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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Auslaufmodell Kirche. Und das aus dem Mund eines katholischen Pfarrers. Nun, auslaufen kann bedeuten: Es geht zu Ende mit der Kirche in Europa. Nicht wenige Zahlen und Fakten scheinen dafür zu sprechen: die vielen Kirchenaustritte, immer weniger Priester in immer anonymer werdenden „Seelsorgeeinheiten“ in meiner katholischen Kirche. Sprich: es findet kaum mehr Seelsorge statt. – Nein, dieses Auslaufmodell meine ich nicht. 

Ich meine das Auslaufmodell von Kirche, das Papst Franziskus vorschwebt. Er steht für eine andere Art von Auslaufen: Das Schiff der Kirche soll aus dem Hafen auslaufen, in dem sie sich nur mit sich selbst beschäftigt. Franziskus soll gesagt haben: „Ich habe den Eindruck, dass Jesus im Inneren der Kirche eingeschlossen ist und klopft, weil er hinauswill.“ (zit. bei Marco Politi) Das Schiff Kirche soll an die Ränder fahren, zu denen, die vom Leben benachteiligt und verwundet sind. Auf der Tagesordnung dieses Papstes steht dabei nicht moralisieren, sondern heilen und helfen. 

Papst Franziskus zeigt immer wieder tiefen Respekt vor Menschen, die nicht glauben. Für ihn gibt es bei dem Gott Jesu keine hoffnungslosen Fälle, kennt Gottes Barmherzigkeit keine Grenzen. So geht Franziskus ohne Vorbehalte auf die Menschen zu. Dabei betont er des Öfteren, dass er kein Recht habe, ein Urteil über die Aufrichtigkeit eines anderen zu fällen. 

Sich so zu öffnen bedeutet auch, Risiken einzugehen. Auch dazu Papst Franziskus: „Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Kirche, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht, und einer Kirche, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen.“ (zit. bei P.M. Zulehner) 

Und welche Option wähle ich? 
Ich freue mich über Papst Franziskus. Er ist für mich ein Geschenk Gottes. Ich bete und hoffe, dass ihm noch genügend Zeit bleibt, um seine Kirche auf diesen neuen Weg mitzunehmen.

Ich möchte kein Christ im Lehnstuhl sein, der seine religiöse Ruhe haben will. Ich möchte auch nicht jammern und in öden Versammlungen mit anderen einig sein, dass man halt doch nichts machen kann.

Ich fühle mich herausgefordert: Was bin ich für ein Christenmensch im Alltag? Fühlen sich Menschen wohl in meiner Nähe? Kommt etwas rüber von meinem christlichen Glauben? 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Der unergründliche Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die Tiere behandeln.“ – Diesen Satz habe ich auf einem Kalenderblatt gelesen. Er stammt nicht von Tierschützern. Das hat Bischof Wolfgang von Regensburg vor über 1000 Jahren gesagt. Wolfgang wurde um 920 im schwäbischen Pfullingen geboren. 

„Der unergründliche Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die Tiere behandeln.“ – Bischof Wolfgang hat das in einer Zeit gesagt, in der Natur und Tiere ein eher bescheidenes bis kein Interesse gefunden haben. In der christlichen Theologie von damals durfte kein Baum herumstehen und kein Huhn durch die Frömmigkeit tappen. Man hätte einen derart schöpfungsfreundlichen Satz eher 200 Jahre später bei Franz von Assisi vermutet. Doch Wolfgang und Franziskus waren einsame Rufer in der Wüste. 

Noch etwas ist bemerkenswert: Für die „Herzensbildung der Menschen“ ist für Bischof Wolfgang nicht nur der Umgang mit den Tieren wichtig. Es ist auch seine Art, den Menschen zu begegnen. Im Unterschied zum pompösen Lebensstil etlicher bischöflicher Amtskollegen lebt Wolfgang einfach. Ihr Spott kümmert ihn nicht. Wolfgang will immer genau hinschauen und Not lindern, wo er sie entdeckt. Es ist ihm auch ein Anliegen, dass seine Kirche wieder zur Heimat für suchende Menschen wird. Es geht Bischof Wolfgang nicht nur um Tierliebe. Mit Menschen und Tieren recht umgehen, das gehört für ihn untrennbar zusammen. 

Sein Anliegen bleibt aktuell. Es steht nicht gut um die „Herzensbildung“ – wenn ein „enthemmter Kapitalismus“ (Papst Franziskus) weder auf Menschen noch auf Tiere Rücksicht nimmt. Wenn Ureinwohnern in Süd- und Nordamerika nach wie vor ihr geliebter Heimat-Boden genommen wird. Es steht nicht gut um die „Herzensbildung“ – bei Massentierhaltung, Fleischfabriken und massenhaftem Kükenschreddern; wenn sinnlos Wälder abgeholzt werden, die Meere ausgebeutet und mit Öl und Plastik verschmutzt werden, ein rücksichtsloser Energiehunger nicht zu bremsen ist. 

Ich möchte aber auch nach meiner „Herzensbildung“ schauen. Wie achte ich die Tiere? Was tue ich für ihren Schutz? Wie gehe ich mit den Mitmenschen um? Habe ich ein Gespür entwickelt für Menschen, die meine Hilfe brauchen?

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Es ist ein Phänomen: Das Christentum hat sich vor 2000 Jahren außerordentlich schnell ausgebreitet. Man weiß zwar nicht genau, was sich damals alles abgespielt hat. Doch eine Erklärung scheint für die Erfolgsgeschichte des frühen Christentums sicher: Die Anhängerinnen und Anhänger dieses Glaubens sind spürbar besser miteinander umgegangen als die antike Umwelt das tat. 

Es waren die engen sozialen Netze der ersten Christen. Erst mit ihnen sind die Sorge für Alte und Kranke, sind Mitleid, Barmherzigkeit und Nächstenliebe salonfähig geworden. - Das geht zurück auf Jesus. Wie er „Wohltaten spendend“ (Apostelgeschichte 10,38) umherzog, Kranke heilte und sich auf die Seite der Erniedrigten und Benachteiligten gestellt hatte. 

Noch etwas Entscheidendes kommt hinzu: Solidarisch sein mit den Schwachen, das macht nicht mehr Halt an den Grenzen von Sippenverbänden und Familienclans. Dieser Solidarität wissen sich auch heute die christlichen Kirchen und zahlreiche Nichtregierungs- Organisationen verpflichtet. 

Kirchengemeinden, Ordensgemeinschaften, caritative und diakonische Hilfswerke setzen sich weltweit dafür ein, dass Kinder und Jugendliche menschenwürdige Lebensperspektiven haben. Ärzte ohne Grenzen kümmern sich um Flüchtlinge. Amnesty International, die Gesellschaft für bedrohte Völker mahnen die Menschenrechte an. All das macht auch deutlich: Wer sich nationalistisch oder gar fremdenfeindlich verhält, handelt weder menschlich noch christlich. 

Grenzen sind kein Wert an sich und eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen erst recht nicht. Humanität, Menschlichkeit jedoch sind ein Wert. Und: Menschlichkeit kennt keine Obergrenzen! Das gilt auch dann, wenn sich Politik und Sicherheitskräfte nach den grausamen Anschlägen in der letzten Zeit um strengere Vorsichtsmaßnahmen  kümmern müssen. Die derzeitige Verunsicherung darf auch nicht umkippen in pauschale Verdächtigungen, in Anfeindungen und Hass gegenüber Flüchtlingen. 

Menschlichkeit kennt keine Obergrenzen! Wer davon überzeugt ist, muss es laut und deutlich sagen. Dabei ist es egal, ob diese einsichtigen Menschen Christen, Humanisten oder Atheisten sind. Sie sind sich über alle Grenzen hinweg einig: Die Würde jedes Menschen ist die einzig gültige Grenze, die es unbedingt zu respektieren gilt.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Eine Frau - aufgefahren in den Himmel. Die Rede ist von Maria, der Mutter Jesu. Katholische und orthodoxe Christen feiern heute dieses Fest „Mariä Himmelfahrt“ mit Gottesdiensten und Prozessionen. Doch viele können damit nichts anfangen, auch evangelische Mitchristen. Bis heute belastet dieses Fest auch das ökumenische Gespräch. Ich weiß nicht, ob das so sein muss. 

„Mariä Himmelfahrt“ heißt das Fest im Volksmund. Die offizielle Lesart lautet: „Mariä Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit“. Das bedeutet für mich: Gott hat Maria in neuer, verwandelter Gestalt zu sich geholt, in seine Nähe. Maria ist für immer ganz bei Gott. - Christen hoffen das für jeden Menschen, der stirbt. Diese Hoffnung steht im Zentrum jeder Predigt, die ich bei einer Beerdigung halte. 

Dass es so ist, dürfen wir hoffen. Wie es geschieht, ist Sache Gottes, das dürfen wir getrost ihm überlassen. Das entzieht sich jeder Erfahrung und jeder Spekulation. 

Die Aufnahme Marias in das Reich Gottes ist für mich ein Fest der Hoffnung, dass Gott uns nicht im Tod fallen lässt, sondern uns aus dem Tod neu erschafft für das endgültige Leben bei ihm. 

Interessant ist für mich auch das Wort „Aufnahme“. Freunde nehmen mich herzlich auf. Im Urlaub wurde ich herzlich aufgenommen und habe so richtig Gastfreundschaft genossen. Ich denke auch an einen Aufenthalt im Krankenhaus. Ich fühlte mich gut aufgenommen. Das Gegenteil wäre: abgewiesen werden, außen vor bleiben. 

Die Aufnahme von Maria in die himmlische Herrlichkeit ist für mich ein Fest von tiefer Bedeutung. Ich hoffe für mich und für alle Menschen, dass Gott uns einmal – wie Maria – für immer aufnimmt. Neu und verwandelt. Mit meiner ganzen Lebensgeschichte: mit Freud und Leid, mit allem, was ich erlebt, erhofft, aber auch nicht verstanden habe. Mit allem, worin ich – vielleicht - auch gescheitert bin. Eben mit meinem ganzen Packen Leben. 

Ich feiere heute – am Fest „Mariä Himmelfahrt“ – vor allem die „Aufnahmebereitschaft“ Gottes. Dass Gott aufnahmebereit ist wie kein anderer.

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SWR1 3vor8

Galater 3,26-29 - 12. Sonntag im Jahreskreis (C)

 „Kleider machen Leute“ – dieser Spruch hat was für sich. Der galt bereits in der Antike. Kleider haben seit jeher vielfältige Funktionen. Sie dienen zum Schutz, lassen eine bestimmte Volkszugehörigkeit erkennen und bezeichnen unterschiedliche Amtsaufgaben. Entsprechende Kleider trägt man in biblischen Zeiten zum Zeichen der Buße, in Krankheit, um Freude oder Trauer auszudrücken. 

Heute kleiden sich die einen schlicht und einfach, weil das für sie nicht so wichtig ist oder weil sie es sich finanziell nicht leisten können. Andere mögen es nur vom Feinsten. Manche in Uniform – in weltlicher oder in geistlicher Uniform – betonen auch heute noch, wie bedeutend sie sind. Kleider machen eben Leute. 

In einer Ausstellung waren jeweils zwei Fotos von verschiedenen Personen zu sehen, die jeweils anders gekleidet sind. Auf der einen Seite - eine freundlich lächelnde Mittdreißigerin in Jeans und Pulli. Sie wirkt, als könnte man Pferde mit ihr stehlen. Dann sieht man sie in ihrer Dienstkleidung, einem olivgrünen Overall der Schweizer Luftwaffe. Alle Achtung! Anderes Bild: Ein Kardinal in seiner schwarzen Soutane mit roter Bauchbinde und geschwellter Brust. Er flößt dem Betrachter ziemlichen Respekt ein. Im Urlaub erscheint er ganz normal in kurzer Hose. – Die Wirkung ist frappierend. Andere Kleidung – anderer Mensch.* 

Und dann ist heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören: „Jesus Christus legt sich mir selbst als Gewand an“. Wie soll denn das gehen? 

Ich verstehe das so: „Jesus als Gewand anlegen“ bedeutet für mich Geborgenheit und Halt im Glauben. Ich fühle mich beschützt und darf vertrauen, dass mich nichts und niemand von seiner Liebe trennen kann, was auch immer passiert. 

„Jesus als Gewand anlegen“ – das könnte auch bedeuten, dass ich ein „anderer Mensch“ werde. Dass ich sensibler werde für die Mitmenschen. Ich brauche ja nicht gleich jeder und jedem um den Hals zu fallen. Aber ich möchte mich bemühen, anderen mit Respekt und Toleranz zu begegnen; in meinem Umfeld für ein freundliches Klima zu sorgen; ein feines Gespür zu entwickeln für Menschen, die mich in einer Notlage brauchen. – „Von Jesus angetan“ möchte ich ein „anderer Mensch“ werden.  

 

Stuttgarter Zeitung, 01. März 2016, S.22 – zu: Ausstellung

   „Kleider machen Leute – was Mode mit uns macht“,

   Bücherei Waiblingen (01. März – 07. April 2016)

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SWR4 Sonntagsgedanken

Auf eine neue Übersetzung des „Vaterunser“ bin ich aufmerksam geworden, die mich begeistert. Noch klarer am Geist Jesu orientiert, hat sie etwas Befreiendes an sich. Die Übersetzung stammt von Peter Jentzmik - Dozent für die hebräische Sprache - und lautet: 

Vater unser
in den Himmeln,
geheiligt werde Dein Name;
Deine Herrlichkeit komme,
Dein Heilswille geschehe
auf Erden, wie schon in den Himmeln.

Gib uns heute die uns verheißene Speise
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben denen,
die an uns schuldig geworden sind;

und lass uns nicht in die Fänge der Versuchung geraten,
sondern befreie uns von dem Bösen.

Vor allem zwei Stellen beschäftigen mich, die sich vom altbekannten Vaterunser unterscheiden. Bei der einen geht es um den „Heilswillen Gottes“. Die andere ist die Sache mit der „Versuchung“. Im ersten Teil der Sonntagsgedanken möchte ich über den „Willen Gottes“ nachdenken, im zweiten Teil über die „Versuchung“. 

1. Was will Gott von uns? 

Ich frage mich: Was will Gott? Was will er von uns? Wenn ich nur daran denke, wie viel Schindluder mit dem so genannten „Willen Gottes“ schon getrieben wurde. Kirche und Staat haben in der Vergangenheit immer wieder Gehorsam eingefordert, um Macht auszuüben, um Menschen kleinzuhalten. Verhängnisvoll wurde es, wenn solche Forderungen damit begründet wurden, dass darin der „Wille Gottes“ zum Ausdruck komme. 

In der Bibel entdecke ich eine ganz andere Spur. Den „Zehn Geboten“ steht voran: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei befreit hat.“ Darunter verstehe ich: Es ist Gott, der uns gut will, der unsere Freiheit will, der will, dass unser Leben gelingt. Das heißt für mich weiter: Wenn Gott so wohl-wollend zu mir steht, dann werde ich mich im Vertrauen auf ihn um ein menschenwürdiges Leben, um ein gutes Zusammenleben bemühen. (Exodus 20,1-17; Deuteronomium 5,6-22) 

So halte ich die Übersetzung für treffend: „Dein Heilswille geschehe.“ Das ist etwas ganz anderes als das, was allzu oft mit einem missverstandenen „Allmachts-Begriff“ für Gott in Verbindung gebracht wird. 

Mit der Vorstellung, Gott ist allmächtig, verbindet man den Gedanken: Gott kann alles machen, alles möglich machen oder alles verhindern - wenn er nur will. Diese Vorstellung hat für mich etwas Beliebiges, Willkürliches und damit auch Bedrohliches an sich. Wenn ich mir so die Allmacht Gottes vorstelle – dann muss sich Gott die Frage gefallen lassen: Warum lässt du dann all das Leid zu? 

An Gottes Macht gibt es für die Bibel nicht den geringsten Zweifel. Aber was ist das für eine Macht? Gottes Macht im Sinne der Bibel besteht in seiner Zuneigung und Treue, in seiner Freundschaft und Liebe, von der uns nichts und niemand trennen kann, was auch immer passiert (Römer 8,31-39). Er ist Gott, der uns erhält, auch in all dem, was im Leben zwiespältig und widersprüchlich erscheint, unbegreiflich oder sinnlos. Die göttliche Macht trägt, bewahrt und erhält – das ist Ausdruck von Gottes „Heilswillen“, um den wir bitten, dass er geschehe.

 2. Das mit der Versuchung 

Im zweiten Teil der Sonntagsgedanken geht es um die Bitte im Vaterunser: „Und führe uns nicht in Versuchung“ – das ist die gängige Formulierung. Nehme ich das wörtlich – dann muss ich allerdings damit rechnen: Gott könnte es einfallen, mich in Versuchung zu führen, mir Fallen zu stellen. Dieser Gedanke ist für mich schon lange unerträglich. Einem solchen Gedanken stehen andere Stellen in der Bibel entgegen. Im Jakobusbrief zum Beispiel heißt es: 

„Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Gott führt niemanden in Versuchung“ (1,13). Dass Gott in Versuchung führt, das passt auch nicht zu dem Bild, das Jesus von Gott hat. Für ihn ist Gott der bedingungslos liebende Vater. Ihm darf ich voll und ganz vertrauen. Ich könnte doch kein Vertrauen zu Gott haben, wenn zugleich mein Misstrauen mitschwingt, er könnte sich vielleicht doch nicht an seine Treue zu uns halten. 

Entsprechend lautet die neue Übersetzung: „Und lass uns nicht in die Fänge der Versuchung geraten!“ Es ist eigentlich nicht zu verstehen, warum in den christlichen Gottesdiensten immer noch Sonntag für Sonntag wiederholt wird: „Und führe uns nicht in Versuchung!“ 

Bei dieser Art von Versuchung geht es eben nicht um den Zigarettenautomaten an der Ecke, nicht um die schöne Nachbarin und nicht um die Versuchung, eitel oder faul zu sein. Bei der Bitte „lass uns nicht in die Fänge der Versuchung geraten“ geht es um die Versuchung, die Menschen „gefangen“ nimmt. Diese „Fänge“ sind seit der Antike Ehre Macht und Reichtum. Sie können den Menschen so sehr gefügig machen, dass er meint, Gott nicht mehr nötig zu haben. Es handelt sich im Sinne Jesu daher um die Bitte, nicht das Vertrauen in Gott zu verlieren. 

Genau darum geht es auch bei den Versuchungen, in die Jesus selbst geraten ist (Matthäus 4,1-11). Jesus hat sich in der Wüste aufgehalten und gefastet. In der Einsamkeit, vielleicht auch in einer inneren Krise, wollte er sich seiner Sendung, seines eigenen Weges klarwerden. In dieser extremen Situation ist er in Versuchung geführt worden. 

Die erste Versuchung: Jesus hat Hunger. Als „Sohn Gottes“ kann er doch jederzeit aus Steinen Brot zaubern. Doch Jesus widersteht diesem Ansinnen. Er zieht Kraft aus Gottes Wort und hat keinen magischen Schabernack nötig.

Die zweite Versuchung: Dass Jesus sich als der „Sohn Gottes“, von Engeln getragen, vom Tempel in Jerusalem fallen lassen solle, ohne dabei zu Tode zu stürzen. Solch ein Spektakel widert Jesus an. 

Die dritte Versuchung: Jesus soll nicht nur vom Reich Gottes predigen. Der Teufel bietet ihm die Weltherrschaft an, wenn er nur ihn anbetet. Jesus reagiert schroff: „Weg mit dir, Satan!“ 

Jesus hat all diesen Versuchungen widerstanden. Das heißt für mich: Jesus bleibt in seinem Gottvertrauen standhaft. Er lehnt kalte Macht ebenso ab wie Luxus und Pomp. Dies ist auch ein Appell an die Seinen – damals wie heute - sich nicht blenden, sich nicht irreführen zu lassen. Was mich aus der Gefangenschaft von Zwängen und Ängsten befreit, geschieht nicht durch magischen Schabernack, sondern durch Gottes Wort, das heilt, aufrichtet und tröstet. Darauf soll ich hören. Darauf soll ich vertrauen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag. 

Quelle: Michael Broch, Peter Jentzmik, Das Vaterunser – neu buchstabiert, Glaukos Verlag Limburg, ISBN 978-3-930428-39-7

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SWR4 Abendgedanken

Geschichten, die das Leben schreibt

„Der Olivenbaum hat Zeit, er lässt sich nicht drängen“ * - diese alte Weisheit ist dem Olivenbaum selbst abgeguckt. Wo andere Bäume kerzengerade emporwachsen, lässt sich der Olivenbaum Zeit für knorrige Windungen und dicke Verknotungen, für gespenstische Baumhöhlen und ein verwirrendes Wurzelwerk. Junge Bäumchen lassen sich bis zu 20 Jahre Zeit, bis sie Oliven tragen. Und wenn andere Bäume altersschwach bereits nachlassen, Früchte zu tragen – beginnt der Olivenbaum erst so richtig, Leben zu entfalten. 

Was das heißt, das konnte ich im Westen Kretas – meiner Lieblingsinsel – bestaunen: ein einzigartiges Naturdenkmal, der mit 4000 Jahren vielleicht älteste Olivenbaum der Welt. Noch immer zieren ihn frische silbrig-grüne Blätter. Noch immer trägt er üppig Oliven und scheint jeder  Vergänglichkeit zu trotzen. Man kann sich kaum vorstellen, was dieser Baum so alles zu erzählen hat. 

„Der Olivenbaum hat Zeit, er lässt sich nicht drängen“ – irgendwie hat sich das auf die ungebrochen erfrischend lockere Mentalität meiner griechischen Freunde übertragen. Auf ihre mitunter chaotisch-liebenswürdige Art, das Leben zu meistern und Krisen zu bestehen. 

Olivenbäume laden zum Verweilen ein. An den Stamm gelehnt, meinte ich etwas von der Lebenskraft dieses Baumes zu spüren. Habe ich in der Hitze den Schatten des dichten Blätterwerks als wohltuendes Geschenk empfunden. Mit etwas Phantasie schien es mir, als hätte ich das ewige, sanfte, fruchtbare Rauschen der Olivenzweige hören können.

((Zeit haben, sich nicht drängen lassen – ich entdecke eine weitere Eigenschaft des Olivenbaums: er ist bescheiden. Darauf bringt mich eine kleine Fabel im Alten Testament: 

„Einst machten sich die Bäume auf, um sich einen König zu salben, und sie sagten zum Ölbaum: Sei du unser König! Der Ölbaum sagte zu ihnen: Soll ich mein Fett aufgeben, mit dem man Götter und Menschen ehrt, und hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?“ (Richter 9,8-9) 

Und noch etwas:)) Seit Urzeiten symbolisiert der Olivenzweig Frieden und neues Leben und Hoffnung. Das kommt in der Geschichte von der Sintflut so treffend zum Ausdruck: 

„Gegen Abend kam die Taube zur Arche zurück, und siehe da: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Olivenzweig. Jetzt wusste Noah, dass sich die Wasser von der Erde verlaufen hatten.“ (Genesis 8,11)

  

Es lohnt sich zu betrachten, zu blättern, zu schmökern

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SWR4 Abendgedanken

Geschichten, die das Leben schreibt

„Was schenkt man einem Freund, der schon alles hat? Diese Frage kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich denke, Kater Mooch kann mir da weiter helfen. Er ist die Hauptfigur in der Geschichte „Das schönste Geschenk“. Ein Buch von Patrick McDonnell, Comiczeichner und Schriftsteller in den USA.* 

Kater Mooch macht sich nämlich auf die Suche nach einem tollen Geschenk für seinen besten Freund Earl. Earl ist ein Hund und der hat Geburtstag. Aber was könnte Mooch ihm schenken? Einen Fressnapf hat er bereits, ebenso ein weiches Lager und Spielzeugknochen. Kater Mooch grübelt und grübelt: Was könnte er seinem Freund Earl schenken, der schon alles hat? 

Dann kommt Mooch die erleuchtende Idee: „Nichts – ich schenke ihm einfach nichts!“ Doch Mooch ist etwas irritiert. Sein Herrchen klagt, dass wieder nichts im Fernsehen kommt, obwohl doch ständig der Fernseher läuft. Den beiden Jungs auf der Strasse ist es langweilig. Es fällt ihnen anscheinend nichts ein, was sie anstellen könnten, obwohl sie doch dauernd irgendeinen Blödsinn aushecken. Frauchen hat im Supermarkt wieder mal nichts gefunden, obwohl die Regale proppen voll sind. Resigniert stellt Mooch fest, dass er nirgends nichts findet. 

Aber dann! Mooch holt verschieden große Kartons, die ineinander passen. In jeden Karton tut er nichts rein. Das ergibt eine ganze Menge nichts. 

Und dann ist es soweit. Earl ist völlig überrascht: „So ein großes Paket. Du musst mir doch nichts schenken.“ „Aber woher weiß Earl das mit dem Nichts?“ – sinniert Mooch. Neugierig packt Earl sein Geschenk aus und ist bass erstaunt: „Da ist ja gar nichts!“ „Genau“, freut sich Mooch, „Nichts – nur du und ich!“ Lange sitzen Mooch und Earl still nebeneinander und genießen „nichts“ und doch „alles“!

 *  Hoffmann und Campe, Ein Unternehmen der Ganske Verlagsgruppe, 2012/5

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SWR4 Abendgedanken

Geschichten, die das Leben schreibt

Wenn für mich so manches im Leben schwer wird, wenn 24 Stunden am Tag nicht genug sind – dann erinnere ich mich an die Geschichte vom „Blumentopf und dem Bier“. 

Ein geistlicher Lehrer war mit seinen Schülern zusammen. Wortlos nahm er einen großen Blumentopf und füllte ihn mit Golfbällen. Dann fragte er die Schüler, ob der Topf nun voll sei. Sie bejahten es. 

Dann nahm der Lehrer Kieselsteine und schüttete diese in den Topf. Er rüttelte ihn und die Kieselsteine rollten in die Leerräume zwischen den Golfbällen. Wiederum fragte er, ob der Topf nun voll sei. Die Schüler stimmten zu. 

Als nächstes nahm der Lehrer eine Dose mit Sand und schüttete diesen in den Topf. Der Sand füllte den kleinsten verbliebenen Freiraum aus. Und noch einmal fragte er, ob der Topf nun voll sei. Einstimmiges Ja. 

Zuletzt holte der Lehrer eine Flasche Bier unter dem Tisch hervor und schüttete den Inhalt in den Topf. Jetzt war auch der letzte Raum zwischen den Sandkörnern ausgefüllt. Die Schüler lachten. 

Als das Lachen langsam nachließ, sagte der Lehrer: „Ich möchte, dass ihr diesen Topf als Sinnbild eures Lebens anseht.“ Und er fuhr fort: Die Golfbälle sind das Wichtigste im Leben: Familie, Kinder, Freunde, Gesundheit. Die Kieselsteine symbolisieren die anderen Dinge: Arbeit, Haus, Auto, Urlaub. Der Sand, das sind die vielen Kleinigkeiten.“

„Falls ihr den Sand zuerst in den Topf füllt, gibt es keinen Platz mehr für die Kieselsteine und nicht für die Golfbälle. Dasselbe gilt für euer Leben. Wenn ihr alle Zeit und Energie in Kleinigkeiten investiert, dann werdet ihr keinen Platz mehr haben für die wichtigen Dinge. Deshalb: Spielt mit euren Kindern. Nehmt euch Zeit für einen Arztbesuch. Führt euren Partner zum Essen aus. Es wird immer noch Zeit bleiben, um die Wohnung zu putzen.“ 

Ein Schüler wollte wissen, was es denn mit dem Bier auf sich hätte. Der Lehrer schmunzelte: „Ich bin froh, dass du das fragst. Es soll dir sagen: Egal, was es auch an Schwierigkeiten in deinem Leben gibt, es hat immer noch Platz für ein oder zwei Bierchen.“

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SWR4 Abendgedanken

Geschichten, die das Leben schreibt

„Elisabeth, ich will“ – gut sichtbar hängt dieser Satz mit großen blauen Buchstaben auf ein Leintuch geschrieben von einer Strassenbrücke. „Elisabeth, ich will“ – das klingt nach einer öffentlichen Liebeserklärung oder gar nach einem Heiratsantrag. Da hat sich jemand für eine Frau entschieden und möchte seine Freude darüber auf diese Weise auch anderen mitteilen. So habe ich mir das ausgemalt. 

Von der nächsten Brücke hängt wieder ein Leintuch herunter. Und wieder steht da mit großen blauen Buchstaben: „dich nicht“.  Ich füge zusammen: „Elisabeth, ich will – dich nicht“. Au Backe. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht. Zuerst „himmelhoch jauchzend“ und  dann „zu Tode betrübt“. Aus. Schluss. Vorbei. Das also wars dann mit der großen Liebe. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. 

Von der dritten Brücke hängt noch ein Leintuch, darauf wieder mit großen blauen Buchstaben: „verlieren. Dein Martin“. Die Botschaft auf den 3 Leintüchern von den 3 Brücken lautet also: „Elisabeth, ich will – dich nicht – verlieren. Dein Martin“

Ich musste schmunzeln, habe mir aber auch so meine Gedanken gemacht: Wie oft fälle ich vorschnell ein Urteil über jemanden, den neuen Kollegen, die neue Hausbewohnerin? Wie oft ziehe ich vorschnell Schlussfolgerungen aus einer Sache, die noch nicht zu Ende diskutiert ist? Wie schnell platze ich in ein Gespräch, lasse den anderen nicht ausreden, oder ich höre ihm gar nicht richtig zu? 

„Elisabeth, ich will – dich nicht – verlieren.“ Die Geschichte hinter diesem Satz hat in mir etwas bewirkt. Ich habe mir vorgenommen: Ich halte mich künftig mehr zurück. Ich bemühe mich, geduldiger zu sein und warte ab, bis ich einen Menschen besser kenne, um ein Urteil zu fällen – wenn überhaupt. Ich möchte besser zuhören können. Dann fällt es mir leichter, den anderen zu verstehen. 

(Quelle unbekannt)

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