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Jeder braucht mal einen, der ihm den Hintern rettet. Das ist dann in den seltensten Fällen ein strahlender Held, sondern eher einer, der nicht im Mittelpunkt stehen muss. Der aber, wenn es darauf ankommt, für andere da ist. Es geht um einen verlässlichen Freund. So einen wie Georg Spalatin. Heute vor 540 Jahren geboren. Er stammt aus einfachen Verhältnissen im fränkischen Städtchen Spalt – deshalb nannte er sich Spalatin. Er geht nach Sachsen und wird Prinzenerzieher, Bibliothekar, Berater und Begleiter seines Fürsten. Maßvoll, kenntnisreich und zurückhaltend ist er. Und im Laufe der Zeit wird er ein Freund von Martin Luther. Dem er immer wieder im Hintergrund beisteht, wenn es brenzlig wird und sich Martin wieder einmal in die Bredouille bringt. Denn Martin Luther hält ja mit seiner Meinung grundsätzlich nicht hinter dem Berg.
Als Luther auf dem Wormser Reichstag auf seiner Meinung beharrt und sein berühmtes „Hier stehe ich“ sagt, droht ihm Verhaftung und sogar Hinrichtung. In dieser gefährlichen Situation sorgt sein alter Kumpel Georg dafür, dass Luther eine Zeitlang untertauchen kann. Georg war, wie man heute sagen würde, gut vernetzt, ein gewiefter Organisator und wichtiger Landesbeamter. Er fingiert Martin Luthers Entführung und versteckt ihn auf der Wartburg. Das rettet Luther den Kopf. Und nebenbei: Ohne diese von außen verordnete Auszeit hätte Luther niemals damit angefangen, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen.
Normalerweise duzen die beiden sich einfach. Aber beim Briefeschreiben wird deutlich, wie sehr Luther Spalatin schätzt und mag. Denn er nennt ihn „einen Mann, hoch zu verehren, den so sehr treuen Diener Christi, seinen allerteuersten Bruder“. Wie gut, wenn man so einen Freund hat; wie gut, wenn eine Freundschaft nicht darunter leidet, dass einer der beiden berühmt ist: Wenn es darauf ankommt, dann ist die helfende Hand nicht weit.
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„Für mein Lenchen von ihrer Patentante Änni zur Schulentlassung. 27. März 1904“ Das steht in einer alten Bibel, die ich geschenkt bekommen habe. „Mein Lenchen“, das klingt vertraut. Eigentlich hieß das Mädchen vielleicht Magdalena. Und ich denke: Toll, wenn man jemanden hat, der an so einem wichtigen Tag an einen denkt. Und noch einmal bestätigt: Wir gehören zusammen, unsere Bindung bleibt bestehen. Die Schulentlassung, das könnte damals die Konfirmation gewesen sein. Die war ja früher oft das Ende der Schulzeit, bevor man eine Lehre begonnen hat. So früh, mit vierzehn Jahren. Die Patentante zeigt mit dem Geschenk: auch wenn ich nicht da bin, sollst Du sehen, dass ich an Dich denke und Dich nicht vergesse.
Heute kauft man eine Bibel, wenn überhaupt, für den Religionsunterricht, keine große Sache, ein Titel auf der Schulbuchliste. Das war bei Lenchen anders. In ihrer Bibel steht eine Widmung. Geschrieben in der schönsten Handschrift ihrer Patentante Änni. Dieses Geschenk ist ein Buch fürs Leben. Und ganz offensichtlich ging es nicht nur darum, etwas Repräsentatives zu schenken. Nein, Änni hatte für ihr Lenchen eine Botschaft. Denn unter der Widmung steht noch, etwas ausgebleicht und verwaschen: „1. Mose 28,15“.
Dahinter verbirgt sich ein Vers aus dem ersten Buch in der Bibel. Da sagt Gott zu Jakob: „Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“ Für Patentante Änni sagt das sicher Gott auch zu Lenchen. Was für ein Satz! Gott verspricht, ein Lebensbegleiter zu sein. Und der mächtige Gott besteht auch nicht darauf, dass er bestimmt, wo es langgeht. Nein, es ist genau andersherum: Der Mensch zieht los, Gott geht mit. Der große Gott ist sich nicht zu schade, neben den Menschen „herzudabbe“, wie man bei uns sagen würde. Was immer du tust, wo immer du bist: Gott wird dich nicht verlassen. Er vertritt die Patentante Änni bei ihrem Patenkind. Was für eine Widmung, was für ein Bibelvers!
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Heute wäre der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King 95 Jahre alt geworden. Vielen Menschen auf der ganzen Welt war und ist er Vorbild für friedliche Proteste gegen Diskriminierung und Unterdrückung. Auch das geteilte Berlin hat er mal besucht. Und weil er nicht nur Bürgerrechtler war, sondern auch Pfarrer, hat er auch gepredigt. Die Berliner Mauer war damals erst drei Jahre alt. Beim Versuch, aus dem Osten in den Westen zu flüchten, sind immer wieder Menschen ums Leben gekommen. Martin Luther King wollte den Menschen Mut machen. Er sagte:
„Hier sind von beiden Seiten der Mauer Gottes Kinder. Und keine durch Menschenhand gemachte Grenze kann diese Tatsache auslöschen. Ohne Rücksicht auf die Schranke der Rasse, des Bekenntnisses, der Ideologie oder Nationalität gibt es eine untrennbare Bestimmung: Es gibt eine gemeinsame Menschlichkeit, die uns für die Leiden untereinander empfindlich macht. In diesem Glauben können wir aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung schlagen. In diesem Glauben werden wir miteinander arbeiten, miteinander beten, miteinander kämpfen, miteinander leiden, miteinander für die Freiheit aufstehen in der Gewissheit, dass wir eines Tages frei sein werden. Halleluja!“
Ich finde das stark. Und ich brauche immer wieder diesen Zuspruch, dass die Welt nicht zum Teufel geht, sondern dass die Menschlichkeit siegen wird. Eines Tages – noch ist es nicht so weit, nichts soll schöngeredet werden. Bis dahin wartet viel Arbeit auf uns alle. Aber diese Arbeit lohnt sich, wenn am Ende die Freiheit wartet. Martin Luther Kings Bild dafür ist stark und realistisch zugleich: Da gibt es die Verzweiflung. Sie hat sich zu einem Berg aufgetürmt. Aber wir können daraus wenigstens einen Stein heraushauen. Wir können überhaupt erst einmal damit anfangen, den Berg abzutragen. Dieser Stein ist eigentlich nichts im Vergleich mit dem Berg. Und doch ist er ein Anfang: ein Stein der Hoffnung. Halleluja!
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Advent und Weihnachten sind Zeiten für spannende Geschichten. Deshalb gehörte schon in meiner Schulzeit der Besuch des Weihnachtsmärchens im Theater dazu. Am eindrücklichsten kann ich mich an die Oper erinnern, die ich auch als Erwachsener angeschaut habe: Hänsel und Gretel. Das berühmteste Stück daraus ist sicher der Abendsegen. Hänsel und Gretel singen, als sie allein im Wald übernachten müssen: Abends will ich schlafen gehn, vierzehn Engel um mich stehn. – Und dann sind da auch vierzehn Engel. Sie passen im Wald auf die beiden Kinder auf. Und es sind auch gleich vierzehn, um zu zeigen, wie intensiv der Schutz ist: Wo Gott vierzehn Engel schickt, da ist er selbst es, der einen Menschen beschützt. Da gibt es keine Sache, die nicht bedacht ist: ein Engel für oben, einer für unten, einer für rechts, einer für links, einer fürs Zudecken und einer fürs Aufwecken. Und schließlich sogar: Wegweiser ins Paradies. Jede Aufgabe ist doppelt mit zwei Engeln besetzt – selbst wenn ein Engel einmal einschlafen würde – was Engel niemals tun –, selbst dann wäre der andere immer noch da und auf dem Posten. Wer in diesem Bewusstsein einschläft, der weiß: Ich bin ein geliebter und behüteter Mensch. Nicht austauschbar. Für Gott unverwechselbar einmalig.
So eine Nacht mit so vielen Engeln hinterlässt Spuren. Kein Wunder, dass Hänsel und Gretel am nächsten Morgen sagen: Mir ist so wohl, ich weiß nicht wie; so gut wie heut schlief ich noch nie!
Hier hat das Aufwachen mit dem Einschlafen zu tun. Mit dem Abendgebet. Wer sich Gott anvertrauen kann, der kann den neuen Tag auch wieder aus seiner Hand nehmen. Selbst wenn dann, wie bei Hänsel und Gretel, die gräuliche Knusperhexe wartet. Sie wird die Kinder einsperren. Sie wird versuchen, ihnen das Leben zu nehmen. Die Gefahr ist real. Aber schon vergessen? Hänsel und Gretel hatten schließlich das Gebet gesprochen von den vierzehn Engeln, die den Schlaf bewachen. Und zwei ausgeschlafene und aufgeweckte Kinder vermögen mehr als alle Knusperhexen der Welt.
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Vor einhundertundachtzig Jahren wurde die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens veröffentlicht. Sie handelt von Ebenezer Scrooge, dem Geizhals und Menschenfeind. Für den ist der Gedanke, Mitmenschen etwas Gutes zu tun, völlig abwegig: „Humbug“ nennt er das Ganze. Das ist tatsächlich ein englisches Wort und meint schwachsinnigen und unglaubwürdigen Blödsinn. Spenden? Etwas für andere tun? Am Ende sogar noch miteinander Weihnachten feiern? Dafür hat Scrooge nur Hohn und Spott übrig. Wer sich nicht selbst versorgen kann - ab ins Gefängnis oder ins Arbeitslager mit ihm.
Es braucht tatsächlich sage und schreibe drei Weihnachtsgeister, damit Scrooge seine Mitmenschen und die soziale Wirklichkeit in seiner Stadt wahrnehmen kann. Denn man kann es sich in seinem unmittelbaren Umfeld schon gemütlich machen, ohne irgendetwas von dem zu sehen, was da noch so los ist und was nicht in Ordnung ist.
Die drei Geister haben ganz schön damit zu tun, ihm die Augen zu öffnen und auch das Herz. Denn darauf kommt es an, von Herzen zu geben. Dann ist man nämlich selbst ganz dabei und gibt ein Stück von sich selbst. Schon die Bibel beschreibt die Sache mit dem Spenden auf diese Weise: Wer wenig sät, wird auch wenig ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten. Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang. Denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. (2 Kor 9,6-7)
Ein hartes Stück Arbeit, bis Scrooge etwas von seinem Reichtum spendet und außerdem noch das mangelernährte Kind seines Angestellten rettet. Und was vielleicht genauso wichtig ist und Scrooge wahrscheinlich noch viel mehr Überwindung gekostet hat: Jahrelang war er immer für sich. Jetzt lässt er sich doch tatsächlich von seinem Neffen einladen. Er kann nicht nur Gutes tun, sondern sich auch Gutes tun lassen. Diese Übung ist mindestens genauso schwer.
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Alles, was man im Advent über Geduld und geduldiges Warten wissen muss, habe ich im Sommer bei einer Hafenrundfahrt gelernt.
Es war eine jener Barkassen, die durch den Hafen schippern, mit einem Mann am Mikro, der dieses und jenes erklärt und einen winzigen Hauch von Seefahrt vermittelt. Nur war die Barkasse noch nicht voll besetzt und schließlich wollen ja auch die Betriebskosten gedeckt sein. Deshalb stand der Kapitän noch vor seinem Schiffchen an Land und hat in ein Megafon gerufen: Wer will noch mit zur großen Hafenrundfahrt? Wir fahr’n auch gleich ab.
Das war es ja, was wir, die wir mit Ticket schon an Bord waren, wollten: dass es gleich losgeht. Aber der Kapitän hat nicht nur einmal gerufen, sondern immer wieder und wieder, alle dreißig Sekunden: Wer will noch mit zur großen Hafenrundfahrt? Wir fahr’n auch gleich ab. Na, haben wir uns zwischendurch immer wieder einmal gedacht. Jetzt könnte es doch eigentlich losgehen, wir warten ja schon eine ganze Weile auf die angeblich unmittelbar bevorstehende Abfahrt. Doch immer wieder kam es nicht dazu, denn immer wieder hieß es: Wer will noch mit… - und so weiter, den Text kennen Sie ja inzwischen.
Das Verrückte in dieser Situation: keiner wurde böse, weil sich die Abfahrt verzögert hat. Wir alle haben mit dem Kapitän gefühlt, der noch Touristen für die Hafenrundfahrt an Bord locken wollte. Und tatsächlich haben wir geduldig gewartet und waren neugierig, was noch geschehen muss, bis wir dann auch wirklich gleich abfahren. Denn dass es dann doch irgendwann losgehen würde, das war ja klar.
So stelle ich mir den Advent auch vor. Im Advent üben wir das Warten. Wohlgemerkt: das geduldige Warten. Ohne dass einer ausrastet, weil es alles etwas länger dauert. Wir warten auf die Geburt des Jesuskindes. Dahin will Gott uns mitnehmen. Wir haben schon längst in seinem Kahn Platz genommen. Warum es nicht schon längst losgegangen ist? Gott schaut nur noch mal, ob nicht doch noch einer mitfahren möchte.
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Heute ist Nikolaustag! Da gibt es - kleine – Geschenke, die man vorzugsweise am frühen Morgen in einem Stiefel vor der Haustür findet. Und klar ist: Fremde machen so was nicht. Menschen müssen schon verwandt oder befreundet sein, damit man einem anderen ein Geschenk in die - hoffentlich geputzten - Schuhe schiebt. Der Brauch mit den kleinen Geschenken geht auf Nikolaus zurück. Der war vor siebzehnhundert Jahren Bischof in der Stadt Myra. Damals römisches Reich, heute Türkei. Nikolaus hat mit einer derartigen Leidenschaft Gutes getan, dass es einem glatt die Schuhe auszieht. Drei Beispiele:
Erstens. Einem Nachbarn wirft er heimlich drei Goldklumpen durchs Fenster, damit dessen Töchter nicht als Prostituierte arbeiten müssen.
Zweitens. Gleich mehrere Schiffsbesatzungen auf einmal überredet er, für die hungernde Bevölkerung Getreide aus ihren Schiffen auszuladen, obwohl die Ladung eigentlich für eine andere Stadt bestimmt ist.
Drittens. Immer wieder tritt er ein für zu Unrecht angeklagte Menschen und scheut dabei keinen Konflikt mit den Mächtigen. Und selbst wenn es der Kaiser ist: Wer auch immer andere verleumdet, Nikolaus tritt ihm entgegen und sorgt dafür, dass die Verfolgten freikommen.
Was mir auffällt an den Geschichten: Es geht nicht darum, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten und so etwas in der Familie doch selbstverständlich ist. Nikolaus hat alle im Blick. Und es geht ums nackte Überleben und um Gerechtigkeit für alle Menschen. Darunter tut es Nikolaus ganz offensichtlich nicht. Und um dieser Güter willen ist ihm alles andere ganz offensichtlich ziemlich egal. Mit traumwandlerischer Sicherheit ist er immer dort, wo die Not am größten ist. Ein echter Vorzeige-Bischof!
Wo also in Erinnerung an den Bischof Nikolaus Stiefel gefüllt werden, da steckt noch ganz etwas anderes mit drin: Die Bereitschaft zu helfen. Gerechtigkeit für jedermann. Und, geputzt oder nicht, keine Scheu vor fremden Stiefeln.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38883Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Dieser Tage wollte ich eigentlich nur über den Weihnachtsmarkt laufen. Aber dann haben mich die Leckereien so angelacht, dass ich nicht widerstehen konnte. Was darf’s denn sein, junger Mann, hat der Verkäufer gefragt. Junger Mann, habe ich geantwortet, machen Sie keine Witze. Darauf er: Sie sind doch mindestens zwanzig Jahre jünger als ich, und ich bin gerade siebzig geworden. Das konnte ich nun gut und einfach ausrechnen, er siebzig, ich neunundfünfzig - Dann sind das nur elf Jahre Altersunterschied, habe ich gesagt.
Jetzt legte der Verkäufer erst richtig los: Nur? Allmächtiger! Was kann man in elf Jahren nicht alles anstellen!
Während meine Bestellung vor sich hin brutzelte, konnte ich in Ruhe über elf Lebensjahre nachdenken. Was habe ich eigentlich vor elf Jahren gemacht? Und vom Leben erwartet? Und, von allen Fragen vielleicht die wichtigste: Was habe ich aus diesen elf Jahren gemacht? In den Worten des Verkäufers: Was habe ich in der Zeit alles angestellt? Das klingt nicht von ungefähr nach Lausbubenstreich. Es geht ja nicht immer um schwerwiegende Entscheidungen, sondern auch um Dinge wie: Das wollte ich schon immer einmal ausprobieren. Oder: Da habe ich aber völlig danebengelegen. Und: Wirklich weiter gebracht hat es mich nicht, aber es war schön. Vielleicht auch: Das war schlimm, aber ich habe es überstanden.
Lebenszeit ist etwas Wunderbares: zerbrechlich, immer wieder einzigartig, voller Fehler. Aber doch meine einmalige, unverwechselbare Lebenszeit. Kein Wunder also, dass der Verkäufer den Allmächtigen angerufen hat. Denn da geht es ganz offensichtlich um mehr als nur eine kleine Rechenaufgabe zu einem Altersunterschied. Für das Leben, für seinen Anfang und sein Ende, ist Gott zuständig. Das steht in seiner Hand. Immer wieder betont die Bibel, wie kostbar und wichtig ihm jeder Augenblick ist. Deshalb: was nehme ich mir vor, für die kommenden elf Jahre, wenn ich sie erlebe. Was will ich mit ihnen anstellen?
Auch, wenn die Sachen vom Weihnachtsmarkt ja oft etwas teurer sind - sei’s drum: So viel Weisheit und Grund zum Nachdenken kriegt man beim Einkaufen selten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38882Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP
Eigentlich ist es merkwürdig: Advent heißt Ankunft. Gemeint ist die Ankunft Jesu auf der Erde, bei uns Menschen. Dabei ist doch noch gar nicht Weihnachten. Es geht offensichtlich darum, sich erst einmal auf den Weg zu machen, um dann in einem zweiten Schritt an einem Ort anzukommen. Da ist es kein Zufall, dass es ein zweites Wort gibt, das die gleiche Bedeutung wie Advent hat: nämlich Abenteuer. Das glauben Sie nicht? Lassen Sie einfach beim Advent das „d“ weg, das spricht sich sowieso leichter, und machen Sie aus dem „w“ ein „b“, die beiden Laute sind eh verwandt, und schon hat sich der Advent in ein Abent-euer verwandelt.
Das Internet erklärt mir: „Als Abenteuer wird eine risikohaltige Unternehmung wie eine gefahrenträchtige Reise oder die Erforschung eines unbekannten Gebiets bezeichnet, die aus dem geschützten Alltagsbereich entfernen.“ (wikipedia)
Aha. Dann geht es also beim Advent darum, meinen Alltag hinter mir zu lassen und mich auf eine Reise zu begeben, bei der ich gar nicht weiß, wohin sie führt. Jedenfalls nicht dahin, wo ich schon immer in meinem Alltagstrott unterwegs bin. Am Ende lande ich sogar – nur um einmal ein Beispiel zu nennen – nachts bei Schafhirten in Bethlehem und mir erscheinen Engel.
Der Advent als Abenteuer. Die Reise in ein unbekanntes Gebiet. Und für wen ist die Begegnung mit Gott und mit den Geschichten über ihn nicht immer wieder Neuland?
Der Advent möchte sozusagen den Indiana Jones in uns wecken. Den mutigen Forscher, der sich vom Unbekannten faszinieren lässt. Und unglaublich neugierig ist, wo er dann ankommen wird. - Und wo bleibt das Risiko? Wenn man es ernst nimmt mit dem Advent, dann kann man nicht sicher sein, dass man nach dem Abenteuer noch derselbe ist. Man riskiert beim Adventsabenteuer sich selbst.
Nur eines ist im Advent bei allen möglichen Veränderungen klar: Gott ist es, der uns auf dem Weg schickt. Und er ist es, der auf die Abenteurer wartet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38881SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Einen schönen ersten Advent wünsche ich Ihnen! Ab heute bereiten wir uns ganz offiziell auf Weihnachten vor. Und damit auch auf die Weihnachtsgeschichte, die uns die Bibel dazu erzählt. Sie ist eine der ehrlichsten Geschichten, die ich kenne. Sie macht uns nichts vor. Sie lullt uns nicht ein. Sie verklärt nichts. Sie gibt keine falschen Versprechen.
Sie erzählt in einfachen Sätzen von Mächtigen, die Menschen umherschubsen und für eine Steuerschätzung quer durch das Land reisen lassen. Und fast beiläufig wird dann von einer Geburt ohne Dach überm Kopf in der Fremde erzählt. Es sind bescheidenste Umstände, unter denen Jesus auf die Welt kommt. Nur ganz wenige andere Menschen kommen vor: Hirten, die im Auftrag ihres Arbeitgebers im Freien übernachten müssen. Und nur diesen Armen singen die Engel etwas vor, niemandem sonst. Das Zeichen des Friedens und der Hoffnung, das ihnen angekündigt wird, ist nur ein Baby im Futtertrog.
Merkwürdig, dass mich diese Geschichte so sehr anrührt. Und ich hoffe, nicht nur weil ich Pfarrer bin, kann ich sie auswendig: Sie ist eine der wichtigsten Geschichten in meinem Leben.
Manchmal denke ich, die Geschichte wartet seit fast zweitausend Jahren immer wieder darauf, dass wir sie wirklich brauchen. Sie erzählt von Bedürftigkeit und Verletzlichkeit. Sie erinnert uns mit ihren alten Worten daran, worauf wir heute konkret miteinander angewiesen sind: Herzenswärme und bezahlbare Energie für alle, Zusammenhalt und Freude an der Demokratie, ein Ende des Kriegs in der Ukraine, in Israel sowie all den anderen Ländern und einen gerechten Frieden.
In der Weihnachtsgeschichte lebt die Hoffnung, dass aus ganz bescheidenen Anfängen und ganz bescheidenen Worten doch unsere Würde als Menschen hervorleuchtet. Und dass wir in unserem Leben etwas widerspiegeln vom Glanz Gottes. Kein Winkel dieser Erde, sei es selbst Bethlehem im Nirgendwo, ist gottverlassen. Für jeden Menschen hat Gott eine Botschaft. Nachzulesen in der Weihnachtsgeschichte.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38880