SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

18APR2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor einiger Zeit habe ich wieder einmal alte Familienbilder angeschaut. Bilder mit den Eltern und Großeltern, von früher, als ich noch klein war. Ein Bild zeigt meinen Großvater und mich auf einem Spaziergang. Im Hintergrund erkenne ich die Burgruine Hohenschramberg. Da sind wir oft hin spaziert, wenn wir bei meinen Großeltern in Schramberg zu Besuch waren. Für uns Kinder war es immer ein großes Erlebnis, die alten Mauern zu erklettern, den einen oder anderen Geheimweg zu entdecken oder auch so manches finstre Loch zu erkunden. Und natürlich der fantastische Blick hinab ins Tal.

Als ich dieses Bild angesehen habe, war es sofort wieder da, das Gefühl der Geborgenheit von damals. Mein Großvater und ich auf einem Spaziergang und meine kleine Hand ruht in der seinen. Er hat mich gehalten, ohne mich festzuhalten, und wenn ich etwas entdeckt habe und losgerannt bin, hat er ebenfalls losgelassen und ist langsam hinterher gekommen, um mir zuzuschauen, sich mit mir zu freuen oder mir etwas zu erklären. Und dann sind wir zusammen weiter gegangen, Hand in Hand.

Aufgehoben sein, geborgen sein. Und im richtigen Moment losgelassen zu werden. Beides gehört zum Grundgefüge eines gelingenden Lebens. Wahrscheinlich wird es jeder und jede für sich auf eine andere Art und Weise erfahren und wohl auch anders definieren. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der in seinem Leben nicht auf solche Erfahrungen von Geborgenheit angewiesen wäre. Wir sind angewiesen auf Menschen, auf Orte, an  denen wir uns aufgehoben fühlen. Und wenn wir sie verlieren, gerät unser Leben aus den Fugen. Jeder Umzug, jede Trennung und jede Scheidung, jeder Tod und auch jedes Scheitern rüttelt an diesem Grundgefüge, bringt es ins Wanken und manchmal sogar zum Einstürzen.

Wie gut tut es dann, wenn man Menschen hat, die einem zur Seite sind. Die einen bergen können mit ihrer ganz besonderen Art, da zu sein. Weil sie die Hand halten, ohne festzuhalten. Weil sie mir zuhören, mich in den Arm nehmen, mich trösten. Und mir so, und sei es nur für einen Augenblick, das Gefühl geben, aufgehoben und geborgen zu sein. Gerade dann, wenn etwas im Leben aus den Fugen geraten ist.

Mein Großvater war für mich so ein Mensch. Durch ihn hat Gott mich seine Nähe spüren lassen. Möge Ihnen heute ein solcher Mensch begegnen, und sei es auf einem alten Familienfoto ….

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37492
weiterlesen...