SWR2 Wort zum Sonntag

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Haben Sie noch die Bilder von der Olympiade vor Augen: die sportlichen Wettkämpfe, dann die strahlenden Sieger auf dem Podest, die ihre Medaille in Empfang nahmen? Natürlich, es gab auch die Niederlagen, bittere Enttäuschungen. Das gehört zu einem Wettkampf. - Eine Art „Wettkampf" ist auch das Leben. In unterschiedlichen „Disziplinen" kann man siegen oder verlieren. Zum Beispiel in der Disziplin Geduld haben, wenn einen jemand mit seiner Art, seinem Verhalten nervt. Oder in der Disziplin Versöhnung suchen nach einem Streit, den ersten Schritt zu einem Neuanfang wagen. Oder in der Disziplin seine Meinung vertreten, auch wenn man weiß, dass die nicht gerne gehört wird. Oder in der Disziplin zuversichtlich bleiben, wenn es einem so richtig schlecht geht und man nicht weiß, wie es mit einem weitergehen soll. Wer möchte da nicht siegen - im Streit gegen die eigene Ungeduld, gegen den Wunsch, recht zu behalten, gegen die Feigheit, die nicht anecken will, gegen Verzweiflung und Mutlosigkeit. Es ist ein Kampf gegen sich selbst, den man im Leben immer wieder zu führen hat. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man aber auch.
Wie ist das beim christlichen Glauben? Im 1. Johannesbrief steht der Satz: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Heißt das, dass Menschen, wenn sie nur glauben, immer Sieger bleiben, Sieger im Kampf gegen sich selbst? Nach dem 1. Johnnesbrief gibt es einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen dem Glauben an Gott, der Liebe zu ihm und der Liebe zum Nächsten. Ist es das? Ist es die Liebe, die im Kampf gegen sich selbst den Sieg davonträgt. Manchmal erfahre ich es so, erlebe, wie mir die Kraft der Liebe hilft, in den verschiedenen „Disziplinen" meines Lebens zu siegen.  Aber dann bleibe ich auch immer wieder Liebe schuldig und erlebe mich als Teil der Welt, in der die Liebe so wenig Platz hat, in der es das Böse, Leid und so viel Elend gibt. Es gibt einfach zu Vieles in meinem Leben und in der Welt, mit dem ich nicht fertig werde. Wie soll ich gegen all das gewinnen?  So erlebe ich Beides: Manchmal gewinnt mein Glaube im Kampf des Lebens. Aber zu oft verliere ich auch und bleibe hinter dem Satz vom Sieg des Glaubens weit zurück.
Ich kann den Satz vom Glauben, der die Welt überwindet, nur verstehen und annehmen, wenn ich ihn mit einem Wort aus dem Johannesevangelium verbinde. Dort sagt Jesus seinen Jüngern: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Also doch: In der Welt, in der ich lebe und zu der ich gehöre, werde ich auch als Mensch, der glaubt, die Angst nicht los. Sie gehört zu dieser Welt. Ich kann gar nicht Sieger sein über das Leid in meinem Leben und das Elend in der Welt. Ich kann nicht gewinnen gegen das Unrecht, das ich aus Mangel an Liebe selbst begangen habe, und nicht gegen das Böse, das Menschen tun und erleiden. Ich kann auch nichts dagegen tun, dass meine Zeit begrenzt ist; ich bin wehrlos gegen die Macht des Todes. Aber nun werde ich durch Jesu Wort aufgefordert, von mir wegzusehen und meinen Blick auf ihn zu richten. Er hat die Welt überwunden, weil durch ihn eine Macht erkennbar und glaubhaft geworden ist, in der auch ich mich bergen kann: die Macht der Liebe, der Liebe Gottes. Ihm kann ich mich mit dem, was mir gelingt, und mit dem, woran ich scheitere, anvertrauen und glauben, dass Gottes Liebe mich umfängt und trägt. Und ich kann hoffen, dass alles, was mich ängstigt und belastet, nicht das Letzte ist, sondern dass die Zukunft der Liebe Gottes gehört. Mit diesem Vertrauen und dieser Hoffnung habe ich Anteil am Sieg Jesu, der die Welt überwunden hat. Und ich gewinne Kraft, immer wieder gegen all das zu kämpfen, was mein Leben oder das Anderer belastet. In diesem Sinne ist der Glaube tatsächlich der Sieg, der die Welt überwindet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13903
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