Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Der unergründliche Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die Tiere behandeln.“ – Diesen Satz habe ich auf einem Kalenderblatt gelesen. Er stammt nicht von Tierschützern. Das hat Bischof Wolfgang von Regensburg vor über 1000 Jahren gesagt. Wolfgang wurde um 920 im schwäbischen Pfullingen geboren. 

„Der unergründliche Gradmesser für die Herzensbildung der Menschen ist, wie sie die Tiere behandeln.“ – Bischof Wolfgang hat das in einer Zeit gesagt, in der Natur und Tiere ein eher bescheidenes bis kein Interesse gefunden haben. In der christlichen Theologie von damals durfte kein Baum herumstehen und kein Huhn durch die Frömmigkeit tappen. Man hätte einen derart schöpfungsfreundlichen Satz eher 200 Jahre später bei Franz von Assisi vermutet. Doch Wolfgang und Franziskus waren einsame Rufer in der Wüste. 

Noch etwas ist bemerkenswert: Für die „Herzensbildung der Menschen“ ist für Bischof Wolfgang nicht nur der Umgang mit den Tieren wichtig. Es ist auch seine Art, den Menschen zu begegnen. Im Unterschied zum pompösen Lebensstil etlicher bischöflicher Amtskollegen lebt Wolfgang einfach. Ihr Spott kümmert ihn nicht. Wolfgang will immer genau hinschauen und Not lindern, wo er sie entdeckt. Es ist ihm auch ein Anliegen, dass seine Kirche wieder zur Heimat für suchende Menschen wird. Es geht Bischof Wolfgang nicht nur um Tierliebe. Mit Menschen und Tieren recht umgehen, das gehört für ihn untrennbar zusammen. 

Sein Anliegen bleibt aktuell. Es steht nicht gut um die „Herzensbildung“ – wenn ein „enthemmter Kapitalismus“ (Papst Franziskus) weder auf Menschen noch auf Tiere Rücksicht nimmt. Wenn Ureinwohnern in Süd- und Nordamerika nach wie vor ihr geliebter Heimat-Boden genommen wird. Es steht nicht gut um die „Herzensbildung“ – bei Massentierhaltung, Fleischfabriken und massenhaftem Kükenschreddern; wenn sinnlos Wälder abgeholzt werden, die Meere ausgebeutet und mit Öl und Plastik verschmutzt werden, ein rücksichtsloser Energiehunger nicht zu bremsen ist. 

Ich möchte aber auch nach meiner „Herzensbildung“ schauen. Wie achte ich die Tiere? Was tue ich für ihren Schutz? Wie gehe ich mit den Mitmenschen um? Habe ich ein Gespür entwickelt für Menschen, die meine Hilfe brauchen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22493
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