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SWR4 Abendgedanken

13JUN2025
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Vor dem Rathaus unserer Stadt steht eine uralte, riesige Linde. Jetzt im Juni duften ihre Blüten. Ich mag diesen besonderen Duft, sauge ihn in mich auf, denn er erinnert mich an mein Elternhaus, vor dem auch ein Lindenbaum wuchs. Gerne bleibe ich darum auch einmal ein paar Minuten stehen, betrachte den Baum und atme den Duft meiner Kindheit ein. - Fest verwurzelt ragt der Baum dem Himmel entgegen, gewiss zwanzig, dreißig Meter dürfte er in die Höhe ragen. Der Stamm ist knorrig, sein Umfang so groß, dass es mindestens drei erwachsene Menschen braucht, die sich an den Händen fassen, um ihn zu umarmen. 200 Jahre erzählt man, sei dieser Baum alt. Unglaublich! Was er mir wohl alles erzählen könnte, was unter seinen Zweigen passiert ist. Von Menschen, die in den Krieg gezogen sind, die sich unter ihm das erste Mal geküsst haben, Initialen in ihn geritzt haben.

Auch der Baum selbst steckt voller Leben! Große und kleine Vögel haben in seinen Zweigen Nester gebaut, Käfer krabbeln auf dem Stamm, manchmal ist der Baum in ein lautes Brummen und Surren der Bienen gehüllt, im Herbst habe ich schon Eichhörnchen durch die Zweige springen sehen - im Sommer spendet er herrlichen Schatten für Groß und Klein.

„Ich träumt in seinem Schatten gar manchen süßen Traum“, heißt es ja auch in dem alten Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ über einen anderen Lindenbaum. Ich summe das Lied vor mich hin und gönne mir den einen oder anderen Tagtraum.

Schon in der Bibel gilt der Baum als Symbol für das Leben. „Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“ (Psalm 1,3) heißt es da. Ich wünsche mir, dass ich so feste Wurzeln wie dieser Baum hätte. Dass mich kein Lebenssturm so schnell umkippt, und ich weiß, wofür mein Herz schlägt. Von seiner Großzügigkeit möchte ich lernen: Mein Leben mit anderen zu teilen, offene Türen für die zu haben, die meine Nähe suchen. Und vielleicht meine Angst vor Veränderungen ablegen, weil immer wieder Neues wächst, auch wenn es erst einmal nicht danach scheint.

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SWR4 Abendgedanken

12JUN2025
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Vor Kurzem hat es am Nachmittag bei uns an der Haustür geklingelt. Eigentlich habe ich keinen Besuch erwartet und die Post war auch schon durch. Vor der Tür standen zwei junge Frauen -offensichtlich Gesellinnen auf der Wanderschaft. „Wir suchen für die kommenden zwei Tage eine Herberge. Haben Sie vielleicht eine Idee, wo wir unterkommen könnten?“ Die beiden klangen so unglaublich freundlich, dass ich mich auf einmal selbst sagen hörte: „Klar, ihr könnt gerne bei uns bleiben, kommt rein!“ –  Ein Tee war schnell gekocht und das Sofa bezogen.

Tine und Lilly, so hießen die beiden, waren schon ein paar Monate auf der Walz. Die eine war Schreinerin, die andere Landschaftsgärtnerin - beide kamen aus Norddeutschland. Nach ihrer Lehre wollten sie nicht rein in den Trott eines geregelten Arbeitsalltags, sondern Berufserfahrung sammeln und etwas von der Welt sehen. Mal waren sie in den vergangenen Monaten jeweils allein unterwegs, mal mit anderen Wandergesellen und jetzt eben zu zweit – und das bei Wind und Wetter, Schnee, Regen oder Hitze – alles haben sie schon erlebt.

Noch nicht einmal einen Rucksack haben sie dabei. Ausgestattet allein mit dem klassischen Bündel für ihre Habseligkeiten, Wanderhut und -stock und ihrer robusten Kluft. Die beiden jungen Frauen haben bei uns die ganze Familie beeindruckt. Aus den zwei Tagen wurden vier, und wenn es nach uns gegangen wäre, hätten die beiden ruhig noch länger bleiben können. Denn Tine und Lilly waren herrlich unkompliziert. Wir haben für sie gekocht und sie für uns, im strömenden Regen haben sie fröhlich singend in unserem Garten gewerkelt und danach in warmen Wolldecken von Erlebnissen auf ihrer Wanderschaft erzählt. Drei Jahre sollen es werden. Am Ende wird man von anderen Gesellen, die man kennengelernt hat, nach Hause begleitet. In den vergangenen Monaten haben die beiden so etwas wie ein tiefes Gottvertrauen gesammelt. „Es findet sich immer alles“, meint Lilly, „ein Dach über dem Kopf, eine Schlafgelegenheit und auch Arbeit.“ „Es gibt viele freundliche Menschen; ich glaube, ich habe mit der Zeit einen Blick dafür bekommen, wen ich fragen kann“, sagt Tine.

Wo sie jetzt wohl stecken? Ich hoffe, es geht ihnen und allen anderen Gesellen auf der Walz gut.

Was ich von ihnen mitnehme? Es gibt viele freundliche Menschen, die man einfach einmal um Hilfe bitten kann.

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SWR4 Abendgedanken

11JUN2025
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Freitagnachmittag, es ist schon spät, ich will unbedingt den Einkauf vor dem Wochenende noch erledigen. Meine Tochter lässt sich etwas widerwillig überreden, mich zu begleiten. Im Supermarkt sind wir ein eingespieltes Team: Ich schiebe den Einkaufwagen durch die Gänge, sie stapelt rein, was auf unserer Familieneinkaufliste steht, und dann stellen wir uns an einer der Kassen in der Schlange an. Natürlich haben wir uns wieder für die falsche entschieden. Prima, vorne findet wieder jemand seine Karte nicht. Es dauert, bis wir drankommen. Alle sind sichtbar genervt.

Jetzt beginnt der Teil, der mich zunehmend fordert: In Rekordgeschwindigkeit müssen alle Waren auf das Laufband gelegt und auf der anderen Seite der Kasse wieder in den Einkaufwagen einsortiert werden. Bloß niemand aufhalten. Alles hübsch sortieren, damit es flott geht. Fast haben wir es geschafft, da fragt die Verkäuferin plötzlich: „Wo steht eigentlich diese Limonade?“ „O, Mist“, denke ich, „jetzt fehlt auch noch der Preis“ und werde rot, weil sich in der Schlange hinter mir Nervosität ausbreitet. Also frage ich meine Tochter: "Kannst du mal den Preis für die Limo rausfinden? Du bist schneller!“ Aber die Verkäuferin lacht, sagt kurz nein, während sie fleißig weiter unsere Einkäufe scannt „den ganzen Tag ziehe ich diese Limo übers Band und frage mich, wie das Zeugs schmeckt. Steht ja „zum Mixen“ drauf.  „Die schmeckt super!“, sagt auf einmal meine Tochter, „auch ohne Alkohol, das ist ja prima!“

„Wissen Sie was?“, sage ich, und plötzlich sind mir die wartenden Freitagnachmittagsmenschen in der Schlange ganz egal, „ich hole Ihnen jetzt so eine Flasche!“

Am Ende schenken wir der Verkäuferin eine Flasche Limonade. Sie strahlt - und wir strahlen. “Wissen Sie,“ sage ich, „Sie haben mich schon oft bedient und sind immer – auch im größten Stress freundlich. Und jetzt komme ich endlich mal dazu, Ihnen danke zu sagen. 

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SWR4 Abendgedanken

10JUN2025
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Bei uns in der Straße hat eine Currywurstbude aufgemacht. Die Jungs, denen sie gehört, haben in die Einrichtung viel Zeit und Liebe investiert. Die Theke, die Tische, die Böden, alles haben sie selbst gebaut und verlegt. Und was soll ich sagen? Auch ihre Currywürste sind echt lecker! Soweit alles gut. Nun kommt’s! In dieser Currywurstbude hängt neben dem Kühlschrank mit den Limos und dem Bier ein kleines Marienbild. „Boah, ist das kitschig!“, war mein erster Gedanke:  Golden gerahmt sitzt Maria mit einer Krone auf einem Wolkenthron. Auf ihrem Schoß sitzt ihr Sohn. Jesus ist noch ein kleiner Junge, trägt aber schon ein eigenes Krönchen. Mutter und Sohn lächeln freundlich. Sie strahlen, ich kann es nicht anders beschreiben, Liebe aus. Und noch etwas fällt mir bei dem Bild auf, das sicher 100 Jahre alt ist: Die beiden haben leuchtende Laternen in der Hand, die sie dem Betrachter entgegenhalten. „Hier, nimm eine!“ scheinen sie mir zuzurufen.

Maria und Jesus in einer Currywurstbude. Vor kurzem habe ich die Besitzer, als es leerer war, gefragt, was es mit diesem Bild eigentlich auf sich hat. „Nun“, hat der junge Mann am Grill gesagt, „das stammt von meiner Oma und hing schon in unserem ersten Laden in Saarbrücken an der Wand. Das Bild gehört einfach zu uns dazu. „Warum?“ „Is‘ so!“

Ich bleibe neugierig, mache mich zu Hause schlau und lerne, dass diese Darstellung von Maria und Jesus, die den Menschen Licht für ihr Leben schenken, vor hundert Jahren ein beliebtes Motiv gewesen ist. Überhaupt hingen Marienbilder in so manchen Wohnungen und auch in Gaststätten. Die Tradition ist verloren gegangen. Schade eigentlich, finde ich, denn

Licht und ein Blick voller Liebe tun mir in diesen Zeiten einfach gut – vor allem, wenn ich damit so gar nicht gerechnet habe wie in der Currywurstbude. In ihr hängen Maria und Jesus mitten im Leben. Da essen mittags Handwerker und Anwälte, da sitzt der Rocker neben der jungen Mutter mit ihrem Kind. Licht und Liebe können sie alle gebrauchen. Und warum sollen sie die nicht in der Currywurstbude finden?

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SWR4 Abendgedanken

24JAN2025
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In unserer Kirchengemeinde finden regelmäßig Seniorentreffen statt. „Seniorentreffen“ klingt etwas verstaubt, aber, was soll ich sagen, mir macht das richtig Freude. Es gibt Ehrenamtliche, die richten den Raum. Da fühlt man sich richtig willkommen. Teller und Tassen stehen auf den Tischen, dazu kommen frische Blumen und Kerzen. Andere bringen selbstgebackene Kuchen mit, die einfach immer lecker schmecken.

Gerade im Winter fällt es manchen unserer Senioren schwer, alleine das Haus zu verlassen. Ein junger Mann aus unserer Gemeinde holt sie dann auch gerne mit dem Auto ab und jeder freut sich, wenn er dann doch dabei ist. Ich wage zu sagen: Bei keiner Veranstaltung geht es so munter zu, wie bei unseren Senioren. Es wird viel miteinander geredet. Vor kurzem ergab sich ein Wiedersehen nach über 60 Jahren. „Ja, sag mal, wir haben doch früher auf dem Dorf zusammen Fußball gespielt!“ Kinder aus dem Kindergarten besuchen uns, sie singen oder tragen ein kleines Stück vor. Das tut Jung und Alt gut. Und auch die Erzieherinnen, für die es ja eine zusätzliche Aufgabe ist, strahlen. Von einem Seniorennachmittag gehe ich, ganz gleich was vorher war, immer gut gelaunt nach Hause.

Ich erinnere mich noch gut, dass meine eigene Großmutter Seniorennachmittage abgelehnt hat. „Was soll ich da? Ich kenne niemanden. Die reden sowieso nur. Das ist nur etwas für alte Leute!“ Heute denke ich: Wie schade, dass meine Oma solch ein Treffen nicht einmal ausprobiert hat. Die Gemeinschaft hätte ihr gut getan und irgendwie, so mein Eindruck, gelingt es, dass sich Menschen treffen, die zusammenpassen und sich für ähnliche Themen interessieren. Und von wegen „alte Leute“ – ich bin immer wieder überrascht, was unsere Senioren auf die Beine stellen! Einige Damen aus diesem Kreis pflegen eine Partnerschaft mit Südafrika und haben einen Besuch des dortigen Kinderchores in unserer Region mit organisiert. Die Kinder wurden bei verschiedenen Familien untergebracht und das Konzert war großartig. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Unsere Senioren und Seniorinnen sind ein Schatz. Ich habe sie gefragt, wie sie das alles organisiert haben. „Na, ich habe mich mal umgehört, wen ich ansprechen kann – und dann läuft das. Wer kann einer Oma schon einen Wunsch abschlagen?“

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SWR4 Abendgedanken

23JAN2025
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In einigen Kirchen und Häusern stehen von Weihnachten noch die Krippenfiguren. Maria, Josef und das Jesuskind. Ein paar Hirten, Ochs und Esel. Die drei Weisen aus dem Morgenland, vielleicht noch ein Engel.  Erst wenn an Lichtmess am 2. Februar die Weihnachtszeit offiziell zu Ende ist, werden sie wieder weggeräumt.

Es ist eine schöne Tradition, Krippen über das Weihnachtsfest stehenzulassen. Weihnachten reicht so noch weit ins neue Jahr hinein. Und das ist auch gut so, denn Weihnachten ist mehr als der Heilige Abend und die beiden Feiertage. Weihnachten ist für mich eine Art Lebenshaltung: Gott ist  in einem kleinen Kind zu uns gekommen. Dieses Kind ist ein Licht für die Welt, dessen Kraft in unseren Lebensalltag hineinwirkt. Weihnachten sagt mir, dass Gott mich nicht allein im Dunkeln stehen lässt. An der Krippe begegnen sich Menschen, Tiere und himmlische Wesen. Arme und reiche, einfältige und weise Menschen kommen zusammen. In all ihrer Verschiedenheit verbindet dieses Kind sie. So können sie einander anders begegnen, respektieren und achten. Dieser Gedanke ist mir für meinen Alltag wichtig.  An der Krippe hat jeder Mensch seinen Platz und das gilt nicht nur im Stall von Bethlehem, sondern auch mitten im Leben.

Es braucht den Josef, der treu für die Seinen da ist. Ebenso braucht es den Esel, seine Sturheit, vielleicht auch seine Gemütlichkeit, damit man die Dinge erst einmal durchdenkt, bevor man handelt. Und was wären wir ohne die Bodenständigkeit und Lebenserfahrung der Hirten ohne das Wissen der Weisen aus dem Morgenland? Ohne die Engel würde mir der Blick zum Himmel fehlen und vor allem der Ruf nach Frieden auf Erden.

In diesem Jahr habe ich bei Freunden eine ungewöhnliche Darstellung der Maria in einer Krippe entdeckt. In der Regel kniet Maria ja vor dem Kind. Der Künstler dieser Krippe aber hat Maria als eine selbstbewusste Frau geschaffen, die vor der Krippe steht. Mit einem klaren Blick schaut sie sowohl das Kind als auch mich als ihre Betrachterin an. Sie scheint mir zu sagen: „Hab keine Angst vor der Dunkelheit, hier im Licht ist auch Platz für dich. Nimm es mit in dein Leben!“   

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SWR4 Abendgedanken

22JAN2025
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„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ Das ist der Beginn des 23. Psalms, dessen Worte vielen Menschen vertraut sind. Der Psalm gehört noch heute zu den Kerntexten im Religions- und Konfirmandenunterricht – nur mit dem früher üblichen Auswendiglernen tun sich meine Konfirmanden heute eher schwer.  „Warum auswendig lernen? So was kann man doch schnell auf dem Handy suchen.“

Vor kurzem habe ich eine Frau in einem hohen Alter zu Hause besucht. Voller Stolz hat sie mir ein altes Bild über ihrem Sofa gezeigt. „Dieses Bild hat mich mein Leben lang begleitet, es hing schon über meinem Bett im Kinderzimmer!“ Auf dem Bild war ein Hirte zu sehen, der eine Herde Schafe hütet. Vertrauensvoll schmiegten sich die Schafe an ihn. „Dies Bild ist für mich ein Lebensschatz“ hat die alte Frau mir gesagt. „Psalm 23 – der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ Und sie fügte an: „Mir hat die Vorstellung, dass Gott als guter Hirte an meiner Seite ist, immer gutgetan. Der gute Hirte lässt mich nicht allein, freut sich mit mir und ist auch in den dunklen Zeiten meines Lebens in meiner Nähe. Gerade da fühlt man sich ja oft allein. Hier und da habe ich mein Bild angeschaut und den Hirten dann gefragt: Na, wo steckst du denn? Ich könnte dich jetzt gut gebrauchen. Manchmal habe ich erst später verstanden, dass Gott bei mir war. Vielleicht hat er hat mich auf den ein oder anderen Weg geführt, den ich gar nicht gesehen habe!“

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ was für ein schöner Psalm! Der Lebensschatz einer alten Frau. Das Wissen darum, dass Gott auch in schweren Zeiten an meiner Seite steht.

Seit dem Besuch habe ich angefangen mir ein paar Texte zusammenzusuchen, die mir guttun und Kraft schenken, so wie der Psalm 23 der Frau. Darunter sind ein paar Worte aus der Bibel, Gedichte und auch Lieder. Sicher, solche Texte lassen sich immer bei Bedarf schnell nachschlagen oder im Internet finden, aber Lebenstexte, die zu einem Lebensschatz im eigenen Herzen heranreifen, sollten sofort da sein: In mir drin oder in meiner Schatzkiste. Vielleicht sollte ich mit den Konfirmanden solche anlegen. Ob und wie sie sie dann füllen, entscheidet jeder selbst.

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SWR4 Abendgedanken

21JAN2025
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Und wieder ist mein Schlüssel weg. Dabei lege ich ihn eigentlich immer an denselben Ort, wenn ich nach Hause komme. Oben auf’s Regal beim Eingang. Nur, da war er am Morgen nicht. Also beginnt das große Suchen. Schlafzimmer, Küche, Badezimmer und wieder von vorn. Ich ärgere mich über mich selbst. Ich weiß: Irgendwann findet sich zwar mein Schlüssel immer wieder - und sei es in meiner eigenen Hosentasche.

Ich frage mich: Warum habe ich ihn nicht oben auf das Regal gelegt, wo er hingehört?

Manchmal scheint es mir, dass ich nicht nur meinen Schlüssel verlegt habe, sondern im Trubel des Alltags und der Aufgaben ein Stück weit auch mich selbst. So viele Dinge stehen an, so viel scheint getan werden zu müssen. Die Liste der Dinge, die zu tun sind, hört nicht auf, und hier und da rutschen dann noch unerwartete Anfragen und Anforderungen von der Seite rein. Bin ich dann eigentlich noch bei der Sache, die ich gerade mache, oder sind meine Gedanken ganz woanders? Das Rattern und Ordnen in meinem Kopf scheint an manchen Tagen nicht aufhören zu wollen. Selbst dann, wenn ich abends nach Hause komme. Kein Wunder, dass der Schüssel am Morgen nicht mehr an seinem angestammten Ort ist.

Von Jesus erzählt die Bibel, dass er sich immer wieder zurückgezogen hat, raus aus dem Trubel und weg von den Menschen, die ihn hören und sehen wollten. Nur eine Nebensache in den Jesuserzählungen, habe ich früher gedacht. Aber mittlerweile sehe ich das anders. Und ich habe ich mir jetzt vorgenommen, bei jedem Ankommen zu Hause meinen Schlüssel ganz bewusst abzulegen. Ich bin jetzt zu Hause. Dafür nehme ich mir einen Moment Ruhe. Die drei Engel, die bei uns im Flur stehen, habe ich zu meinen Komplizen gemacht. Erst wenn ich sie angelächelt habe, bin ich angekommen. Jetzt bin ich voll und ganz zu Hause. Solches Umschalten und solche Momente sind mir wichtig geworden, um jeweils ganz da zu sein, wo ich bin. Zu Hause, bei meinem Gegenüber, bei meiner jeweiligen Aufgabe. Die Bibel erzählt, dass Jesus sich sogar ganze Auszeiten genommen hat – um immer wieder in sich hinein- und auf Gott zu hören. Von ihm kann man lernen, sich nicht selbst zu verlieren, sondern ganz im Hier und Jetzt zu sein.

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SWR4 Abendgedanken

20JAN2025
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In Washington wurde vor dem Kapitol schon manche Rede gehalten. Einige wenige haben sich in das Gedächtnis der Weltgeschichte eingeschrieben. Dazu gehören die Worte von Abraham Lincoln zur Abschaffung der Sklaverei und die Rede, die Martin Luther King im Sommer 1963 gehalten hat. Seine Worte „I have a dream – „Ich habe einen Traum“ stehen für einen Wendepunkt in der Geschichte der Vereinigten Staaten – es ist der große Ruf zu einem Leben, das von Freiheit, gegenseitigem Respekt und einem friedlichen Miteinander geprägt ist.

Um diesen Gedanken für die Vereinigten Staaten festzuhalten, wurde 1986 nach langen Debatten der „Martin-Luther-King-Tag“ als Bundesfeiertag eingeführt. An diesem Feiertag sollen die Menschenrechte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten besondere Aufmerksamkeit erfahren. Die Gleichheit aller Menschen soll mehr als ein Traum sein, sie soll in diesem Land miteinander gelebt werden. Sie ist die Grundlage der Demokratie und fest in der christlichen Wertevorstellung verankert. Das ist kein Wunder, denn Martin Luther King war ein Baptistenpastor. Er hat daran geglaubt, dass Veränderungen mit Gottes Hilfe möglich sind. Darum hat er es in der Tradition der biblischen Propheten gewagt, Missstände in der Gesellschaft zu benennen und zu einer Umkehr im Denken und im Miteinander aufzurufen: Wenn Gott alle Menschen geschaffen hat, dann gibt es keinen Grund, von der Gleichheit aller Menschen nur zu träumen, sondern sie ist schon vorgegeben, es liegt an uns, sie zu leben.  

In den Vereinigten Staaten wird heute am Martin-Luther-King-Tag dazu aufgerufen, mit anderen Menschen Zeit zu verbringen. „Share your time: Teile deine Zeit“ heißt es an vielen Orten.  Freiwillige lesen Kindern etwas vor oder besuchen Senioreneinrichtungen, andere sammeln gemeinsam an den Stränden Müll ein, damit die Umwelt für alle sauberer ist. Nachbarschaftsfeste werden gefeiert. Mir gefällt die Idee dieses Tages: Träume müssen keine Träume bleiben, sie können Wirklichkeit werden. Das passiert nicht einfach so, sondern irgendein Mensch muss damit beginnen, einen Traum in die Hand zu nehmen und ihn Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich hoffe, dass ein wenig vom Geist dieses amerikanischen Feiertages auf den Geist des neuen amerikanischen Präsidenten am Tag seiner Einführung wirkt. 

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SWR4 Abendgedanken

15NOV2024
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Am Sonntag ist Volkstrauertag. Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind nach dem Gottesdienst an der Hand meiner Großmutter vor der Gedenktafel im Dorf stand und der Ortsvorsteher und der Pfarrer ein paar Worte gesprochen haben. Es ging um Krieg und Frieden. Ehrlich gesagt, habe ich das damals nicht alles verstanden. Was ich aber verstanden habe, war, dass alle, die da gewesen sind, betroffen auf die Steintafel geschaut haben, die an der Wand hing.

Darauf standen die Namen derer, die im Krieg geblieben sind. Namen von Vätern, Ehemännern, Brüdern und Söhnen. Was mir vor allem an diesem Tag in Erinnerung geblieben ist, waren die Tränen in den Augen der Männer und Frauen. Still ging man auseinander.

Die Namen auf den Tafeln sagen uns, die wir heute davorstehen, vielleicht nichts mehr.

Die Alten konnten zu jedem Namen auf der Tafel in unserem Dorf noch eine Geschichte erzählen. Der Heinrich war ein sehr talentierter Tischler, er hatte drei kleine Kinder, Otto gehörte zu den ersten Automechanikern in der Region, es hat seiner Mutter das Herz gebrochen als die Nachricht kam, dass er gefallen ist. Walter wurde direkt von der Schulbank in den Krieg gerufen und kam nie zurück.

Das ist nun über 80 Jahr her, und ihr Schicksal in weite Ferne gerückt. Vielleicht kommen heute auch deshalb nur noch eine Handvoll Menschen am Volkstrauertag, die an die Opfer der Kriege erinnern und zum Frieden in der Welt aufrufen. Dieser Ruf verdient, so finde ich, gerade in diesen Tagen breites Gehör.

Wie lang müsste die Liste mit den Namen auf den Gedenksteinen sein, wenn wir auch an die Frauen, Kinder und Männer denken, die ebenso ihr Leben verloren haben oder auf der Flucht gestorben sind? Wie lang, wenn wir an alle denken, die heute durch Terror, Krieg und Gewalt ihr Leben verlieren?

Darum sind die in Stein gemeißelten Namen für mich ein Aufruf, immer wieder neu auf dieser Welt nach Wegen des Friedens zu suchen – Die Tränen, die Trauer und das Leid, die hinter jedem Namen stehen, dürfen wir nicht vergessen. Ich möchte mich darum für den Frieden auf dieser Welt einsetzen. Auf das ganz Große habe ich keinen Einfluss, aber in meinem eignen Umfeld kann ich dafür Sorge tragen, dass wir gut und menschlich miteinander umgehen.

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