.
Er aber sagte zu ihnen: Nein, wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon; wenn ihr steht, dann lauft ihr schon; wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel . . .
Ein wenig fühle ich mich ertappt: Da will ich Ihnen und mir ans Herz legen, wie es gelingen kann, zu sich zu kommen. Und dann führt mich mein eigener Lebens- und Arbeitsstil eher von mir weg: Gedanklich bin ich oft schon dem voraus, was ich gerade tue.
Natürlich gehört das zum Erwachsenenleben dazu: dass ich vorausschaue und -plane, nächste Schritte eines Ablaufs schon jetzt im Kopf habe. Ich könnte nicht Autofahren ohne diese Fähigkeit. Da muss ich vorwegdenken, was sich in den nächsten Sekunden entwickeln könnte aus dem, was ich im Augenblick wahrnehme.
Das ist sicher das eine: Vorauszudenken, um reagieren zu können; planen und vorzubereiten, was als nächstes und übernächstes dran sein soll und gewiß ist der Straßenverkehr nicht der richtige Ort, um innezuhalten und zu mir zu finden, aber der Stachel sitzt: "... wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon; wenn ihr steht, dann lauft ihr schon; wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel ..."
"Sorgt euch nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage." (Mt. 6,34). Jetzt, am Beginn der Fastenzeit, höre ich das Wort Jesu in der Bergpredigt so: Sei nicht immer schon dem 'jetzt' voraus, sei achtsam mit diesem Augenblick, mit dem, was du gerade tust. Du übersiehst die Möglichkeiten der Gegenwart, wenn Du immerzu nur für die Zukunft planst. Die Gegenwart ist mehr als eine Vorbereitung der Zukunft.
Was morgen, was in Zukunft sein wird, weiß ich nicht, kann ich nicht wissen. Ob es mich unsicher macht oder hoffnungsvoll: Ich bin dann meiner Gegenwart voraus und verpasse das Leben in der Gegenwart. Das wäre doch schade ...?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=806
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Einige Leute machen zwischen Fasnet und Ostern "Pause" von mehr oder weniger "schlechten Angewohnheiten". Sie Fasten. Sie wollen damit z.B. zu sich selbst finden, sich selber wieder besser spüren.
Seit Jahrhunderten gibt es Zeiten des Fastens aus religiösen Gründen. Menschen sollen sich daran erinnern, dass wir von Gott beschenkt werden und von seiner Liebe leben.
Letzte Woche hat mit dem Aschermittwoch diese Fastenzeit begonnen, die erst am Ostersonntag mit der Feier der Auferstehung endet. Die Woche davor, die Passionswoche, gilt als der Höhepunkt dieser Fastenzeit. Heute genau in fünf Wochen am Gründonnerstag aber, da isst man im Schwabenland traditionell: ... Maultaschen.
Vermutlich kennen Sie die Geschichte auch, warum wir Schwaben angeblich die Maultasche erfunden haben: Eigentlich darf ja nach strenger Lehre in der Fastenzeit kein Fleisch gegessen werden. Aber das "Verbotene" übt offensichtlich besonderen Reiz aus.
Damit nun Gott nicht sehen sollte, dass da Fleisch gegessen wird, ist die Füllung ringsum von Nudelteig umgeben. Falls aber Gott einmal genau hinschauen sollte und das Innere einer Maultasche sehen könnte, ist die Fleischfüllung mit Spinat und Kräutern grün gefärbt. Ich muss immer schmunzeln bei dieser Anekdote, wie schlitzohrig man meinte, Gott hinter´s Licht führen zu können.
So haben Menschen die Fastenzeit missverstanden: Als ein Opfer, das ich bringe, um Gott versöhnlich zu stimmen; als einen "Handel" mit Gott. ... Und wo um etwas "gehandelt" wird, gehört das "Beschummeln" des Handelspartners schon fast dazu.
Offensichtlich halte ich ganz schwer nur aus, von Gott mit seiner Liebe beschenkt zu werden ohne "Gegenleistung". "I zahl' mei Sach', na brauch i net 'Danke' saga", ist so ein Spruch, der in Schwaben dazu passt. "Alles hat seinen Preis", "es gibt nichts umsonst", das sind Sätze, die sich tief in mir festgesetzt haben. Die entsprechen dem, was ich im Leben von "Handelsbeziehungen" täglich erfahre. "Wenn du brav bist, kaufe ich dir ein Eis!", sage ich vielleicht zu meinen Enkelkindern und beim Kauf eines Geburtstagsgeschenks kommt mir schon mal der Gedanke, wieviel der andere wohl für mich ausgegeben hat.
Jetzt, in der Fastenzeit, verzichte ich auf manche liebgewordene Gewohnheit. Ob ich dem Geheimnis näher komme, dass Gott mich beschenkt, mit Leben, mit Gesundheit, ohne die Frage: "Was krieg' ich dafür"?
Dann kann ich mir vorstellen, dass er wie ein gütiger Vater mit mir über die Geschichte von den Maultaschen schmunzelt ...: "Oh ihr Schwaben ...!"
https://www.kirche-im-swr.de/?m=805
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken BW

Wer nimmt mich in meinem Tun eigentlich wahr, wo kriege ich Anerkennung für das, was ich bin und tue? Und wie gehe ich selbst mit mir um, gönne ich mir selber die Anerkennung für mein Tun - und das Sein-lassen?
Ein scheußlich hektischer Tag liegt hinter einem: Die Aufgaben wuchsen ihm fast über den Kopf, er sollte zwei Dinge gleichzeitig tun oder möglichst schon ... gestern erledigt haben. Dazu klingelte scheinbar ununterbrochen das Telefon. "Bestimmt vergesse ich was Wichtiges und bestimmt auch mich!", schießt ihm durch den Kopf.
Oder, anderes Beispiel, es waren heute wieder die ewig gleichen Handgriffe: Die Teile aus einer Box sind verarbeitet und die fertigen Produkte sitzen - Ergebnis ihrer Arbeit - schön aufgeschichtet auf der Palette. Aber bevor sie auch nur die Hände mit einem befreiten Seufzen in den Schoß legen kann, rollt schon die nächste mit neuen Teilen gefüllte Box an ihren Arbeitsplatz.
Oder - noch ein Beispiel - Grade war ein ganzer Berg Wäsche gewaschen, zum Trocknen aufgehängt und gebügelt; doch bevor sie sich recht am Duft frischgebügelter Wäsche und ihrer schön gestapelten Ordnung freuen kann, geht die Alltagsroutine wieder von vorne los. ...
Und ich selber? Ein Freund fragt mich, wie mir's denn ginge. Ich antworte, dass ich oft gar nicht mehr richtig zu mir käme vor lauter Arbeit. Und heimlich bin ich fast ein bisschen stolz darauf, so "wichtig" zu sein. Er meint dann, seine Arbeit ließe ihm eigentlich ziemlich viel Zeit für sich. Das macht mich ein wenig neidisch und zugleich denke ich, dass er seine Pflichten wohl doch etwas zu lässig nimmt. ...
Weil ich ständig darauf angewiesen bin, dass andere mich für meine Leistung anerkennen, deshalb komme ich nicht raus aus dem Stress. Dabei ginge es auch anders.
Ein Psalmwort hat mich drauf gebracht: (Ps 127, V2) Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt´s der Herr im Schlaf.
Ich müsste mir also meine Anerkennung, meine Daseinsberechtigung nicht verdienen wie meinen Lebensunterhalt? Ohne mein Zutun - eben 'im Schlaf' - bin ich wer, ja und nicht irgendwer, sondern Gottes 'Freund'.
Natürlich meint dieses Wort nicht, dass sich meine Arbeit über Nacht wie von selbst erledigt. Aber Unerledigtes kann dann eben auch einmal liegen bleiben, bevor ich selbst 'erledigt' bin. Und ich wäre den Zwang los, mich vor anderen dauernd mit meiner Leistung darzustellen. Mein Hunger nach Anerkennung wäre schon gestillt: Bei Gott gelte ich als 'Freund' ...
https://www.kirche-im-swr.de/?m=804
weiterlesen...