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SWR2 Wort zum Tag

Eines Christen Handwerk ist beten. Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. So sagt es Luther.Offenbar meint er: Beten ist so selbstverständlich wie die tägliche Arbeit. Beten ist aber auch eine Aufgabe, die Konzentration erfordert. Und mit dem Gebet „schafft" man etwas. Es bewirkt etwas. Aber genau da liegt nun auch ein Problem: Immer wieder macht man ja die Erfahrung, dass das Gebet offenbar nichts ausrichtet, dass sich, was man so sehnlich erbeten hatte, nicht erfüllt. Und das kann der Beginn einer Glaubenskrise sein. Fragen wie: Wo ist Gott? Warum hilft er nicht? Warum verbirgt er sich und lässt Menschen, auch mich, in ihrem Elend? Dann kann das Gebet verstummen. Erlischt aber das Gebet, verkümmert der Glaube.
Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, hat Jesus eine seiner Bildergeschichten erzählt, eine drastische Geschichte. Sie handelt von einem gewissenlosen Richter, der darauf pfeift, was Menschen von ihm halten. Gewissenlos tut er, was ihm passt und ihm nützt. Wahrscheinlich ist er korrupt, macht es Reichen recht und benachteiligt Arme. Ein selbstherrlicher und ungerechter Richter!  - Und da ist nun eine Witwe, eine Frau mit ganz geringem Sozialprestige. Sie hatte eine Klage bei dem Richter eingereicht. Vermutlich wird ihr eine Schuldsumme, vielleicht der Teil eines Erbes vorenthalten. Sie bittet den Richter, ihr Recht zu verschaffen. Der aber tut nichts. Er hat keine Lust, das Verfahren zu eröffnen und verschleppt es. Die Witwe aber lässt nicht locker. Sie bittet immer wieder, mehr kann sie nicht tun. Aber dem Richter geht das zunehmend auf die Nerven. Darum entschließt er sich, nun doch auf die Bitte der Witwe einzugehen. Selbstironisch meint er: Womöglich wird sie noch handgreiflich, wenn ich sie länger hinhalte!
Jesus hat seine Geschichte dann so gedeutet: Wenn ein derart ungerechter Richter am Ende tut, worum er gebeten wird, wie sollte Gott Menschen nicht erhören, die nicht aufhören, ihn anzurufen! Damit ist nun nicht gemeint, dass Gott alle Wünsche erfüllt. Aber vertrauen soll ich darauf, dass Gott hört, wenn ich ihn anrufe, dass er die Welt in ihrem Elend und mich nicht aufgegeben hat, dass er in der Welt und in meinem Leben wirkt, mich keinen Augenblick allein lässt, auch wenn wir es nicht spüre, und dass am Ende seine Liebe Recht bekommen wird. Das hilft mir, beim Beten zu bleiben und es als mein „Handwerk" zu verstehen.

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SWR2 Wort zum Tag

Kann ich wirklich wissen, wer Gott ist? Kann ich es erkennen und erfahren? Wie kann ich sicher sein, dass es ihn gibt? - Es gibt Augenblicke im Leben, in denen ich Gott ahnen kann: Ein Sonnenuntergang am Meer, das Glitzern des sich verändernden Lichts auf den Wellen, die Stille, die mich umgibt und die Weite, die grenzenlos scheint -hat das alles nicht einen letzten Grund? Oder das Wunder einer Genesung, die nicht zu erwarten war und auch die Ärzte staunen lässt - das weckt Dank, der einen Adressaten sucht. Die Begegnung mit dem Menschen, den man liebt - war das nicht Fügung? Aber dann gibt es auch Ereignisse und Erfahrungen, die die Ahnung von Gott wieder zunichte machen: Eine Naturkatastrophe, die Zerstörung und Tod bringt; das jämmerliche Sterben eines noch jungen Menschen, dessen Krankheit nicht besiegt werden konnte; das Zerbrechen einer Beziehung, das unendlich weh tut. Wo ist bei all dem Gott?
Wie kann ich erkennen und erfahren, wer Gott ist? Mein Denken erreicht ihn nicht. Meine Erfahrungen bleiben zwiespältig. Wie also kann ich ihn erfassen? Jesus hat Geschichten erzählt, Alltagsgeschichten, die es aber in sich haben. Man kann sich in ihnen entdecken - und Gott. So ist es auch in folgender Geschichte: Eine Frau besitzt 10 Silbergroschen. Sie sind Teil ihres Kopfschmuckes, der zum Brautschatz gehört und ihr kostbarster Besitz ist. Plötzlich entdeckt sie, dass eine Münze fehlt. Und nun sucht sie, - sorgfältig, hartnäckig. Zuerst zündet sie ein Licht an. Denn das fensterlose Haus lässt nur wenig Licht durch die niedrige Tür herein. Aber sehen kann sie die Münze auf dem unebenen Boden nicht. Jetzt nimmt sie einen Palmenzweig und beginnt das Haus zu fegen. Sie hofft, dass die Münze auf dem felsigen Boden klirrt und sie so wieder findet. Und so geschieht es. Freudestrahlend erzählt sie den Nachbarinnen, was sie erlebt hat. Sie will, dass sie sich mit ihr freuen. - So ist Gott, will Jesus sagen. Wie die Frau sucht er und freut sich, wenn er findet, wenn er Menschen findet, die ihn verloren haben.
Haben das die Zuhörer Jesu verstanden? Sie konnten es verstehen und annehmen, wenn sie es mit dem Verhalten Jesu zusammenbracht haben. Er hat Menschen gesucht und gefunden, vor allem ausgegrenzte, leidende und schuldige. Ich kann es verstehen und annehmen, wenn mir aufgeht, was das Leben und Sterben Jesu auch für mich bedeutet. Was mir von ihm erzählt wird, soll mir ja sagen: Wer du auch bist, mit deinen Fragen, mit deinen Ratlosigkeiten, mit deiner Schuld wirst du gesucht und gefunden - von Gott. So ist Gott.

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SWR2 Zum Feiertag

Sie haften fest in meinem Gedächtnis - die Bilder vom gewaltlosen Aufstand der Menschen in den letzten Tagen der ehemaligen DDR. Ich höre noch die Rufe tausender Demonstranten: Wir sind das Volk. Und ich denke daran, dass die Montagsdemonstrationen in Leipzig von Friedensgebeten ihren Ausgang genommen haben und Kirchen Orte waren, an denen frei gesprochen werden konnte und so etwas wie ein Vorgeschmack der ersehnten Freiheit erlebt wurde. Die Mauer fiel, und am 3. Oktober 1990 ist die DDR der Bundesrepublik Deutschland beigetreten, und die beiden getrennten Teile Deutschlands waren wieder vereinigt.
Wir sind das Volk. Oder auch: Wir sind ein einig Volk. Was bedeutet das heute nach über 20 Jahren? Zunächst: Wir sollten die Sehnsucht nach Freiheit der Menschen damals nicht vergessen! Sie wollten loskommen von der Gängelung durch den Staat, von Einschränkungen, die gewaltsam durchgesetzt wurden. Es war die Sehnsucht nach einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit dem Recht auf eigene Überzeugungen, auf freie Meinungsäußerung, auf Selbstbestimmung in der Gestaltung des Lebens. Freiheit, Recht, dem auch die Staatsmacht unterworfen ist, aber auch soziale Gerechtigkeit waren die Ziele, die die Menschen damals erreichen wollten - miteinander und im Bewusstsein, dass sie zusammengehören. Wir sollten es nicht vergessen und dankbar dafür sein, dass mit der Wiedervereinigung alle Deutschen in einem freiheitlichen Rechtsstaat leben können.
Danach kamen aber auch die Probleme - für Ostdeutsche und Westdeutsche. Verständlich ist, dass Menschen, die so lange in derart unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen gelebt haben, sich aneinander gewöhnen und erst lernen mussten, dass sie ein Volk sind. Gelegentlich hat man den Eindruck, dass dieser Gewöhnungsprozess noch immer nicht abgeschlossen ist. Die Erfahrung, dass unsere Demokratie nicht vollkommen ist, dass es nicht immer gerecht zugeht, dass sinnvolle Lösungen gesellschaftlicher Probleme durch den Streit der Parteien nicht gelingen, hat enttäuscht und zu einer Distanz zu den Ordnungen in unserem Land geführt, nicht nur bei den Ostdeutschen, sondern auch im Westen. Hier spielt die Erfahrung eine Rolle, dass wichtige Entscheidungen, die alle angehen, nicht transparent werden und Beteiligung dadurch ausgeschlossen ist. Das hat im Westen wie im Osten Politikverdrossenheit zur Folge und führt nicht zuletzt zu einer gefährlich niedrigen Wahlbeteiligung auf allen Ebenen der Politik.
Was ist zu tun? Wir müssen akzeptieren, dass die Verhältnisse in unserem Land nicht vollkommen sind, aber doch wohl besser als je zuvor. Wir dürfen das bürgerschaftliche Engagement nicht aufgeben. Wir müssen von der Politik verlangen, dass sie informiert und Beteiligung ermöglicht. Vertrauen muss wieder entstehen, Vertrauen in unsere demokratische Ordnung, Vertrauen auch zwischen Regierenden und Regierten. Und was ist dabei die Rolle der Christen und der Kirchen? Sie müssen sich einmischen in die Politik und beharrlich danach fragen, was gerecht ist und was dem Frieden dient. Durch konstruktive Kritik können sie mithelfen, dass Gerechtigkeitslücken, wie sie z.B. der jüngste Armutsbericht offen gelegt hat, aufgegriffen und gerechtere Verhältnisse angestrebt werden. Christliche Politiker können durch Sachbezogenheit und einen fairen Umgang mit politischen Gegnern den Stil politischer Auseinandersetzungen positiv beeinflussen. Christen tragen so dazu bei, dass die Verantwortung für die Verhältnisse, in denen wir leben, nicht verloren geht und das Vertrauen in der Gesellschaft gestärkt wird. Sie halten wach, was vor über 20 Jahren die Menschen bewegt hat: die Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit in einem einigen Volk.

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SWR2 Wort zum Tag

Eint der christliche Glaube? Verbindet er Christen und Kirchen mit unterschiedlichen Traditionen miteinander? Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus: Obwohl in den letzten Jahrzehnten manche Annäherungen gelungen sind, verhindern unterschiedliche Glaubensüberzeugungen die Überwindung der Konfessionsgrenzen und schließen zum Teil auch die gegenseitige Anerkennung als Kirche aus. Das hat negative Folgen zum Beispiel für konfessionsverschiedene Ehen, besonders schmerzhaft für die Zulassung zum Abendmahl, zur Feier der Eucharistie. Auch in ethischen Fragen gibt es deutliche Unterschiede. In allen Kirchen haben es Konservative und Liberale, Christen mit unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen schwer miteinander. Durch all dies haben die Kirchen ein erhebliches Problem mit ihrer Glaubwürdigkeit. Einheit darf aber doch auch nicht auf Kosten der Wahrheit gehen, wird eingewandt. Ja, aber um die Wahrheit wird seit Jahrzehnten gerungen, nicht ohne positive Ergebnisse. Aber die blieben oft ohne Folgen.
Hat der christliche Glaube also nicht die Kraft zu einen? Es gibt Erfahrungen, die das Gegenteil beweisen. Ich habe bei ökumenischen Treffen immer wieder erlebt, wie der Glaube Menschen, die aus unterschiedlichen Traditionen kommen, verbindet. Ich habe, auch wenn mir manche gottesdienstliche Formen fremd waren, die verbindende Kraft des Glaubens gespürt und indem Fremden das Gemeinsame erkannt. Mir ist aufgegangen, dass der christliche Glaube auf tragenden Pfeilern einer Brücke ruht, auf der sich Christen begegnen und zu einander finden können. Der wichtigste Pfeiler ist die Bibel, die unterschiedlich ausgelegt wird, deren Wahrheit sich aber immer wieder durchsetzt, wenn man nur auf sie hört. Andere Pfeiler sind die Taufe, die mit Christus verbindet und in die Gemeinschaft der Christen eingliedert, der gemeinsame Glaube an die Gegenwart Christi im Abendmahl, das gemeinsame Glaubensbekenntnis, Lieder und Gebete, vor allem das Vaterunser. Und ein tragender Pfeiler ist auch das Wissen um die Verantwortung für das Leben und Zusammenleben in der Gesellschaft. Diese Pfeiler können die Brücke tragen, auf der sich Christen begegnen und erkennen können, wie sehr sie zusammengehören. Es gibt die Brücke. Aber noch ist es so etwas wie eine Notbrücke. Es wäre gut, wenn die verantwortlichen Brückenbauer durch einende Beschlüsse die Brücke befestigen und so die Gemeinschaft der Christen selbstverständlicher machen würden.

 

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SWR2 Wort zum Tag

Da haben die Jünger Jesus eines Tages gebeten: Stärke unseren Glauben! Sie hatten offenbar das gleiche Problem wie alle, die glauben wollen: die Erfahrung, dass der Glaube schwach und brüchig ist. Wer wünschte da nicht, dass sein Glaube stärker wird! Jesu Antwort auf die Bitte der Jünger ist provozierend: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, so könntet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Reiß dich aus und verpflanz dich ins Meer; und er würde euch gehorchen. Ein Senfkorn ist klein; man sieht es kaum, es trägt aber eine große Kraft zum Wachstum in sich. Groß ist auch die Kraft des Senfkornglaubens. Man kann mit ihm Bäume ausreißen! Ihm ist viel, ja alles möglich! - Wie soll man das verstehen, wenn man immer wieder Mühe hat zu glauben, wenn einen Zweifel bedrängen, wenn es einem schlecht geht und die Kraft zum Vertrauen fehlt, wenn also der Glaube klein und schwach ist? Wo liegt der Unterschied zwischen dem kleinen, schwachen Glauben und dem kleinen Senfkornglauben?
Es hilft mir, wenn ich mir klar mache: Mein Glaube muss offenbar nicht stark sein, wie ich es, ähnlich wie die Jünger damals, meine und wünsche. Ich brauche nicht ständig auf meine Erfahrungen und Gefühle zu schauen, nicht auf die immer wieder aufkeimenden Zweifel. Ich soll mir nicht immer, wie es der Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal sagt, den Puls meines geistlichen Lebens fühlen. Ich bin nicht angewiesen auf immer größere Glaubensleistungen. Ich kann meinen Blick weg von mir wenden und auf den schauen, an den ich glauben möchte. Wie das geht, zeigt vielleicht am schönsten die Geschichte vom Vater eines epileptischen Jungen. Der Vater hat Heilung für seinen Sohn gesucht und nur die Jünger angetroffen. Und denen war eben nicht alles möglich; sie konnten nicht helfen. Dann wendet er sich an Jesus. Der fragt nach seinem Glauben. Die Antwort des Vaters, die er in seiner Verzweiflung herausschreit, ist: Ich glaube; hilf meinem Unglauben. Mit dieser Bitte verlässt er sich selbst und klammert sich mit seinem schwachen Glauben an Jesus. Für seinen Sohn und sich selbst erwartet er alles von ihm. Und ihm wird geholfen.
Was ist also der Unterschied zwischen einem Glauben, der stärker werden will, und dem Senfkornglauben? Wenn ich einen noch immer größeren und stärkeren Glauben suche, schaue ich auf mich, auf meine Schwäche und mache Gott klein. Mit dem kleinen Senfkornglauben schaue ich auf Gott, auf seine Stärke und seine Möglichkeiten - und mache Gott groß.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Haben Sie noch die Bilder von der Olympiade vor Augen: die sportlichen Wettkämpfe, dann die strahlenden Sieger auf dem Podest, die ihre Medaille in Empfang nahmen? Natürlich, es gab auch die Niederlagen, bittere Enttäuschungen. Das gehört zu einem Wettkampf. - Eine Art „Wettkampf" ist auch das Leben. In unterschiedlichen „Disziplinen" kann man siegen oder verlieren. Zum Beispiel in der Disziplin Geduld haben, wenn einen jemand mit seiner Art, seinem Verhalten nervt. Oder in der Disziplin Versöhnung suchen nach einem Streit, den ersten Schritt zu einem Neuanfang wagen. Oder in der Disziplin seine Meinung vertreten, auch wenn man weiß, dass die nicht gerne gehört wird. Oder in der Disziplin zuversichtlich bleiben, wenn es einem so richtig schlecht geht und man nicht weiß, wie es mit einem weitergehen soll. Wer möchte da nicht siegen - im Streit gegen die eigene Ungeduld, gegen den Wunsch, recht zu behalten, gegen die Feigheit, die nicht anecken will, gegen Verzweiflung und Mutlosigkeit. Es ist ein Kampf gegen sich selbst, den man im Leben immer wieder zu führen hat. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man aber auch.
Wie ist das beim christlichen Glauben? Im 1. Johannesbrief steht der Satz: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Heißt das, dass Menschen, wenn sie nur glauben, immer Sieger bleiben, Sieger im Kampf gegen sich selbst? Nach dem 1. Johnnesbrief gibt es einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen dem Glauben an Gott, der Liebe zu ihm und der Liebe zum Nächsten. Ist es das? Ist es die Liebe, die im Kampf gegen sich selbst den Sieg davonträgt. Manchmal erfahre ich es so, erlebe, wie mir die Kraft der Liebe hilft, in den verschiedenen „Disziplinen" meines Lebens zu siegen.  Aber dann bleibe ich auch immer wieder Liebe schuldig und erlebe mich als Teil der Welt, in der die Liebe so wenig Platz hat, in der es das Böse, Leid und so viel Elend gibt. Es gibt einfach zu Vieles in meinem Leben und in der Welt, mit dem ich nicht fertig werde. Wie soll ich gegen all das gewinnen?  So erlebe ich Beides: Manchmal gewinnt mein Glaube im Kampf des Lebens. Aber zu oft verliere ich auch und bleibe hinter dem Satz vom Sieg des Glaubens weit zurück.
Ich kann den Satz vom Glauben, der die Welt überwindet, nur verstehen und annehmen, wenn ich ihn mit einem Wort aus dem Johannesevangelium verbinde. Dort sagt Jesus seinen Jüngern: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Also doch: In der Welt, in der ich lebe und zu der ich gehöre, werde ich auch als Mensch, der glaubt, die Angst nicht los. Sie gehört zu dieser Welt. Ich kann gar nicht Sieger sein über das Leid in meinem Leben und das Elend in der Welt. Ich kann nicht gewinnen gegen das Unrecht, das ich aus Mangel an Liebe selbst begangen habe, und nicht gegen das Böse, das Menschen tun und erleiden. Ich kann auch nichts dagegen tun, dass meine Zeit begrenzt ist; ich bin wehrlos gegen die Macht des Todes. Aber nun werde ich durch Jesu Wort aufgefordert, von mir wegzusehen und meinen Blick auf ihn zu richten. Er hat die Welt überwunden, weil durch ihn eine Macht erkennbar und glaubhaft geworden ist, in der auch ich mich bergen kann: die Macht der Liebe, der Liebe Gottes. Ihm kann ich mich mit dem, was mir gelingt, und mit dem, woran ich scheitere, anvertrauen und glauben, dass Gottes Liebe mich umfängt und trägt. Und ich kann hoffen, dass alles, was mich ängstigt und belastet, nicht das Letzte ist, sondern dass die Zukunft der Liebe Gottes gehört. Mit diesem Vertrauen und dieser Hoffnung habe ich Anteil am Sieg Jesu, der die Welt überwunden hat. Und ich gewinne Kraft, immer wieder gegen all das zu kämpfen, was mein Leben oder das Anderer belastet. In diesem Sinne ist der Glaube tatsächlich der Sieg, der die Welt überwindet.

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SWR2 Wort zum Tag

Brüderlichkeit ist ein altes Wort, das wir kaum noch gebrauchen. Um wiederzugeben, was es meint, sprechen wir geschlechtsneutral von Solidarität, auch von Verbundenheit, die Verantwortung für einander einschließt. Das Wort gehört aber immerhin zum Wahlspruch des französischen Staates, der heute seinen Nationalfeiertag begeht. An Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden in Frankreich kann man es lesen - zusammen mit den Worten Freiheit und Gleichheit: Liberté, Egalité, Fraternité sind die drei Worte, die an die Errungenschaft der Französischen Revolution, an die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in ihrer Folge erinnern. Sie sollen auch heute das Zusammenleben in der Gesellschaft und die staatliche Ordnung bestimmen - und sie sind Ziele, die in der Realität immer neu anzustreben sind.
Ich finde es beachtlich, dass die Freiheitsrechte und die in ihrer Würde begründete Gleichheit aller Menschen so eng mit Solidarität und der Verantwortung für einander verbunden werden. In einem Artikel der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte ist darum von der Freiheit die Rede, die ihre Grenze darin findet, dass Andere keinen Schaden erleiden sollen. Diese Erinnerung an die Grenzen der Freiheit und die Verantwortung füreinander hat an Aktualität nichts verloren. Man kann an den Verkehr denken, in dem Andere nicht gefährdet werden sollen, oder an ein Verhalten in der zu Recht freien Wirtschaft, das aber nicht zu Lasten Anderer gehen soll. - Freiheit ohne Solidarität, ohne Rücksicht auf Andere funktioniert nicht. Und die Gleichheit aller Menschen wird verletzt, wenn Menschen massiv durch Andere benachteiligt werden.
Lange haben die Kirchen den revolutionären Aufbruch am Ende des 18. Jahrhunderts abgelehnt.  Mitte des 19. Jahrhunderts haben Kirchenleute aber Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit christlich interpretiert. Da wurde z.B. auf die Brüderlichkeit Jesu hingewiesen. Er wurde der Bruder der Menschen, weil er ihr Leben und ihr Sterben geteilt hat. Wie ein Bruder war er für seine Geschwister da, vor allem für die, die gelitten haben oder aus dem geschwisterlichen Miteinander ausgegrenzt wurden, die sich auch schuldig gemacht haben. Er hat schließlich sein Leben hingegeben, damit  alle seine Geschwister Befreiung von ihrer Schuld glauben und erfahren können. Wer sich so befreit weiß, kann die Sorge um sich selbst immer wieder hinter sich lassen. Er gewinnt Raum für Andere und wird in der Verantwortung für sie ihr Bruder oder ihre Schwester. - Brüderlichkeit ist ein altes Wort. Was es aber meint, kann und soll das Leben bestimmen.

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SWR2 Wort zum Tag

Vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Und dass wir gleiche Rechte haben, führt dann auch dazu, dass niemand z.B. seiner Herkunft, seiner Sprache, seines Glaubens oder seiner Anschauungen wegen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. So bestimmt es unser Grundgesetz. Zwar bleibt die Realität hinter diesen Bestimmungen immer wieder auch zurück. Aber es ist gut, dass wir in einem Land leben, in denen das Grundrecht der Gleichheit gilt.
Es gilt für Menschen, die alles andere als gleich, sondern die ganz unterschiedlich sind. Unterschiede in der Art, in den Begabungen und Interessen kann man selbst bei den eigenen Kindern beobachten. Wie unterschiedlich im Lebensstil, in ihren Vorstellungen und Überzeugungen sind erst Menschen, die unterschiedlichen Milieus angehören. Wer gar aus einem anderen Kulturkreis kommt, wird immer wieder auch schmerzhaft spüren, wie verschieden er von Menschen unseres Kulturkreises ist. Wie sollen so unterschiedliche Menschen, die sich nicht gleichen, sehen und erfahren, dass und worin sie gleich sind?
Die christlichen Gemeinden mussten sich mit diesem Problem schon in ihren Anfängen auseinandersetzen. Da gab es Judenchristen mit ihrer Tradition und Christen aus der hellenistischen Welt mit ganz anderen Erfahrungen. Es gab Sklaven und Freie und natürlich auch Männer und Frauen mit den in der Antike deutlich unterschiedenen Rollen. Paulus hat diese Unterschiede nicht geleugnet. Aber er hat auf die ganz grundsätzliche Gleichheit aller hingewiesen: Alle haben vor Gott die gleiche Würde. Alle sind von ihm gleich wert gehalten. Allen gilt die Liebe, die durch Jesus Christus geschenkt wird und geglaubt werden kann. Für Christen folgt z.B. daraus, Menschen mit anderen Überzeugungen und Erfahrungen in ihrem Anderssein anzunehmen, das Gespräch mit ihnen zu suchen und auch von ihnen zu lernen. Für die christlichen Gemeinden dürfen unterschiedliche Frömmigkeitsstile Gemeinschaft nicht verhindern. In der Gesellschaft sollen Menschen Gleichheit dadurch erfahren, dass sie, wo es nötig ist, wirksam gefördert werden und so die Chance bekommen, ihr Leben in eigener Verantwortung zu gestalten. In der Arbeitswelt ist es soziale Gerechtigkeit, die Menschen bei allen Unterschieden in Begabung, Leistung, unterschiedlichen Ebenen der Verantwortung und der Bezahlung, spüren lässt, dass ihre grundsätzliche Gleichheit und ihre Würde geachtet sind. - Unterschiedliche Menschen haben die gleiche Würde. Das sollen sie in den unterschiedlichen Lebensbereichen auch erfahren.

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SWR2 Wort zum Tag

Befreit atme ich auf, wenn eine Routineuntersuchung beim Arzt ohne einen ernsthaften Befund blieb. Es hätte auch anders sein können. Immer wieder gibt es solche Situationen im Leben. Wenn eintritt, was ich erhofft, wenn ich mir umsonst Sorgen gemacht habe, dann kommt es zu diesem befreiten Aufatmen. Es ist eine Reaktion auf die Erfahrung, dass Vieles im Leben nicht vom eigenen Wollen abhängt. Über Vieles kann ich nicht frei entscheiden, bin aber wie befreit, wenn etwas gut gegangen ist.
Es geht aber nun nicht immer alles so, wie ich es mir wünsche. Immer wieder habe ich das auch erlebt, z.B. wenn ich ernsthaft krank wurde oder wenn ich Einschränkungen spüre, die mit dem zunehmenden Alter zusammenhängen. Auch andere Erfahrungen begrenzen mein eigenes Wollen. Immer wieder habe ich im Laufe des Lebens mit Menschen und Verhältnissen zu tun bekommen, die ich mir nicht aussuchen konnte und die mich dann vor Herausforderungen gestellt haben, denen ich entsprechen musste. Wenn ich dann getan habe, was ich meinte, tun zu müssen, konnte ich zwar erfahren, dass mich die Grenzen meiner Freiheit nicht lähmen müssen. Wenn aber nicht gelungen ist, was ich versucht habe,  bin ich wieder an die Grenzen meines Wollens gestoßen.
Kann man also im Grunde nur immer darauf warten, gelegentlich befreit aufatmen zu können? Paulus sieht das offenbar anders. In einem seiner Briefe schreibt er: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Er denkt an eine Befreiung, die über das befreite Aufatmen, wenn etwas gut ausgegangen ist, weit hinausgeht. Ich soll in allem, was mir vorgegeben ist und mich auch begrenzt, Gottes Wirken glauben. Ich soll wissen: Gott hat mich gewollt und in die Verhältnisse, in denen ich lebe, gestellt. In ihnen kann ich dankbar wahrnehmen, was gut ist. Ich kann die Herausforderungen an mich als seinen Auftrag verstehen. Und wenn ich dem, was mir aufgegeben ist, nur bruchstückhaft entsprechen kann, darf ich darauf hoffen, dass Gott auch aus den Fragmenten meines Tuns etwas machen kann. Wenn ich so Gottes Wollen und Wirken in meinem Leben glaube und darauf vertraue, dass er, was auch immer geschieht, mit mir ist und es gut mit mir meint, werde ich in den Grenzen meiner Freiheit wirklich frei. Ich fühle mich nicht mehr ausgeliefert an das, was mir widerfährt. Den Grund für ein solches Vertrauen muss ich aber immer wieder suchen. Ich finde ihn bei Jesus Christus, durch den ich erkenne: Gott ist mit mir und meint es gut mit mir. Darum gilt: Zur Freiheit hat uns Christus befreit!

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SWR2 Wort zum Tag

Muße - in der Alltagssprache kommt das Wort nicht mehr vor. Was es meint, sollte allerdings aus dem Alltag nicht auswandern. Muße ist ja etwas Anderes als Müßiggang, der als aller Laster Anfang gilt. Sie ist auch nicht einfach Freizeit, in der man nicht arbeiten muss, die aber oft mit anderen Beschäftigungen und Unternehmungen vollgepackt ist. Sie ist vielmehr Zeit, in der man zur Ruhe und zu sich selbst kommen kann. Sie ist keine nur passive Zeit. Wenn der Mensch zur Ruhe kommt, dann wirkt er, hat Petrarca gemeint. Er macht sich auf einen Weg, der wegführt vom nur Nützlichen auf Notwendiges zu. Muße ist Zeit zum Nachdenken, die man sich geben muss, wenn man zu begründeten und dann auch nachhaltigen Urteilen und Entscheidungen kommen möchte. Muße verhindert, dass man sich durch Umstände oder andere Menschen in seinem Tun zwingen und treiben lässt. Sie ist darum, wie Sokrates sagt, eine Schwester der Freiheit.
Zeit zur Muße zu finden, ist im Rhythmus des Alltags allerdings gar nicht so leicht. Wenn ich mir manchmal den Tageslauf und die Fülle der Aufgaben unserer Spitzenpolitiker vor Augen halte, frage ich mich, woher sie die Zeit zum Nachdenken nehmen sollen. Hängt es nicht auch mit diesem Mangel zusammen, dass manche politischen Urteile und Entscheidungen so kurzatmig wirken und auch immer wieder revidiert werden müssen? Natürlich, gerade in der Politik gibt es die ständig wechselnden Herausforderungen, Abhängigkeiten von Anderen, mit denen man sich arrangieren muss, und oft auch taktische Überlegungen im Spiel der Macht und des Machterhalts. Aber ob Zeiten zum Nachdenken nicht in allen Lebensbereichen, in den öffentlichen und den privaten, einfach notwendig sind und bewusst geplant werden sollten? Sie würden allerdings zu einer Entschleunigung im Alltag des Lebens führen.  Würde aber nicht gerade so Gutes möglich? Gandhi hat es überspitzt gesagt: Das Gute geht im Schneckentempo.
Von Jesus wird immer wieder erzählt, dass er sich zurückgezogen hat, um zu beten. Im Gebet hat er die Kraft für seinen Auftrag gefunden. Wie viel mehr brauchen Menschen, die glauben wollen, Zeit für das Gebet. Im Gespräch mit Gott finden sie Muße zum Nachdenken über das, was gut ist und gut tut. Sie holen sich in ihm Kraft für den Alltag. Dort soll das Gute ja getan werden. Sie finden in der Zeit für das Gebet nicht nur sich selbst, sondern Gott, der mit ihnen ist, auch wenn das Gute in ihrem Leben Fragment bleibt. und der sie zum Vertrauen auf ihn befreit.

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