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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Worauf kommt es an beim Schenken? Und worauf beim Beschenktwerden? Eine schöne Antwort habe ich in einer Geschichte gefunden.

Am Abend vor Heilig Abend will ein Vater seine Geschenke für Weihnachten einpacken. Für die Kinder hat seine Frau das schon erledigt. Aber die Geschenke für seine Frau packt er natürlich selber ein. Schmuck hat er für sie ausgesucht und einen Gutschein für ein Essen zu zweit. Und all das will er jetzt schön verpacken. In Goldpapier – das hat er vor ein paar Tagen extra besorgt.

Aber die Rolle Goldpapier ist weg. Der Vater sucht überall. Haben seine Kinder vielleicht…? Er fragt seinen Sohn, dann geht er zu seiner kleinen Tochter. Und tatsächlich – Maja sitzt in ihrem Zimmer mit einem kleinen Rest Goldpapier neben sich. Neben ihr ein großer Karton, ganz in Gold eingekleidet.

„Du kannst doch nicht einfach nehmen, was Dir gerade passt!“, schimpft der Vater. „Das Papier habe ich für Mamas Geschenk gekauft!“ Erschreckt blickt ihn seine fünfjährige Tochter mit großen Augen an. Ärgerlich geht der Vater aus dem Zimmer.

Am nächsten Tag ist das Wohnzimmer schön geschmückt. Viele, liebevoll verpackte Geschenke liegen unter dem Weihnachtsbaum. Als die Familie zur Bescherung schreiten will, läuft Maja hinaus, holt das große in Goldpapier eingeschlagene Paket und legt es unter den Baum. „Für Papa“ steht mit krakeligen Buchstaben darauf.

Der Vater wird verlegen. Jetzt hat er seine Tochter so ange­schimpft wegen des Papiers und sie hat es doch für ihn genommen! Liebevoll streicht er seiner Tochter über das Haar. „Danke, Maja“. Maja strahlt und legt ihm die große Schachtel in den Schoß. Vorsichtig packt der Vater das Paket aus, öffnet den Karton und sieht… - nichts! Die Schachtel ist leer! Voll Ärger schaut er seine kleine Tochter an: „Weißt du nicht, junge Dame, dass etwas in der Verpackung sein sollte, wenn man ein Geschenk macht?“ Mit Tränen in den Augen schaut ihn seine Tochter an: „Aber, Papa. Die Kiste ist doch nicht leer! Ich hab‘ so viele Küsse hineingegeben, bis sie ganz voll war!“

Worauf kommt es beim Schenken an und worauf beim Beschenktwerden? Nicht auf das, was drin ist in der Verpackung – obwohl das auch schön sein kann. Bei einem Geschenk kommt es auf das an, was der Geber unsichtbar für uns mit hineinlegt – auf seine liebevollen Gedanken und Wünsche. Und die sind viel mehr wert, als alles, was sonst noch darin liegt!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Meine Tochter hat in diesem Jahr das Krippenspiel geschrieben. Gerade wird fleißig daran geübt – schließlich ist es nicht mehr lange hin bis Heilig Abend.

Moderner sollte ihr Stück sein als die herkömmlichen Krippenspiele. Ein bisschen anders. Aber trotzdem natürlich die Weihnachtsgeschichte erzählen.

Die Hauptfiguren sind drei Könige, besser gesagt: zwei Königinnen und ein König. Die drei sind auch wesentlich jünger als die Könige, die man sonst kennt. Und auch nicht so weise und vernünftig. Eher ein bisschen verdaddelt und nicht ganz so gewählt in ihrer Ausdrucksweise – halt ein bisschen wie Teenager.

Die Geschenke, die sie für den neugeborenen König mitbringen wollten, die haben diese Könige einfach mal vergessen. Und auch die Karte, die sie brauchen, um den Weg nach Israel zu finden, liegt noch bei einem von ihnen auf dem Schreibtisch in Babylon. Und dabei brauchen sie doch gerade die Karte so nötig, um auch bei Tag reisen zu können. Denn der helle Weihnachtsstern leuchtet ja nicht immer – nicht bei Tag und nicht bei bedecktem Himmel.

Wegen der vergessenen Karte haben die drei Könige tatsächlich Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden. Spät kommen sie in Israel an – zu spät? Zuerst suchen sie den neugeborenen König im Königspalast – wo sonst sollte der mächtige Retter zur Welt kommen?

Aber da ist er nicht! Frustriert wollen die Könige schon die Heimreise antreten, als sie ein paar Hirten treffen. Die sind ganz aufgeregt. Sie haben den neuen König gesehen! In einem Stall ist er geboren worden, erzählen sie, in einer Futterkrippe! Die drei Könige wollen das nicht glauben – der Gottessohn gehört doch nicht in einen ärmlichen Stall!

„Ist doch egal,“ sagen die Hirten. „Ihr kommt sowieso zu spät!“. Und sie behalten recht. Als die drei Könige endlich den ärmlichen Stall erreichen, ist der leer. Enttäuscht und erschöpft stehen die drei da. Gerade wollen sie gehen, als Maria und Josef mit dem Jesuskind auf dem Arm noch einmal zurückkommen – Maria hat ihr Umhängetuch vergessen.

Sie sind doch nicht zu spät gekommen! „Ihr kommt spät, ja! Aber nicht zu spät! Zu Gott kann man nicht zu spät kommen“, sagt Josef ihnen. Und ich finde: Genau das ist die Botschaft der Weihnachtsgeschichte: „Zu Gott kann man nicht zu spät kommen.“ Auch wenn ich in meinem Leben vielleicht mal ganz woanders hin unterwegs bin. Auch wenn ich Gott vielleicht jahrelang aus den Augen verliere. Zu spät bin ich für Gott nie. Er ist für mich da, egal wann ich komme.

Das bedeutet Weihnachten! Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit bis dahin.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Haben Sie Ihre schon aufgestellt? Unsere Weihnachtskrippe steht seit dem 1. Advent. Zuerst nur das Gebäude, der Stall. Und jetzt wird an jedem Tag eine Figur dazugestellt. Als letzte natürlich das Christkind am Heiligen Abend.

Für unsere Kinder ist unsere Krippe so etwas wie ein Adventskalender. Jedes Jahr handeln sie aufs Neue aus, wer anfangen darf mit dem Figurenaufstellen und wer die letzte Figur hinstellen darf. Und dann freuen sie sich gemeinsam über jede neue Figur und über die täglich wachsende Krippenlandschaft.

Wie gut, denke ich jedes Jahr, dass sich die österreichische Kaiserin Maria Theresia damals nicht durchsetzen konnte. Sie hat nämlich im späten 18. Jahrhundert alle Krippen aus den Kirchen ent­fernen lassen. Zu gefühlsduselig, zu wenig vernünftig hat sie diesen Brauch gefunden. Dabei wollen Krippen doch genau das: die Weihnachtsbotschaft verständlich, „begreifbar“ machen.

Natürlich, die Weihnachtskrippen stellen dar, was man in der Bibel über die Geburt Jesu lesen kann. Ob das alles historisch genauso gewesen ist oder ein bisschen anders, das zeigen die Krippen nicht.

Aber darauf kommt es auch gar nicht an. Eine Weihnachtskrippe erzählt die Weihnachts­ge­schichte. Sie erzählt davon, dass Gott selbst als Mensch auf die Welt gekommen ist. Nicht als mächtiger König, nicht in strahlender Rüstung, sondern als hilfloses kleines Kind.

Als Men­schenkind, das sein Leben auf der Erde gelebt hat. Wie wir hat Gott in Jesus Freude und Sorgen erlebt, Lachen und Weinen, Trauer und Todesängste. Seitdem er auf die Welt gekommen ist, gibt es in unserer Welt keinen einzigen Ort mehr, der gottverlassen ist. Gott selbst ist in unserem Leben dabei – in jedem Lachen und in allen Traurigkeiten, in allem, was uns das Leben manchmal schwermacht, sogar im Tod.

Daran erinnert mich Weihnachten. Das machen Weihnachtskrippen „begreifbar“. Deshalb sind sie so wichtig. Und deshalb dürfen Krippen auch ruhig Alltagsszenen zeigen, die nicht in der Bibel vorkommen, dürfen dort auch andere Tiere rumspringen – wie die Mäuse und Katzen in unserer Krippe. Denn das zeigt: Gott ist mitten in unserer Welt. Deshalb hat die Kaiserin Maria Theresia mit ihrem Verbot den Siegeszug der Weihnachtskrippen auch nicht stoppen können. Im Gegenteil: Als sie die Krippen in den Kirchen verbieten ließ, haben die Menschen einfach angefangen, sich eigene Krippen zu bauen und in ihren Wohnzimmern aufzustellen. Und seitdem gibt es Krippen nicht nur in Kirchen oder Museen, sondern genau da, wo Gott sein will: mitten im Leben!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Was ist das Besondere am Menschen? In einer Fabel streiten sich Tiere über diese Frage. Die Elster meint: „Die Menschen wollen alles haben, was glänzt!“ Der Rabe sagt: „Die Menschen sehen alles schwarz.“ Das Faultier sagt: „Die Menschen schaffen einfach zu viel!“ Die Schnecke meint: „Die Menschen sind einfach zu schnell!“ Zum Schluss kommt die Nachtigall herabgeflogen und trällert: „Freunde, seid beruhigt. Die Menschen singen!“

Singen – das ist das Besondere am Menschen, so die Fabel. Und da ist durchaus etwas dran. Denn das Singen zeichnet uns Menschen gegenüber allen anderen Lebewesen aus. Tiere haben immer einen Grund für ihren Gesang: um einen Partner zu finden, um Feinde zu vertreiben, als Ersatz für die Sprache. Menschen singen ohne Zweck. Nur weil Singen schön ist. Und das von Urzeiten an. Der Homo sapiens konnte nach Ansicht vieler Forscher schon singen, bevor er sprechen konnte.

Aber das Besondere beim Singen des Menschen ist noch etwas anderes: Singen macht uns Men­schen glücklich! Egal ob wir allein unter der Dusche oder im Auto trällern und erst recht wenn wir zusammen mit anderen singen! In einer Sendung zum Thema Glück wurde dazu ein Experiment gemacht. Per Zeitungsanzeige wurden „muffelige“ Menschen gesucht: Menschen mit Problemen in der Familie, in der Partnerschaft, Menschen, die sich unglücklich, einsam oder vom Schicksal gebeutelt fühlen. Und aus 36 unglücklichen Menschen wurde ein Chor zusammengestellt.

Einmal wöchentlich hat sich der Chor der Muffeligen in den nächsten Monaten getroffen. Vor und nach den Proben haben die Sängerinnen und Sänger Fragebögen ausgefüllt und Speichelproben abgegeben. Und das Ergebnis: jedem ging es nach der Probe besser– sowohl vom Gefühl her als auch von den Hormonwerten! Denn immer hatte sich der Wert des Wohlfühlhormons Oxytocin deutlich erhöht. Singen macht glücklich, zeigt das: Singen in Gemeinschaft erst recht.

Was ist das Besondere an uns Menschen? Dass Gott uns die Gabe des Singens geschenkt hat, als Heilmittel für verwundete Seelen und als Hilfsmittel, damit wir glücklich durchs Leben gehen können!

Die meisten Mitglieder des Chors der ehemals Muffeligen singen übrigens immer noch – jetzt aber in anderen Chören. Sie möchten das Glück, das aus dem Singen kommt, in ihrem Leben nicht mehr missen.
Vielleicht tut Ihrem Leben ja auch eine Prise Glück gut? Die Chöre in ihrer Umgebung helfen ihnen gerne dazu! Nach den Ferien ist ein guter Zeitpunkt für den Einstieg!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich habe Ihnen für heute Morgen eine Geschichte mitgebracht. Mal sehen, ob Sie darauf kommen, wovon da die Rede ist.

Einmal kam ein Millionär zu einem Architekten: “Bauen sie mir das höchste Haus der Welt“, sagte er. “Geld spielt keine Rolle.“  Der Architekt nickte und sagte erfreut: “Gerne – ich stehe ganz zu ihrer Verfügung!“

Dann erklärte der Millionär dem Architekten seine Wünsche: “Das Haus soll aussehen wie ein hoher, schlanker Turm.“ “Kein Problem!“, antwortete der Architekt.

“Es soll mindestens eintausendfünfhundert Meter hoch sein.“ „Das lässt sich gut machen!“, sagte der Architekt. “Und innen in dem Hochhaus möchte ich Aufzüge haben und alle notwendigen Versorgungsleitungen und Verbindungsgänge.“ “In Ordnung“, sagte der Architekt schon etwas kleinlauter. “Das Haus darf aber nur einen Durchmesser von vier Metern haben!“ Der Architekt notierte das stumm. “Und die Wände dürfen höchstens einen halben Meter dick sein.“ Der Architekt schluckte. Aber die Sonderwünsche des Millionärs waren noch nicht zu Ende: “Mein Hochhaus soll elastisch sein und sich im Wind biegen können“, sagte er. „Und oben in der obersten Etage möchte ich eine Fabrik, die für die Energieversorgung des gesamten Hauses ausreicht.“ Der Architekt wurde blass und lehnte den Auftrag ab.

Die Geschichte vom Millionär und seinem Architekten ist natürlich erfunden – aber so einen Turm, der vierhundert Mal höher ist als sein Durchmesser, den gibt es wirklich. Und das nicht nur als ein­maliges Weltwunder, sondern millionenfach – und wahrscheinlich sogar ganz in Ihrer Nach­barschaft. Auf unseren Feldern!

Ein Getreidehalm ist so ein wunderbarer Turm. Die Wand eines Weizen- oder Roggenhalms ist nur einen halben Millimeter dick, sein Durchmesser beträgt vier Millimeter, seine Höhe rund tausendfünfhundert Millimeter. Der Getreidehalm ist also tatsächlich vierhundert Mal höher als sein Durchmesser. Und trotz seiner Größe steht er aufrecht und biegt sich elastisch im Wind. Und in seinem Inneren gibt es tatsächlich ein Kraftwerk, das fortwährend Wasser, Energie und Nährstoffe transportiert, damit der Getreidehalm ganz oben in der Ähre die Körner produzieren kann.

 „Wie wunderbar sind deine Werke, Gott!“ staunt ein Mensch in den Psalmen der Bibel.
Ich finde: Allein ein Blick auf einen Getreidehalm gibt ihm Recht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Wie kann man sicher sein, dass man bei Gott auf der richtigen Seite ist? Ein Bild aus dem 19. Jahrhundert hat dazu eine interessante Meinung. Vielleicht kennen Sie es  – es heißt „Der breite und der schmale Weg“ und ist in einigen Heimatmuseen in Württemberg zu sehen.[1] Im Internet können Sie es auch anschauen. Ich versuche, es Ihnen mit Worten zu beschreiben.

Auf einem offenen Tor steht groß „Willkommen“. Dahinter beginnt ein breiter Weg, an seinem Rand ein Theater und ein Pavillon, in dem Menschen miteinander feiern und trinken, eine Spiel­hölle und ein Pfandleihhaus. Viele Menschen sind auf dem Weg unterwegs: Friedliche Spazier­gänger, aber auch raufende Kinder sind zu sehen, ein Mord. Der Weg endet in einem Szenario von Krieg, zerstörten Gebäuden und einem Flammeninferno.

Auf der rechten oberen Seite des Bildes sieht es friedlicher aus. Da leuchtet ein Gottesauge neben einer Stadt – dem himmlischen Jerusalem. Zu diesem Ort führt nur ein schmaler Pfad, gesäumt von steilen Abhängen. An seinem Anfang: eine Kirche.

Auch auf dem schmalen Weg sind Menschen unterwegs, aber nur wenige. Kein Wunder: das Eingangstor ist nur schwer zu erkennen. Genau wie die beiden Wegweiser, die auf die Tore zeigen: „Tod und Verderben“ steht auf dem einen, „ewiges Leben“ auf dem anderen.

Wie kann man sicher sein, dass man bei Gott auf der richtigen Seite ist? Das Bild sagt: wenn du den richtigen Weg nimmst und allem Falschen ausweichst, dann kommst Du bei Gott an.

Aber geht das wirklich? Allem Falschen auszuweichen? Mir gelingt das, ehrlich gesagt, nicht. Dann wäre ich also auf dem breiten Weg unterwegs, der ins Unglück führt, denn eine Abzweigung auf den schmalen Weg gibt es auf dem Bild nicht.

Zum Glück zeichnet der Apostel Paulus ein anderes Bild von meinem Weg zu Gott. Paulus sagt: Kein Mensch ist immer auf dem richtigen Weg unterwegs, so sehr er sich auch bemühen mag. Aber Gott lässt ihn trotzdem nicht fallen. Er geht auch die falschen Wege mit. Und er baut für jeden Menschen immer wieder neue Wege, die direkt zu ihm führen.

Ich glaube: auf dem Bild, das Paulus zeichnen würde, gäbe es mehr Wege als nur zwei. Da gäbe es breite Wege und schmale, gerade Wege und Wege mit Verzweigungen und manche Baustelle. Aber keine einzige Einbahnstraße und keine Sackgassen.

Und ein Gottesauge, das über dem ganzen Bild steht: als Überschrift für meinem Weg mit Gott. Denn Gott hat mir versprochen: auch wenn ich mich verirre – zu ihm darf ich immer zurückkehren.



[1] Das Bild wurde von Charlotte Reihlen, der Gründerin der Stuttgarter Diakonissenanstalt, entworfen, 1867 von Conrad Schacher 1867 als Lithographie und war im 19. Jahrhundert in Württemberg stark verbreitet. Vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_breite_und_der_schmale_Weg_Lithographie_im_Rahmen.jpg

 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Sklaverei“ – das Wort erinnert an vergangene Zeiten. An wehmütige Schwarze auf den Baum­wollfeldern in Amerika und ihre Gesänge. Aber Sklaven gibt es auch heute noch!

Ntumbu aus dem Kongo war einer von ihnen. Mit 10 wurde er entführt und als Zwangsarbeiter an eine Erzmine verkauft. Fünf Jahre hat Ntumbu dort geschuftet. Eine Wahl hatte er nicht. Für den Minenbesitzer war er nur eine Maschine, die funktionieren musste.

Eine Studie sagt: Zur Zeit werden 45 Millionen Menschen als Sklaven missbraucht, als Kindersol­daten oder als Zwangsarbeiter in Bordellen, auf Baumwollfeldern oder in Minen. In über 160 Län­dern auf der Welt. Mehr als die Hälfte von ihnen in Indien, China, Bangladesch oder Usbekistan.[1]

Heute wird weltweit an den Sklavenhandel und die Abschaffung der Sklaverei erinnert. Und ich finde: es ist wichtig, dass wir uns erinnern. Denn abgeschafft ist die Sklaverei noch lange nicht.

Aber kann man als Otto-Normal-Verbraucher überhaupt etwas dagegen tun? Das, was in diesen fernen Ländern passiert, hat doch gar nichts mit mir zu tun!

Hatte ich gedacht! Aber ein Selbsttest im Internet hat mich eines Besseren belehrt.[2]  Mit wenigen Klicks konnte ich da mein Einkaufsverhalten eintragen: esse ich häufig Fleisch, wie viele Handys besitze ich, wie viele Kleidungsstücke hängen in meinem Schrank? Und das Ergebnis: Von den 45 Millionen Sklaven auf der Welt arbeiten 35-70 für mich. Wer weiß, wie viele für Sie arbeiten…?

Sklaverei hat etwas mit mir zu tun, hat mir der Test gezeigt. Ich bin ein kleines Rad in der Kette, die von Sklaverei profitiert. Denn Usbekistan ist weit, aber die Baumwolle für die T-Shirts meiner Kinder ist vielleicht genau da geerntet worden – von Kindersklaven. Das Erz Coltan, ohne das mein Handy nicht funktioniert, haben Sklaven im Kongo abgebaut. Und mein Kaffee wurde womöglich von Zwangsarbeitern an der Elfenbeinküste gesammelt.

Das Internetportal zur Sklavenarbeit will mir keine Schuldgefühle machen. Es will etwas tun gegen Sklaverei. Es will Unternehmen dazu verpflichten, ihre Waren in menschenwürdigen Abläufen herzustellen. Und es möchte mich dazu bewegen, lieber weniger zu kaufen, aber dafür T-Shirts und Kaffee und andere Dinge, an deren Herstellung keine Sklaven beteiligt sind.

Ntumbu ist es vor einem Jahr gelungen, zu fliehen. Er ist jetzt in einem Lager in Uganda. Aber sein größter Wunsch ist es, in sein Heimatland zurückkehren zu dürfen und dort selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten. Und ich kann etwas dafür tun, dass sein Traum wahr wird – und Sie auch!



[1] Aktuelle Zahlen im "Global Slavery Index" 2015 der australischen Stiftung "Walk Free"; vgl. www.walkfree.org.

[2]Selbsttest „How many slaverys work for you?“ unter slaveryfootprint.org

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„Pflanze einen unmöglichen Garten!“ Dieser Satz stammt von Josef  Beuys. Ich habe erst vor kurzem erfahren, dass Beuys nicht nur Künstler gewesen ist, sondern auch Philosoph. Er hat eine „Anleitung zum guten Leben“ geschrieben. Und aus dieser Anleitung stammt der Satz: „Pflanze einen unmöglichen Garten!“

Einen unmöglichen Garten pflanzen muss ich gar nicht. Unser Garten kommt mir sowieso schon unmöglich vor. Das Gras müsste längst gemäht werden und das Unkraut wuchert vor sich hin. Aber was ist eigentlich ein unmöglicher Garten? Wo Unkraut nicht sein darf und Blumen nur geordnet wachsen? In unserem Garten wächst nichts geordnet und doch gedeiht alles wunderbar. Insekten summen um die ungespritzten Pflanzen. Und unsere Katze findet es toll!

Wahrscheinlich finden andere meinen Garten unmöglich. Aber vielleicht ist ja gerade das Unmög­liche spannend und wundervoll. Etwas, das meinen Garten unverwechselbar macht. Meinen Gar­ten rund ums Haus und meinen Lebensgarten. Denn für den hat Joseph Beuys ja seine „Anleitung zum guten Leben“ geschrieben. Und da stehen noch andere interessante Tipps drin: Zum Beispiel: „Lade jemanden Gefährlichen zum Tee ein.“

Vielleicht würde es mir tatsächlich gut tun, mal einen Gefährlichen zum Tee einzuladen. Nicht einen Kriminellen, den meint Beuys, glaube ich, nicht. Aber einen, der anders denkt und lebt als ich, einer, der mein Denken und meine Lebensart in Frage stellt. Mit so einem Menschen könnte eine Begegnung spannend sein. Jesus hat sich ja auch mit vielen ‚gefährlichen‘ Leuten an den Tisch gesetzt: mit Zöllner und Sündern und Außenseitern. Und das war nur ein kleines von vielen Zeichen, mit denen Jesus sich in den Augen von anderen unmöglich verhalten hat. Aber genau damit hat er „ja“ gesagt: zum Leben und zu den Menschen.

Ich denke: Jesus hätte die „Anleitung zum guten Leben“ von Josef Beuys sehr gefallen. Denn sie enthält eine Menge „Unmögliches“, das auch Jesus unterschreiben würde. Vielleicht sollte ich tatsächlich ein paar von den Tipps beherzigen und damit einen Lebensgarten anlegen, in dem Unmög­liches möglich wird. Ganz im Sinne von Jesus – und von Josef Beuys:

Lass dich fallen,
Träume wilde fantasievolle Träume.
Kichere mit Kindern, höre alten Leuten zu.
Preise dich selbst.
Öffne dich.
Schreibe Liebesbriefe ...

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine schöne Woche, in der Unmögliches möglich wird!

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Manchmal führt das Leben ganz unterschiedliche Menschen zusammen. So wie die Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia und Esther Bejarano. Esther Bejarano ist Jüdin. Sie ist 91 Jahre alt und hat den Holocaust überlebt.

Juden, Christen und Muslime in einer Band. Gemeinsam machen sie Musik für ein friedliches Miteinander. Gerade sind sie auf großer Deutschland-Tour.

Esther Bejarano ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Sie hat den Schrecken des dritten Reiches am eigenen Leib erlebt. Sie war in zwei Konzentrationslagern. Überlebt hat sie nur, weil sie sich selbst das Akkordeonspielen beigebracht hat – das einzige Instrument, das im Mädchenorchester Auschwitz noch gefehlt hat. Nach dem Krieg wanderte sie nach Israel aus.

Lange hat Esther Bejarano über ihre Erfahrungen im Nazi-Deutschland geschwiegen. Auch noch als sie 1960 mit ihrer Familie nach Deutschland zurückkehrte, weil sie das Klima in Israel nicht vertragen hat. Sie wollte die Erinnerungen verdrängen, die ihr immer noch jede Nacht Alpträume bereitet haben. Und sie wollte ihre Familie nicht damit belasten.

Aber 19 Jahre später, 1979, haben Neonazis vor ihrer Schmuckboutique einen Stand aufgebaut mit hetzerischen Parolen gegen Ausländer. Und die Polizei hat damals nur die Neonazis vor den Gegendemonstranten geschützt. Da wurde Esther Bejarano klar: „Ich muss reden!“ Und seitdem redet sie. Offen und öffentlich erzählt sie von ihren Erfahrungen im KZ. Und seitdem singt sie laut gegen Unterdrückung und Ausgrenzung.  

Seit 5 Jahren nun gemeinsam mit der Microphone Mafia. Die Hip-Hop-Band hat Esthers Lieder mit Texten in türkisch, italienisch, englisch und kölsch unterlegt. Die Rap -Musik ist nicht ihre, sagt Esther Bejarano, die ist ihr viel zu laut. Aber mit den jungen Leuten will sie zeigen, dass man miteinander arbeiten und leben kann, auch wenn man ganz verschieden ist. 

„Per La Vita“ und „La vita continua“ – „Für das Leben“ und „Das Leben geht weiter“ heißen die beiden Alben, die sie mit den Kölner Rappern aufgenommen hat. Eine Sammlung von Liedern, die für ein friedliches Zusammenleben werben und die zum Widerstand aufrufen gegen jede Art von Rassismus. „Unser Widerstand hat ein Lächeln auf dem Gesicht“, fasst der Rapper Kutlu Yurtseven ihre gemeinsame Botschaft zusammen: „Diese Welt ist voll von gleichgültigen Blicken. Wir müssen die Blicke wieder mit Zuversicht und Solidarität füllen, in dem wir als Beispiel vorrangehen.“

Ich finde, das ist eine wichtige Botschaft. Gut, dass sich die Musiker begegnet sind.

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Ein Jubiläum kann man auf verschiedene Weise feiern. Das zeigt das Jubiläum im nächsten Jahr: Die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther vor 500 Jahren, der Beginn der Reformation. Die Feiern fangen jetzt schon an, obwohl das Jubiläum erst nächstes Jahr ist.

Da gibt es Diskussionsveranstaltungen und Themenjahre und Ideenwettbewerbe, Bücher und Luther-Schnickschnack wie Schlüsselanhän­ger, Lutherbonbons oder Lutherbier.

Und Veranstaltungen mit deutschlandweiter Reichweite! Eine ganz besondere Veranstaltung ist gerade im Werden. Ich meine das Pop-Oratorium Luther, das der Komponist Dieter Falk zusammen mit Michael Kunze geschrie­ben hat. Ein Musical über Martin Luthers Ringen um die Wahrheit, über sein Einstehen für die richtige Sache gegen alle Widerstände, die ihm entgegengebracht wurden.

Am 31. Oktober 2015 ist das Luther-Oratorium in Dortmund uraufgeführt worden: mit einem Sym­phonieorchester, Musicalsängern und einem Chor aus 3.000 Sängerinnen und Sängern. Und im nächsten Jahr findet eine bundesweite Tournee statt.

Das besondere an dieser Aktion: Jeder, der möchte, kann mitmachen, kann selbst aktiver Teil des Musicals werden! Denn an den 10 Aufführungsorten können insgesamt über 20.000 Menschen in den Musicalchören mitsingen!

Ich finde, diese Luther-Aktion passt wunderbar ins Reformationsjubiläum. Denn Luther kam es genau darauf an: dass die Menschen nicht nur zuhören, sondern selber „mitmachen“!

Das hat die Reformation in den Gottesdiensten deutlich gemacht. Vorher haben dort nur Mönche und Nonnen gesungen – lateinisch. Martin Luther hat den Gemeindegesang eingeführt. Damit nicht nur Experten den Gottesdienst mit gestalten, sondern jeder, der teilnimmt. Und so hat die Reformation den ersten Bürgerchor hervorgebracht, die ersten deutschen Kirchenlieder, die ersten Gesangbücher mit zeitgemäßen deutschen Texten und eingängigen Melodien.

Um im Luther-Oratorium mitzusingen, muss man auch kein Experte sein. Man braucht dafür keine Superstim­me zu haben, man braucht nicht in einem Chor zu sein, man muss noch nicht einmal evangelisch sein. Man muss nur Lust haben, Teil eines großen Ganzen zu werden. Und vielleicht noch die richtigen Töne treffen. Aber auch das ist keine Bedingung!

Im Januar 2017 kommt das Luther-Oratorium nach Stuttgart, im Februar nach Mannheim. Machen Sie doch auch mit! Zeigen Sie, dass Sie eine Stimme haben und setzen Sie sie ein!

Wenn das Reformationsfest so gefeiert wird, dann ist das ganz im Sinne Luthers!

 
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