SWR2 Wort zum Tag

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Eines Christen Handwerk ist beten. Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. So sagt es Luther.Offenbar meint er: Beten ist so selbstverständlich wie die tägliche Arbeit. Beten ist aber auch eine Aufgabe, die Konzentration erfordert. Und mit dem Gebet „schafft" man etwas. Es bewirkt etwas. Aber genau da liegt nun auch ein Problem: Immer wieder macht man ja die Erfahrung, dass das Gebet offenbar nichts ausrichtet, dass sich, was man so sehnlich erbeten hatte, nicht erfüllt. Und das kann der Beginn einer Glaubenskrise sein. Fragen wie: Wo ist Gott? Warum hilft er nicht? Warum verbirgt er sich und lässt Menschen, auch mich, in ihrem Elend? Dann kann das Gebet verstummen. Erlischt aber das Gebet, verkümmert der Glaube.
Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, hat Jesus eine seiner Bildergeschichten erzählt, eine drastische Geschichte. Sie handelt von einem gewissenlosen Richter, der darauf pfeift, was Menschen von ihm halten. Gewissenlos tut er, was ihm passt und ihm nützt. Wahrscheinlich ist er korrupt, macht es Reichen recht und benachteiligt Arme. Ein selbstherrlicher und ungerechter Richter!  - Und da ist nun eine Witwe, eine Frau mit ganz geringem Sozialprestige. Sie hatte eine Klage bei dem Richter eingereicht. Vermutlich wird ihr eine Schuldsumme, vielleicht der Teil eines Erbes vorenthalten. Sie bittet den Richter, ihr Recht zu verschaffen. Der aber tut nichts. Er hat keine Lust, das Verfahren zu eröffnen und verschleppt es. Die Witwe aber lässt nicht locker. Sie bittet immer wieder, mehr kann sie nicht tun. Aber dem Richter geht das zunehmend auf die Nerven. Darum entschließt er sich, nun doch auf die Bitte der Witwe einzugehen. Selbstironisch meint er: Womöglich wird sie noch handgreiflich, wenn ich sie länger hinhalte!
Jesus hat seine Geschichte dann so gedeutet: Wenn ein derart ungerechter Richter am Ende tut, worum er gebeten wird, wie sollte Gott Menschen nicht erhören, die nicht aufhören, ihn anzurufen! Damit ist nun nicht gemeint, dass Gott alle Wünsche erfüllt. Aber vertrauen soll ich darauf, dass Gott hört, wenn ich ihn anrufe, dass er die Welt in ihrem Elend und mich nicht aufgegeben hat, dass er in der Welt und in meinem Leben wirkt, mich keinen Augenblick allein lässt, auch wenn wir es nicht spüre, und dass am Ende seine Liebe Recht bekommen wird. Das hilft mir, beim Beten zu bleiben und es als mein „Handwerk" zu verstehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14654
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