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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

01MAI2024
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Die sogenannte „Zeitenwende“ hat unsere Welt bedrohlich durcheinander gerüttelt. Die aktuellen Kriege und internationalen Konflikte, das Machtstreben einiger Staatslenker und weltwirtschaftliche Verwerfungen haben enorme Auswirkungen. Die Klimakrise verschärft das Ganze noch.

Vieles, was wir jahrzehntelang gewohnt waren, ist durcheinandergekommen. Unser Leben in Frieden und Sicherheit ist akut bedroht. Die Preisstabilität ist passé, vor allem bei Energie und Lebensmitteln. Lieferketten sind gestört, was gerade bei Medikamenten gravierend ist. Wir müssen um unseren Wohlstand bangen. Die Gesellschaft ist mehr und mehr gespalten. Und die Politiker wirken manchmal überfordert. Wie soll das weitergehen

Kein Wunder, wenn dadurch viele verunsichert sind. Bis in den konkreten Alltag hinein ist das Leben anstrengender und ungewisser als früher. Immer mehr Mitmenschen sind angespannt und unruhig, und wenn die Nerven blank liegen, kommt das auch in Überreaktionen heraus. Manchen befürchten, dass die Gesellschaft vor einem Kipppunkt steht.

Was läuft da gerade ab? Und was können wir tun? Mir ist etwas Wichtiges aufgegangen: Wenn allzu Selbstverständliches auf einmal weg ist; wenn Gewohntes, das unser Leben bestimmt hat, ins Wanken gerät; wenn also die äußeren Sicherheiten wegbrechen, dann schlägt die Stunde der inneren Stabilität. Dann kommt es auf das an, was mir innerlich Halt und Sicherheit gibt. Wenn ich dann wie ein Baum bin, der tiefe Wurzeln hat, dann stehe ich fester da und kann mit der herausfordernden Situation viel besser umgehen. Was gibt Ihnen persönlich innere Sicherheit und Halt? Bei mir ist es mein Glaube an den Gott, der mir nahe ist und mir beisteht, erst recht wenn um mich herum oder in mir selbst etwas ins Wanken gerät. Wenn Gott mich dann innerlich stark macht, dann gewinne ich wieder mehr Abstand zu den Problemen und kann sie besser angehen. Mit Gottvertrauen im Herzen lebt es sich anders - gerade in unsicheren Zeiten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30APR2024
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Seit drei Wochen bin ich einprogrammiert. In die Kaffeemaschine meiner Freunde Birgit und Thomas in Mainz. Wir kennen uns seit über 40 Jahren. Im Urlaub war ich ein paar Tage bei ihnen. Bei ihrer Kaffeemaschine kann man individuell einstellen, wie der Kaffee sein soll, welche Kaffeeart, wie stark und wie viel pro Tasse. Beim Frühstück hat Thomas gesagt: „Ich habe Deinen Kaffee einprogrammiert. Beim nächsten Mal brauchst Du nur auf ‚Christoph‘ zu drücken.“ Darüber habe ich mich sehr gefreut. Nicht nur, weil das ganz praktisch ist. Sondern vor allem über das, was es ausdrückt: Meine Freunde rechnen mit mir; sie hoffen, dass ich bald wiederkomme. Beim Abschied hat Birgit gesagt: „Wir können Dir gerne einen Hausschlüssel geben, dann kannst Du Dir einen Kaffee bei uns machen, wenn Du wieder in Mainz bist und wir nicht da sind.“ Das ist wirklich ein starkes Zeichen für echte Freundschaft!

Tiefe Freundschaften sind mit das Schönste im Leben! Ich bin glücklich, dass ich im Laufe meiner 68 Lebensjahre einige Freundinnen und Freunde gewonnen habe. So erlebe ich diese Freundschaften: Wir kennen einander sehr gut. Der eine fühlt sich vom anderen voll und ganz verstanden und akzeptiert. Wir können einander vertrauen. Deshalb kann ich bei diesen Freunden auch ganz so sein, wie ich bin – ich brauche keine Angst zu haben, dass ich missverstanden oder abgelehnt werde. Ich spüre so etwas wie Seelenverwandtschaft. Wir können uns offen austauschen über das, was wir erlebt haben, was uns innerlich bewegt. Wir können unsere Freuden, Sorgen und Nöte miteinander teilen. Allein schon die Erfahrung, dass meine Freunde mir herzlich verbunden sind, dass sie an mich denken und innerlich mit mir durchs Leben gehen, das ist wie ein Lebenselixier!

Diese Freundschaften bedeuten wir sehr viel. Sie haben mich geprägt. Ohne sie wäre ich nicht der, der ich bin. Und irgendwann ist mir aufgegangen: In diesen dichten menschlichen Beziehungen erlebe ich vieles, was auch für mein Verhalten den anderen Mitmenschen gegenüber wichtig ist. Freundschaften sind ein wunderbares Lernfeld; sie sind ein Biotop von gutem Zusammenleben. Ich hoffe, dass Sie das auch so erfahren dürfen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29APR2024
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Großeltern sein ist etwas Wunderbares. Ich bekomme immer wieder mit, wie viel Schönes Omas und Opas mit ihren Enkelkindern erleben – und wie die Enkel die Großeltern auch jung halten. Ein begeisterter Opa hat mir vor ein paar Tagen mit leuchtenden Augen erzählt, was er gerade mit seinem Enkel Toni erlebt hat.

Der Opa ist abends mit dem vierjährigen Toni durch Speyer gegangen. Und plötzlich hat Toni auf den Dom gezeigt und gesagt: „Opa, in die Kirche gehen!“ Der Dom war aber schon zu. Doch Toni hat nicht lockergelassen. Am nächsten Morgen hat er den Opa gleich gefragt, ob sie jetzt in die Kirche gehen. „Ja, wenn wir die Brötchen holen“ hat der Opa gesagt. Und dann hat Toni zielstrebig zum Dom gedrängt. Schon vor dem Hauptportal hat der Kleine seine Hände gefaltet. So ist er mit dem Opa durch den ganzen Dom gegangen, durch den Mittelgang zum Altar, dann runter in die Krypta, dann zum Kerzenständer: „Opa, eine Kerze anzünden!“ Während der ganzen Zeit im Dom hat er seine gefalteten Hände regelrecht vor sich hergetragen. Der Opa war ganz gerührt über diese Geste seines Enkels.

Kinder haben für Vieles ein natürliches Gespür. Und Toni hat offensichtlich gespürt, was der Dom ihm vermitteln möchte. Hat geahnt, dass in der Kirche etwas Anderes, Größeres erlebbar ist als draußen auf der Straße. Der hohe Raum mit den Gewölben ist ein Sinnbild für den Schutz und den Beistand, den Gott uns gibt. Dass er Licht in unser Leben bringt, das deuten die großen Fenster und die Osterkerze an, die den Dom hell machen. Und die Ruhe im Dom trägt dazu bei, dass die kleinen und großen Besucherinnen und Besucher ein wenig zu sich selbst kommen, zu innerer Ruhe finden. Offen werden für diese tiefere Dimension des Lebens, die der Dom widerspiegelt.

Das kann man auch in anderen schönen Kirchen spüren. Mich wundert nicht, dass viele Menschen gerade im Urlaub gerne in eine Kirche gehen und dort eine Zeitlang verweilen. Das tut der Seele gut. Ein schöner Kirchenraum lässt uns spüren, dass eine größere Wirklichkeit uns umfängt und trägt; dass wir in Gott geborgen sind. Der kleine Toni hat das offenbar wahrgenommen und deshalb seine Hände gefaltet. Vielleicht war diese Geste auch wie ein kleines Gebet darum, dass dieser gute Gott ihm – und dem Opa - weiter beistehen möge.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

27JAN2024
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Strahlende Kinderaugen. Achtjährige, die ganz erleichtert sind und am liebsten gleich noch einmal kommen würden. Das habe ich erlebt bei Beichtgesprächen mit Erstkommunion-Kindern. Die habe ich natürlich nicht im Beichtstuhl geführt, sondern in einem Zimmer des Pfarrhauses, wo wir einander gegenübersaßen. Ich freue mich sehr auf diese Gespräche mit den Kindern. Sie tun sich mit dem Beichten gar nicht schwer, im Gegenteil. Mir geht das Herz auf, wenn ein Kind mir einfach so erzählt, was bei ihm schiefgelaufen ist. Unnötiger Streit mit den Geschwistern. Böse Worte aus der Wut heraus. Wo es gelogen hat. Dass es seine Eltern mal auf den Mond gewünscht hat. Wenn Kinder beichten, dann kommt so manches heraus, womit sie sich selbst und den anderen das Leben schwermachen. Kleine und größere Nöte der Kinder. Es berührt mich sehr, dass schon Kinder dazu stehen, dass sie Fehler gemacht haben oder auf einem unguten Weg sind. Im Gespräch kann ich dann darauf eingehen. Wir können die Situation zu zweit anschauen, warum da etwas schiefgelaufen ist und wie es beim nächsten Mal bessergehen kann. Z.B. beim Streit mit einem Freund. Dann lade ich das Kind dazu ein, dass es die geschilderte schwierige Situation einmal mit den Augen des anderen Beteiligten betrachtet: „Stell dir vor, Du wärest an der Stelle Deines Freundes gewesen. Überlege einmal, wie es ihm ging, als Du da losgedonnert hast, und wie er Dich dabei erlebt hat.“ Wenn ein Kind sich so in den anderen hineinversetzt, dann können wir im nächsten Schritt gemeinsam überlegen, wie es sich in dieser Situation wohl besser verhalten hätte – für weitere, ähnliche Fälle in Zukunft. Und danach sage ich ihm ja noch in der sogenannten Lossprechung ausdrücklich zu, dass Gott ihm sein ungutes Verhalten verzeiht, dass der Fehler bei Gott vergeben und vergessen ist. Und wir beten darum, dass Gott dem Kind hilft, sich in Zukunft anders zu verhalten, damit es ihm bessergeht. Dann strahlen die Kinderaugen endgültig. Wunderbar, wenn Kinder so zu dem stehen können, was sie falsch gemacht haben. Wenn sie erleben, dass sie verstanden werden und verziehen bekommen und wenn sie sehen, wie sie es in Zukunft besser machen können. Ein kleiner Beitrag dazu, dass Kinder heilsam mit sich umgehen und weiter reifen.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26JAN2024
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Von einem Augenblick auf den anderen war sein Leben ein ganz anderes. Samuel Koch hatte 2010 bei „Wetten, dass…?“ mit 22 Jahren einen tragischen Unfall und ist seitdem querschnittsgelähmt. Gerade hatte er die Aufnahmeprüfung für das Schauspielstudium bestanden. Und dann saß er im Rollstuhl. Sein Studium hat er dennoch gemacht, und er hat jetzt auch ein festes Engagement am Theater. Er scheint sein Leben so anzunehmen, wie es nun ist. Er selbst drückt es etwas verhaltener aus: „Ich möchte der Situation, in der ich bin, etwas Sinnvolles abringen.“ Das tut er ganz konsequent. In seiner Familie, in seinem Beruf, in seinem ehrenamtlichen Engagement für pflegende Angehörige. In den Jahren seit dem Unfall ist ihm vieles neu aufgegangen.

Mich hat sehr beeindruckt, was er in einem Interview dazu gesagt hat: „Ich denke, dass es kein Zufall ist, dass wir auf der Welt sind. Ich glaube, dass der Tod eine Grenze ist, die wir überschreiten können. Deshalb versuche ich, Nächstenliebe und das, was in der Bibel steht, zu leben: Schafft jede Unterdrückung ab, helft, wo ihr könnt, habt keine Angst. Fragen, die dem Zeitgeist entsprechen, wie: ‚Was kann das Leben mir bieten?‘, die drehe ich um in ‚Was kann ich dem Leben bieten?‘ Ganz praktisch versuche ich, mein tägliches Sinnen auf diese Dinge auszurichten. Manche nennen es meditieren, ich nenne es beten. Es ist auch immer wieder ein Hadern und Zweifeln, Versuchen und Kämpfen.“

Seit dem Unfall lebt Samuel Koch viel bewusster, und in manchem hat sich seine Lebensauffassung geändert. Wenn er auf sogenannte Glückskongresse eingeladen wird, dann sagt er den Teilnehmern nicht, dass das eigene persönliche Glück das Höchste ist, was es anzustreben gilt. Seine Überzeugung ist: „Ich glaube, zu helfen ist eine kostbare, zum Teil unterschätzte Ressource. Es hilft mir immer wieder, mich nicht ständig um mich selbst zu drehen, sondern auf mein Umfeld zu blicken, die Perspektive zu weiten, zu schauen: Wo bin ich nützlich? Das gibt mir das Gefühl von Resilienz, Selbstwirksamkeit, Erfüllung und Sinn.“

Mir imponiert, dass die Erfahrungen von Samuel Koch ihn zu solchen Erkenntnissen geführt haben. Zu tiefen Lebensweisheiten.

Für die Ansprache stütze ich mich auf das  Interview „Inklusion heißt aufeinander zugehen“ von Manuela Blum in „Sozialcourage. Das Magazin für soziales Handeln.“, hg. vom Deutschen Caritasverband, Freiburg (www.sozialcourage.de; sozialcourage@caritas.de">sozialcourage@caritas.de), Herbst 2023, S. 14-15.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25JAN2024
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„Hast Du Dir gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst?“ So bin ich an Silvester gefragt worden. Nein, habe ich nicht, ganz bewusst nicht. Denn die Erfahrung lehrt, dass gute Vorsätze meist doch nicht zu den gewünschten Änderungen führen. Wer will, dass sich sein Verhalten ändert, der muss tiefer gehen, auf die Ebene seiner Einstellungen und Haltungen, aus denen das Verhalten herauswächst – dort müsste man ansetzen.

Ich möchte durchaus, dass sich im neuen Jahr das Eine und Andere bei mir ändert. Aber dafür habe ich bewusst einen ganz anderen Weg gewählt. Ich habe mir viel Zeit genommen, um meiner Sehnsucht nachzuspüren. Tief in jedem Menschen wohnt seine Sehnsucht. Sie geht tiefer als Wünsche oder Erwartungen. In ihr zeigen sich meine großen Lebenshoffnungen, was ich wirklich brauche, was mir guttut, was mich im Leben erfüllt. Das ist in mir lebendig, und die Kunst ist, es zu erspüren. Machen oder herbeizwingen kann man seine Sehnsucht nicht, aber sie kann sich zeigen. Dafür ist hilfreich, wenn ich mir Zeit nehme, zur Ruhe komme und loslassen kann. Dann kann die Sehnsucht aus meinem Herzen aufsteigen. Dabei war ich auch diesmal überrascht, was da in mir hochgekommen ist. Aber alles, was mir mein Inneres offenbart, ist ein hilfreiches Signal meiner Seele. Meine Sehnsucht macht mich auf das aufmerksam, was für mich lebenswichtig ist. Und sie setzt neue Kräfte frei für den Weg, der mich mehr zu mir selbst führt. Wer sich von seiner Sehnsucht leiten lässt, der ist auf der Spur des Lebens.

Deshalb ist mir wichtig, dass ich gerade zu Beginn des neuen Jahres mit meiner Sehnsucht gut in Kontakt bin. Wenn ich auf sie höre, wenn ich ihr öfter folge, dann wird sich mit Sicherheit manches in meinem Leben ändern. Und zwar gründlicher und nachhaltiger als durch gute Vorsätze.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04NOV2023
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„Musik kann Wunder bewirken.“ Das hat Luiz Szarán am eigenen Leib erlebt. Er wuchs in ärmsten Verhältnissen in Paraguay auf, eigentlich chancenlos. Ein Berufsmusiker entdeckte sein musikalisches Talent, unterrichtete ihn, verhalf ihm zu einem Stipendium und zum Musikstudium in Europa. Szarán wurde ein renommierter Dirigent und ist inzwischen 70 Jahre alt. Auch die UNESCO hat ihm eine Auszeichnung verliehen. Wofür? Weil Szarán neben seiner Dirigentenstelle beim Symphonieorchester in der Landeshauptstadt von Paraguay seit über 20 Jahren etwas Großartiges geschaffen hat. Er hat „Sonidos de la Tierra / Klänge der Erde“ gegründet, Musikschulen für Kinder und Jugendliche in ärmsten Lebensverhältnissen. Bisher 200 Musikschulen für 20.000 junge Menschen. Die Kinder lernen nicht nur ein Instrument und das Zusammenspiel im Orchester. Die musikalische Förderung hat noch einige positive Nebeneffekte: Bei den Kindern von „Sonidos de la Tierra“ haben sich die schulischen Leistungen um bis zu einem Drittel verbessert, wie eine wissenschaftliche Studie herausgefunden hat. Mehr noch: Die Kinder aus schwierigen Verhältnissen ändern ihr Verhalten, sie streben nach Harmonie in ihrem Umfeld, sie entwickeln Unternehmergeist und Resilienz. Und das in einem Land, in dem über 20% der Jugendlichen keinen Schulabschluss erreichen; in einem Land, in dem es am Nötigsten fehlt, an Bildung, Gesundheitsversorgung und sauberem Trinkwasser.

Luiz Szarán hat erlebt: „Musik kann Menschen und Gemeinschaften entwickeln helfen, unabhängig von ihrer sozialen, wirtschaftlichen, religiösen oder politischen Situation. Musik erhellt die Seele und lenkt den Blick auf höhere Ziele jenseits menschlicher Probleme.“ Und das beflügelt ihn auch als 70jährigen bei seiner Arbeit mit den jungen Menschen. Im November kommt er mit den besten seiner jungen Musikerinnen und Musikern zu einer Tournee durch Österreich und Deutschland.

Auch unseren Ländern könnte es guttun, wenn mehr junge Menschen durch die verwandelnde Kraft der Musik gefördert würden. Offensichtlich kann Musik wirklich Wunder wirken.

Für diese Ansprache stütze ich mich auf den Beitrag „Erbe und Ermächtigung. Sonidos de la Tierra“ in „Jesuiten weltweit“ (hg. v. Jesuitenmission Deutschland und Österreich, Nürnberg/Wien; www.jesuitenweltweit.de; prokur@jesuitenweltweit.de), Herbst 2023, S. 4-11.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

03NOV2023
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Ich habe wieder einmal eines meiner Lieblingsbilder besucht: „Der Seerosenteich“ von Claude Monnet. Im Urlaub war ich in England, und beim Aufenthalt in London bin ich ganz bewusst in die National Gallery gegangen. Dort hängt das Original des „Seerosenteichs“. Für mich ein faszinierendes Gemälde von großer Finesse, unglaublich ausdrucksstark. Ich bin „ganz weg“, wenn ich davorstehe.

Und so habe ich 15 Minuten vor dem Gemälde gestanden und es auf mich wirken lassen. Was ich dabei erlebt habe, war diesmal anders als vor 15 Jahren, als ich zum letzten Mal dort war. Ich stand da in etwas Abstand vor dem Bild, damit die vielen Leute, die es auch sehen wollten, vor mir vorbeigehen konnten. Das taten sie dann auch. Bei den meisten: ein kurzer Blick auf das Gemälde, ein Handy-Foto – und weiter. Und beim nächsten Bild genauso.

Das habe ich eine Viertelstunde lang so erlebt. Ich habe mich gewundert. Und ich habe mich gefragt: Haben sie das Bild wirklich gesehen, wahrgenommen, innerlich erfasst? Sicherlich würden alle sagen: „Ich habe das Bild gesehen.“ Ja, sie haben es vor Augen gehabt, sie haben es sogar als Foto auf ihrem Handy. Aber hat dieses Gemälde, das eine enorme Tiefenwirkung hat und im eigenen Inneren viel auslösen kann, so in ihnen etwas bewirken können? Ich habe da meine Zweifel. Es ist doch ein Unterschied, ob ich ein Bild oberflächlich wahrnehme, „einen Blick darauf werfe“ – oder ob ich es auf mich wirken lasse.

Ich habe bei mir selbst gespürt: Je länger ich vor dem Gemälde stand, desto mehr habe ich darauf entdeckt und desto mehr war ich im Bann seiner Gesamtwirkung. Das braucht Zeit. Aber so kann ich es dann auch verinnerlichen, so kann es seine Aussagekraft in meiner Seele entfalten. Und im Anschauen habe ich gespürt: Ich werde innerlich immer ruhiger, und das Bild senkt sich in mich ein und geht dann mit mir.

Ich habe wieder einmal erlebt: Es lohnt sich, dass ich mir die Zeit nehme, um Schönes und Wohltuendes in meine Seele aufzunehmen. So wird das dann wie ein kleiner Schatz, der mich innerlich erfüllt und aufbaut.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

02NOV2023
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Volkstrauertag, Totensonntag, Allerseelen: Der November ist der Totenmonat. Es passt zur jahreszeitlichen Stimmung dieser Wochen, dass besonders in dieser Zeit an die Toten gedacht wird. Viele besuchen die letzte Ruhestätte ihrer Verstorbenen. Die Gräber werden besonders geschmückt, sie werden am Fest Allerheiligen gesegnet, es brennt ein Licht darauf.

Gut, dass es diese Riten gibt. Es hat eine tiefe Bedeutung, dass wir an die Verstorbenen denken, die uns nahegestanden sind, vor allem an die Vorfahren in der eigenen Familie, Eltern und Großeltern. In archaischen Kulturen ist das noch viel ausgeprägter. Da gibt es einen richtigen Ahnenkult – die Verbindung zu den Vorfahren wird sehr gepflegt.

Das kann ich gut verstehen. Denn die verstorbenen Familienangehörigen und Freunde waren und sind ein Teil meines Lebens. Sie gehören zu meiner Lebensgeschichte. Sie haben Spuren in mir hinterlassen. Ich habe ihnen viel zu verdanken. Den Eltern verdanke ich das Leben. Und den verstorbenen Freundinnen und Freunden verdanke ich wunderbare Begegnungen, gemeinsame Erlebnisse, prägende Erfahrungen. Das bleibt. Und diese Verstorbenen bleiben mir wichtig über ihren Tod hinaus.

Und deshalb möchte ich ihnen auch weiter verbunden bleiben. Von vielen habe ich die Todesanzeigen oder das Sterbebildchen in einer Mappe gesammelt. Und jedes Jahr an ihrem Geburtstag und Todestag denke ich besonders an jede und jeden Einzelnen von ihnen, auch in meinem Gebet und im Gottesdienst. So stehen sie wieder lebendig vor meinem inneren Auge. Und ich empfehle sie Gott, der Quelle und dem Ziel des Lebens. Nicht nur, weil ich an die Auferstehung der Toten glaube, dass wir uns einst alle wiedersehen werden bei Gott. Sondern einfach deshalb, weil diese Verstorbenen zu mir und meinem Leben dazugehören.

Es zeichnet eine wirklich humane Kultur aus, dass wir den Verstorbenen nicht nur „die letzte Ehre erweisen“, sondern dass wir sie auch danach „in ehrendem Gedenken behalten“, wie es so treffend heißt. Überlegen Sie doch mal, welche Verstorbenen Ihnen besonders wichtig waren und sind – und zünden Sie mal ein Kerzchen für sie an. Das tut nicht nur den Verstorbenen gut, sondern auch Ihrer eigenen Seele.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26JUL2023
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„Du hast mehr Möglichkeiten, als Du denkst.“ Dieser Satz möchte Menschen ermutigen, dass sie an sich glauben, dass sie das entfalten, was in ihnen steckt – damit sie mehr Freude am Leben haben. Aber oft geschieht das Gegenteil: Dass Menschen sich wenig zutrauen. Oder dass andere ihnen wenig zutrauen. Dass sie das Potential nicht sehen, das in einem Menschen schlummert.

Das erleben gerade Menschen mit Behinderungen. Ihre Einschränkungen verleiten dazu, dass andere ihre Möglichkeiten unterschätzen. Dann werden sie abseits stehengelassen und sind von manchem ausgeschlossen. Das ist tragisch. Doch gerade auch für Menschen mit Behinderungen gilt: „Du hast mehr Möglichkeiten, als Du denkst.“ Die Frage ist dann, wie man die herauslocken und fördern kann.

Jens Kuchenbäcker und Claudia Tatzel habe sich dafür etwas einfallen lassen. Sie haben den „Tango inklusivo“ initiiert. Ihr Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen – oder, wie sie lieber sagen: Menschen mit anderen Möglichkeiten – in das Tangotanzen einzubeziehen. So treffen sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen  zum Tangotanzen. Manche machen die ersten Tangoschritte in ihrem Leben. Die 34jährige Isabell etwa. Sie hat das Down-Syndrom. Zuerst sind es nur zarte Schritte, dann tanzt sie sicherer, und es macht ihr große Freude. Lachen – Staunen – Berührung – die lockere Atmosphäre im Tanzraum tut allen gut. Kaum einer hätte gedacht, dass sie es so schnell lernen würden und dass es so viel Freude macht!

Der DJ gehört selbst zu den Menschen mit Behinderungen. Er sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl. Er war Raumausstatter und hat nebenbei als Tanzlehrer gearbeitet. Jetzt legt er ehrenamtlich die Platten auf. Und er sagt: „Mein Ziel ist es, irgendwann wieder tanzen zu können. Ich bin mir sicher, dass ich es schaffen werde.“ Er vertraut darauf, dass es stimmt: „Du hast mehr Möglichkeiten, als Du denkst.“ Und er hilft anderen, dass sie das im eigenen Leben entdecken können.

 

 

Die Ansprache stützt sich auf den Artikel „Tango ohne Grenzen“ von Dierk Jensen in Sozialcourage – Das Magazin für soziales Handeln, hg. vom Deutschen Caritasverband, Freiburg, sozialcourage@caritas.de">sozialcourage@caritas.de, 2 / 2023, S. 20-21

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