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SWR Kultur Wort zum Tag
Über theologische Fragen hat sich Karl Barth intensiv mit seiner Assistentin Charlotte von Kirschbaum ausgetauscht. Im Gespräch über ein Leben nach dem Tod soll sie einmal gesagt haben: „Dann sehen wir alle unsere Lieben dort wieder.“ Worauf Karl Barth geantwortet hat: „Ja, und alle anderen auch!“
Es ist eine dieser typischen Karl Barth Antworten: In trockenem Ton bringt er die Dinge ganz kurz und sachlich auf den Punkt. Und zeigt gleichzeitig die Dimensionen eines Sachverhalts in seiner ganzen Tiefe.
Klar: Wenn ich mir das ewige Leben ausmale, dann denke auch ich zunächst an liebe Menschen, die ich verloren habe, an meine Großeltern, meine Schwägerin, meinen Vater, einen guten Freund. Sie zu verlieren, hat sehr weh getan und auch jetzt noch drückt mich der Schmerz über ihren Verlust. Aber wenn ich mir vorstelle, dass wir uns alle einmal wieder sehen, ist das ein Trost, der mir hilft.
Mein Glaube öffnet die Möglichkeit neuer Begegnungen. Beziehungen können wieder aufgenommen werden. Der Tod ist nicht das Ende. Die Bibel spricht von einem Leben ohne Leid und Schmerz. Ganz geborgen in der Ewigkeit Gottes.
Und dann kommt da einer her, grätscht mir in diesen Traum und behauptet, das sei leider nur die eine Hälfte der Wahrheit. Der anderen muss ich mich aber auch stellen: In der Ewigkeit treffe ich auch die wieder, mit denen ich so gar nicht konnte, und die ich eigentlich nie mehr wiedersehen will. Und vielleicht dennoch sehen werde.
Weil nicht ich darüber bestimme. Und weil bei Gott mal wieder alles ganz anders ist, als ich mir das so denke oder wünsche. Das ist schon eine harte Züchtigung meiner so schön ausgemalten Glaubensvorstellung in der Welt da drüben. Dass mir da so mancher begegnen wird, den ich nur als Rüpel, Egoisten und Narzissten, als rücksichtslosen Spalter oder Schnorrer wahrgenommen habe, dem aber Gott, aus welchen Gründen auch immer, die Türe öffnet.
Nun kann es aber durchaus sein, dass ich von anderen, und vielleicht nicht nur in manchen Momenten, umgekehrt eben auch genauso wahrgenommen werde. Was dann? - Dann könnte dieser Gott allen Vorbehalten von anderen zum Trotz auch mir die Türe öffnen. Und ich wäre dabei. Wie alle anderen auch: Erlöst. Begnadigt. Von Gott gesehen. Aufgerichtet. Geheilt. Geborgen.
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Eine Weile sind wir schweigend nebeneinander hergelaufen. Vom Grab im Friedwald zurück zum Parkplatz. Ich kenne den Mann nicht. Die Segensworte klingen noch nach, die ich bei der Bestattung gesprochen habe. Dann unterbricht er die Stille und stellt mir diese Frage: „Glauben Sie an ein ewiges Leben nach dem Tod?“ Ich bin ein bisschen überrumpelt und antworte schnell:
„Ja“, und: „Natürlich weiß ich nicht, wie es dann sein wird. Aber der zentrale Gedanke für mich ist, dass das Leben weiter geht, es ein neues, anderes Leben gibt, wie auch immer, und zwar in der unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott.“
Ich merke, meine Antwort ist genauso holprig, wie der Weg, den wir gerade gehen. Und prompt kommt die Nachfrage: „Damit kann ich noch nicht so viel anfangen. Wie ist das zu verstehen?“ fragt mich mein Wegbegleiter.
„Zunächst einmal“, sage ich, „heißt das für mich, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Und dass der Tod nicht die letzte Macht ist. Ja, wir Menschen müssen sterben. Aber Gott ist auch über den Tod auf dieser Erde hinaus für uns da. Und das Leben bei ihm ist voller Geborgenheit, kein Leid, keine Sorgen, es herrscht Frieden und alle sehen sich eines Tages bei ihm wieder. Die großen, biblischen Bilder erzählen genau davon: dass Gott dann alle Tränen abwischen wird, dass alle Völker, alle Menschen gemeinsam im Frieden vereint am Tisch sitzen und miteinander Mahl halten.“ Ob ihn die kleine Ansprache überzeugt? Oder wenigstens das Gespräch nicht abreißen lässt?
Er meint, das komme ihm wie eine Vertröstung ins Jenseits vor und dass das alles doch keine wirkliche Relevanz habe.
„Ich weiß nicht“, meine ich, „für mich sind das starke Bilder, die mir Hoffnung geben, in meinem Leben jetzt, und auch im Blick auf all das, was in dieser Welt ungelöst, leidvoll, konfliktträchtig bleibt. Sie motivieren mich auch, etwas zu verändern. Weil mein Glaube und meine Hoffnung über diese Welt hinausgehen.“
So sind wir miteinander unterwegs gewesen. Den kurzen Weg vom Grab zurück ins Leben. Am Parkplatz angekommen, hat er sich bei mir bedankt und gesagt, dass er bis jetzt mit niemand so richtig darüber habe sprechen können. Das habe ihm gutgetan. Ob er das auch so glauben kann, weiß er nicht. Aber dass es möglich sein könnte, das nehme er für sich mit, und wolle weiter darüber nachdenken.
Auch ich sinne immer wieder darüber nach. Die Fragen bleiben. Auch für mich. Aber der Glaube und die Hoffnung auch.
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„Der „Wenn“ und der „Hätt“ henn noch nie was g´hätt.“ Das hat mein Großvater immer zu mir gesagt, wenn ich mir als Kind zum Beispiel vorgestellt habe, wie es wäre, wenn ich einmal richtig reich wäre und ganz viel Geld hätte. Ich habe mir ausgemalt, wie es wäre, wenn mein Kinderzimmer voller Spielsachen, Comics, Malsachen, Legobausteine und Märklin-Eisenbahnzüge wäre.
Oder ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich in allen Fächern, besonders in Mathe, Physik, Chemie und Biologie, spielend leicht die besten Noten bekommen würde. Einfach so.
In meinem späteren Leben habe ich gemerkt, wie recht mein Großvater mit diesem Satz gehabt hat: „Der „Wenn“ und der „Hätt“ henn noch nie was g´hätt.“ Denn Geld habe ich immer nur so viel gehabt, wie ich mir mit meiner Arbeit eben verdient habe. Und gute Noten habe ich immer dann bekommen, wenn ich auch gelernt habe. Dass mir das in den Naturwissenschaften erheblich weniger gelungen ist, war eben so. Dafür war ich in anderen Fächern umso besser. Zum Beispiel in Religion.
Man kann sich viel wünschen und vorstellen, was alles anders wäre, wenn man mehr Geld hätte, schlauer wäre, wenn man dieses oder jenes anders gemacht hätte, wenn die Menschen besser wären, ja, wenn die ganze Welt eine andere wäre.
Aber im wirklichen Leben zählt nur, was jetzt gerade ist oder eben nicht ist. Die Aufgabe ist, damit umzugehen und das Beste daraus zu machen.
Das kann im einen Fall heißen, sich auf den Hosenboden zu setzen und seine Arbeit zu machen. Es kann aber auch heißen, sich darin zu üben, vielleicht doch zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Was einem an Gutem und Schönem widerfahren ist. In schönen Stunden mit Freunden, im Zusammenhalten als Familie, im Blick auf das, was man im Leben erreicht hat. Auch wenn da noch Träume und Wünsche sind, die gerne in Erfüllung gehen können.
Manchmal geht es aber auch gerade im Gegenteil darum, alles daran zu setzen, damit die Dinge, die Menschen, die Welt sich ändern. Von alleine geschieht das nicht. Ich muss etwas dafür tun, wenn ich will, dass dieses oder jenes besser wäre. Sei es für mich, für andere oder für die Welt.
Das Tun wie das Lassen fällt mir manchmal schwer. Aber mein Glaube hilft mir dabei. Weil ich fest darauf vertraue, dass mir Gott die Kraft dazu gibt. Das eine Mal, dass ich etwas so sein lassen kann, wie es nun mal ist. Das andere Mal, dass ich alles dafür tue, bis ich wirklich etwas erreicht habe. Mein Großvater hätte bestimmt seine helle Freude daran.
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Ein neues Jahr hat begonnen, und mit ihm die Möglichkeit, frische Vorsätze zu fassen und neue Wege zu gehen. In diesem Jahr möchte ich die Jahreslosung (1. Thess 5,21) als Leitfaden nehmen für mein Tun und Lassen: „Prüft alles und behaltet das Gute!“.
Ich glaube, der Satz kann mir helfen, meine Prioritäten neu zu ordnen. „Prüft alles“ – diese Aufforderung erinnert mich daran, kritisch zu sein und nicht einfach alles hinzunehmen, was mir begegnet. Der Apostel Paulus hat diesen Satz damals zu Menschen gesagt, die mit vielen unterschiedlichen Lehren, Einflüssen und Herausforderungen konfrontiert waren. Auch ich stehe heute vor einer Fülle von Informationen, Meinungen und Wünschen. Oft fühle ich mich überfordert, und es fällt mir schwer, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.
Das Prüfen bedeutet nicht, alles zu verwerfen, sondern bewusst zu filtern. Es erfordert Zeit, Achtsamkeit und innere Klarheit. Der Vers ermutigt mich, aktiv an mir und meinem Glauben zu arbeiten. In der Stille und im Gebet kann ich die Dinge meines Lebens, die Werte und Überzeugungen, die sozialen Medien oder auch meine täglichen Entscheidungen prüfen: Was stärkt meinen Glauben? Was fördert meine Beziehung zu anderen? Was bringt Licht in mein Leben und das Leben meiner Mitmenschen? Dabei geht es auch darum, Gottvertrauen zu haben.
„Prüft alles - und behaltet das Gute!“ – Der zweite Teil der Jahreslosung gefällt mir fast noch besser. Denn er ist eine wunderbare Einladung, Gutes zu sehen, zu bewahren und zu schätzen. Welche guten Dinge habe ich im vergangenen Jahr erlebt? Was war schön? Welche Segnungen haben mich berührt? Auch in diesem Jahr möchte ich diese Momente festhalten und als positive Erfahrungen in kommende Zeiten mitnehmen.
Damit ist auch ein konkreter Vorsatz verbunden: Es wäre gut, wenn ich mir regelmäßig Zeit nehme, um zu reflektieren: Was ist gut in meinem Leben? Was bringt Freude und Frieden? In der Hektik des Alltags kann es leicht passieren, dass ich auf das Schlechte und Schwierige fokussiert bin und das Gute übersehe.
Die Jahreslosung ermutigt mich, aktiv an mir und meinem Glauben zu arbeiten. Es erfordert Mut, Altes loszulassen und Neues zu begrüßen. Wenn ich alles prüfe und das Gute behalte, gestalte ich mein Leben bewusster und intensiver. Ich werde es prüfen. Auf Herz und Nieren. Das wäre doch eine gute Sache.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41205SWR Kultur Wort zum Tag
Suchen. Finden. Weitergehen. Drei Worte. Sie beschreiben für mich den Weg der drei Weisen aus dem Morgenland. Auch Magier und Könige werden sie genannt. Der Dreikönigstag, heute am 6. Januar, erinnert an sie.
Am Anfang steht das Suchen. Mit weiten Augen. Und schweifendem Blick. Am Himmel. Nach Sternen und Konstellationen, die neue Deutungshorizonte eröffnen. Für die Welt. Und das eigene Leben auch. Im Anblick eines hell aufleuchtenden Sterns. Mitten in der Dunkelheit der Nacht.
Auch ich bin auf der Suche. Immer wieder. Und immer wieder neu. Nach dem Sinn oder Unsinn meines Lebens. Nach Deutungsmöglichkeiten für diese Welt und das, was in ihr geschieht. Oder gerade auch nicht geschieht. Manchmal liege ich nachts wach darüber. Suche unter den Sternen nach einem Fixstern der Hoffnung. Frage nach Gott. Suche ihn. Und das Licht seiner Gegenwart in der Welt.
Diese Weisen müssen besondere Menschen gewesen sein. Sie bleiben dran. Machen sich sogar auf den Weg in ein fernes Land. Um einer Verheißung zu folgen. So bilden sie eine Suchgemeinschaft. Auf dem Weg zu neuer Hoffnung. Zu neuem Glauben. Zu neuem Trost und neuer Zuversicht. Für die Welt. Und für das eigene Leben auch.
Ich wünsche mir das ebenso: Dass ich neue Hoffnung schöpfen kann in einer manchmal hoffnungslos scheinenden Welt. In der die schlimmen Nachrichten über Katastrophen, Krieg, Leid und Not manchmal kein Ende mehr zu nehmen scheinen. Ich wünsche mir Trost in trostloser Zeit. Wenn Menschen Probleme und Krisen nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander lösen wollen. Und ich wünsche mir auch, dass mein Glaube wieder Kraft gewinnt. Und ich meine Kleingläubigkeit überwinden kann.
Die Weisen finden ein kleines, neugeborenes Kind. Ganz und gar armselig ist es, bedürftig und schutzlos. Und doch sehen sie genau in diesem Kind etwas Besonderes. Die Erfüllung einer Verheißung. Dass Gott in diesem Kind gegenwärtig ist. Dass er mit diesem Menschenkind ist, mitten in dieser Welt. Mit seiner ganzen Liebe. Uns Menschen, in unserer Bedürftigkeit und Schutzlosigkeit, ganz nah.
Ich erinnere mich an den Besuch in einer diakonischen Einrichtung während meines Zivildienstes, bei dem wir den Nachmittag mit einer Gruppe verbracht haben, in der auch ein Junge mit Downsyndrom war. Es war unglaublich, mit welcher Warmherzigkeit, Offenheit, Freundlichkeit und Lebensfreude er mir und allen Teilnehmenden begegnet ist. Er war ein ganz besonderer Mensch, der alle sofort in sein Herz geschlossen hat und umgekehrt auch. Diese Begegnung ist für mich in gewisser Weise zu einem Glaubensmoment geworden. Noch heute habe ich sein Lachen und seine Warmherzigkeit in mir.
In Bethlehem, erzählt die Bibel, gehen die Weisen bald wieder weiter. Zurück in ihre Heimat. Aber ihr Horizont hat sich verändert. Für die Welt. Und in ihrem eigenen Leben auch. Getragen von neuer Hoffnung. Neuem Trost. Neuer Zuversicht. Und Glauben. Darum erzählt die Bibel auch ihre Geschichte. Es sind Glaubensgeschichten, die mit der Geburt Jesu beginnen. Von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und gesellschaftlichem Rang. Menschen, die durch die Begegnung mit diesem kleinen Kind die Welt und ihr Leben in einem anderen Licht sehen.
Suchen. Finden. Weitergehen. Drei Worte, die auch meinen Weg im Glauben beschreiben. Denn so wie die Welt sich verändert, verändere auch ich mich. Und mit anderen Lebenssituationen kommen andere, neue Fragen. Ich glaube, das Suchen hört nie auf. Aber das Finden auch nicht. Weil Gott sich immer wieder anders zeigt. Oft genug stelle ich auch erst in der Rückschau fest, dass es ein Segen war, dass dieses oder jenes so gekommen ist. Und um das zu erfahren, braucht es das Weitergehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41204SWR Kultur Wort zum Tag
Zu Gast im Simotec-Kochwerk in Kaiserslautern: Ich stehe an der Hygieneschleuse und ich bekomme gezeigt, wie die Arbeitsaufteilungen zwischen den Mitarbeitenden und die Abläufe in der Großküche sind. Die Beschäftigten wissen ganz genau, was wann wie zu tun ist. Und sind mit sichtbarer Freude an der Arbeit. Ich erfahre: die Angebotspalette ist vielfältig und groß. 5.100 Essen werden hier jeden Tag zubereitet. Für Kindertagesstätten, Schulen, Firmen oder Wohnheime. Dazu wechselnde Tagesmenüs fürs Bistro und Lieferando-Service, frisch zubereitete Bowls und Aktionsgerichte. Und ich sehe mit wie viel Sorgfalt, Freude und Liebe hier geschnippelt, gekocht und gebraten wird.
Heute gibt es unter anderem den Klassiker Schweineschnitzel mit Rahmsoße und Salat. Zum Mittagessen entscheide ich mich für eine Kanarische Bowl mit Blattsalat, Quinoa, Paprika, Zwiebel, Gurke, Mango, Feta Schafskäse, Oliven und Tomaten. Und bin begeistert. Mmh! Wirklich lecker.
Im Kochwerk, einer Einrichtung des ökumenischen Gemeinschaftswerks Pfalz, werden gezielt Menschen mit Unterstützungsbedarf beschäftigt, aber auch betreut und gefördert.
Im Ausgabelager wird mir deutlich, welchen großen Wert solch ein Inklusionsbetrieb haben kann. Nicht nur für die Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind und sonst kaum Arbeit finden würden. Sondern auch für den Betrieb selbst. Der Betriebsleiter zeigt auf die dort gelagerten Boxen mit verschiedenen Essensportionen und erklärt mir, dass es bei der Auslieferung verständlicherweise darauf ankommt, dass die Anzahl der Portionen ganz genau stimmt. Er persönlich würde sagen, es sind so um die hundert. Aber der für diesen Bereich zuständige Mitarbeiter weiß mit hunderprozentiger Sicherheit, dass ganz genau 98 Portionen zur Auslieferung bereitstehen. Und er fügt hinzu: vielen Menschen mit Beeinträchtigung fällt es nämlich schwer, Dinge im Ungefähren zu lassen. Und genau diese Fähigkeit, die brauchen wir hier.
Ich bin beeindruckt. Ich habe nicht gewusst, welche Kompetenzen Menschen mit Beeinträchtigung mitbringen können! Und mit was für einer Freude sie bei der Arbeit sein können. Wie hilfreich sie für einen Betrieb sind, der sich die Mühe macht, sie in Einsatzmöglichkeiten und Abläufen passgenau einzubinden. Es sollte noch viel selbstverständlicher werden, dass Menschen mit ihren Kompetenzen und Bedürfnissen gute Arbeitsplätze finden.
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„Das Leben ist einfach zu kurz für später“, erklärt mir ein Bekannter. Ich habe mich erstaunt gezeigt, dass er schon wieder mit seiner Frau übers Wochenende einen Kurztripp macht. Begeistert hatte er mir gerade erst von einer Reise nach Hamburg vorgeschwärmt, dem eindrucksvollen Besuch des Musicals König der Löwen, der guten Unterkunft, dem Hamburger Michel mit der wunderschönen Kirche und dem tollen Blick über die Stadt und wie gut es ihm getan hat, einfach mal rauszusein aus dem sonst so stressigen und nervigen Alltag. Jetzt geht es zum Wandern in die Alpen. Mit der einfachen Begründung: „Das Leben ist einfach zu kurz für später“.
Recht hat er, denke ich. Den Satz merke ich mir. Viel zu oft verschiebe ich Dinge, die ich machen will, auf später, weil anderes jetzt vermeintlich wichtiger ist oder ich mir schlichtweg die Zeit dafür nehmen lasse. Und allzuoft geschieht es dann, dass ich das, was ich verschoben habe, gar nicht mehr mache. Und auch nicht mehr machen kann, weil es dann einfach zu spät gewesen ist. Viel zu oft lasse ich mich vom Alltag gefangen nehmen und vergesse, worauf es eigentlich ankommt: Das Leben auch wirklich zu leben.
Diese Erkenntnis findet sich übrigens schon in der Bibel in einer Sammlung von weisheitlichen Sprüchen eines unbekannten Predigers im Alten Testament. Der ist sich ganz offensichtlich der Kürze des Lebens bewusst. Und weiß, wie sehr es darauf ankommt, wie man sein Leben lebt. Dafür hat er ganz konkrete Ratschläge und Tipps. Zum Beispiel: „Auf, iss mit Freuden dein Brot und trinke fröhlich deinen Wein!... Genieße das Leben mit einem Menschen, den du liebst! So verbringe alle Tage deines vergänglichen Lebens, die Gott dir unter der Sonne schenkt.“ (Prediger 9,7ff [1]).
Das doch ein ziemlich eindeutiger Rat. Lebe das Leben. Sei fröhlich und genieße es. Nicht erst morgen. Heute. Das heißt ja nicht, dass jeder Tag nun voll gestopft werden muss, mit allem, was nur irgendwie geht. Wie bei jedem Übermaß würde sich der Genuss wohl schnell in Verdruss wandeln. Gerade beim Genießen ist weniger oft mehr. Und außerdem kann der größte Genuss manchmal auch gerade in Ruhe und Stille oder Nichtstun bestehen!
Genieße dein Leben! In jedem Fall, sagt der Prediger. Das ist auch dein Dankeschön an Gott, der dir dieses Leben geschenkt hat. Also nutze die Zeit, die dir anvertraut ist. Oder wie mein Bekannter sagt, der auch einen guten Prediger abgegeben hätte: Das Leben ist einfach zu kurz für später!
[1] Originaltext: Genieße das Leben mit einer Frau, die du liebst!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40754SWR Kultur Wort zum Tag
Wo ist denn an diesen Schuhen das andere Ende des Schnürsenkels? Mit großem Interesse betrachte ich die Schuhe meines Sitznachbarn. Ich sitze im Gottesdienst der Böhmischen Brüder in Prag. Der wird auf Tschechisch gefeiert, und ich verstehe kein Wort. So kommt es, dass ich abschweife und mich das Schuhwerk meines Sitznachbarn mehr fesselt als die Predigt. Denn mir fällt sofort auf, dass diese Schuhe völlig anders gebunden sind, als ich es gewohnt bin.
Meine Schuhe sind so gebunden, dass oben an den letzten Löchern die beiden Enden des Schnürsenkels herauskommen und dann mit einer Schlaufe zu einem Knoten zusammen gebunden werden.
Hier ist es völlig anders. Da ist links unten, außen am 1. Loch, ein Knoten sichtbar, der offensichtlich verhindert, dass das Ende durch das Loch rutscht, wenn man oben dran zieht. Im weiteren Verlauf ist der Schnürsenkel dann ordentlich und symmetrisch von Loch zu Loch durchgezogen. Und verbindet auch die beiden letzten Löcher oben am Fuß. Allerdings fehlt das zweite Ende. Es muss noch irgendwo im Schuh sein. Lose und unverbunden. Und scheint doch irgendwie Fuß und Schuh beieinander zu halten.
Vielleicht war es ja doch kein Zufall, dass ich ausgerechnet bei den Schnürsenkeln meines Nachbarn gelandet bin, denke ich jetzt. Denn Glaube und Religion haben etwas mit Gebundenheit zu tun. Ziemlich viel sogar. Der Ursprung des Wortes Religion liegt im lateinischen religere und heißt auf Deutsch zurückbinden. In der Religion und im Glauben geht es also um die Rückbindung des Menschen an Gott. Und im Protestantismus ist diese Bindung verbunden mit einer großen Freiheit. Denn mein persönlicher Glaube ist nicht gebunden an die Lehrmeinung einer Kirche, sondern einzig und allein an mein Gewissen. Das ist und bliebt doch eine großartige Sache. Aber auch eine Herausforderung. Und Verantwortung. Darum hat Martin Luther die christliche Freiheit auch als eine doppelte definiert: Persönlich bin ich völlig frei in dieser Welt. Aber meine Freiheit ist und bleibt auch immer gebunden an meine Mitmenschen.
Auch wenn ich in diesem Gottesdienst sprachlich nichts verstanden habe, war er am Ende für mich doch sehr ertragreich. Eines habe ich im Blick auf den Schnürsenkel meines Nachbarn wieder begriffen: Welch wunderbare Freiheit ich in meinem Glauben habe. Und doch darf ich mich gebunden wissen. Ich rutsche Gott nicht durch. Und vielleicht probier ich diese ausgesprochen protestantische Schnürsenkelbindung mal aus.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40753SWR Kultur Wort zum Tag
Auf einmal hält es niemand mehr auf den Sitzen. Alle stehen auf und beginnen zu tanzen. Bewegen sich rhythmisch im Takt, klatschen mit den Händen. Zuerst noch auf der Stelle. Aber dann verlassen alle nacheinander die Sitzreihen und tanzen in großen Polonaisen durch den Raum. Die Band spielt mit großem Sound, die Sängerin singt mit aller Kraft, in allen Lagen. Jetzt stimmen alle mit ein. Und die ganze Kirche bebt. Halleluja! Halleluja! Amen.
So habe ich den Gottesdienst einer Kirchengemeinde der Presbyterianischen Kirche in Ghana erlebt. Ganz anders als bei uns in Deutschland. Einen Gottesdienst, wie man ihn wohl nur in Afrika erleben kann. Ich staune ein bisschen über mich selbst: Obwohl ich keines der Lieder kenne, werde ich unwillkürlich mitgerissen und singe alle aus vollem Herzen mit. Und dann kommt plötzlich eine Melodie, die kenne ich sogar seit meiner Kindheit: Weißt du wieviel Sternlein stehen. Spätestens jetzt fühle ich mich wie eingemeindet. Fast drei Stunden dauert der Gottesdienst. Eine große Feier im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine Predigt gibt es übrigens auch. Zum Glück reicht mein Englisch, um alles zu verstehen. Der Gemeindepfarrer erzählt vom verlorenen Sohn, der, nachdem er sein Erbe verprasst hat, von seinem Vater voller Freude und mit einem großen Fest wieder aufgenommen wird. Und so ist es auch mit uns und Gott, sagt der Pfarrer. Was auch geschehen ist, was auch immer wir nicht gut hinbekommen haben, er wartet auf uns. Und nimmt uns auf. Voller Freude. Das ist die Botschaft unseres Glaubens. Darum feiern wir Gottesdienst. Als ein großes Fest der Begegnung mit ihm.
Und obwohl ich dieses Gleichnis schon oft gehört habe, verstehe ich zum ersten Mal, wie sich dieses Fest angefühlt haben muss. Ein bisschen so wie dieser Gottesdienst.
Halleluja! Amen! antwortet es aus allen Reihen. Offensichtlich erreichen seine Worte die Herzen der Menschen. Meines auch. Und dann geht das Gottesdienstfest weiter. Mit noch mehr Tanz und Musik. Und vielen Gebeten. Auch für viele namentlich genannte kranke, alte, hilfsbedürftige Menschen. Und am Ende wird auch für uns, die Gäste aus Deutschland gebetet: Dass unsere Erfahrungen hier in Ghana gut sein mögen.
Der Gottesdienst war auch für mich ein großes Fest der Begegnung. Mit großer Fröhlichkeit und inniger Spiritualität. Von Herz zu Herz. Im Namen Gottes. Halleluja! Amen!
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Come on, let´s pray! Kommt, lasst uns beten. Sagen unsere Freunde in Ghana im Bus, als wir nach der Fahrt vom Flughafen in Accra in unserer Unterkunft in Akosombo ankommen. Wir, das sind eine Delegation der Ev. Kirche der Pfalz und Vertreter der Presbyterianischen Partnerkirche von Ghana.
Und nun betet also Reverend Andrew bevor wir aussteigen mit uns noch auf Englisch im Auto: Danke, Gott, dass Du uns auf dieser Autofahrt begleitet hast und wir keinen Unfall hatten. Danke, dass wir dieses Auto haben und dass unser Fahrer uns so gut gefahren hat. Danke, Gott, dass wir uns auf der Fahrt so gut unterhalten und verstanden haben, miteinander erzählt und gelacht haben und einfach eine gute Gemeinschaft miteinander hatten. Sei Du auch bei uns, wenn wir nun aussteigen. Und segne uns für den Rest dieses Tages. Das bitten wir Dich im Namen von Jesus Christus. Amen.
Das war für mich zunächst etwas befremdlich. Und doch hat es mich berührt und bewegt. Diese unmittelbare Hinwendung zu Gott. Laut. Öffentlich. Mitten in einer Alltagssituation. Da wird eine Relevanz von Glauben im Alltag spürbar, die mich beeindruckt. Diese Autofahrt war weder besonders lang noch besonders gefährlich. Und doch für die Menschen aus Ghana Anlass genug für ein unmittelbares Gebet.
Und so habe ich es noch viele Male bei den Begegnungen mit den Christen unserer Partnerkirchengemeinden in Ghana erlebt. Da wird ganz selbstverständlich vor, zu und nach allen möglichen Anlässen gebetet, bei Meetings und Sitzungen, geselligen Treffen, öffentlichen Veranstaltungen, auf der Arbeit, zu Hause oder eben auch im Auto.
Im Laufe des Tages werden so immer wieder alle möglichen Situationen und Erfahrungen unmittelbar mit Gott in Zusammenhang gebracht. Mit großer Fröhlichkeit und Dankbarkeit, mit Zuversicht und Hoffnung. Und das, obwohl es den meisten Menschen in Ghana wirtschaftlich ziemlich schlecht geht, viele am Existenzminimum leben und nicht wissen, wie sie die kommende Woche bestehen sollen. Aber das Beten lässt sie offensichtlich dennoch Dankbarkeit erfahren.
Come on, let´s pray. Kommt, lasst uns beten. Wenn ich mir immer wieder vergegenwärtige, wie vielfältig die Anlässe für Bewahrung und Dankbarkeit im Laufe eines Tages sind: dass meine Autofahrt sicher und fröhlich war, dass ich ein Essen auf dem Tisch habe, das obendrein gut schmeckt, ein Dach über dem Kopf, eine Arbeit, eine Familie, Freunde, Menschen habe, die mich tragen, dann habe ich ein Gegengewicht zu dem, was schwierig und schwer ist im Leben. Und kann mich gehalten wissen. Von den Menschen. Und von Gott.
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