Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR2

 

Autor*in

 

Archiv

SWR2 Wort zum Tag

13MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Etwas, das ich immer bei mir habe. Es ist nicht mein Handy. Es ist mein Terminkalender. Schnell habe ich ihn, meinen Taschenkalender, und einen Kugelschreiber zur Hand.

Ohne den Terminkalender wäre meine Arbeit sehr chaotisch und ich würde ständig etwas vergessen. Gleichzeitig erlebe ich immer wieder, wie schnell sich mein Plan kurzfristig verändern kann. Da kommen Dinge dazwischen, die schnell erledigt werden müssen, Absagen, wenn jemand krank wird, Dinge, die nicht so laufen wie gedacht. Das kann einiges durcheinanderwerfen.

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat einmal gesagt hat: „Es ist nicht leicht, mit Gott Schritt zu halten.“

Da ist wohl etwas dran. Leichter scheint es mir, immer nur die eigenen Schritte zu setzen, so wie geplant. Kommt es anders, kann das schon herausfordernd, manchmal aufwühlend sein. Auch wenn ich gerne alles festlegen wollte, so ist es eben bei Gott nicht.

Das zeigt sich schon in der Bibel: bei Abraham, der auf Zuruf von Gott seine Heimat verlassen und in ein völlig fremdes Land ziehen soll. Oder auch bei den Propheten gibt es das, dass Gott die klugen Pläne der Gebildeten auf den Kopf stellt.

Ich persönlich habe so ein Merkmal gefunden, an dem ich erkenne, dass Gott in meinem Leben überraschend mit im Spiel war: immer dann, wenn ich ihn im Rückblick entdecke, in Begegnungen zum Beispiel, über die ich froh war und über die ich letztlich sagen kann „Es war gut so“.

„Es ist nicht leicht, mit Gott Schritt zu halten.“

Manchmal scheint mir Gott zu schnell zu sein, wenn sich eine Situation zu sehr verändert, wenn mich das Leben überrennt, und ich komme fast nicht mit. Vielleicht kann man da sagen: Gott ist mir immer einen Schritt voraus, läuft mir aber nicht davon. Gott weiß, was ich kann. Er traut mir zu, meinen Weg zu gehen, und er räumt auch nicht jeden Stein für mich aus dem Weg.

Falls ich einmal langsamer bin und das Gefühl habe, nicht mitzukommen mit Gott oder mit dem Leben, dann kann ich auf seine Hilfe bauen. Diese Hilfe kann überraschend für mich sein, sodass es etwas Aufmerksamkeit braucht, die Schritte, die Gott im Bild gesprochen auf mich zumacht, auch zu sehen. Zum Beispiel dann, wenn ich unerwartet Unterstützung bekomme, oder wenn etwas am Ende doch gut wird und weitergeht.

Gottes Schritte lassen sich nicht einplanen. Deshalb bin ich gespannt, wohin er mich heute führt. Ich weiß, was mein Kalender heute bietet, aber Gott bietet sicher noch viel mehr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37649
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

12MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es ist Religionsunterricht, 8. Klasse in der Realschule. Zwei Schülerinnen verstehen sich so gut, dass sie keine Worte brauchen. Sie sitzen zwar weit weg voneinander, aber das hält sie nicht davon ab, miteinander zu kommunizieren. Ganz still und möglichst unauffällig versuchen sie, sich mit Handzeichen und Blicken etwas zu sagen, miteinander zu sprechen. Am Ende ist es mir als Lehrer dann doch aufgefallen und ich muss schmunzeln.

Das ist etwas Schönes, wenn ich mich so gut mit jemandem verstehe, dass ich keine Worte brauche.

Von früher her kenne ich das mit meinem Bruder. Als Musiker stand er oft auf der Bühne, während ich unten saß. Dann haben wir Blicke aus der Ferne ausgetauscht, wenn irgendetwas war. Auch heute gibt es immer mal wieder kleine Gelegenheiten, bei denen ich mit guten Freunden und Kollegen auch ohne Worte kommunizieren kann.

Witzig ist, wenn diese wortlose Kommunikation einmal daneben geht, wenn sich herausstellt, dass wir an völlig andere Sachen gedacht haben. Das kann auch passieren.

Klar, so ganz ohne Worte funktioniert es sicher in keiner Beziehung. Sie sind unverzichtbar dafür, dass eine Beziehung tragfähig wird. Eigentlich bilden sie die Basis dafür, dass so etwas gelingen kann – einen anderen ohne Worte zu verstehen. Denn dann ist eine tiefe Vertrautheit miteinander da. Man kennt sich gut, hat einander gern und versteht sich wie blind. Wenn ich so jemanden habe, weiß ich: da kennt mich einer ganz genau. Solche Freundschaften möchte ich schätzen und pflegen. Sie sind wertvoll und einmalig.

Für mich ist das auch in der Beziehung mit Gott so. Er ist eher so ein „Wortlos-Freund“, der mir etwas auf seine ganz eigene Weise sagen kann. Gott kann mir das eine oder andere Augenzwinkern schicken. Aber auch in meiner Beziehung zu Gott braucht es einmal Worte. Ich möchte ihn gerne auch einmal sprechen hören und suche immer wieder nach ihm und danach, was er mir auf meine Fragen antwortet, vor allem wenn ich bete. Diesen Gesprächsfaden möchte ich nicht abreißen lassen. Er ist so etwas wie unsere Basis.

Unter guten Freunden ist das Verstehen ohne Worte besonders schön. Bei Gott ist das für mich auch so. Wenn ich zum Beispiel mit dem Herzen spüre, dass ich jetzt gerade am richtigen Platz bin, wenn mich das Leben erfüllt und wenn ich mich getragen weiß. Dann verstehen wir uns gut, wir zwei, auch ohne Worte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37648
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

11MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Vier Augen sehen mehr als zwei.“

Das ist ein geläufiges Sprichwort und ein Prinzip, das mir in den unterschiedlichsten Bereichen begegnet. In der Autozeitschrift lese ich, dass ich nie allein ein Auto kaufen sollte. Die Empfehlung: Nehmen Sie zur Besichtigung eine zweite Person mit, damit Ihnen nichts entgeht.

Wenn jemand mit mir auf eine Sache schaut, ist das hilfreich. So bekommt meine Sicht mehr Weite oder etwas Neues kommt in meinen Blick, etwas, was ich vorher vielleicht übersehen habe. Diese Erfahrung scheint sich bewährt zu haben, man findet auch in der Bibel ein Beispiel dafür.

Es ist in einer Geschichte, die vom Jünger Petrus erzählt[1]. Sie spielt kurz nach den Osterereignissen. Petrus hatte mitbekommen, dass Jesus auferstanden sein soll, und er hat ihn auf diese besondere Weise, eben als Auferstandener, sogar selbst getroffen.

Aber jetzt liegt das alles weit hinter ihm. Petrus arbeitet wieder als Fischer. Er fährt zusammen mit ein paar anderen Jüngern raus auf den See, aber die ganze Nacht über fangen sie nichts. Als sie frühmorgens ohne Erfolg ans Ufer zurückkommen, steht ein Mann plötzlich da und ruft: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, dann funktioniert es!“ Dieser Mann ist Jesus, aber weder Petrus noch die anderen erkennen ihn. Doch sie machen, was er sagt, und dann geschieht es. Sie fangen so viele Fische, dass sie die Netze fast nicht mehr einholen können.

Spätestens hier hätte Petrus Jesus erkennen können. Nur war er zu sehr mit seinen Netzen beschäftigt. Aber ein Freund von Petrus merkt, dass er gerade etwas Wichtiges übersieht, dass da etwas an ihm vorbeizugehen droht. Er macht ihn aufmerksam und sagt: „He Petrus, es ist der Herr!“ Wäre dieser Freund nicht gewesen, hätte Petrus Jesus vielleicht gar nicht erkannt. Zum Glück: Vier Augen sehen mehr als zwei.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute im Laufe des Tages so ein zweites Augenpaar bei sich haben. Es muss gar nichts Großes sein, aber oft kann mich jemand anderes aus meinem eigenen Trott herausholen, aus meiner Laune oder den trüben Gedanken. Oder vielleicht ist es auch andersherum, und Sie selbst können so ein zweites Augenpaar sein, das für einen anderen etwas Wichtiges entdeckt.

 

[1] Vgl. Joh 21,1-13.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37647
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

29MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Eine kurze Geschichte zu Beginn: Zwei junge Fische schwimmen im Meer zusammen in eine Richtung. Da treffen sie zufällig einen älteren Fisch, der ihnen zunickt und sie fragt: „Na Jungs, wie ist das Wasser?“ Die beiden jungen Fische reagieren nicht darauf und schwimmen weiter. Nach einer Weile fragt der eine den anderen: „Was um alles in der Welt ist Wasser?“

Soweit die Fabel des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace. Sie spricht etwas typisch Menschliches an.

Da sind die beiden jungen Fische. Sie stehen für die Menschen als Gewohnheitstiere. Jeder hat seine eigene Welt, seine gewohnte Umgebung. Und da gibt es vieles, was unseren Alltag erst möglich macht. Wenn ich so eine gewisse Naivität mitbringe, dann nehme ich das einfach ganz selbstverständlich hin. Und wenn nicht ein älterer Fisch mit viel Lebenserfahrung kommt und einen Hinweis gibt, dann bemerke ich das ganze Wasser um mich herum vielleicht nie.

Ja, das kenne ich. Ich denke nicht immer daran, wie entscheidend es ist, dass ich ein Dach über dem Kopf habe, dass ich eine Arbeit habe, die zum Leben reicht, und dass ich Menschen habe, die mir wichtig sind. Da bin ich schon wie der Fisch, der nicht das Wasser kennt, das ihn am Leben hält und es überhaupt ermöglicht. Aber das Wasser ist eben doch da.

Deshalb rede ich gern mit Menschen mit viel Lebenserfahrung wie meine Großmutter oder ältere Menschen, die ich in meiner Arbeit in der Pfarrei treffe. Was sie zu sagen haben, weitet meine Perspektive. Ich kann dann manchmal wieder besser wahrnehmen, was um mich herum ist und was mein Leben so möglich macht, wie es ist: unsere Demokratie zum Beispiel und das freie Leben, das ich in Deutschland leben kann. Die ganze Gesellschaft, die mich trägt, auch wenn sie an manchem gebrochen ist, meine Gesundheit, meine Freundschaften, mein Glaube. All das ist das Wasser, in dem ich schwimme.

Wenn mir ein älterer Fisch entgegengeschwommen kommt und eine weise Bemerkung für mich übrig hat, kann ich meistens davon profitieren. Das kann aufrütteln und wieder neu aufmerksam machen.

Ab und zu treffe ich meinen Freund Martin. Ich weiß gar nicht, ob er die Fabel von den drei Fischen kennt, aber sie passt gut zu ihm. Wenn ich ihn treffe, frage ich ihn immer zuerst: „Wie geht es dir?“ Dann lächelt Martin mich an und antwortet: „Ich bin zufrieden wie ein Fisch im Wasser.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37360
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

28MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein Wort, das mir momentan immer wieder über den Weg läuft, ist: Fasten.

Zum einen begehen Christen gerade die Fastenzeit, zum anderen ist das Fasten zu einer Art Modeerscheinung und richtig „in“ geworden.

Eine Freundin von mir fastet gerade auch. Sie heißt Hannah und sie fastet Instagram, das heißt, seit Aschermittwoch nutzt sie es gar nicht mehr. Das hat sie außerhalb der Fastenzeit jeden Tag gemacht und das relativ zeitintensiv. Hannah sagt: „Darauf zu verzichten, fällt mir richtig schwer.“

Aber: Das nimmt sie gerne in Kauf. Denn Hannah hofft, dass ihr Fasten Wirkung zeigt. Sie hat jetzt Zeit übrig und die verwendet sie, um auf andere Dinge in ihrem Leben zu achten, die ihr wichtig sind, aber sonst oft zu kurz kommen. Sie geht viel spazieren und besucht öfter ihre alte Tante, der es nicht mehr gut geht. Hannah findet, dass sie insgesamt achtsamer geworden ist. Was sie vorher nicht gesehen hat, das bemerkt sie jetzt viel eher, weil sie einfach mehr Luft dafür hat.

Hannahs Fazit lautet so: „Egal, was man fastet: besonders schön ist, wenn man sich dabei positiv ausrichten kann. Wenn man wieder offener für seine Umwelt wird, für die Menschen um einen herum und vielleicht auch offener für Gott.“ Und weiter sagt Hannah: „Ich jedenfalls hoffe, dass ich aufmerksamer für Gott werde, auch wenn sich mein Verzicht manchmal einfach zäh anfühlt.“

Ich denke bei Hannah und ihrer Art zu fasten an ein chinesisches Sprichwort, das ich einmal gehört habe. Es heißt: „Hoffnung ist wie Zucker im Tee. Auch wenn sie noch so klein ist, versüßt sie alles.“

Wenn ich auch nur ein Quäntchen Hoffnung habe, kann sich eine Sache vollkommen verändern. In dieser Haltung fastet auch Hannah. Sie hat die Hoffnung, dass sie in ihrer Fastenzeit etwas Neues entdeckt, etwas, das sie mehr ins Leben und näher zu Gott bringt.

Mir persönlich ist beim Fasten wichtig, dass Ostern bald kommt. Ostern ist für mich das Fest der größten Hoffnung überhaupt. Deshalb muss das, was schwierig oder auch schlecht ist, nicht für immer bleiben, sondern kann anders werden.

Das ist das Quäntchen Hoffnung, der Zucker zu meinem Tee, der auch meinem Fasten den richtigen Geschmack verleiht. Ich bin überzeugt: schon ein bisschen Hoffnung kann vieles verändern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37359
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

27MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Worte sind einfach überall. Sobald ich morgens das Radio anmache, sind sie da. Und wer mit anderen zusammenlebt, wird vermutlich auch schon früh etwas sagen oder gesagt bekommen. Und wenn ich schon gleich in der Schule ankomme, in der ich unterrichte, dann dauert es nicht lange und ich spreche die ganze Zeit.

Das ist gar nichts Schlechtes. In unserem Leben kommen wir ohne Worte nicht aus. Jeder Mensch braucht Worte.

In der katholischen Tradition gibt es die sogenannten Schweigeexerzitien. Einmal im Jahr nehme ich an solchen Exerzitien, oder auf Deutsch „Übungen“, teil. Dann ziehe ich mich für einige Tage in ein Kloster zurück und schweige. So eine Schweigewoche kann anstrengend sein, vor allem, weil ich bis kurz vor knapp noch voll im Alltag bin. Ich muss Anrufe tätigen, noch die letzten Emails schreiben und alles regeln, bevor ich weggehe. Es braucht Zeit, dass ich mich auf die Stille einlassen kann. Habe ich das geschafft, merke ich, wie wichtig diese wort-armen Tage für mich sind. Ich schöpfe Kraft daraus.

Und ich weiß genau, was ich so sehr liebe in dieser Schweigezeit. Es sind die Worte. Ich meine die wenigen Sätze, die ich in diesen Tagen spreche. Ich sage sie so bewusst, zum Beispiel morgens. Da beginne ich mein Gebet immer mit denselben Worten: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde.“ Und wenn ich Gott diese ersten Worte des Tages schenke, fühle ich mich ihm viel näher als sonst.

Aus jeder Schweigewoche will ich dieses gute Gefühl am Morgen noch lange in meinen lauten und wortreichen Alltag hinüber retten. Paradoxerweise ist es aus meiner Schweigezeit nicht das Schweigen, was ich besonders mitnehme, sondern das bewusste Sprechen. Mache ich morgens die Augen auf, bin ich gespannt, was die ersten Worte des Tages sein werden, die ich spreche.

Wenn ich darauf achte, wähle ich sie ganz bewusst und nehme sie mehr wahr. Sie können zum Fundament meines Lebens werden. Mag sein, ich spreche frühmorgens erst einmal Gott an oder das Erste, was mir über die Lippen kommt, ist ein freundliches „guten Morgen“ zu meinem Partner, zu den Kindern, zu wem auch immer.

Ich kann mir selbst mit den ersten Worten meines Tages einen Auftakt geben. Und wenn ich sie beachte, geben sie mir womöglich auch eine segensreiche Richtung für den Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37358
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

07DEZ2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es gibt Männer, die hören einfach nicht auf zu beten! Rund um die Uhr: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, wie bei einem Gebetsmarathon.

Es sind Männer aus Konstanz oder Offenburg, vom Kaiserstuhl oder aus dem Odenwald. Aus ganz unterschiedlichen Orten kommen sie, um in einer kleinen idyllischen Kirche in der Nähe von St. Peter bei Freiburg zu beten. Der Ausblick dort ist herrlich und die Atmosphäre eine ganz besondere.

Schon seit 67 Jahren gibt es die sogenannte „Gebetswache“ auf dem Lindenberg. Das klingt womöglich seltsam, aber der Anlass war damals ganz konkret. Im Jahr 1955 hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Reise nach Moskau unternommen. Er hat über die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus Russland verhandelt. Ein paar Männer haben sich dann zusammengetan, um für das Gelingen dieses schwierigen Unterfangens ununterbrochen zu beten.

Man kann nun darüber streiten, ob Beten hilft oder nicht. 1955 ist es jedenfalls geglückt. Die letzten Kriegsgefangenen durften wieder in die Heimat zurück.

Nach dem Erfolg Adenauers dachten die Männer aber nicht: „Jetzt ist es genug mit dem Beten. Jetzt hören wir auf.“ Sie haben weitergemacht und seither kommen immer weiter Männer zum Beten auf den Lindenberg.

Warum es nur Männer sind? Hinter der Aktion steckt das katholische Männerwerk. Ein Verband nur aus Männern, der diese Aufgabe damals zu seiner eigenen gemacht hat und immer weiterführen will.

Den Männern ist wichtig, dass einfach immer jemand da ist, der betet. Sie beten um persönliche Anliegen, um Kraft bei Schicksalsschlägen und Krankheiten, zum Beispiel in der Familie oder bei Freunden. Besonders beten sie für den Frieden.

Auf dem Lindenberg steht so etwas wie eine „Dauerverbindung zu Gott“. Natürlich suchen Menschen überall Verbindung zu Gott, und ich bin überzeugt, Gott hält zu allen Orten überall Verbindung. Trotzdem ist es schon etwas Besonderes, wenn irgendwo ununterbrochen gebetet wird.

Ich glaube, das braucht es. Denn man könnte zynisch werden und sagen: „Auch wenn Menschen für den Frieden auf der Welt beten, das wird nie etwas!“ Man könnte aufgeben und die Hände in den Schoß legen. Dass diese Männer ständig beten, ist ein Zeichen der Hoffnung. Und es ist nicht das einzige!

Immer wenn Menschen, egal ob Kinder, Frauen oder Männer, nicht aufhören zu beten, ist das für mich ein Lichtblick. Sie machen mir Mut, dass auch ich dranbleibe, dass ich weiter vertraue, zuversichtlich bleibe und eben nicht aufgebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36652
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

06DEZ2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Eine Handvoll Nüsse und ein paar Lebkuchen vor der Haustür, ein Schokolädchen am Arbeitsplatz oder eine Mandarine im Schuh. Das sind die Klassiker heute am Nikolaustag. Sie sind auch schön. Gerade Kinder lieben es, wenn ein „Nikolaus“ ihnen Geschenke und Süßigkeiten mitbringt.

Nächste Woche aber gibt es eine Aktion, die nicht so klassisch ist und bei der es auf dem ersten Blick untypisch für den Nikolaus zugeht: Die findet am nächsten Wochenende statt. Und die, die beschenkt werden, sind keine Kinder, sondern gestandene Männer, genau genommen: LKW-Fahrer. Für sie gibt es nicht nur Schokolade und Mandarinen, sondern vor allem Aufmerksamkeit und auch noch Zeit.

Das Ganze spielt an der Autobahnraststätte Hegau auf der A81 in der Nähe von Singen. Da klopft dann ein Nikolaus an LKW-Türen und verteilt Geschenktaschen an LKW-Fahrer. Sie sind als kleines Dankeschön gedacht, denn die Fernfahrer haben einen wichtigen und auch harten Beruf.

Es bleibt aber nicht nur bei den Mandarinen und der Schokolade. Ehrenamtliche der katholischen Arbeiternehmerseelsorge verteilen auch Duschgutscheine und sind zum Reden da. Auch Dolmetscher werden vor Ort sein. Viele Fernfahrer stammen ja aus Osteuropa, und da ist die Verständigung nicht einfach. Diese Männer werden oft übersehen. Sie sind wochenlang unterwegs, weit weg von ihren Familien. Sie arbeiten hart und lang für viel zu wenig Geld und stecken manchmal in betrügerischen Strukturen fest.

Ich finde diese ungewöhnliche Nikolausaktion toll. Sie erinnert mich daran, was auch dem Heiligen Nikolaus wichtig war. Es gibt ja viele Legenden, die sich um diesen Bischof von Myra aus dem 4. Jahrhundert ranken.

Am bekanntesten ist die Legende mit den Goldklumpen. Nikolaus kommt nachts am Haus einer armen Familie vorbei und wirft ihnen heimlich drei Goldklumpen durch das offene Fenster. Und niemand soll es gesehen haben, dass er es war.

Nikolaus hat die Menschen um sich herum wahrgenommen. Ohne sich selbst dabei ins Rampenlicht zu stellen, hat er ihnen einfach geholfen.

Diese selbstlose Geste ist zeitlos. Vielleicht hat sie gerade deswegen bis heute überlebt. Und vielleicht spricht diese Geste auch heute eine Sprache, die alle verstehen.

Wie schön, dass es heute an so vielen Orten Nikoläuse gibt. Und am Wochenende sogar auch auf der Autobahnraststätte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36651
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

05DEZ2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Hat Kaffeeduft etwas mit Gott zu tun? „Ja“, sagt Urban Federer. Er ist Abt des Klosters Einsiedeln und erklärt:

„Eigentlich hatte ich persönlich Kaffee lange nicht gerne, aber der Geruch des Kaffees, welcher am Morgen durch ein Haus zieht, lässt in mir die Erwartung von Genuss und Gemütlichkeit entstehen und ich würde wahrscheinlich kaffeesüchtig, wäre er im Mund so gut wie in der Nase.“

Und dann beschreibt Urban Federer noch etwas, und darin steckt der Clou. Er fragt sich:

„Warum aber soll der Duft in der Nase, meine Erwartung des Kaffees weniger wert sein als das Getränk im Gaumen? Für die Mystiker war schon immer klar, wie wichtig die menschliche Sehnsucht in der Beziehung zu Gott ist: Nicht etwa erst das Leben nach dem Tod bringt uns Gott näher, sondern bereits unsere Sehnsucht nach ihm.“[1] 

Das klingt vielleicht kompliziert, aber vermutlich ist Abt Urban an etwas Wahrem dran. Ich ahne, was er meint, wenn er von dem großen Wort „Sehnsucht“ spricht und davon, dass sie allein schon so wertvoll sein kann. Ich kenne das: Wenn ich mich auf etwas besonders freue, das noch kommt, kann das ein starkes Gefühl sein.

Zum Beispiel wenn ich auf einer Reise im Zug sitze, es kaum erwarten kann anzukommen und das Ziel bereits schon durch das Fenster sehen kann. Oder wenn mich ein Freund besucht, den ich schon lange nicht mehr getroffen habe, und ich ungeduldig die Tage zähle, bis er kommt.

Das, wonach ich mich sehne – davon merke ich schon so viel. Ein Stückchen von dem geht schon in Erfüllung.

Für Abt Urban Federer war der angenehm aromatische Kaffeeduft im Raum so ein Zeichen dafür. An ihm merkt er, dass der echte Kaffee da ist. Dann spielt es gar keine große Rolle, dass er den Kaffee nicht trinken mag. Er hat, wenn er den Kaffee riecht, schon einen großen Teil des Kaffees genossen.

Ich muss nicht warten, bis ich Gott irgendwann so richtig erlebe. Ich kann jetzt schon auf ihn hoffen und ihn herbeisehnen. Wenn ich mich so an Gott anhänge, kann er für mich jetzt schon eine Stütze sein, mir jetzt schon helfen, das Gute und Richtige zu tun. Er kann dann jetzt schon in der Welt sein.

Die Adventszeit ist die perfekte Sehnsuchtszeit, vier Wochen lang.

 

[1] Federer, Urban: Quellen der Gottesfreundschaft. Mit Abt Urban durch das Kirchenjahr, Paulusverlag, Einsiedeln/Schweiz 2018.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36650
weiterlesen...

SWR2 Wort zum Tag

26OKT2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor gut zwei Wochen hat die Raumfahrtbehörde NASA zum ersten Mal einen Asteroiden erfolgreich umgelenkt. Unglaublich, was der Mensch alles kann.

Nach und nach kommt der Mensch dem Weltraum näher. Dabei spielt auch das berühmte James-Webb-Weltraumteleskop eine wichtige Rolle. Seit zehn Monaten befindet es sich in den Tiefen des Alls.

Das Weltraumteleskop soll der Wissenschaft einen Blick in die Vergangenheit bis an den Anfang des Universums ermöglichen. Die ersten Bilder sind da, und für diese Bilder hat das Teleskop Licht aufgenommen, das dreizehn Milliarden Jahre durch die Galaxie gereist ist.

Dreizehn Milliarden Jahre?! Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber jetzt gibt es Bilder von diesem uralten Licht. Zum Beispiel von einem leuchtenden Nebel, in dem Sterne entstehen, die in den unterschiedlichsten Farben strahlen. Oder Bilder eines sterbenden Sterns, der, kurz bevor er erlischt, Wolken aus Gas und Staub ausstößt.

Ich staune, welche Dimensionen das Universum hat. Und es überfordert mich. Ich staune ja schon, wenn ich zum Beispiel auf der Autobahn fahre und mir klarmache, dass in den unzähligen Autos auf meiner Strecke noch so viele andere Leute sitzen. Und alle haben ein eigenes Leben und jeder eine völlig eigene Geschichte. Und dann ist da das Weltall. Das sprengt meine Vorstellungen komplett.

Zwei Welten prallen aufeinander: das unendliche Universum und der ja so begrenzte Mensch. Aber: Der winzige Mensch kann forschen, und er kann sogar nach der Wahrheit des Universums suchen. Das zeigt mir: der Mensch kann einen besonderen Platz in diesem Kosmos haben. Und er kann die Erde kreativ gestalten, mit großen und guten Zielen vor Augen, auch wenn es im Moment so gar nicht danach aussieht.

Im christlichen Glauben gibt es die Vorstellung, dass Gott den Menschen als „Krone der Schöpfung“ gemacht hat. Doch diesem Anspruch wird der Mensch nicht gerecht. Vielleicht könnte man aus der Krone auch eine „Perle der Schöpfung“ machen: Der Mensch als etwas Kleines und Funkelndes, das dem großen Kosmos und der Erde einen besonderen Glanz verleihen kann.

Ich staune darüber, was der Mensch alles erreichen kann. Ich staune über jeden Umweltwissenschaftler, jede Friedensforscherin, einfach jeden, der voller Elan forscht. Diese Menschen sind wie „Perlen“. Und was wäre das, wenn die Menschheit dank ihnen beides schafft: dass Mensch und Universum zusammenfinden und endlich auch wieder Mensch und Erde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36399
weiterlesen...