Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Abendgedanken

08MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Um das Krankenhaus in unserer Stadt steht es schlecht. Wie auch bei anderen Kliniken in unserem Land heißt es, dass wohl nicht „wirtschaftlich genug“ gearbeitet wurde, und darum steht nun eine Schließung im Raum. Die Menschen unserer Region sorgen sich natürlich um den Bestand des Krankenhauses. Wo soll es hingehen, wenn ein Notfall vorliegt? Die nächsten Krankenhäuser sind eine halbe Stunde entfernt. Vor allem aber setzt die ganze Situation den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Krankenhauses zu. Denn sie haben nicht einfach einen Job, mit dem sie Geld verdienen, sondern sie haben einen Beruf und Arbeitsplatz gewählt, für den man, glaube ich, wirklich berufen sein muss. Und sie sind eine Gemeinschaft, die an ihrem Krankenhaus für die Menschen ihrer Region da sein wollen. Sie sind hier zu Hause. Ich bewundere die Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte, die in unserem Krankenhaus arbeiten. Wechselnde Patienten, Schichtarbeit, aufgeregte Angehörige. Da ist oft viel unausgesprochene Angst und Anspannung im Raum, die insbesondere die Schwestern und Pfleger auffangen. „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden!“ (Röm 12,15) heißt es einmal in der Bibel - und Menschen mit diesen Berufen leben das meiner Erfahrung nach jeden Tag. Sie schenken den Patientinnen und Patienten Trost bei einer schweren Diagnose, geben Halt vor einer anstehenden Operation, freuen sich, wenn die Entlassung ansteht und es endlich nach Hause geht. Sie nehmen sich trotz großen Zeitdrucks Zeit für Ihr Gegenüber und müssen gleichzeitig auf sich selbst aufpassen und die nötige Distanz wahren. Und trotzdem arbeiten sie jeden Tag neu mit Geduld, Liebe und großer Fachlichkeit und stellen sich dem, was das Leben ihnen zuträgt und manchmal auch zumutet. Die größte Zumutung ist für mich aber die Diskussion über die Wirtschaftlichkeit. Sie führt zu einer enormen Anspannung unter den Mitarbeitern, die immer wieder ihr Bestes geben. Ja, ein Krankenhaus rechnet sich manchmal nicht, weil in den Strukturen etwas nicht stimmt. Aber damit ein Mensch gesund wird, braucht es Zeit, eine gute Umgebung und verlässliche Zuwendung. Das wusste auch schon der barmherzige Samariter, als er den unter die Räuber gefallenen Mann in biblischen Zeiten in einem Gasthaus zur Pflege gebracht hat und dafür dem Wirt gleich Geld hingelegt hat. Vielleicht sollten wir als Gesellschaft öfters miteinander überlegen, wo und wofür wir Geld investieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39443
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

07MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im Garten meines Elternhauses steht eine mächtige Kastanie. Im Moment ist der Baum noch ganz kahl, es dauert noch ein paar Wochen, bis er ausschlägt. Und doch ist diese Kastanie für mich ein ganz besonderer Baum. Vor über vierzig Jahren bin ich in diesem Baum als Kind herumgeklettert. Ich habe mir in seinen ausladenden Ästen einen Platz gesucht, um von dort die Umgebung zu beobachten und über Gottes Schöpfung zu staunen: Die Vögel, die am Horizont ihre Kreise zogen, die vorbeifliegenden Wolken am Himmel, die unterschiedlichen Stimmen der Nachbarn und Fußgänger. Stundenlang habe ich hoch über der Erde zwischen den Zweigen gesessen und dabei so manches Mal die Zeit aus den Augen verloren. Wie viel Leben in diesem Baum steckte! Da waren verschiedene Insekten auf dem Stamm zu entdecken, es gab ein Vogelnest, in dem die Jungen versorgt wurden - ganz abzusehen von den vielen herrlichen Kastanien im Herbst. Was man daraus nicht alles basteln konnte! Männchen, Ketten, kleine Kunstwerke. Dieser Baum ist auf eigene Weise mein Zuhause, auch heute noch. Wenn wir nun mit unseren Kindern in den Ferien bei meinen Eltern sind, freut es mich zu erleben, dass sie diesen herrlichen Baum für sich genauso entdeckt haben, wie ich es einst getan hatte. „Hörst Du die Bienen, Mama? Das klingt wie ein großes Orchester! Schau, wie groß die Blätter sind!“ Bei jedem Besuch muss als Erstes der Baum besucht und begutachtet werden. „Opa, der Baum ist so groß wie ein Haus! Und auf jeder Etage ist Leben!“ Als mein Vater das hörte, hat er gelacht und sagte: „Ja, jetzt ist der Baum so groß wie ein Haus, mit ganz viel Leben darinnen. Gott hat ihn wachsen lassen, durch ihn ist er so groß geworden. Er war einmal so klein, dass ich ihn in meinem Rucksack von einer Klassenfahrt im Teutoburger Wald mit nach Hause gebracht habe. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass in diesem winzigen Bäumlein einmal meine Kinder und Enkelkinder sitzen würden.“ Es ist erstaunlich, was Gott uns in unserem Leben schenkt und was er wachsen lässt. Und darum freue ich mich schon jetzt darauf, wenn in wenigen Wochen die Kastanie nach den langen Wintermonaten wieder ausschlagen wird und auf ganz eigene Weise von Gottes Schöpfungskraft zeugt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39442
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

06MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In diesem Jahr wird das Evangelische Gesangbuch 500 Jahre alt. Das ist ein Grund zum Feiern! Mein erstes Gesangbuch war so ein kleines schwarzes Büchlein mit Goldschnitt, das beim ersten Regen gleich Flecken bekam. Ich habe es von meinen Eltern zur Konfirmation geschenkt bekommen, wie es damals Tradition war. Meine Großmutter meinte gleich, dass das mit den Regenflecken nicht schlimm sei, denn ein Gesangbuch sei ein „Lebensbuch“. Ich gebe zu, ich habe damals nicht verstanden, was sie gemeint hat. Ein Lebensbuch? Vielleicht, weil es im Laufe meines Lebens noch viele Gebrauchsspuren und Flecken bekommen würde? Heute denke ich, dass ich weiß, was meine Großmutter wirklich gemeint hat. Ich singe gern und das Singen gehört quasi zu meinem Beruf als Pfarrerin dazu. Für jeden Gottesdienst suche ich die Lieder passend zu den Bibeltexten heraus. Das macht mir große Freude, ich entdecke dabei immer wieder mal eine Strophe, die ich noch nicht gekannt habe. Schon Martin Luther hat auf die Auswahl der Lieder großen Wert gelegt und hier und da auch eigene geschrieben. Er wusste um die Kraft des Singens. Er war überzeugt davon, dass die Lieder die Botschaft der Bibel in das Herz der Menschen singen würden. Und so fühle ich es heute auch. Ich habe ein paar Lieder, die sich quasi in mein Herz hineingesungen haben. Dazu gehört zum Beispiel „Wer nur den lieben Gott lasst walten, den wird er wunderbar erhalten“ oder „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarte ich getrost, was kommen mag.“ Wenn ich diese Lieder singe, geben sie mir Trost, Halt und auch Zuversicht. Und hier und dort ertappe ich mich, dass ich bei einem Spaziergang durch die Natur auch ein Lied vor mich her summe: „Geh aus mein Herz und suche Freud!“ Tja, und manchmal habe ich selbst gar keine Kraft zum Singen. Da bleiben mir die Worte im Hals stecken und alles ist mir zu viel. Dann bin ich froh, dass es andere Menschen gibt, die für mich singen und mich mit ihrem Gesang tragen.

Das Gesangbuch: Im Laufe der Zeit hat meins ein paar Gebrauchsspuren abbekommen. Aber noch viel mehr Spuren hat es in meiner Seele hinterlassen. Es ist eben ein Lebensbuch! Vielleicht haben Sie auch noch ein altes Gesangbuch zu Hause rumstehen. Es gibt übrigens auch ganz neue. So oder so - vielleicht findet sich darin ein Lied, das für Ihr Herz bestimmt ist. Ein Klassiker oder auch etwas Modernes. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren. Wo auch immer: Zu Hause, im Wald oder unter der Dusche.

Ich verspreche es: Es wird Ihnen guttun.   

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39441
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

05MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Vor kurzem hat mir jemand halb im Spaß zugerufen: „Hallo, was ist denn los mit dir? Du guckst so mürrisch!“ Nichts war im Grunde los, ich war einfach in Gedanken gewesen. Aber anscheinend hatte ich „mürrisch“ geguckt – also etwas finster und brummig.   „Mürrisch“ – das Wort hört man heute selten. Schon sein Klang verrät, worum es geht. Wer murrt, drückt mehr oder weniger laut brummend seine Unzufriedenheit aus, und das mal nicht eben so, sondern immer wieder. So wie das Volk Israel, von dem in der Bibel im Alten Testament berichtet wird, dass es 40 Jahre lang in der Wüste auf der Suche nach einer neuen Heimat unterwegs gewesen ist. Mürrisch, brummend und unzufrieden mit sich und der Welt - und unzufrieden mit Gott. Nichts war ihm recht, an allem hatte es etwas auszusetzen. Der Weg war zu lang und zu beschwerlich, seine Führer planlos und auch das ewige Mannaessen hatte es satt. Anfangs waren die Israeliten noch begeistert gewesen und haben sich zu gerne aufgemacht – raus aus der Sklaverei in Ägypten. Aber diese Begeisterung war längst vergangen und vergessen. Sie waren im Hier und Jetzt angekommen, und das hat ihnen nicht gefallen. Warum und wieso? Keine Ahnung, es passte einfach alles nicht. Also wurde gemurrt und gemeckert. Gott hat sich dann immer wieder etwas ausgedacht, um das Volk bei Laune zu halten, aber in den allermeisten Fällen war der Erfolg von kurzer Dauer. Dann ist das Murren einfach wieder von vorne losgegangen.

Und nun hatte ich selbst anscheinend „mürrisch“ geguckt, was mir ganz und gar nicht gefällt. Denn selbst, wenn ich wirklich mal mit einer Sache unzufrieden bin oder mir irgendwas nicht passt, dann möchte ich eigentlich nicht in meinem Meckern und Murren verharren. Das bringt mir nicht wirklich etwas, außer schlechter Laune. Viel mehr möchte ich die Gründe finden und für mich verstehen, warum ich unzufrieden bin. Bin ich nur unausgeschlafen? Fühle ich mich nicht wahrgenommen? Was steckt dahinter? Und wie könnte ich aus diesem Hamster-Murr-und Meckerrad kommen? Denn eine Meckerrunde nach der anderen kostet mich nur unnötig Kraft und Zeit.

Was hilft mir raus? Ein Gespräch mit einer Freundin, um eine neue Perspektive einzunehmen? Manchmal reicht es zum Glück, wenn mir jemand zuruft: „Warum guckst Du denn so mürrisch?“ Und mich damit so zum Lachen bringt, dass ich von ganz von allein aus meinem Gedanken-Hamsterrad herausfalle.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39440
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

04MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich liebe es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Vor allen Dingen, wenn dies in einer schönen Atmosphäre passiert. Wir unterhalten uns und erzählen einander vom Leben. Im Grunde genommen kommt dabei immer etwas Schönes zutage. Irgendwo, an irgendeiner Stelle bleibt man hängen. Eine Erinnerung wird wach, ein schöner Moment aus der Vergangenheit füllt auf einmal den Raum. Er ist ganz und gar lebendig und kostbar. So habe ich es gerade erst bei einem Besuch bei einer Frau erlebt. Sie hatte Tee und Plätzchen für uns beide gerichtet, die mit roten Walnusskernen verziert waren. Solche leuchtenden roten Nüsse hatte ich noch nie gesehen und habe darum die Frau einfach fragen müssen, was es denn damit auf sich habe.

Da hat sie gestrahlt – und mir erzählt, dass diese roten Nüsse aus dem Garten ihres Vaters stammen würden. Es sei eine besondere österreichische Nusssorte, die lange braucht, bis sie Früchte trägt, und die Ernte sei jedes Jahr leider sehr klein. Darum waren diese Nüsse für ihren Vater ein besonderer Schatz, eine Gabe Gottes. Irgendwann habe sie dann dieses Plätzchenrezept mit der Walnuss als Dekoration entdeckt und ihren Vater damit überrascht. Und seine Freude darüber war riesig gewesen.  

Ihr Vater sei schon vor einigen Jahren gestorben, hat die Frau dann berichtet, aber jedes Mal, wenn die Nussernte kommt, backt sie diese Plätzchen und denkt dabei an ihn. Und während sie dies erzählte, hat es sich für mich so angefühlt, als ob ihr Vater auf eigene Weise mit uns am Tisch sitzt und uns zugehört hat. Als ich mich auf den Heimweg gemacht habe, hat mir die Tochter eine kleine Walnuss dieser seltenen Sorte in die Hand gelegt.  „Für Sie, mein Vater hätte sich gefreut!“

Seit ein paar Wochen trage ich nun diese Walnuss schon mit mir herum. Ihre riffellige, auf eigene Weise warme Schale fühlt sich gut in meiner Hand an. Manchmal - beim Spazierengehen – stecke ich die Hand zu ihr in die Hosentasche. Zurück zu Hause wandert sie raus aus der Hosentasche vor mich hin auf den Schreibtisch:  Eine kleine Nuss, innen drin so anderes als die anderen. Eine Gabe, ein Geschenk Gottes, ein kleiner Schatz. Das kleine Geschenk in meiner Hosentasche erinnert mich daran, wie wertvoll die Erinnerungen sind, die wir an die Menschen haben, die schon verstorben sind und uns lieb gewesen sind. Momente des Miteinanders, die intensiv waren, Momente, in denen man sich einander ganz und gar nah war und es im Erinnern auch wieder ist. Vielleicht tragen Sie ja auch so einen Schatz in ihrem Herzen? Eine Erinnerung an einen lieben Menschen, die Ihnen guttut und Sie spüren lässt, dass man durch alle Zeit hindurch auf eigene Weise verbunden bleibt.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39439
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

15DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Soll ich mal beim Förster anrufen und klären, wie das mit dem Weihnachtsbaum in diesem Jahr ist?“ Mit dieser Frage beginnen in unserer Kirchengemeinde die Vorbereitungen für die Weihnachtsgottesdienste. Und zwar schon Anfang Oktober! Erst einmal lachen alle über die Frage unseres jungen Hausmeisters und dann sind wir ihm dankbar. Er gibt damit sozusagen den Startschuss zu den Weihnachtsvorbereitungen in unserer Kirchengemeinde. Da ploppt dann eine Frage nach der anderen auf: „Gibt es eigentlich dieses Jahr wieder ein Krippenspiel?“ „Singt der Chor?“ Was früher vielleicht selbstverständlich war und über viele Jahre eingespielt, ist es heute nicht mehr. Bis die Glocken zum Festgottesdienst läuten, läuft eine Menge Organisationsarbeit im Hintergrund.

Jedes Jahr muss neu geschaut werden, wer dabei ist und was möglich ist: Dann ist die Freude groß, wenn erste Rückmeldungen kommen: „Wir haben dieses Jahr an die zwanzig Krippenspielkinder!“ erzählt die ehrenamtliche Leiterin am Sonntag. Der Kantor kommt dafür ins Grübeln, wenn er hört „Familie Kraus feiert dieses Jahr bei den Großeltern.“ Ohne die Kinder dieser Familie wird die Flötengruppe nicht spielen können. Immerhin hat sich die Tannenbaumtruppe schon gemeldet, dass alle wieder dabei sein werden, den Baum gemeinsam aufstellen und dann auch bis in die höchsten Höhen schmücken werden. „Danach gebe ich eine Runde Glühwein für alle aus!“, ruft der Hausmeister. Aus Berlin erreicht uns eine E-Mail im Pfarramt: „Ich komme an Weihnachten immer nach Hause. Wird dieses Jahr auch am Ende des Gottesdienstes „O, du fröhliche“ gesungen? Dann bringe ich meinen Kindern den Text bei.“ Weihnachten, das ist viel mehr als eine Festpredigt und „Stille Nacht“ auf der Orgel. Ein Weihnachtsgottesdienst wird von der ganzen Gemeinde getragen und vorbereitet. Ich mag diese Zeit der Vorbereitung, ich mag das Miteinander; dadurch wird der Gottesdienst etwas Besonderes. Und erst recht in dem Moment, wenn es am Heiligen Abend heißt: „Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, in der Stadt Davids.“ Aber noch sind es ein paar Tage bis dahin. Wir freuen uns in den Kirchen, wenn Sie am Heiligen Abend mit uns feiern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38939
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

14DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Einer trage des anderen Last!“ heißt es in der Bibel. Ich finde, das ist ein guter Gedanke. Ein Aufruf, miteinander das zu tragen, was einem das Leben zuträgt. Da gibt es Ärger auf der Arbeit, Sorgen um die Gesundheit, es verstirbt ein langjähriger Weggefährte. Miteinander ist vieles leichter zu tragen. Es tut mir gut, meine Sorgen zu teilen.

Manchmal reicht es schon, dass ich das, was mich bewegt, meiner Freundin erzähle. Da wird mein Herz leichter. Manchmal bekomme ich Trost geschenkt: „Das wird schon wieder!“ oder „Komm, ich helfe dir, was ist zu tun?“

Wenn jemand meine Lebenslasten mit mir trägt, tut mir das gut. Und umgekehrt ist es schön, wenn Menschen in meiner Umgebung ihre Sorgen mit mir teilen. Dann höre ich zu, tröste, wir suchen miteinander nach Lösungen oder ich packe mit an.

„Einer trage des anderen Last!“ Einmal trage ich, ein anderes Mal werde ich getragen. Ich empfange und ich gebe – ein Wechselspiel. Aus meiner Sicht ist das die Basis für ein gutes Miteinander, vielleicht sogar die Basis für unsere Gesellschaft. Manchmal kippt das Lastentragen meiner Erfahrung nach aber, da landet sehr viel auf wenigen Schultern. Das geht vielleicht einmal für einen kurzen Zeitraum, aber über Wochen oder Monate kann das nicht gut gehen. Manchen Menschen fällt es, gerade, wenn Not am Mann ist, schwer zu sagen: „Stopp, das ist jetzt zu viel. Ich kann nicht mehr.“ Darum habe ich am Ende ein Schild an der Praxistür unserer Ärztin verstanden, das mich zuerst geärgert hatte. Da stand doch: „Wegen Krankheit unserer Mitarbeiterinnen müssen wir heute unsere Öffnungszeiten reduzieren. Wir schließen heute zwei Stunden eher.“ Hä, was ist das denn? habe ich gedacht, meine Tochter ist krank, ich brauche eine Ärztin. Kann das nicht besser organisiert werden? Muss ich jetzt wirklich zum Notdienst? Und dann habe ich verstanden: Das ist organisiert. Da geht eine Chefin gut mit ihren Mitarbeiterinnen um. Die Last wird sorgsam auf die Mitarbeiterinnen verteilt, und zwar so, dass die Last zu tragen ist und niemand darunter zusammenbricht und dann auch noch ausfällt. Und wir Patientinnen tragen auch ein Stück mit. Wie gut! Ich glaube, man kann von der Ärztin lernen, was gesund ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38938
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

13DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ ist mein Lieblingsadventslied. Es ruft mir zu: „Platz da für das Kind aus dem Stall von Bethlehem, Platz da für seine Friedensbotschaft!“ Das Lied erzählt von einem Herrscher, der für Gerechtigkeit sorgt. Und dies nicht durch Macht und laute Töne, sondern durch Sanftmütigkeit und Barmherzigkeit. Altmodisch klingt das. „Sanftmütig“, „barmherzig“. Dabei hätte ich gerade davon gerne mehr in diesen Tagen. Ich sehne mich nach einem „Frieden auf Erden“, den ja gerade die Engel in der Heiligen Nacht verkündet haben. Ich sehne mich nach mehr Raum und Platz für die leisen Töne, nach kleinen Zeichen des Miteinanders. Ja, dass Tore und Türen füreinander geöffnet werden, man einander begegnet, anstatt sich hinter eigenen Türen abzuschotten.

Vor Kurzem erst habe ich die Geschichte von der Entstehung des Liedes gehört, und schon da ist es um ganz konkrete Türen gegangen. Pfarrer Georg Weissel hat das Lied 1623 in Königsberg geschrieben. Inspiriert hatte ihn der junge Kirchendiener, der bei einem Ostseesturm den Besuchern der Kirche mit einer tiefen Verbeugung die Tür geöffnet hat. „Willkommen im Hause des Herrn! Seine Türen stehen jedem offen, ob arm, ob reich“. „Was für eine Predigt im Kleinen!“, hat sich der Pfarrer gedacht, zumal es ihn an einen Psalm in der Bibel erinnert hat, der sagt: „Machet die Tore weit!“. Der Pfarrer hatte dabei nicht nur die Kirchentüren im Sinn, sondern auch ein anderes, ganz konkretes: das Tor des Nachbarhauses der Kirche. Der reiche Geschäftsmann, der dort gewohnt hat, hatte nämlich seinen Grund und Boden eingezäunt und mit einem Tor verschlossen. Das führte dazu, dass die Bewohner des Armenheimes nur mit einem großen Umweg zur Kirche kommen konnten; und der war für manche zu lang. Und so hat der Pfarrer mit dem Chor das frisch gedichtete Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ direkt vor dessen Haus gesungen. Und, was soll man sagen?  Noch vor Ende des Liedes, sagt die Legende, habe der Mann sein Tor geöffnet und die Kranken und Alten konnten auf direktem Weg in die Kirche kommen. Diese Geschichte macht mir Mut. Und darum singe ich „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“ in diesem Advent besonders laut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38937
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

12DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Bei dem kleinen Bäcker in unserer der Straße ist jetzt in der Vorweihnachtszeit das ganze Schaufenster voller Plätzchen. Das sieht so unglaublich lecker aus, dass ich immer einen Moment davor stehen bleiben muss. Es sind große Bleche, und die Plätzchen liegen da alle in Reih‘ und Glied. Eines schöner als das andere. Mit und ohne Glasur, mit Mandeln oder Streuseln. Der Bäcker hat offensichtlich große Freude an seinen kleinen Meisterstücken. Plätzchen, finde ich, sind ein besonderes Gebäck. Sie erinnern mich an meine Kindheit: Im Advent hat unsere Mutter mit meinem Bruder und mir sich ans Plätzchenbacken gemacht. Da wurde zuerst der Teig geknetet und ausgerollt, dann die Plätzchen vorsichtig ausgestochen, Bleche in den Ofen geschoben und dann wurde natürlich dekoriert. Ehrlicherweise muss ich sagen, sind dabei immer sehr viel weniger Plätzchen herausgekommen als es die Teigmenge vermuten ließ. Das lag vor allen Dingen an unserem Vater, der beim Backen vorbeigekommen ist und mit einem Brustton der Überzeugung verkündete, dass man Plätzchenteig immer und unbedingt probieren muss. Meine Mutter hat das zugelassen, und wir Kinder waren glücklich. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich im Moment so gerne vor dem Schaufenster mit den Plätzchen stehen bleibe. Denn dort werden für mich im Grunde nicht nur Plätzchen verkauft, sondern Glück - und das sogar in Tüten.

Manchmal backe ich selbst und habe Freude daran, genauso wie früher meine Mutter. Und wie offensichtlich auch der Bäcker mit seinen kleinen Meisterstücken im Schaufenster. Manchmal kaufe ich deshalb auch welche. Denn schon das Aussuchen der kleinen Köstlichkeiten und das Zuschauen, wenn die Verkäuferin die kostbare Ware liebevoll verpackt, hat etwas Eigenes. Das Tütchen kann ein Mitbringsel für einen lieben Menschen bei einem Besuch werden, es könnte ein kleiner Gruß vor der Haustür sein, oder auch für einen selbst eine kurze Auszeit bei einer Tasse Kaffee oder Tee werden. Eine Tüte Plätzchen, eine Tüte Glück, eine Einladung zum Träumen. Für mich, für Sie und wer Ihnen jetzt in den Sinn kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38936
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken

11DEZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In nicht einmal zwei Wochen ist Weihnachten. Ich freue mich auf das Fest. In diesem Jahr ganz besonders, weil es auf einem sehr langen Wochenende liegt. Meiner Erfahrung nach ist das gesamte Weihnachtsfest dann etwas entspannter. Die letzten Einkäufe können am Samstag erledigt werden, und wenn dann die letzten Geschäfte geschlossen haben, wird es auf eigene Art ruhig in der Stadt. Ich freue mich auf diese drei, wenn nicht vier Tage am Stück mit meiner Familie. Ich mag diese Zeit aber im Vorfeld etwas gestalten. Ich nehme mir also jetzt schon Zeit, und bespreche in der Familie, wie wir diese Tage miteinander verbringen möchten. Ein paar Dinge sind gesetzt, besonders am 24. Dezember: Der Morgen wird mit dem Abspielen einer ganz bestimmten Weihnachts-CD gestartet, dann wird gemeinsam der Tannenbaum geschmückt. Das muss sein! Wir freuen uns auf den Gottesdienst, denn der ist am Heiligen Abend immer etwas Besonderes. Danach essen wir in Ruhe, und dann gibt es die Geschenke. Das geht bei uns reihum. Jeder, darf ein Geschenk auspacken, und alle schauen zu. So bekommt jedes Familienmitglied und jedes Geschenk eigene Aufmerksamkeit. An den Feiertagen, die dann kommen, sind die Bedürfnisse jedes Jahr ein wenig anders. Wir besprechen miteinander, wie es mit Besuchen oder Konzerten aussieht. Was tut uns in diesem Jahr gut, wo kommt bei uns Weihnachtsfreude auf? Das ist ja bei jedem anders.

Wie sieht das bei Ihnen aus? Was brauchen Sie, um eine gute Weihnachtszeit zu haben? Ich glaube, dass es guttut, sich für diese Frage Zeit zu nehmen. Jetzt, vor dem Fest, zu überlegen, was Ihnen am Herzen liegt. Gibt es Traditionen, die Ihnen wichtig sind, oder probieren Sie dieses Jahr lieber etwas Neues aus?  Wollen Sie mit anderen Menschen an den Feiertagen zusammen sein oder wollen Sie lieber allein sein? Vielleicht möchten Sie auch einem anderen Menschen eine Weihnachtsfreude bereiten? Jemanden besuchen oder zu sich einladen? Nehmen Sie sich jetzt Zeit für diese Fragen, damit das lange Wochenende auch ein Festwochenwochenende wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38935
weiterlesen...