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SWR4 Abendgedanken
Jetzt wird alles anders! Ich mache mehr Sport, achte mehr auf meine Ernährung und mache alles besser als letztes Jahr.
Klingt nach einem guten Plan. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin: Überfordern mich solche Vorhaben. Denn all das halte ich höchstens so lange durch, bis der Alltag wieder losgeht.
Deshalb mache ich das dieses Jahr anders: Ich ziehe mir einen Jahresheiligen. Einen Heiligen für das ganze Jahr 2025. Und den finde ich im Internet. Einfach nach dem Stichwort Jahresheiliger suchen und schon kann es losgehen. Das klingt vielleicht erstmal ungewöhnlich. Aber warum nicht mal etwas Neues ausprobieren?
Der Jahresheilige ist für mich wie eine Art Wegbegleiter und Vorbild für das kommende Jahr. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Ich kann mich in das Leben des Heiligen einlesen. Vielleicht inspiriert es mich, wie eine gläubige Person aus einem anderen Jahrhundert gelebt hat. Was sie gedacht hat. Oder ich erfahre, für was sich die Person eingesetzt hat und bekomme neue Impulse, wie ich mich heute für Andere und diese Welt einsetzen kann. Oder ich besuche den Ort, an dem die Person gewirkt hat und lerne so eine neue Gegend kennen.
Am allermeisten motiviert mich, dass ich mich mit jemandem, der meinen Glauben teilt, verbunden fühle. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Heilige für das kommende Jahr bei mir im Leben mit am Start ist; und ich fühle mich im Alltag nicht allein mit meinem Glauben und meiner Hoffnung auf Gott. Ich habe neben Gott ein Gegenüber, quasi eher auf meiner Ebene. Eben einen Menschen, der hier auf der Welt wirklich gelebt hat und etwas für die Menschen bewirkt hat. Ein Vorbild und ein Wegbegleiter für mich persönlich in diesem Jahr. So steht das Jahr unter einem besonderen Stern, unter meinem Jahresheiligen – meiner ist übrigens der Heilige Joachim.
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Ich bin auf jeden Fall oft einer von denen, die immer versuchen, alles in einen Tag reinzupacken. Ich fahre manchmal über orange, hol mir mittags schnelles Essen auf die Hand. Und vieles mache ich auf den letzten Drücker fertig, denn ich bin Zeitsparer. Zeitdruck ist mein Leben.
Bei Momo ist das anders. Momo hat Zeit.
Momo ist das Mädchen aus dem gleichnamigen Buch von Michael Ende. Sie hat eine besondere Gabe: Sie kann zuhören. Und zwar so, dass die Menschen um sie herum sich verstanden und wertgeschätzt fühlen. Sie hat Freunde, Zeit und Freude am Leben – also alles, was es für ein erfülltes Leben braucht. Alles scheint gut, bis die grauen Herren auftauchen. Die bringen die Idee ins Spiel, Zeit sparen zu können. Sie versprechen: Wer seine Zeit spart, wird glücklicher. Klingt doch eigentlich ganz gut, oder? Also ich wäre da direkt am Start.
Aber das Gegenteil passiert. Die Menschen fangen an, durchs Leben zu hetzen. Um Zeit zu sparen, hören sie auf bestimmte Dinge zu tun: Sie sprechen nicht mehr darüber wie es ihnen geht. Auch gemeinsame Abende, an denen man einfach nur so Zeit miteinander verbringt, werden gestrichen. Es wird weder gelacht, noch gefeiert. Alle sind immer „zu beschäftigt“. Je mehr Zeit die Menschen für die grauen Herren sparen, desto unglücklicher werden sie, weil sie merken: Sie haben an deme gespart, was sie eigentlich glücklich macht.
Momo lässt sich darauf nicht ein. Sie nimmt sich weiterhin Zeit, hört zu. Besonders stark finde ich an Momo, dass sie zeigt: Zeit ist nicht einfach etwas, das man besitzen oder sparen kann. Ich kann mir Zeit nehmen, für Dinge, die mir wichtig sind. Denn letztlich geht es darum, wie wir unsere Zeit einsetzen. Mit wem wir unterwegs sind und unsere Zeit teilen.
Ein guter Freund hat mich letztens spontan gefragt, ob ich abends bei ihm vorbeischaue. Mein erster Gedanke: Boah, ich habe eigentlich keine Zeit, denn ich muss morgen früh raus, noch Dinge im Haushalt regeln und vorbereiten für die Arbeit. Ich habe mir dann doch Zeit für meinen Freund genommen und mich mit ihm getroffen. Und dabei gemerkt: Ja, genau, dafür möchte ich mir meine Zeit nehmen.
Momo erinnert mich daran, dass Zeit kein Gut ist, das man sparen oder vermehren kann. Vielleicht probieren Sie das auch mal aus: Jemandem Ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Dann vielleicht auch mal was liegen lassen, was auf den ersten Blick wichtig erscheint. Mir Zeit nehmen, für das was mir und meinem Herzen guttut. Es kostet nichts – und gibt mir so viel zurück.
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Zwölf Monate voller Leben liegen hinter mir: Lachen, weinen, freuen, streiten - alles war dabei. Mir ist es wichtig, am Ende eines Jahres nochmal zurück zu schauen. Zu überlegen, was da alles so passiert ist. Was ich erlebt habe.
Dabei hilft mir eine bestimmte Methode: Der Perlengang.
Diese Methode habe ich im Kloster Nütschau bei Hamburg kennen gelernt. Dort habe ich damals einen langen Spaziergang mit 12 Stationen gemacht, für jeden Monat eine. An jeder Station konnte ich mir eine Perle aus Holz aussuchen, die den Monat zusammenfasst. Manchmal ist sie groß und dunkel, andere kleiner und hell, rund, eckig oder oval.
So wie diese hier, die eckig und dunkel ist, weil ich dieses Jahr aus meiner WG ausgezogen bin und mich von Leuten verabschieden musste, die mir wichtig geworden sind. Oder diese helle ovale Perle hier. Die steht für die Tage in Rom, an die ich gerne zurückdenke. Die Sonne, das Eis und die Menschen – einfach eine schöne Zeit, die sich hier in dieser kleinen hellen Perle wiederspiegelt. So entsteht Stück für Stück und Schritt für Schritt eine kleine, bunte Perlenkette.
Diese Perlen an der Kette spiegeln mein Leben und das was ich damit verbinde wieder. Die Höhen und Tiefen kann ich so aus einer anderen Perspektive sehen. Kann durch die Perlen ausdrücken was ich fühle, wenn ich an die Momente aus meinem Jahr denke. Denn mit der Wahl der Perle gebe ich dem Ganzen ein Bild. Die Dinge bleiben nicht nur in mir selbst, sondern ich gebe ihnen Gestalt und Struktur in Form dieser einzelnen Perlen. Gleichzeitig sehe ich, dass ich abschließen kann, wenn ich jede einzelne Perle auffädle. Ich sehe, dass es weitergeht. Das fühlt sich gut an.
Mittlerweile benutze ich keine echten Perlen mehr. Ich sammle sie eher in meinen Gedanken. Trotzdem gehe ich raus. Ich habe meinen Kalender und die Fotos auf meinem Handy dabei. Mit ihnen mache ich einen langen Spaziergang, bleibe immer wieder stehen und überlege, wie die Perle für den jeweiligen Moment aussehen würde. Ich schaue zurück, gebe ab, was mich belastet, und bin dankbar für das, was läuft und gut ist. Um eine andere Perspektive auf mich und mein Leben zu bekommen und zu sehen: Es ist ein Schatz.
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Wenn ich irgendwo neu bin, dann bin ich eher schüchtern und zurückhaltend. Ich denke immer darüber nach, was die anderen wohl denken, was sie von mir halten und wie ich auf sie wirke. Das verunsichert mich dann total.
Ich wünsche mir da mutiger zu sein und weniger Angst zu haben.
Dazu habe ich irgendwann mal einen Spruch aufgeschnappt: „Mut ist Angst, die gebetet hat“.
Wenn ich irgendwo neu bin, dann bete ich zwar in solchen Momenten nicht immer bewusst, aber ich hoffe und vertraue darauf, dass Gott an meiner Seite ist. Diese innere Haltung gibt mir Kraft und Zuversicht. Ich glaube, dass Gott in der Lage ist, meine Angst zu verwandeln und mir Mut zu schenken. So traue ich mich auch mal mutiger zu sein.
Auch in anderen Situationen wünsche ich mir diesen Mut. Zum Beispiel, wenn ich in einer Besprechung etwas sagen soll und mir unsicher bin, ob meine Meinung richtig ist. Oder wenn ich mich mit jemandem streite und den ersten Schritt zur Versöhnung machen möchte. Diese Momente sind oft von Angst geprägt – Angst davor, dass ich abgelehnt werde, mich blamiere, oder missverstanden werde.
Es erfordert Mut, mir meine Schwächen zuzugeben, nach einem Streit den ersten Schritt zu machen oder für meine Meinung einzustehen. Wenn ich mich überwinde und dann doch frage, oder auf mein Gegenüber zugehe und für andere da bin merke ich: Ich bin nicht allein. Diesen Schritt zu wagen, dann bin ich überzeugt: Dass Gott mir die Kraft gibt, diese Hürde zu überwinden.
Diese kleinen und großen Mutproben des Alltags zeigen mir, dass Mut nicht die Abwesenheit von Angst ist, sondern der Umgang mit ihr. Wenn ich meine Ängste an Gott übergebe, bin ich nicht allein damit. Es gibt jemanden, der mitträgt. Das gibt mir Mut. Ich kann mich mehr trauen, mir vertrauen und werde dadurch mutiger. Ich kann die großen und kleinen Herausforderungen besser meistern. Denn: „Mut ist Angst, die gebetet hat“.
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Wenn ich meine Schülerinnen und Schüler frag', was Glück für sie bedeutet, dann kommen ganz verschiedene Antworten: Ein Gewinn bei einem Tippspiel, die Gemeinschaft mit Freunden, oder wenn ich gesund bin und ein gutes Leben führen kann. Der Philosoph Wilhelm Schmid sagt: „Glück ist eine Lebenseinstellung.“
Er unterscheidet dabei drei verschiedene Arten von Glück. Erstens das Zufallsglück, wie beispielsweise ein unerwarteter Lottogewinn. Dieses Glück ist intensiv, aber meist kurzlebig. Zweitens das Wohlfühl-Glück, das in Gemeinschaft entsteht. Wenn ich mit Freunden oder der Familie zusammen bin und das Leben feiere. Dieses Glück ist tiefer und nachhaltiger, weil es auf menschlichen Beziehungen und gemeinsamen Erlebnissen beruht.
Und dann gibt es noch eine dritte Art des Glücks: Das Glück der Fülle. Wenn Glück zur Lebenseinstellung wird. Das bedeutet, dass alle Facetten des Lebens dazugehören – die Tiefen und die Höhen, das Sterben und die Geburt, die Krankheit und Gesundheit.
Wenn das Leben selbst Glück ist.
Es gibt Tage, an denen fällt es mir schwer, das Glück im Leben zu sehen. Wenn ich beispielsweise einen Durchhänger habe. Wenn ich mich erschöpft fühle. Wenn es mir oder Menschen, die mir am Herzen liegen, schlecht geht. In solchen Momenten scheint das Glück weit entfernt zu sein. Doch Schmid schlägt vor, die Perspektive zu wechseln, weil das ganze Leben dazugehört.
Das klingt einfacher, als es ist. Tod, Verlassen sein, Krankheit. Das erlebe ich so wie es für mich ist – und das als Glück zu bezeichnen fällt mir schwer und fühlt sich falsch an. Doch wenn es wieder geht und ich weiß wie ich damit umgehe – dann kann ich diese Erfahrung für mich mitnehmen und es geht weiter.
Was mir hilft immer wieder die Perspektive zu wechseln und das Leben wertzuschätzen, sind kleine Dinge im Alltag: Ein Lächeln von einem Fremden, das Zwitschern der Vögel am Morgen oder der erste Schluck Kaffee am Tag – diese kleinen Freuden können das Schlechte nicht vollständig beseitigen, aber sie nehmen ihm die Macht über meine Gefühle.
Dieser Perspektivwechsel von Schmid ändert langsam meine Lebenseinstellung. Glück wird nicht mehr nur ein flüchtiger Moment, sondern ein allumfassender Bestandteil meines täglichen Lebens.
Eben: Glück als Lebenseinstellung.
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In jeder Kirche stehen Heiligenfiguren. Meistens mit Gold und so reich verziert. Doch je prunkvoller sie sind, desto unerreichbarer wirken diese Heiligen auf mich. Weit weg von mir, meinem Alltag und meiner Welt. Sie sind mir zu glatt, zu perfekt, zu gl舅zend - eben zu heilig.
Mit solchen Heiligen, kann ich nur wenig anfangen. Auch wenn diese Figuren, über Jahrhunderte hinweg verehrt worden sind, erscheinen sie mir zu weit entfernt von meiner Realität heute. Es sind Menschen gewesen, die auf dieser Welt gelebt haben, ja: Aber die Art und Weise, wie sie dargestellt und gefeiert werden, macht sie für mich unerreichbar. Klar, sie haben Großes vollbracht, anderen geholfen und wurden oft schon zu Lebzeiten von vielen verehrt. Das ist beeindruckend und bewundernswert, aber irgendwie wirken sie dann zu groß und damit zu weit weg von mir.
Trotzdem glaube ich fest daran, dass es auch heute noch heilige Menschen gibt. Sie sehen nur anders aus und leben vielleicht weniger auffällig, aber sie sind da. In der Bahn neben mir, an der Kasse im Supermarkt oder im Park. Es sind Menschen, die für andere Menschen wichtig sind. Weil sie ihnen Halt geben und man sich an ihnen orientieren kann. Auch in meinem Adressbuch gibt es bestimmt solche Menschen. Leute, denen ich nahe stehe und mit denen ich mein Leben bestreite. Weil sie da sind für mich. Ohne sie würde ein großer Teil in meinem Leben fehlen und deswegen sind sie mir nicht nur wichtig, sondern heilig.
Heilig - ganz ohne Sockel. Es sind die Alltagsheldinnen und Helden, die stillen Unterstützer. Es sind Menschen, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Sie tragen vielleicht keinen Heiligenschein, keine prunkvollen Gewänder und stehen nicht im Rampenlicht. Sie tragen Hoodies, Vans und Jeans, sehen aus wie du und ich.
Für mich sind auch heute Heilige da. Sie sind überall um uns herum, wenn wir nur genau hinschauen. Ihre Heiligkeit liegt nicht darin, dass sie perfekt sind. Sondern darin, dass sie für andere da sind, anderen beistehen, trösten und so zu Vorbildern werden. Sie sind nicht perfekt, weil es Menschen sind mitten unter uns.
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Meine dreijährige Nichte Anna ist zu Besuch. Ein Grund für mich, das Lego aus meinem Keller zu holen. Mit dem habe ich selbst als Kind richtig gerne gespielt. Früher haben mein Bruder und ich stundenlang gebaut: Häuser mit vielen Balkonen, Autos mit Flammenwerfer-Auspuff und fliegende Schiffe. Das war klasse. Doch irgendwann sind die Kisten voller Klemmbausteinen und Ideen in den Keller gewandert. Fast zwei Jahrzehnte lang waren sie jetzt da unten. Sind von einem zum anderen Umzug immer mitgezogen. Ich habe mich von den Klemmbausteinen nie trennen können. Zu viele schöne Erinnerungen an tolle Nachmittage hängen an ihnen. Und jetzt ist es endlich so weit. Ich kann sie wieder rausholen – für meine Nichte.
Auch wir bauen einen ganzen Nachmittag lang: Häuser, fliegende Schiffe und Autos mit kreativen Konstruktionen. Sie ist begeistert dabei und ich auch. Ihre Begeisterung ist richtig ansteckend. Und sie erinnert mich daran, wie wichtig es ist, die Welt durch die Augen eines Kindes zu sehen.
Es gibt etwas Magisches an der Art und Weise, wie Kinder die Welt wahrnehmen. Sie sind von Natur aus neugierig, erkunden jeden Winkel und jede Ecke mit einer Begeisterung, die ich als Erwachsener irgendwie, irgendwann verloren habe.
Neugierig sein und die Welt entdecken. Offen sein für andere, weil ich von ihnen lernen kann. Kreativ, seine eigenen Ideen entwickeln. Das sind Eigenschaften, die Kindern zugeschrieben werden.
Diese Fähigkeiten von Kindern fand Jesus schon vor über 2000 Jahren so faszinierend, dass er gesagt hat: „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Das ist ein starkes Bild für mich. Jesus fordert mich als Erwachsenen dazu auf: Auch ich soll neugierig sein und bleiben. Die Welt mit offenen Augen entdecken. Und mit dem, was ich kann, kreativ umgehen, um eine Idee dafür zu entwickeln, was ich in dieser Welt verändern kann.
Kinder leben im Moment, ohne die Last der Vergangenheit oder die Sorgen um die Zukunft. Sie vertrauen darauf, dass alles gut wird, und lassen sich von der Welt um sich herum verzaubern. Das zeigt für mich, wie wertvoll die kindliche Perspektive ist.
Dadurch wird die Welt ein Ort, an dem es viel Gutes zu entdecken gibt – nicht weil ich naiv bin. Sondern kreativ, offen und neugierig. So wie meine Nichte.
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Die Stimmung im Fußballstadion ist grandios. Die Fans singen und bringen die Mannschaft nach vorn. Auch wenn mein Verein nicht gewinnt, lohnt es sich jedes Mal hier her zu kommen: Denn die Atmosphäre ist ganz anders als zuhause vor dem Fernseher. Klar, vielleicht kann ich nicht alles sehen. Manchmal fehlt die Wiederholung oder eine Nahaufnahme. Dafür bin ich aber noch da, wenn das Spiel vorbei ist. Und da sehe ich, wie sich Spieler und Trainer auf dem Platz begegnen. Sie reichen sich einander die Hände. Das finde ich immer wieder schön zu sehen.
Es sind Menschen, die sich gerade noch als Gegner gegenübergestanden haben. Alle bringen dabei verschiedene Geschichten mit. Einige haben vielleicht gerade noch gegen ihr Vorbild gespielt; manche kennen sich von früher, sind sich sympathisch – oder kennen sich gar nicht und sind sich sogar unsympathisch. Trotzdem kommen sie nach dem Spiel nochmal zusammen. Nicht als Gegner. Denn nach dem Schlusspfiff verändert sich etwas: Es ist vorbei – das Spiel ist aus und aus Gegnern werden Leute, denen man den Sieg gönnen kann. Menschen, die sich einander die Hände reichen. Und das ist ein wichtiges Zeichen für mich als Fan.
Denn das H舅dereichen bedeutet, dass man fair miteinander umgeht, auch wenn das Spiel hitzig gewesen sein mag. Es zeigt allen: Die Spieler gehen friedlich vom Platz. Beim H舅dereichen wird deutlich: Es ist ein Spiel und das geht neunzig Minuten. Au゚erhalb dessen gibt es noch viel mehr, das verbindet.
Das Händereichen im Fußballstadion erinnert mich an den Gottesdienst. Auch dort reichen wir uns einader die Hand und verbinden es mit einem Friedensgruß: "Der Friede sei mit dir."
Es ist Versprechen und Zuspruch zugleich. Das Versprechen, dass wir uns gegen Hass einsetzen. Und der Zuspruch, dass ich mit Gott an meiner Seite für Frieden sorgen kann. Das bedeutet nicht, dass alle Kriege und der Hass auf der Welt sofort aufhören. Aber es bedeutet, dass ich und alle anderen, die bei diesem Friedensgruß dabei sind uns dafür aktiv einsetzen wollen. Dass wir dafür sorgen, dass diese Welt weniger aus Gegnern besteht. Sondern mehr aus Menschen, die ich respektiere und auf Augenhöhe begegne. Gott trägt den Frieden mit.
Sowohl im Stadion als auch im Gottesdienst passiert es:
Menschen reichen sich einander die Hände, die sich fremd sind. Nicht nur als netten Gruß. Sondern als Zeichen dafür, Fairplay und Frieden bei mir im Alltag zu integrieren. Ihn hinauszutragen in die Welt.
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Ich bin vor Kurzem in eine neue Stadt gezogen: Nach Augsburg. Hier feiern die Leute Anfang August einen besonderen Tag. Das Hohe Friedensfest. Das ist hier sogar ein Feiertag, an dem die Leute in der Stadt alle frei haben.
Bevor ich hier her gekommen bin, habe ich von diesem Friedensfest noch nie gehört und konnte damit nur wenig anfangen, außer, dass man da frei hat.
Ich habe mich gefragt, was man da feiert und wie dieses Fest in der Stadt aussieht.
Einen ganzen Tag geht es hier um den Frieden und darum, dass Religionen einen wichtigen Beitrag dazu leisten können. Es gibt beispielsweise eine große Feier auf dem Rathausplatz, an der alle Religionsvertreter der Stadt zu Wort kommen. Es gibt verschiedene interreligiöse Angebote und eine große Tafel, an der alle Leute zusammen essen. Das finde ich gut und wichtig.
Religionen haben durch die Geschichte hindurch viele Menschen zusammengebracht, haben Menschen Halt und Kraft und Hoffnung für ihr eigenes Leben gegeben. Aber Religionen haben durch die Geschichte hindurch auch viel Schaden angerichtet. Für ihre Religion sind viele Menschen in den Krieg gezogen, haben Häuser, Menschen und sich selbst zerstört. Und auch heute noch führen Menschen im Namen der Religion Krieg.
Das passt nicht zu meinem Bild. Ich bin gläubig, katholisch und bin in der Kirche. Ich denke, dass auch andere Religionen Wege mit Gott für den Frieden suchen und finden. Mir ist bewusst, dass ich die großen Probleme als Einzelner nicht lösen kann. Aber ich kann für Frieden appellieren, dafür beten und mich zumindest in meinem Umfeld dafür einsetzen, dass wir gut miteinander umgehen.
Denn ich denke, Frieden beginnt bei mir. Wo ich mich für andere Menschen einsetze, wo ich dafür eintrete, dass auch andere Menschen ihren Glauben leben können.
Denn ich meine, dass Religionen auch heute noch eine große Kraft haben, um Menschen zusammenzubringen. Wie am Friedensfest in Augsburg. Wenn die Kirchen sich öffentlich für Frieden aussprechen und Menschen aus unterschiedlichen Kulturen an eine Tafel zusammen bringen und gemeinsam beten.
Ich finde es klasse, dass sich Menschen in Augsburg für den Frieden einen Tag lang Zeit nehmen dürfen und sollen. Das macht mir Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
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mitten auf dem Petersplatz, in Rom, versammeln sich viele Leute. Dieses Jahr sind es rund fünfzigtausend Ministrantinnen und Ministranten aus ganz Europa, die hier zusammenkommen: Um den Glauben zu feiern und dass sie Ministranten sind. Es werden Fahnen geschwenkt und Fangesänge auf den Papst und den Glauben gesungen. Ich bin mittendrin gemeinsam mit meiner Ministrantengruppe. Wir sind hier her gepilgert – mit dem Bus. Ein Bus voller Jugendlicher und voller Erwartungen. Sie erhoffen sich eine spannende Reise. Dass sie neue Ministranten von überall her kennenlernen, neue Orte entdecken können und eine gute Zeit haben, die wir miteinander teilen.
"Mit dir" unter diesem Motto steht diese Fahrt. Es ist ein kurzes Zitat aus dem Buch Jesaja in der Bibel. In diesem Abschnitt der Bibel spricht der Prophet Jesaja: "Gott ist mit dir – du bist nicht allein." Eine hoffnungsmachende Zusage finde ich. "Mit dir": Das bedeutet für mich auch, dass ich nicht alleine bin mit meiner Hoffnung, mit meinen Sorgen und dem was mich umtreibt. "Mit dir": Das bedeutet für mich: Es gibt da jemanden, der an meiner Seite ist. Dies erlebe ich dieser Tage hier in Rom mit vielen anderen Jugendlichen und jungen Christinnen und Christen. Auch wenn ich in meiner Gemeinde vielleicht der einzige Ministrant bin, kann ich bei dieser Pilgerfahrt erleben: Wir sind viele, ich bin nicht allein. Uns eint der gemeinsame Glaube an Jesus Christus und unser Dienst in den verschiedenen Gemeinden. Es sind Jugendliche aus ganz Europa hier. Das ist schön zu sehen und zu erleben.
Klar, Gemeinschaft kann ich auch woanders erleben. Bei der Jugendgruppe vor Ort oder in der Schule, auf der Arbeit oder beim Musizieren. Doch hier in Rom bei der Ministrantenwallfahrt hat das für mich nochmal eine andere Dimension. Weil wir Glaubende, junge Menschen sind. Und das ist das, was es ausmacht. Zu sehen, dass eine Kirche von morgen möglich ist.
Dass ich selber mitbauen kann an dieser Kirche für morgen. Dass ich gemeinsam mit anderen unterwegs bin. Hier in Rom, aber auch in der Gemeinde vor Ort.
Ich bin nicht alleine, sondern gemeinsam unterwegs: "Mit dir".
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