Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR2 / SWR Kultur

 

Autor*in

 

Archiv

SWR Kultur Wort zum Tag

08MRZ2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In meiner Familie kursiert eine Geschichte von meinem Großvater: Landwirt, Jahrgang 1885. Kurz vor Beginn des II. Weltkriegs ist er mit seiner Frau und den fünf Kindern zum Urlaub an die Ostsee gefahren. Sonne. Wasser. Strand. Für die einen das Nonplusultra. Nicht so für meinen Opa: „Nur Sonne und Sand und Wasser – das ist nichts für mich. Ihr könnt gerne hier bleiben. Ich brauche meinen Acker.“ Sprach´s und verschwand nach drei Tagen. Und hat der Familie von zuhause in den Urlaub nach Swinemünde einen Korb Obst geschickt  – und für die Hotelküche jede Menge frisches Gemüse.

Dem Landwirt in der Magdeburger Börde waren Ausruhen und Erholen, Nichtstun und Muße ein Gräuel. Das zu genießen, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Darüber kann ich schmunzeln. Aber auch nachdenklich werden. Denn: Wie geht die Geschichte weiter?

Mein Vater hat die Sonntage in aller Regel mit Musik aus dem Radio und Büroarbeiten für sein Geschäft verbracht. Ohne Kirchgang, ohne Spaziergang, ohne Ausflug. Und ich selber?

Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren beim Urlaub am Meer in 14 Tagen ein einziges Mal Schwimmen gewesen bin. Familie und Freunde habe ich gerne am Morgen verabschiedet und am Nachmittag freudig zurückerwartet. Unterdessen habe ich an einem Essay geschrieben. Da fiel mir auf: Du bist zwar kein Landwirt und kein Geschäftsmann geworden. Aber Du steckst da voll drin. Hinter deinem Rücken ist etwas in dir weiter lebendig. Das wolltest du doch ganz anders machen.

Das immerfort betriebsam sein steckt tief in mir drin. Die Arbeit niederlegen, Aus-Ruhen, einen Ruhetag halten – offen sein für Muße, für Spaziergänge, für unbeschwerte Stunden für Leib und Seele –  das liegt mir nicht im Blut.

Menschen wie mir muss das erst gesagt werden. So wie es im Gebot Gottes steht: „Vergiss nicht den Ruhetag zu halten!“ Gott, der Schöpfer der Welt, hat ihn gehalten und Du bist nun wirklich nicht kreativer und stärker.

Du brauchst diesen Tag und andere Auszeiten für alle anderen Zeiten. Für alle anderen Tage in der Woche. Komm raus aus der Daueraktivität. Ruhe dich aus. Erlebe etwas von der Muße Gottes. Sonst lebst du daran vorbei.

Es lohnt, sich bewusst in Familiengeschichten zu vertiefen. Man kann lange Schatten und verlorene Schätze entdecken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41622
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

07MRZ2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich bin kein guter Seelsorger. Jedenfalls kein guter, so wie ich ihn mir vorstelle: Ruhig, abwartend, zuhörend. Ich habe, wie man im Sprichwort so sagt: Hummeln unter dem Hintern. Das heißt: Ich bin unruhig. Ich kann nicht wirklich eine Stunde dasitzen und Hände halten. Schweigend. Obwohl ich weiß, wie gut das tun kann.

Nachdem meine Mutter gestorben war, habe ich gedacht: Ruhe ausstrahlen, das ist dir nicht wirklich gelungen. Pflegende haben mich beruhigt: Es sei schon alles recht so gewesen. Das Wichtigste sei nämlich: Dasein. Nur das. Und das stimmt: Für meine Mutter war das unfassbar: „Du bleibst wirklich da? Bis ganz zum Schluss?“
Wieder und wieder hat sie mich gefragt: „Du musst doch heute Abend wieder fort? Oder Morgen früh?“ So kannte sie mich. Immer auf dem Sprung.

Ihre Angst, allein zu sein, wenn es auf das Ende zugeht – war riesig. Was diese Angst vertreiben kann? Vielleicht nichts. Aber dieses eine hilft wohl: Ganz einfach und schlicht da sein. Ich bin da – und bleibe. Recht oder schlecht. So oder so. Etwas unruhig – vom Schlafzimmer in die Küche und zurück. Am Bett sitzend oder in der Nähe am Schreibtisch.

Vor allem dann, wenn die Kräfte immer mehr schwinden, so hat es mir eine weise Pflegende gesagt: Einfach da sein. Nichts mehr machen wollen; nichts mehr organisieren; nichts mehr besorgen. Sondern schlicht: Lassen. Und spüren, was die Sterbende will. Liebe Worte – Gesten der Zuneigung: aber in Maßen!

Ich habe mich da an die Worte von Jesus an seine Jünger erinnert – in der Nacht vor seiner Gefangennahme: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet mit mir!“ (Matth 26,38)
Das war sein inniger Wunsch: Dableiben. Nicht allein sein in der Not.

Doch was, wenn der Wunsch nicht erfüllt wird, wie Jesus das erlebt hat? Dann ist das seine Zuflucht gewesen: Da ist Einer, der sagt: „ICH bin da für dich. ICH bin und bleibe dein Gott. Das ist mein Name. Daran erkennst du mich. ICH bin da – für immer – also bis zuletzt und darüber hinaus.“

Für mich ist das mein Trostfundament. Ganz gleich, ob ich nun unruhig bin oder Ruhe ausstrahle. Es geht um mehr als um ein passendes Verhalten. Dieser Trost gründet tiefer. In der Zusage Jesu: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matth 28,20).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41621
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

06MRZ2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich tue mich schwer mit Beileidsbekundungen. Was für eine Karte wähle ich aus? Ist das Motiv zu ernst – oder zu verharmlosend? Zu esoterisch – oder zu biblisch-plakativ? Was schreibe ich, was sage ich? Wie schnell kann ein Wort über meine Lippen kommen – und ich spüre später:
Das hat nicht so gepasst. Das war daneben. Manchmal zögere ich so lange, bis ich denke: Ist es jetzt nicht schon zu spät? Einem Trauernden seine Anteilnahme auszudrücken, ist gar nicht so leicht. Oder doch?

Nach dem Tod meiner Mutter habe ich erfahren: Wie gut tut mir in der Trauer das eine Wort: „Mein Beileid!“ Auf der Straße im Dorf, beim Bäcker, beim Metzger. Aus der Nachbarschaft. Das eine Wort auf einer Karte im Briefkasten. Ein Händedruck – ein Blickkontakt. Ein Arm auf meiner Schulter. Und das eine Wort. Für mich kam das nie zu spät.

Überraschende Besuche habe ich erlebt. Und dabei Gespräche gehabt, so intensiv wie selten: über Ängste und Schmerzen. Über schöne Zeiten und Erinnerungen. Ein Wort genügt – und kann soviel in Gang setzen.

„Mein Beileid!“, sagt: Ich leide mit. Ich nehme Anteil an Deinem Schmerz. Wie Geschwister. Denn darin sind wir aufs Engste verwandt: Wir sind alle vergängliche Menschen, Trauernde im Abschied. Wir spüren das, wo wir versäumtes Leben und erfülltes Leben erinnern – und beides uns zu Tränen rührt.

Dem Raum zu geben ist so wertvoll. Für alle. Ich habe das Gefühl, das stärkt auch das Miteinander. Da pausieren Streit und Konkurrenz und Besserwisserei. Da haben Häme und bissige Worte nichts zu suchen. Jedenfalls für eine Weile.

In der Trauer und im Beileid können Menschen menschlich zueinander sein. Vielleicht ist das auch möglich und so heilend, weil im Zentrum der christlichen Religion ein Gott steht, der leidet und mitleidet: der am Kreuz gestorbene Sohn im Schoß seiner weinenden Mutter.

Nach so intensiven Erfahrungen will ich nicht mehr versäumen zu kondolieren. Ich will das nicht mehr auf die lange Bank schieben. Und mich auch nicht davon abhalten lassen, weil mir nichts „Originelles“ oder „Geistreiches“ einfällt. Denn darum geht es gar nicht. Es reicht ein Wort, das öffnet das ganze Herzensmiteinander: Mein Beileid!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41620
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

22JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Journalistin Julia Friedrichs hat in Deutschland 40 Personen befragt und begleitet, deren Vermögen über 100 Millionen Euro wert ist. Sie hat interessiert: Wie sind sie dazu gekommen? Was bedeutet ihnen Reichtum? Und wie leben sie damit?

Manche verdrängen komplett, woher ihr Reichtum kommt, wollen es gar nicht wahrhaben. Andere gründen Stiftungen oder legen zig Millionen in andere Hände.

„Crazy Rich“ heißt das Buch, das bei diesen Recherchen entstanden ist.

„Crazy Rich“ kann soviel bedeuten wie „verrückt reich“ - aber auch: maßlos Reiche.

Beeindruckende Portraits sind da entstanden. Aus einer Welt, die ist den meisten gänzlich verschlossen und unvorstellbar.

Reichtum versetzt mitunter in eine Welt fernab der Lebenswirklichkeit der Allermeisten. Mir kommt es so vor, als sei Reichsein alles andere als einfach.

Eine Geschichte, die das noch vertieft, steht in den Evangelien:

 

Da sucht ein reicher Mann das Gespräch mit Jesus.

Seine Frage: Wie kann ich nach Gottes Geboten leben?

Auf Jesus hat er sympathisch gewirkt. Keine Reichenschelte und kein Moralisieren.

Nur eins, meint Jesus, fehle ihm noch: Er soll sein Vermögen den Armen geben.
Und sich so auf ein Leben einlassen, wie es Jesus vorschwebt: radikal offen für Gott und frei von allem Vermögen.

Die ihm versprochene Rendite: Er bekommt dafür einen Schatz im Himmel.

Ein bemerkenswertes aber auch irritierendes Angebot ist das.
Für den Reichen unerschwinglich. Er kann seinen irdischen Reichtum nicht loslassen. Und er wird darüber, so heißt es, sehr traurig.

Jesus zeigt keinerlei Häme. Er empfindet Mitleid.
Und er bemerkt: So schwer können sich Menschen von ihrem Vermögen trennen.

Reichtum ist für viele so erstrebenswert.

Wenn er aber nur Einzelnen dient, erweist er sich für eine Lebensgemeinschaft im Geist Jesu als Belastung.

 

Alles verschenken oder stiften – das ist gar nicht so einfach.

Und doch geschieht das heute immer wieder. Auch unter Superreichen.

 

Für mich weht da der Wind des Heiligen Geistes.

Und ich hoffe, der erreicht auch mich – damit sich meine Hände öffnen

und ich in andere Hände legen kann, was ich besitze.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41440
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

21JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor nicht langer Zeit hatte ich Besuch von einer Bekannten, die in der DDR–Opposition aktiv gewesen ist. Eine Bemerkung von ihr treibt mich weiter um. Sie hat gesagt:

Wir blicken in Deutschland oft nur auf die Opfer und die Täter!

Wo bleiben die Widerständler? Wo die Frauen und Männer, die sich gegen Unrecht gewehrt haben und die, die  es immer wieder tun?“

 

Ihre Frage hat etwas in mir ausgelöst:

Wie kommt es eigentlich, dass auch in meinem Kopf so viele Opfer- und Täterbiographien sind? Und nur so wenige von denen, die sich gewehrt haben.

 

Die Verfolgten und Gequälten der NS-Zeit dürfen nicht vergessen werden. Keine Frage.

Ich habe mich immer wieder dafür eingesetzt. Bei der Verlegung von Stolpersteinen und bei Gedenkveranstaltungen. Und auch die Täter und Täterinnen, ihre Namen und ihre Untaten, haben mich interessiert. Da waren in der Elterngeneration nicht wenige darunter. Doch warum sind meine Erinnerungen an Menschen, die sich gewehrt haben, so spärlich ausgebildet? Hängt es mit Hölderlins Wort zusammen, die Deutschen seien „gedankenvoll und tatenarm“? Bin ich darin womöglich sehr deutsch?

 

Bei einem ökumenischen Gottesdienst vor ein paar Wochen habe ich eine überraschende Erfahrung gemacht. Es war am 1. Advent. Eine Erzieherin aus der KiTa hat in Bezug auf den „Tag der Gewalt gegen Frauen“ diese Fürbitte formuliert: „Für alle, die sich erfolgreich dagegen gewehrt haben...!“
Da konnte ich mit vollen Herzen mit.
Und musste mich zugleich auch wundern: So eine Fürbitte hatte ich noch nie zuvor in einem Gottesdienst gehört: Für Menschen, die sich erfolgreich gewehrt haben.

 

In meinen Gebeten will ich dieser Spur Raum geben.

Und ich spüre in der Bitte für die, die sich wehren, eine Kraftquelle: den Geist Jesu.

Dieser Geist hat Christen in allen Jahrhunderten gestärkt:

beim Neinsagen gegen Unterdrückung, beim Eintreten für Entrechtete.
Auch in der NS-Zeit.

Durch diese Menschen sind die Spuren des Evangeliums von Jesus erkennbar geblieben.

Und haben auch mich erreicht.

Verbunden mit solchen widerständigen Zeugen will ich - nicht nur gedankenvoll und tatenarm - dem Wort Jesu aus der Bergpredigt folgen: „Selig sind, die hungern nach Gerechtigkeit!“ Und dazu gehört auch, dem Unrecht zu widerstehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41439
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

20JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Demokratie sei gefährdet. Das lese ich immer wieder und das bekomme ich auch in vielen persönlichen Gesprächen mit. Viele, die um die Demokratie besorgt sind, halten heute den Atem an: Der 47.te Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird heute vereidigt.

Doch wann sind Demokratien eigentlich bedroht? 
Was macht Demokratie im Kern aus?

Sind es die Wahlen - wenn Präsidenten oder Parteien vom Volk frei und geheim gewählt werden? Das gehört bestimmt zur Demokratie. Doch Wahlen allein schützen nicht vor Verbrechern an der Macht und verbrecherischen Gesetzen.

Bertold Brecht (1898 – 1956) hat es angesichts der Wahlerfolge der Nationalsozialisten einmal so ausgedrückt: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“

Trotz möglicher Verblendungen des Wahlvolkes ist mir die Demokratie heilig.
Aus einem Grund: Es ist eine Form der politischen Herrschsaft, in der ohne Waffengewalt etwas verändert werden kann – ohne Blutvergießen.

In der Demokratie wird Macht auf Zeit verliehen und durch Wahlen bestätigt oder wieder entzogen.
Das ist für eine Demokratie wirklich unverzichtbar: den Sieg der anderen Seite anzuerkennen. Und das schließt ein: Verlieren können!

Hier, so habe ich den Eindruck, liegt der Knackpunkt, an der eine Demokratie zerbrechen kann.

Es ist darum ein Segen für den Erhalt einer Demokratie, wenn sich Demokraten ihre Niederlage eingestehen und sie akzeptieren. Auch wenn es schwer fällt.


Was das mit Religion zu tun hat? Erst einmal gar nichts.
Religiös begründete Theokratien haben die Macht des Allerhöchsten schnell auf Diktatoren übertragen. Unbefristet. Das passiert bis heute. Zum Unheil der Menschen.

Doch ich glaube,  der entscheidende Punkt zur Bewahrung einer Demokratie ist im Christentum fest verankert:
Jesus, der Sohn Gottes, ist einer, der Macht abgegeben hat.

Er ist diesen Weg konsequent gegangen - bis ans Kreuz auf Golgatha – und hat so Unterlegenen gezeigt: Selig sind, die auch verlieren können!

Sie sind nicht von Gott verlassen.

Im Gegenteil: Gott wird die Erniedrigten erheben!


Wo dieser Geist lebendig ist, kann Demokratie blühen!

Können Frieden und Gerechtigkeit unter Menschen aufblühen...

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41438
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

11JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Früher dachte ich, es sind anonyme Mächte und Gewalten, die Unheil in der Welt auslösen. Neulich bin ich auf ein Wort gestoßen, das hat mich nachdenklich gemacht.
Eine Weisheit von Rabbiner Elazar HaKappa. Der soll einmal gesagt haben: Neid, Begierde und das Streben nach Ehre* bringen den Menschen aus der Welt. (Pirke Avot IV.28)

Wieso das denn? Menschen, die etwas begehren und dabei auch nach Anerkennung streben – haben doch auch schon viel Positives bewegt.
Ist es der »Neid«, der diese Antriebe vergiftet? Und so fatale Folgen haben kann, dass man aus der Welt fällt? Die Grundlagen für´s Leben verliert?

In den Zehn Geboten begegnet der Neid an letzter Stelle. In der Tradition der Kirche gilt er als eine der Todsünden. Nicht ohne Grund, denke ich. Es geht beim Neid um Grenzüberschreitungen – kleine und große Angriffe auf das Leben der Anderen. Eroberungen. Um sich selber groß zu machen.
Neid begehrt das Gut der Anderen. Das können Besitztümer sein, das können aber auch liebste Menschen sein: Kinder, Ehegatten, Freunde. Einfach alles, was zu einem Anderem gehört. Neid verbunden mit Begierde und dem Streben nach Ruhm – das kann zu einer explosiven Mischung werden. Was da in der Seele von Menschen passiert, kann gewaltige Auswirkungen haben. Kann Unfrieden stiften. Das Leben zur Hölle machen. Menschen aus der Welt bringen, wie Elazar HaKappa sagt.

Wie wir auch jetzt sehen können: Wenn mächtige Diktatoren von Neid und Begierde und der Sucht nach Ehre durchdrungen sind – dann kann das schreckliche Folgen haben.
Was sich da in einem Einzelnen zusammenbraut, kann katastrophale Folgen für die ganze Welt haben: Kriege um Rohstoffe, um Einflusssphären und Ruhm.
Das ist eine schreckliche Erkenntnis. Oder auch eine heilsame? Mit dem Wort von HaKappa lerne ich auch: Es fängt im Menschen an – im Innern des Einzelnen. In mir.
Also frage ich mich:
Wo kommt bei mir Neid auf? Wo das Begehren nach dem, was Andere haben?
Diese Antriebe können meinen Frieden vertreiben – mich aus der Bahn werfen. ((Dagegen kann ich was tun! ))
Auf dieser Baustelle will ich mich im neuen Jahr engagieren.


*andere Übersetzung: Ehrgeiz

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41375
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

10JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich besitze ein kleines Buch, das mich immer wieder aufrüttelt. Blauer Leineneinband – Taschenformat. Passt in jede Jackentasche. Auf dem Buchrücken ist eingeprägt: „Großer Gott wir loben dich.“ So beginnt ein uralter Choral. Er ist in allen Kirchen und weit darüber hinaus bekannt. Als mir eine Frau das Buch für eine Gesangbuchausstellung gebracht hat, ahnte ich noch nichts von seinem Inhalt.

Auf den ersten Blick ein schönes kleines Buch: In Weimar gedruckt. Im Verlag »Der neue Dom«. Erscheinungsjahr: 1941.
Ein Gesangbuch aus Kriegszeiten. Erst das Inhaltsverzeichnis hat mich stutzig gemacht. Im zweiten Abschnitt heißt es: „Volk vor Gott“ und „Weihe der Arbeit“.
Und zum Schluss:  „Von frommer deutscher Lebensart“ – „Lieder der Kameradschaft“. Und das in einem Kirchengesangbuch?
Ich bin dann bald darauf gestoßen: Es ist das Gesangbuch der sogenannten »Deutschen Christen« gewesen. Das war damals eine Strömung in der Evangelischen Kirche, die NS-Ideologie und christlichen Glauben miteinander verbinden wollte. Das stieß damals auf große Resonanz. Zehntausende dieser Liederbücher sind gedruckt worden.
Ein Ziel dieser Strömung war es, alles Jüdische aus dem Christentum zu verbannen. Ein unsinniges und widerliches Vorhaben.
Manches kommt sehr unscheinbar daher. Die Zeit nach dem Christfest heißt in der Kirche »Epiphaniaszeit« – also:  Zeit der Erscheinung Jesu Christi in der Welt.
Hier im Gesangbuch der »Deutschen Christen« wird daraus „Im Licht“.
Im Lied für Epiphanias »Wie schön leuchtet der Morgenstern“  – wird die Zeile – „Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm“ – ersetzt durch „Du hohe, klare Himmelssonn“.

Das Lichtsymbol steht ohne jeden Bezug zur biblischen Geschichte, ohne mit einem Wort die Herkunft von Jesus zu erwähnen. Kein Stern von Bethlehem und kein Sohn Davids aus Jakobs Stamm. Der Jude Jesus wird so „arisiert“. Das war das erklärte Ziel.

Mir wird daran klar: Symbole können – vom Ursprung loslöst – in ihr Gegenteil verkehrt werden. Es können daraus dann beliebig erbauliche oder auch hasserfüllte Rituale wachsen. Mich friert´s bei diesem unbiblischen Lichtkult.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41374
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

09JAN2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ist der Glanz der Weihnachtszeit schon wieder verflogen? In der ersten Arbeitswoche nach den Festtagen? Oder gibt es noch etwas, das weiter leuchtet? Mich begleiten weiterhin sehr besondere Lichter der Christnacht. Ich habe sie an Heiligabend gesucht und gefunden.

Ich sollte meine Mutter nicht allein lassen in ihrem Haus. Nicht einmal für ein paar Stunden. Sie ist auf intensive Pflege und menschliche Nähe angewiesen. Sonst bekommt sie panische Angst. Gleichzeitig wollte ich so gerne an Heiligabend zu einem Gottesdienst in meinen Wohnort aufbrechen –  dort eine ökumenische Messe mitfeiern. Aber das ist ein weiter Weg über die Autobahn.

Am Vortag sah es noch so aus, als würde nichts draus. Der Kreis der Pflegenden hatte zwar schon ein enges Netz an Einsätzen eingeplant – (noch häufiger als sonst). Aber für die Zwischenzeiten hatte ich einfach niemanden. Dann kam der Tipp: Fragen Sie doch einmal beim Hospizdienst. Das war am späten Nachmittag des 23.ten Dezember! Wer kann da noch spontan Zeit einplanen?

Doch schon bald rief bei mir eine Ehrenamtliche vom Hospizdienst an - ganz aus unserer Nähe. Sie könne nach dem Heiligabend in der Familie bei meiner Mutter sein, bis ich zurück bin. Das war mein großes Weihnachtsgeschenk. Ganz unverhofft.

Auf der Rückfahrt habe ich vom Auto aus bei meiner Mutter angerufen. Ich konnte sogar mit ihr und ihrer Begleiterin ein paar Sätze sprechen. Und hatte das Gefühl: Die Angst meiner Mutter vorm Alleinsein war wie weggeblasen. Und meine Sorgen auch. Bei meiner Rückkehr habe ich meine Mutter entspannt erlebt. Keinerlei Bitterkeit, keinerlei Vorwürfe.

Ich bin so beeindruckt, wie Ehrenamtliche vom Hospizdienst Menschen in Not unterstützen - wie zugewandt, wie einfühlsam. Im Gespräch, beim Vorlesen  –  oder in der Stille, wortlos. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist!“, heißt es in der Bibel. Schon gar nicht in der Not. Und: Was ihr den Bedürftigen getan habt, das habt ihr mir getan“, hat Jesus einmal gesagt.

Sein Licht leuchtet in allen, die der Seele einen Halt und ein Zuhause geben. Dieses Licht der Weihnacht scheint weit ins neue Jahr hinein. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41373
weiterlesen...

SWR Kultur Wort zum Tag

14DEZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich freue mich jedes Jahr auf die so oft besungene »Stille Nacht«. Doch wann beginnt sie eigentlich? Und woran merke ich das? Im Kalender steht am 24. Dezember: „Heiligabend“.

Aber so richtig still und heilig hat bei mir der 24.te noch nie begonnen. Im Gegenteil. Am Morgen heißt es: Einkaufen für die Festtage, Baum schmücken, Anrufe mit guten Wünschen für die Festzeit. Am Nachmittag wird es allmählich ruhiger.
Weihnachten wird spürbar - nach Ladenschluss. Aber selbst Gottesdienst und Bescherung sind für mich noch nicht wirklich »Stille Nacht«.

Erst so gegen 20 Uhr - gibt es für mich – zwei Spuren zur »Stillen Nacht«. Da sind dann so gut wie keine Autos mehr auf der Bundesstraße unterwegs. Und früher – hat mir ein Freund erzählt – war um diese Zeit selbst im Rechenzentrum der Uni niemand mehr tätig. Für ein, zwei Stunden. Einmal im Jahr. Sonst nie.

Da könnte man meinen: Die Zeit steht still. Stille Nacht.
Nichts geht mehr weiter wie sonst. Und – paradox genug – genau dann – wenn nichts mehr besorgt und geschafft wird, kann das geschehen, mit dem niemand rechnet. Ich muss dabei dann unweigerlich an die Nacht der Hirten vor Bethlehem denken.

Wo scheinbar nichts geschah, wo alles so dahindämmerte. Da - mit einem Mal - ist das Unfassbare in ihr Leben getreten: Die Stimme des Engels: „Fürchtet euch nicht – euch ist heute der Heiland geboren. Friede auf Erden!“

Wo Herrscher wie damals Kaiser Augustus oder König Herodes ihre Macht demonstrieren, wo ihre Ruhmsucht und ihre knallharten finanziellen Interessen den Lauf der Dinge bestimmen – da durchkreuzt Gott ihre Geschichten: in der Stille, in der Nacht, in einem Stall – am Rand, abseits der großen Geschichte. In einem Kind. In Jesus und Maria. Genau diese Stille – diese Unterbrechung – braucht es, für Gottes neuen Anfang.

Ob ich das wieder spüre?  In der Christnacht oder am ersten Feiertag? Oder schon jetzt – in den Tagen vor dem Fest – in einem unverhofften Augenblick der Stille? Ich weiß nur soviel: In der Stille kann ich mich öffnen für das Wunder der Weihnacht. Für Gottes Geist der Liebe. Der kann verbitterte und enttäuschte Herzen verwandeln – auch meines.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41200
weiterlesen...