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Ein Frohes, Neues Jahr! Das sagt sich so leicht. Und mir fallen viele Gründe ein, gar nicht froh ins Neue Jahr zu blicken... Ich möchte aber zuversichtlich bleiben. Und dafür habe ich die perfekten Trainer gefunden, nämlich die Kinder. Denn Kinder sind die Lehrmeister des Augenblicks; und eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration.
Vor ein paar Tagen habe ich mit meinem kleinen Enkel ein Bilderbuch angeschaut. Auf einem der Bilder entdecke ich im Hintergrund einen Luftballon, der in der Ferne davonschwebt. Und gleich daneben ist der Mond als eine dünne, silberne Sichel an den Himmel gemalt.
„Sieh mal, der Luftballon!“ sage ich. „Und da hinten, der Mond.“
Mein Enkel beugt sich vor und betrachtet den Mond genauer.
„Das ist ein kaputter Mond“, stellt er nüchtern fest. Und ich muss lachen. Denn bei diesem Gedanken erfasst mich eine Woge der Erleichterung:
„Gottseidank!“ denke ich. „Gottseidank ist die Menschheit nicht auch noch schuld am kaputten Mond! Gottseidank gehört der Mond zu den Dingen, die sich verlässlich von selbst reparieren. Und zwar immer wieder aufs Neue, solange die Erde sich dreht...“
Ja, und jenseits des Mondes: dieses gigantische, unvorstellbar große Universum. Dem können wir auch nichts anhaben. Und selbst, wenn die Welt untergeht - was ja nur ein Bild dafür ist, dass wir untergehen und nicht die Welt - selbst dann existiert dies alles noch unbeirrt fort.
Für mich ist das ein unglaublich beruhigender Gedanke:
Die Schöpfung in ihrer Fülle ist genau so unantastbar wie ihr Schöpfer selbst. Und der hat die Kinder unter seinen besonderen Segen gestellt. Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Was macht das für einen Unterschied, angesichts des Elends, in dem so viele Kinder leben...?
In der Sprache der Seele macht es einen Unterschied. In der Sprache der Seele leuchtet Gottes Segen wie ein Hoffnungsbogen am Himmel auf; und verheißt sein Reich. Ein Reich, in dem er alle Tränen trocknen wird. Die der Kinder zuerst, da bin ich sicher. Ein frohes, Neues Jahr!
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Gute Vorsätze, haben Sie auch schon welche für das neue Jahr?
'Ich fasse Jahr für Jahr gute Vorsätze. Und Jahr für Jahr verlaufen sie sich schon nach ein paar Wochen wieder im Sande. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Das hat schon der Apostel Paulus erkannt, in der Bibel.
Und dennoch mache ich unverdrossen weiter, jedes Jahr aufs Neue. Warum eigentlich? Wäre es nicht sehr viel klüger, ich würde ein für alle Mal damit aufzuhören, mir irgendetwas vorzunehmen?
Ich finde: Nein. Ich kenne mich ja nun schon eine ganze Weile... Aber deshalb gebe ich noch lange nicht auf! Mag ich auch noch so oft an mir selber scheitern, ich glaube trotzdem: Ich kann mich ändern.
Nur schaffe ich das eben nicht aus eigener Kraft. Wenn es wirklich darauf ankommt, brauche ich einen ordentlichen Schubs von ganz oben. Mitunter sogar einen recht schmerzhaften...
Vor Jahren habe ich beispielsweise tatsächlich aufgehört mit dem Rauchen. Das hatte ich mir wohl tausendmal für das Neue Jahr vorgenommen; und genauso oft bin ich krachend daran gescheitert. Aber dann habe ich ein schweres Asthma entwickelt. Und da habe ich irgendwann begriffen:
„Das ist kein Spiel mehr. Wach endlich auf!“ Und plötzlich hatte ich die Kraft, mich zu ändern. Und im Übrigen: Gute Vorsätze sind auch der Ausdruck einer wunderbaren Fähigkeit: Unserer Fähigkeit nämlich, das eigene Leben kritisch zu überdenken. Und zu klugen Einsichten zu gelangen. Wie zu der Einsicht:
„Ich muss dringend etwas ändern!“
Auf die Einsicht folgt aber nicht gleich zwangsläufig der letzte und alles entscheidende Schritt. Dazwischen liegt mitunter ein mühsamer Weg; und manchmal auch eine Menge Verzweiflung. Das vergessen wir oft.
Natürlich habe ich auch heute wieder gute Vorsätze, Scheitern mitinbegriffen. Aber jetzt, am Vorabend zum neuen Jahr, weiß nur Gott allein, wie dringend ich seine Hilfe brauchen werde... Kommen Sie gut ins Neue Jahr!
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„Ist kein Gott drin“, das hat die Enkelin der Theologin Dorothee Sölle mal gesagt. „Ist kein Gott drin!“ Gemeint war eine Kirche. Dorothee Sölle ist gerne mit ihrer ganzen Familie auf Reisen gegangen. Und dabei hat sie sie immer in sämtliche Kirchen geschleppt, die auf dem Weg lagen. Und in einer besonders kargen und düsteren Kirche hat sich ihre Enkelin nur kurz umgeschaut und hat trocken festgestellt: „Ist kein Gott drin.“
Ich hatte meine Freude an dieser kleinen Geschichte. Weil sie mir mit so einfachen Worten klargemacht hat, was ich eigentlich in einer Kirche suche. Ich schaue nämlich auch so gerne in alle möglichen Kirchen rein. Aber nicht aus Kulturbeflissenheit. Für mich sind Kirchen Sehnsuchtsorte; da suche ich die Verbindung zu Gott. Und deshalb interessiert mich in erster Linie, ob eine Kirche auch ein Gotteshaus ist. Oder um es mit Sölles Enkelin zu sagen: Ob Gott drin ist.
Woran ich das festmache?
Das erste, was ich in einer Kirche wahrnehme, ist der Geruch. Jede Kirche riecht anders. Manche riechen so muffig, da möchte ich direkt wieder umkehren. Aber meistens riecht es auf ehrwürdige Weise alt; nach altem, geschichtsträchtigem Gemäuer, das schon viel gesehen hat; manchmal riecht dazu noch nach Blumen; oder nach Weihrauch.
Wenn ich dann weiter in den Kirchenraum hineintrete und mich dann eine gewisse Ehrfurcht ergreift, dann weiß ich: Hier bin ich richtig; hier fühle ich mich von etwas Größerem umfangen. Und ich suche mir einen Platz, an dem ich ungestört verweilen kann.
So kann ich lange schweigend sitzen. Ich versuche, mich mit Gott zu verbinden. Man könnte es auch meditieren nennen, oder beten. Manchmal fühle ich mich Gott ganz nah. Und manchmal tut mir einfach nur die Ruhe gut. Aber immer ist es ein bisschen wie nach Hause kommen. Dann nämlich, wenn das Gotteshaus bewohnt ist. Also: Wenn Gott drin ist.
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„Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn“, hat mal ein kluger Kopf gesagt. Ich kenne viele, denen geht es ähnlich: die vermissen Gott, obwohl sie gar nicht an ihn glauben. Wie oft habe ich in Seminaren oder Gesprächen Sätze gehört, wie: „Ich würde ja gerne glauben, aber es funktioniert einfach nicht.“ Oder direkt an mich gewandt: „Sie haben es gut: Sie haben ja Ihren Glauben.“
Eine Frau hat mir erzählt:
„Ich bin sogar in die Kirche gegangen und hab an Gottesdiensten teilgenommen, weil ich gedacht habe: Vielleicht hilft das ja. Ich habe wohl gehofft, dort würde so eine Art Glaubensfunke auf mich überspringen. Aber das ist nicht geschehen. Im Gegenteil, immer, wenn ich zu den anderen hinübergeschaut habe, hatte ich den Eindruck:
Alle hier sind in ihrem Glauben ganz sicher. Alle fühlen sich hier zu Hause. - Nur ich nicht. Und ich habe mich selten-fremd gefühlt; und allein...“
Wenn ich so etwas höre, tut mir das in der Seele weh. Auch, weil ich es für ein großes Missverständnis halte. Denn ich bin mir sicher:
Hätte die Frau die Leute in der Kirche fragen können, hätte ihr vermutlich die Hälfte geantwortet, dass sie überhaupt nicht so glaubenssicher sind, wie es vielleicht aussieht. Und dass ihre Zweifel oft größer sind als ihr Glaube.
Aber dass sie dennoch an ihm festhalten, auch wenn er ihnen immer wieder zu entgleiten droht, weil sie Gott sonst viel zu sehr vermissen würden.
So ist das mit dem Glauben: ich habe ihn nie so ganz im Griff. Aber ich bin mir sicher: genau dieses Vermissen, diese Sehnsucht nach Gott, die führt uns zu ihm hin. Und ganz gleich, wo wir ihn suchen, ob in einem Gottesdienst, in der Stille einer Kirche oder mitten im Wald, Gott lässt sich von uns finden. Doch womöglich geschieht das so ganz anders, als wir es erwarten:
Nicht als große Erleuchtung oder mit untrüglichen Zeichen; vielmehr im Verborgenen, als eine leise Stimme, die uns ins Herz spricht. Die, kaum vernehmbar, in der Tiefe, in großer, innerer Stille, zu uns spricht...
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„Die gute Nachricht“ – das bedeutet das Wort „Evangelium“, wenn man es übersetzt: die gute Nachricht aus der Bibel. „Aber das Neue Testament strotzt doch nur so vor Drohungen und Strafen, wenn man es nicht so hinkriegt“, hat mal einer zu mir gesagt. „Also: Was bitteschön soll daran ist `die gute Nachricht´ sein, für so einen wie mich?“
Der Mann hat recht. Genau das ist das Tückische an vielen biblischen Geschichten: Man kann sie durchweg rein moralisch verstehen.Nehmen wir einmal das Gleichnis von der vierfachen Saat (Mk 4,3-9):
Da wird Gott verglichen mit einem Bauern, der auf seinen Acker geht und seine Saat auswirft – und wie das so ist: ein Teil der Weizenkörner fällt ins Gestrüpp, einiges unter die Dornen; einiges wird von den Vögeln aufgefressen; und einiges fällt auf fruchtbaren Boden und geht auf und gedeiht.
Klar, kann man das so auslegen: Gott wirft seine Botschaft unter die Menschen wie der Bauer seine Samen auf den Acker. Manche Menschen sind wie Gestrüpp und Dornen: zu nichts zu gebrauchen. Und bei manchen landet Gottes Wort auf gutem Boden. Und je nach dem, zu welcher Sorte ich nun gehöre, bin ich gerettet oder eben verloren... Das klingt nach erhobenem Zeigefinger, aber nicht nach einer guten Nachricht.
Eine Kollegin hat dazu eine Predigt geschrieben, in der kommt sie zu einem ganz anderen Schluss: Sie hat mir einen Bauern vor Augen gemalt, der mit vollen Händen und voller Freude seine Saat austeilt: Und zwar überall hin, ungeachtet des Dornen-Gestrüpps oder des felsigen Untergrundes. Dieser verschwenderische Umgang - das macht doch Hoffnung, finden Sie nicht? Gott gibt auch noch dem mickrigsten Boden eine Chance.
Wer weiß, was man da für Überraschungen erleben kann...? So wie die Tomate, die in diesem Sommer an einer Stelle bei uns gewachsen ist, da hätte ich sie niemals hingepflanzt! Und plötzlich haben sich mir da leuchtend rote Früchte entgegengestreckt, wo ich es am allerwenigsten erwartet hätte...
Vielleicht geht es Gott ja genauso mit uns. Und das ist die gute Nachricht: Ich glaube, er ist für jede Überraschung zu haben.
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Was macht wirklich glücklich...? - Eine Freundin hat mir begeistert Bilder aus ihrem Urlaub gezeigt, doch dann hat sie plötzlich das Handy sinken lassen und gesagt: „Aber weißt du was? Große Reisen sind toll - aber ich habe gemerkt: so richtig glücklich machen mich am Ende ganz andere Dinge...“
„Was kann denn besser sein als Urlaub?“ hab ich gefragt.
„Begegnungen...“, hat sie gesagt. Meine Freundin ist auch Pfarrerin. Und bei einem Besuch in der Gemeinde - da ist ihr dieser junge Mann aufgefallen, der hat sie die ganze Zeit so nett angeschaut. „Kennen wir uns?“ hat sie irgendwann gefragt. Er hat gelacht: „Erinnern Sie sich nicht mehr? Ich war doch bei Ihnen im Konfirmandenunterricht...“
Sie hat ihn genauer angesehen. Das musste wohl schon länger zurückliegen... Und junge Menschen verändern sich ja so... Außerdem, bei den vielen Konfis, die sie Jahr für Jahr sieht... nein, sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.
Aber dafür hat sich der junge Mann an alles erinnert. Sogar an das Geschenk, das er zum Abschluss bekommen hat: Ein kleines Bild, mit einem Bibelspruch. „Echt? Daran können Sie sich erinnern...? - Das verschenken wir schon lange nicht mehr. Wir hatten den Eindruck, dass das nicht mehr besonders gut ankommt, bei den jungen Leuten.“
„Oh, doch!“ hat er gesagt. „Ich hab meins noch. Es hängt in meinem Zimmer, an der Wand.“ Und zum Beweis ist er hochgelaufen und hat es geholt.
Und wie er ihr dann auch noch erklärt hat, was er alles mit dem Bild und dem Bibelspruch verbindet, da ist sie aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen...
„Siehst du?“ hat meine Freundin zu mir gesagt, „Das ist für mich das wahre Glück: Da hat man so einen winzig kleinen Samen ausgestreut und glaubt selber nicht, dass da was bei rauskommt. Und irgendwann erkennt man: Es war nicht umsonst; es hat eine Wirkung. Das macht mich glücklich.“
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„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer mal gesagt. „Man wird ja auch kein Auto, weil man in eine Garage geht.“ Und das kann ich nur bestätigen: Ich gehe oft in unsere Garage; und es hat noch nie abgefärbt... Aber mal im Ernst - wie ist das nun: Stimmt es, dass man noch lange kein Christ ist, nur weil man die Kirche besucht?
Nun, genaugenommen macht uns die Taufe zur Christin oder zum Christen, und nicht der Kirchbesuch. Aber vermutlich hat Albert Schweitzer auf etwas ganz anderes abgezielt:
Er hat die Scheinheiligkeit kritisiert, mit der manche gern dabei gesehen werden: „Schaut her, ich bin ein gottesfürchtiger Mensch und lebe moralisch einwandfrei!“ Fromme Selbstgefälligkeit ist natürlich alles andere als eine christliche Haltung. - Was aber keineswegs gegen den Gottesdienstbesuch an sich spricht.
Und von daher finde ich den Vergleich mit dem Auto und der Garage auch so treffend:
Natürlich wird kein Mensch zum Auto, nur weil er in eine Garage geht. Aber es besteht doch kein Zweifel daran, dass es dem Auto guttut, Zeit in der Garage zu verbringen... Da steht es geschützt vor Wind und Wetter. Der Lack bleibt in Schuss, es setzt keinen Rost an und wird vermutlich länger halten.
Ja, und mir tut es gut, die zu Kirche besuchen. Denn in Kirchenräumen fühle ich mich seltsam geborgen... – irgendwie im Schutzraum Gottes. Wir nennen die Kirche ja auch „Gotteshaus“; weil wir das Gefühl haben, dass Gott darin wohnt. Und so gesehen besuche ich Gott, wenn ich in die Kirche gehe. Und jedes Mal, wenn ich Gott besuche, pflege ich meine Beziehung zu ihm. Und das macht sie haltbarer.
„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer gesagt. Stimmt. Man könnte aber auch sagen: „Wer glaubt, ein Christ werden zu können, indem er die Kirche besucht, ist auf einem guten Weg.“
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Neun kleine Enkelkinder und die Großeltern haben einen großen Teich. Können Sie sich das vorstellen? Nicht auszudenken, was da alles passieren kann. Bei unseren Freunden ist das so. Aber die haben gute Nerven und ein beneidenswertes Gottvertrauen: Sie führen ihre Enkelkinder an die Gefahr heran. Und passen auf, dass nichts passiert.
Natürlich übt der Teich eine magische Anziehungskraft auf die Kinder aus. Und trotz aller Wachsamkeit sind fast alle - selbst der Großvater - schon mal hineingefallen. Jetzt könnte man ja annehmen, das sei jedes Mal ein heilsamer Schock. Und die Kinder bekämen mehr Respekt vor der Gefahr. Aber unser Freund hat erzählt, einmal habe er einen seiner Enkel laut weinen gehört. Er ist zu ihm hin und hat gefragt: „Was ist denn los?“
Daraufhin hat der Kleine auf den Teich gezeigt und geschluchzt: „Alle sind schon in den Teich gefallen, nur ich nicht!“ Was tun? Ich hätte mich vermutlich zu dem Kind gesetzt und gesagt: „Schau mal, das zeigt doch nur, wie schlau du bist! Denn wer schlau ist, ist auch vorsichtig. Weil er ganz genau weiß: es ist lebensgefährlich, in den Teich zu fallen.“ - So die Stimme der Vernunft...
Ganz anders die Reaktion unseres Freundes: Er hat das Kind geschnappt und in den Teich geworfen. - Nein, natürlich nicht ganz so; er hat es festgehalten und mal kurz hineingetaucht. Und der Junge war glücklich.
Mich beeindruckt dieser entspannte Umgang; und ich würde es gerne genauso machen. Aber ich kann das nicht. Denn wenn es um kleine Kinder geht, sehe ich überall Gefahren; und ich muss mir immer gleich das Schlimmste vorstellen... So tick ich nun mal.
Wie sich wenigstens einen Rest an Leichtigkeit bewahren? Vielleicht so: Wenn man ein ängstlicher Typ ist, muss man auch danach handeln, sonst hat man keine ruhige Minute mehr. Und sich zugleich im Gottvertrauen üben... Denn eine letzte Sicherheit gibt es ja nie. Aber da ist ein Netz, das uns alle hält - selbst wenn die menschlichen Absicherungen versagen.
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„Ich bin dagegen.“ Das hat der Regisseur Woody Allen geantwortet, als er gefragt wurde, was er vom Tod hält. „Ich bin dagegen.“
Ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen, als ich das gehört habe. Was ist eigentlich so komisch daran? Jeder Mensch weiß, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob man mit dem Tod einverstanden ist oder nicht. Wäre es anders, gäbe es vermutlich kaum einen Friedhof. Auch Woody Allen weiß das ganz genau. Aber der Witz ist: Er ignoriert das einfach und erhebt Einspruch, ganz so, als ob er dem wirklich etwas entgegenzusetzen hätte.
Ich mag diesen Umgang mit dem Unausweichlichen:
Humor kann den Tod nicht verhindern. Aber er kann immer wieder an die Kraft erinnern, die vom Humor ausgeht. Denn wer lacht, erhebt sich über sein Schicksal. Für den Augenblick, jedenfalls. Und das hilft, was nicht zu ändern ist, anzunehmen.
Ein Kollege von mir, der jung gestorben ist, hat mir erzählt, dass er mit seinem Tumor spricht. Er würde ihm immer wieder drohen und sagen:
„Eines sage ich dir: Wenn du mich tötest, nehme ich dich mit!“
Wir mussten beide lachen, obwohl er schon schwach war. Aber das ist eben seine Bewältigungsstrategie gewesen. Und der Witz ist, dass er ja vollkommen recht hatte: Jede tödliche Erkrankung besiegelt am Ende auch ihr eigenes Schicksal. Das kann man der Krankheit gegenüber eigentlich gar nicht oft genug betonen...
Auch meine Mutter hat ein paar Tage vor ihrem Tod etwas zu ihrem Arzt gesagt, an das ich mich immer mit einem Schmunzeln erinnern werde.
Wie so viele Sterbende, war sie den einen Tag mehr und den anderen wieder etwas weniger einverstanden mit ihrem Tod. Zu dem Arzt hat sie gesagt:
„Ach, wissen Sie, eigentlich würde ich ja so gerne noch eine Flussreise machen, mit meiner Schwester. Und wenn ich dann sterbe, können die mich doch einfach über Bord werfen...“
Das war so typisch für sie. Meine Mutter ist immer ein extrem praktisch denkender Mensch gewesen. Ihre letzte Reise ist sie dann aber gottlob doch vom Bett aus angetreten.
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Was macht Eheringe eigentlich so kostbar? Die meisten Menschen sind ja am Boden zerstört, wenn sie ihn verlieren. Vielleicht liegt es daran, dass so ein Ring kein sichtbares Ende hat. Und genau das wünschen sich Menschen auch für ihre Ehe. Und ist der Ehering dann plötzlich weg, ist das Symbol für dieses Glück unwiederbringlich verloren.
Ich vergesse nie, was ich mal auf einer Fortbildung erlebt habe. Wir alle sollten zu Beginn die Hände und Arme kräftig ausschütteln, zur Auflockerung. Da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie etwas winzig-glänzendes hinten durch den Raum kullert. Später sehe ich nach: im hintersten Winkel, kaum zu sehen, liegt ein Ehering. Der Besitzer ist mir fast um den Hals gefallen, vor Freude. Er hatte ihn nämlich schon einmal verloren...
Da war er im Urlaub mit seiner Frau. Mittags haben sie an einem See Halt gemacht und sind geschwommen. Am Abend fragt seine Frau: „Wo ist eigentlich dein Ehering?“ Er sieht auf seine Hand und erschrickt: Der Ring, der schon seit 18 Jahren an dieser Hand sitzt, ist weg. Es muss am See passiert sein...
Am nächsten Morgen fahren sie direkt dorthin. Und wie sie das Ufer absuchen, schließen sich ihnen Leute an, darunter auch ein achtjähriges Mädchen. Alle suchen am Ufer und am Strand. Es werden einige Kronkorken aufgesammelt, aber der Ring ist nicht dabei. Nach zwei Stunden geben sie auf. Der Ehemann lässt betrübt die Schultern hängen. Da kommt das Mädchen und sagt:
„Der Ring war ganz schön wertvoll, oder?“
„Nein“, sagt er. „Aber an dem Ring hängen so viele, schöne Erinnerungen.“
„Dann bist du wohl ganz schön traurig“, sagt sie.
„Ja“, sagt er, „das bin ich.“
Sie schauen beide vor sich auf den Boden. Da sieht er etwas glänzen, direkt vor seinen Füßen. Er bückt sich. Und es ist der Ring! Vor lauter Freude gibt er dem Mädchen einen Finderlohn.
„Aber ich habe doch gar nichts gemacht“, sagt sie.
„Doch. Wenn du nicht genau an dieser Stelle mit mir geredet hättest, hätte ich ihn niemals gefunden.“
Und so hat es sich gefügt, dass dieser Ehering um eine Geschichte reicher geworden ist. Und ich ebenso...
