SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

27MRZ2023
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Worte sind einfach überall. Sobald ich morgens das Radio anmache, sind sie da. Und wer mit anderen zusammenlebt, wird vermutlich auch schon früh etwas sagen oder gesagt bekommen. Und wenn ich schon gleich in der Schule ankomme, in der ich unterrichte, dann dauert es nicht lange und ich spreche die ganze Zeit.

Das ist gar nichts Schlechtes. In unserem Leben kommen wir ohne Worte nicht aus. Jeder Mensch braucht Worte.

In der katholischen Tradition gibt es die sogenannten Schweigeexerzitien. Einmal im Jahr nehme ich an solchen Exerzitien, oder auf Deutsch „Übungen“, teil. Dann ziehe ich mich für einige Tage in ein Kloster zurück und schweige. So eine Schweigewoche kann anstrengend sein, vor allem, weil ich bis kurz vor knapp noch voll im Alltag bin. Ich muss Anrufe tätigen, noch die letzten Emails schreiben und alles regeln, bevor ich weggehe. Es braucht Zeit, dass ich mich auf die Stille einlassen kann. Habe ich das geschafft, merke ich, wie wichtig diese wort-armen Tage für mich sind. Ich schöpfe Kraft daraus.

Und ich weiß genau, was ich so sehr liebe in dieser Schweigezeit. Es sind die Worte. Ich meine die wenigen Sätze, die ich in diesen Tagen spreche. Ich sage sie so bewusst, zum Beispiel morgens. Da beginne ich mein Gebet immer mit denselben Worten: „Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde.“ Und wenn ich Gott diese ersten Worte des Tages schenke, fühle ich mich ihm viel näher als sonst.

Aus jeder Schweigewoche will ich dieses gute Gefühl am Morgen noch lange in meinen lauten und wortreichen Alltag hinüber retten. Paradoxerweise ist es aus meiner Schweigezeit nicht das Schweigen, was ich besonders mitnehme, sondern das bewusste Sprechen. Mache ich morgens die Augen auf, bin ich gespannt, was die ersten Worte des Tages sein werden, die ich spreche.

Wenn ich darauf achte, wähle ich sie ganz bewusst und nehme sie mehr wahr. Sie können zum Fundament meines Lebens werden. Mag sein, ich spreche frühmorgens erst einmal Gott an oder das Erste, was mir über die Lippen kommt, ist ein freundliches „guten Morgen“ zu meinem Partner, zu den Kindern, zu wem auch immer.

Ich kann mir selbst mit den ersten Worten meines Tages einen Auftakt geben. Und wenn ich sie beachte, geben sie mir womöglich auch eine segensreiche Richtung für den Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37358
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