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SWR3 Gedanken
Auf einer Geburtstagsparty spricht mich Lilo von der Seite an: „Katharina, du glaubst doch an Gott, oder?“ Für mich der Startschuss eines Partyklassikers: Ich – in meinem Alltagskosmos eine vom Aussterben bedrohte Spezies – nämlich bekennende Christin – werde nun „befragt“.
Aber diesmal läuft das Gespräch anders – und es erwischt mich mit voller Breitseite. Denn Lilo fragt mich: „Hast du eigentlich trotzdem Angst? Auch wenn du so richtig an Gott glaubst?“
Ich muss erst mal laut loslachen – natürlich habe ich Angst, auch als Christin. Und dabei merke ich schnell: Lilo irritiert mein Lachen. Denn sie meint die Frage ernst. Sie erzählt mir von ihrer Angststörung. Von jahrelangen Panikattacken. Von ihrer ganz persönlichen Leidensgeschichte mit der Angst. Sie packt aus. Und das tue ich auch. Denn auch ich habe meine ganz persönliche Geschichte mit der Angst. Wir tauschen uns aus und sind uns einig: Angst hat erst einmal nichts mit glauben oder nicht glauben zu tun, sondern ist einfach nur menschlich. Und anstrengend.
Lilo sagt, sie ist Atheistin und hat sich lange Zeit gefragt, ob es anders wäre, wenn sie an Gott glauben würde. Ob es ihr dann besser gehen würde.
Sie will deshalb genauer wissen: Wer ist Gott für mich, wenn ich Angst habe. Und ich antworte, so gut ich kann:
Ich kann zu Gott sprechen wie zu einem Freund. Er macht mir Hoffnung, dass es irgendwie irgendwann besser wird. Aber genauso gibt es Phasen, da bin ich mir gar nicht so sicher, ob er da ist, wenn es mir schlecht geht. Da habe ich das Gefühl, mein Glaube ist eine leere Blase, die gleich zerplatzt. Aber in allen Phasen bleibt mir das Gebet. Das nochmal ganz anders für mich ist als das Gespräch mit anderen Menschen.
Ob Angsthaben anders ist mit Gott – das weiß ich nicht – ich kenne es ja nicht anders. Aber ich würde nie darauf verzichten wollen – auf mein Gebet – für mich, oder für andere, die auch Angst haben.
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Gefühle: Was ist das eigentlich mit ihnen?
Ob in Stuttgart, in Rio oder in Tokyo – überall auf der Welt sehen wir gleich aus, wenn wir uns freuen: wir lächeln. Okay, nicht komplett gleich, aber zumindest ähnlich. Denn wir alle ziehen unsere Mundwinkel nach oben, wenn wir uns freuen.
Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman hat in unterschiedlichen Ländern und Kulturen, sogar im Urwald geforscht. Er ist zu der Erkenntnis gekommen: Wir alle verfügen über sieben Basisemotionen – Wut, Trauer, Überraschung, Angst, Ekel, Verachtung – und eben auch: Freude. Und diese Basisemotionen lösen bei uns allen dieselbe Mimik aus, die jeweils dazu gehört.
Jeder Mensch fühlt also und zeigt seinem Gegenüber, was er fühlt. Aber wenn wir das alle – immerhin acht Milliarden Erdenmenschen – gemein haben, warum versuchen wir so oft, unsere Gefühle zu verstecken?
Klar: In einer Gemeinschaft gehört es dazu, sich und seine Gefühle auch mal zurück zu stellen. Ich kann nicht in jeder Situation rausplatzen mit allem, was mir auf am Herzen liegt. Da hilft uns dann unsere universelle Mimik – und ich meine nicht die große Gefühlsexplosion, sondern die kleinen, feinen Züge und Muskelzuckungen, die mir übers Gesicht huschen, wenn ich etwas fühle. So kann ich an meinem Gegenüber – wenn ich aufmerksam genug bin – genau erkennen, ob er grad wütend oder froh, angeekelt oder einfach nur überrascht ist. Diese spontane, feine Mimik, die können wir laut Ekman auch gar nicht wirklich verstecken.
Und das ist gut und wichtig: Egal woher wir kommen und welche Sprache wir sprechen, wir können mitteilen, wie es uns grad geht. Was für eine wunderbare Fähigkeit von uns Menschen, um – bei all dem Gegeneinander auf dieser Welt – wieder auf einander zu zu rücken.
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Ist ihnen das schon mal passiert: Sie laufen über die Straße und ihnen wird hinterhergepfiffen? Oder sie werden unangenehm lüstern angeschaut? Oder jemand hat ihnen ungefragt sexualisierte Bilder aufs Handy geschickt? All das gehört – neben Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch –zu sexualisierter Gewalt. Zwei Drittel aller deutschen Frauen haben so etwas bereits erlebt[1]. Auch ich.
Aber darüber sprechen tun nur wenige. Warum eigentlich? Wenn etwas so Ungerechtes und Schlimmes passiert, muss das doch angezeigt werden – damit es nicht noch mal passiert. Ich vermute: Weil sich Frauen dafür schämen, Opfer sexualisierter Gewalt zu sein.
Gisele Pelicot sagt: „Die Scham muss die Seite wechseln“ – nicht die Opfer sollen sich schämen, sondern die Täter. Und genau deshalb ging sie mit ihrem Prozess an die Öffentlichkeit: Gisele Pelicot wurde von ihrem Ehemann über zehn Jahre hinweg immer wieder sediert und so anderen Männern im Internet angeboten – zur Vergewaltigung. Ihr Ehemann und 50(!) weitere Männer sind letzten Dezember dafür schuldig gesprochen worden – alle müssen in Haft.
Vermutlich ist keine Strafe genug für diese grausame Tat – und das Trauma wird Gisele Pelicot bleiben – aber es wird noch etwas anderes bleiben: Ihr Mut! Eine mutige Frau, die sich nicht schämt! Pelicot ist diesen harten Weg nicht nur für sich und ihre drei Kinder gegangen – sondern für uns alle. Für eine Gesellschaft, die so etwas nicht mehr duldet. Gegen ein System, das schweigt und wegschaut.
Gisele Pelicot ist eine Heldin unserer Zeit – sie fordert ein, dass es selbstverständlich wird, sich gegen sexualisierte Gewalt zu wehren. Sie fordert ein, was wir dringend brauchen: Eine Gesellschaft, in der wir ALLE – Frauen UND Männer – offen darüber sprechen können. Ohne Scham!
[1]https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/formen-der-gewalt-erkennen-80642
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Unser Kühlschrank ist kaputt. Deshalb muss ein neuer her – und zwar schnell! Im Netz gibt es so viele verlockende Sparangebote – aber stopp, ganz so einfach will ich‘s mir nicht machen. Einen Kühlschrank brauchen wir jeden Tag, der muss schon gut sein. Ein Impulskauf ist also ausgeschlossen! Denn was mir wichtig ist und meinen Alltag derart beeinflusst, das braucht eben Zeit und gute Vorüberlegungen.
Wie mit meinem Kühlschrank werde ich es auch mit meiner nächsten Entscheidung handhaben. Die ist viel wichtiger und reicht viel weiter: Meine Wahlentscheidung. Im Februar steht die Wahl des Bundestags an. Es wird gewählt, wer die nächsten vier Jahre unser Land regiert. Deshalb: Stopp, ganz so einfach will ich‘s mir nicht machen. Ich will mich nicht von reißerischen Schlagzeilen im Netz locken lassen; will mich nicht von hohlen Versprechungen lenken lassen. Ich schau mir genau an, was die Parteien planen und ihre Kandidatinnen versprechen. Ich will auf keinen Fall eine Impulswahl! Keine Wahl aus Wut, Zorn oder Trotz heraus. Deshalb überlege ich mir gut: Was ist mir besonders wichtig für unser Land? Ich erwarte als Bürgerin Deutschlands, dass die Politik die vielen unterschiedlichen Menshcen zusammenhält; als Mutter erwarte ich, dass an Nachhaltigkeit und Bildung gedacht wird; und als Christin ist es mir wichtig, dass besonders die in den Blick genommen werden, die unsere Hilfe brauchen. Ich informiere mich genau, welche Partei sich für diese Punkte engagiert. Ich lasse mir für diese Entscheidung Zeit – sehr bewusst sehr viel mehr Zeit als für meine Kühlschrankentscheidung. Alles andere wäre absurd. Denn hier gilt ganz besonders: „Was mir wichtig ist und meinen Alltag derart beeinflusst, das braucht eben Zeit und gute Vorüberlegungen.“
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„Wenn Sie 1,60 Meter groß sind, werden sie eher nicht Chef – egal wie viel sie leisten.“ Das behauptet der Soziologe Michael Hartmann in einem Zeitungsinterview.
Ich find’ das ganz schön hart. Die Körpergröße soll für einen Job wichtiger sein als das, was ich kann?! Leider ist das laut Hartmann so: Dass Körpergröße, Herkunft und Geschlecht Ausschlag geben, ob ich Chef werde oder nicht. Egal wie viel ich kann und leiste, am Ende sticht „groß – männlich – wohlhabend“ einfach alles.
Grund dafür: Die Top-Leitungsjobs Deutschlands werden von der erfolgreichen Oberschicht besetzt – und die suchen eben nach Ihresgleichen: Groß, männlich, aus dem Bildungsbürgertum. Auf Augenhöhe – aber nur dann, wenn man sich ähnlich ist.
Mich ärgert das: Jobs sollten doch an die vergeben werden, die’s am meisten draufhaben. Zum Beispiel die Chefin in meiner Apotheke: Die hat den Laden echt im Griff, auch wenn sie kein Vitamin B hat und weiblich ist. Oder meine Freundin, die aus einer Arbeiterfamilie kommt. Jetzt hat sie volle Personalverantwortung und weiß genau, was ihre Ziele sind.
Warum also nicht Platz machen für die, die es wirklich draufhaben?
Zumindest ist das meine Wunschvorstellung und mein christliches Bild von Gesellschaft: Dass alle die Chance auf gute Jobs haben. Weil wir alle – unabhängig von Herkunft und Aussehen – gleich viel wert sind.
Auf Augenhöhe bedeutet dann nicht mehr: Sich ähnlich sein. Auf Augenhöhe bedeutet: Alle sehen, wirklich alle! Und zwar jetzt erst recht!
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Tränen sind ja oft ganz leise. Aber der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel erzählt von zwei Tränen, die ganz anders sind. Sie sind laut. Ohrenbetäubend laut.
In einer Rede erzählt Elie Wiesel eine jüdische Geschichte. Sie handelt davon, dass es dem Volk Gottes schlecht geht, alle leiden. Und als Gott das sieht, muss er weinen. Er weint zwei Tränen; die beiden Tränen fallen in den Ozean. Dabei machen sie einen solch ohrenbetäubenden Lärm, dass die Menschen es vom einen Ende der Welt bis zum anderen hören.
Elie Wiesel verbindet diese Geschichte mit dem, was er im Holocaust erleben musste: „Vielleicht hat Gott mehr als zwei Tränen vergossen, als er die Tragödie seines Volkes in unserem Jahrhundert erblickte. Doch aus Feigheit haben die Menschen sich die Ohren zugehalten.“
Das Leid der Menschen in den Konzentrationslagern muss unendlich und unerträglich gewesen sein. Ich kann die Bilder aus dieser Zeit immer noch kaum aushalten Es ist furchtbar zu sehen, dass da etwas passiert ist, was schlimmer, grausamer und ungerechter nicht sein kann. Wie konnten die Menschen damals weghören? Wie konnten sie diesen schrillen und tosenden Lärm ausblenden? Elie Wiesel sagt, die Menschen waren feige – zu feige, um hinzuschauen und sich berühren zu lassen.
Bin ich auch feige? Bei den ganzen Nachrichten halte ich auch oft die Ohren zu. Denn es ist einfacher den Lärm auszublenden, den sie ja eigentlich in mir drin machen. Aber – Elie Wiesel hat Recht - es ist feige. Und der Preis für diese Feigheit: Menschenleben.
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Ein junger Mann fährt mit dem Fahrrad durch die Berge Pakistans. Und ein anderer ist zu Fuß und ohne Geld von Bayern nach Bali unterwegs. Von ihnen gibt es ganz viele: Weltenbummler, die ihre Erfahrungen auf Instagram teilen. Sie entdecken die Welt, leben spartanisch und lernen dabei viel über andere Länder und sich selbst kennen. Bewundernswert! Ich bin schon ein bisschen neidisch, was diese Weltenbummler da erleben. Einer von ihnen sagt in einem Insta-Video: „Nutzt euer Privileg zu reisen – oder bestellt euch mal was anderes als die Nummer 23 im Restaurant.“
Ich fühle mich ertappt. Ja, ich mach das! Ich bestelle mir bei meinem Lieblingsvietnamesen um die Ecke immer Nummer 18. Wirklich immer. Ist das okay? Koste ich mein Leben genügend aus? Oder wäre da noch so viel mehr, was ich ausprobieren sollte?
Ganz bestimmt gibt es da noch so viel mehr! Aber die Frage ist doch erst einmal: Was ist mir wirklich wichtig? Ist es die Reise um die Welt, die Karriere oder ein verlässliches Zuhause, in dem sich alle wohl fühlen? Bestimmt lassen sich einige Träume kombinieren, aber am Ende muss ich mich entscheiden. Für das, was mir wirklich wichtig ist. Und ehrlich, ich darf mich entscheiden, und brauch mich von niemandem verunsichern lassen.
In meinem Fall sind mein großer Traum die Menschen, die mir wertvoll sind. Ich habe das Privileg, solche Menschen in meinem Leben zu haben; die sind alle so unterschiedlich, das macht mich glücklich. Und ich könnte mir ohne sie keinen Tag vorstellen. Auch wenn ich nicht die Welt bereise und mich morgen Abend mein Lieblingsvietnamese fragt: Heute wieder die 18?
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Bauarbeiten, Autos, Straßenbahnen, viele, viele Menschen. So ist es, in der Großstadt zu leben. Es ist laut. Mich stört das gar nicht, hier in Stuttgart. Ich mag das sehr. Und wenn’s dann doch mal zu laut wird, dann gehe ich in den nahegelegenen Wald.
Der Wald ist wahnsinnig ruhig. Und trotzdem: In meinem Kopf bleibt es laut. Dabei höre ich hier keine Autos oder andere Menschen. Höchstens das Knarzen vom Unterholz oder einen Vogel. Was dann laut bleibt: All die Gedanken in meinem Kopf – Alltagsgedanken. Was ich noch alles tun muss. Die To Dos auf der Arbeit muss ich erledigen; die chaotischen Ecken in meiner Wohnung will ich aufräumen; und immer steht irgendein Anruf oder ein Gespräch mit jemandem aus. In solchen Momenten erwarte ich so viel von mir, und andere natürlich auch. Das macht mir Druck. Dann wird schnell mal alles zu laut. Da hilft selbst das Laufen im ruhigen Wald nicht mehr. In solchen Momenten wünsche ich mir so eine „nicht stören“ Funktion, wie auf meinem Handy – für all den Lärm in meinem Kopf.
Diese „nicht stören“ Funktion gibt es natürlich nicht für meinen Kopf. Aber ich versuche etwas anderes: Ich kann den ganzen Tumult in meinem Kopf leiser werden lassen und dafür etwas anderes lauter: Und das ist Gott. Wenn ich ihm ein bisschen mehr Platz lasse, kann sich das andere sortieren. Manchmal fließen dann Tränen oder ich schreibe Gedanken auf. Oder ich spreche ein Gebet in meinen Gedanken – bittend, hoffend oder auch vorwurfsvoll. Und dann wird es ruhig. In meinem Kopf.
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Der Spruch, der jetzt kommt, ist ganz nett – aber Hand aufs Herz: Der ist ne dreiste Lüge: „Wenn ich alt bin, dann möchte ich nicht jung aussehen, sondern glücklich.“
Natürlich wollen alle glücklich sein, aber ehrlich: ich will auch jung aussehen! Mir wäre es echt lieber, wenn ich etwas jünger und frischer morgens aus dem Bett performe.
Aber das Leben hinterlässt eben Spuren. Aber zum Glück auch schöne. Ich muss sofort an meinen Vater denken; der hat nämlich ganz viele, kleine Lachfalten um seine Augen rum. Und die verraten viel über ihn und wie er so drauf ist: Er ist total humorvoll, am liebsten lacht er über sich selbst. Ich freue mich immer über seine Lachfalten, wenn ich in sein Gesicht schaue. Dann sehe ich: Mein Vater ist glücklich.
Aber dort entdecke ich natürlich auch Sorgenfalten; die verraten, wie viele Gedanken er sich schon gemacht hat. Sein Job, die Kinder, schlimme Verluste oder Streit – so was beschäftigt ihn. Auch das hinterlässt Spuren.
Zu meinem Vater gehören die Lachfalten, genauso wie die Sorgenfalten. Jeden Tag wird er älter – so wie ich. Und ich bin mir sicher, dass auch er manchmal morgens lieber etwas frischer aus dem Bett performen würde. Aber wenn die Spuren an unserm Körper bedeuten, dass ich in vollen Zügen lebe – mit allem was dazu gehört – dann wandle ich diesen Spruch einfach ab. Und sage: „Wenn ich alt bin, dann will ich nicht jung oder glücklich aussehen, sondern erfüllt. Erfüllt vom Leben.“
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„Ich habe ein riesengroßes Loch im Bauch“ – das sagt mir meine Freundin Leonie. Unter ganz vielen Tränen. Immer wieder. Sie fühlt es ganz genau; sie hat da ein Loch im Bauch, aber nicht weil sie Hunger hat; sie hat ihr ungeborenes Kind in der zehnten Schwangerschaftswoche verloren. Ich bin sprachlos. Und auch ich muss weinen.
Was danach kommt, habe ich nicht ansatzweise geahnt: Viele geben Leonie „Ratschläge“. Ungefragt bekommt sie Tipps und Kommentare. Fehlgeburt – bisher ein Tabuthema – wird für sie nun – ungewollt – ein Dauerthema.
Völlig verletzend, Sätze wie: „Das ist ganz normal, jede dritte Schwangerschaft bricht ab.“
Oder völlig übergriffig, Sätze wie: „Du musst das positiv sehen, jetzt weißt du, dass du schwanger werden kannst. Das nächste Mal klappt es. Sei nicht traurig.“
Das ist so unfair. Denn es tut meiner Freundin und ihrer Trauer gar nicht gut. Denn all die Sätze versuchen, ihre Trauer und ihren Schmerz zu bewerten, klein zu reden, weg zu machen, oder mit leeren Hoffnungen zu füllen. Dabei geht es doch erstmal darum: Meine Freundin hat ein Loch im Bauch. Das ist da. Und das gilt es nun nicht einfach zu füllen. Sondern zu heilen. Leonie braucht dafür ihre Zeit. Und das muss dringend respektiert werden. Sie soll dafür nicht kämpfen müssen, nicht dafür, dass sie auf ihre Weise trauern kann. Wie sie das tut, wie lange sie braucht, das kann nur sie selbst rausfinden.
Egal wie groß oder klein die Trauer von Leonie ist – wie traurig oder gar nicht traurig sie sich fühlt. Wie auch immer sie damit umgeht – das alles ist so wie es ist gut und richtig.
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