SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

04MRZ2024
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Ich liebe es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Vor allen Dingen, wenn dies in einer schönen Atmosphäre passiert. Wir unterhalten uns und erzählen einander vom Leben. Im Grunde genommen kommt dabei immer etwas Schönes zutage. Irgendwo, an irgendeiner Stelle bleibt man hängen. Eine Erinnerung wird wach, ein schöner Moment aus der Vergangenheit füllt auf einmal den Raum. Er ist ganz und gar lebendig und kostbar. So habe ich es gerade erst bei einem Besuch bei einer Frau erlebt. Sie hatte Tee und Plätzchen für uns beide gerichtet, die mit roten Walnusskernen verziert waren. Solche leuchtenden roten Nüsse hatte ich noch nie gesehen und habe darum die Frau einfach fragen müssen, was es denn damit auf sich habe.

Da hat sie gestrahlt – und mir erzählt, dass diese roten Nüsse aus dem Garten ihres Vaters stammen würden. Es sei eine besondere österreichische Nusssorte, die lange braucht, bis sie Früchte trägt, und die Ernte sei jedes Jahr leider sehr klein. Darum waren diese Nüsse für ihren Vater ein besonderer Schatz, eine Gabe Gottes. Irgendwann habe sie dann dieses Plätzchenrezept mit der Walnuss als Dekoration entdeckt und ihren Vater damit überrascht. Und seine Freude darüber war riesig gewesen.  

Ihr Vater sei schon vor einigen Jahren gestorben, hat die Frau dann berichtet, aber jedes Mal, wenn die Nussernte kommt, backt sie diese Plätzchen und denkt dabei an ihn. Und während sie dies erzählte, hat es sich für mich so angefühlt, als ob ihr Vater auf eigene Weise mit uns am Tisch sitzt und uns zugehört hat. Als ich mich auf den Heimweg gemacht habe, hat mir die Tochter eine kleine Walnuss dieser seltenen Sorte in die Hand gelegt.  „Für Sie, mein Vater hätte sich gefreut!“

Seit ein paar Wochen trage ich nun diese Walnuss schon mit mir herum. Ihre riffellige, auf eigene Weise warme Schale fühlt sich gut in meiner Hand an. Manchmal - beim Spazierengehen – stecke ich die Hand zu ihr in die Hosentasche. Zurück zu Hause wandert sie raus aus der Hosentasche vor mich hin auf den Schreibtisch:  Eine kleine Nuss, innen drin so anderes als die anderen. Eine Gabe, ein Geschenk Gottes, ein kleiner Schatz. Das kleine Geschenk in meiner Hosentasche erinnert mich daran, wie wertvoll die Erinnerungen sind, die wir an die Menschen haben, die schon verstorben sind und uns lieb gewesen sind. Momente des Miteinanders, die intensiv waren, Momente, in denen man sich einander ganz und gar nah war und es im Erinnern auch wieder ist. Vielleicht tragen Sie ja auch so einen Schatz in ihrem Herzen? Eine Erinnerung an einen lieben Menschen, die Ihnen guttut und Sie spüren lässt, dass man durch alle Zeit hindurch auf eigene Weise verbunden bleibt.   

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