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SWR4 Sonntagsgedanken
Was wir Menschen doch so alles können? Träumen zum Beispiel. Faszinierend was da abläuft. Nacht für Nacht ganz großes Kino im Unterbewusstsein. Auch wenn wir uns nicht immer daran erinnern können. Träumen ist eine wunderbare Fähigkeit. Eine so ganz andere Welt taucht da auf, während wir tief schlafen. Eine Welt die dennoch unsere ist. Aber mit ihrer eigenen Logik. Nicht selten schweißgebadet werden wir mit all den Bildern der Angst konfrontiert. Viel schlimmer noch als am Tag geht es da oft zu. Aber auch Wunderbares widerfährt uns in den Tiefen unserer Seele. Wir können fliegen. Gehen über das Wasser. Verlieben uns wie nie zu vor. Begegnen längst Verstorbenen.
Der Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann sieht in den Träumen den Versuch das Leben zu erweitern. Träume so sagt er helfen uns unsere alltäglichen Erfahrungen zu deuten. Man gehe mit den Träumen Hand in Hand durch eine imaginäre Unterwelt.
Vielleicht ist die Geschichte von einem Sturm auf dem See Genezareth und dem schwankenden Boot mit den verängstigten Jüngern Jesu, die heute im katholischen Sonntagsgottesdienst vorgelesen wird, auch wie ein Traum zu verstehen. Ein Traum, der das Leben deutet und erweitert. Ein Traum, der davon erzählt was uns Angst macht und vertrauen lässt.
Zu einfach wäre es, diese Seesturmgeschichte nur zu lesen als ein Erlebnis der Jünger Jesu in einer stürmischen Nacht von vor 2000 Jahren. Wer tief in diese Geschichte der Bibel eintaucht kann darin auch sein eigenes Leben entdecken. Mit all seinen Gefahren und Ängsten und der Sehnsucht nach Halt und Sicherheit.
Die Geschichte erzählt, wie Jesus sich nach der Begegnung mit vielen Menschen allein auf einen Berg zurückzieht. Um auszuruhen und zu beten. Auch seine Freunde schickt er weg und fordert sie auf, ihm im Boot an das gegenüberliegende Ufer vorauszufahren. Mitten auf dem See -so heißt es- wurden die dann plötzlich von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten heftigen Gegenwind. Das ist nicht ungewöhnlich dort. Der See Genezareth ist teilweise von Gebirgsausläufern umgeben. Völlig unvermittelt stürzen Fallwinde von den Berghöhen auf den See herab und wirbeln das Wasser zu hohen Wellen auf.
Vielleicht kennen sie auch diese nächtlichen Albträume, in denen es so zugeht wie in unserer Geschichte. Nach einem langen Tag oft. Wir müssen bei der Arbeit funktionieren. Trotz all dem was uns privat womöglich auch noch belastet. Die Krankheit, die sich abzeichnet. Die Beziehung vielleicht, die schon bessere Zeiten erlebt hat. Oder die Probleme in der Schule beim Jüngsten. Dann endlich am Abend gehen wir schlafen. Sehnen uns nach Ruhe. Ein paar Stunden nur. Doch von Schlaf kann keine Rede sein. Die Fallwinde des Lebens brechen über uns herein. Immer wieder werden wir wach von Träumen, die uns das Fürchten lehren. Die Zeit dehnt sich bis zum Morgengrauen. Angefüllt mit all den bedrohlichen Traumbildern. Vom Wasser, das uns verschlingt. Dem Boot das kentert. Und wir mittendrin im Sturm des Lebens.
Ganz wundersam geht die biblische Traumgeschichte vom Sturm auf dem See weiter. Im Morgengrauen, so steht da, kam Jesus zu ihnen. Er ging auf dem See. Als ihn die Jünger kommen sahen, erschraken sie und schrien vor Angst. Doch Jesus sagte: Habt Vertrauen. Ich bin es. Fürchtet euch nicht. Dort wo er ist, wird mir die Angst genommen. Darf ich aufatmen. Werde ich gesund. Das war die wichtigste Erfahrung für die Frauen und Männer die damals ihrem Jesus nachgelaufen sind.
Aber kann das wahr sein? Wo er doch so oft nicht antwortet. Schweigt. Mir Antworten schuldig bleibt. Weit weg auf dem Berg, um seine Ruhe zu haben, wie in der Geschichte der Bibel. So oft. Zu oft. Wo ist er denn? Beim Kranken, der in der Nacht vor Schmerzen schreit? Bei all den von Gott Verlassenen, die trotz allem nicht aufgeben zu rufen: Wo bist du Gott? Warum hast Du mich verlassen im Bombenhagel über die Stadt. Beim viel zu frühen Tod des Geliebten. Wo warst du, als ich zu dir gerufen habe. In schlaflosen Nächten. Was wird da alles verarbeitet in unserer biblischen Geschichte. In den Bildern vom Sturm und den Wellen. Mein Glaube. Aber auch mein zweifelnder Schrei in die Nacht hinein.
Noch in der Angst zu kentern, bleibt Jesus für seine Jünger die Antwort. Habt Vertrauen. Fürchtet euch nicht.Klammert euch nicht noch mehr im Boot fest. Vergesst alles, was nur scheinbar Halt gibt. Vertraut Euch mir an. Ungeschützt. Wellen und Wind und Meer zum Trotz. Petrus macht es vor und nimmt Jesus beim Wort. Er steigt aus dem Boot. Wagt es und versucht über das Wasser dem Freund entgegenzugehen. Dieser Petrus ist so schnell nicht unterzukriegen. Doch je mehr ihm sein Gottvertrauen schwindet, desto mehr versinkt er in den Fluten. Er ruft in seiner Todesangst. Jesus rette mich. Und spürt die rettende Hand des Freundes. Kann ich das auch wagen? Wie Petrus. Mich Gott völlig anvertrauen in den Stürmen meines Lebens. Vernünftig gedacht auf gar keinen Fall. In der Botschaft meiner Träume unbedingt. Selbst dort noch wo das Meer meines Lebens keine Balken mehr hat, die mich halten.
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San Gimignano ist eine Kleinstadt in der Toskana. Der Ort wird auch „Mittelalterliches Manhattan“ oder die „Stadt der Türme“ genannt. Denn San Gimignano besitzt noch einige der mittelalterlichen Türme, die in anderen Städten nur als Stümpfe erhalten blieben. Im Mittelalter versuchten die reichen Familien dort, sich in der Höhe ihres Turmes zu übertreffen, obwohl ein luxuriöses Leben darin nicht möglich war. Hauptsache hoch hinaus. Das war alleiniges Ziel der Bewohner dieser Stadt.
Auch die Bibel kennt eine Geschichte vom Größenwahn der Menschen. Zum Pfingstfest wird sie in den Gottesdiensten vorgelesen. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel.
Dieser Turm steht für alle großspurigen und maßlosen Projekte. Für die Anmaßung von Menschen sich zum Gott aufzuspielen. Die Wahnsinnigen sprechen das sogar offen aus:
Auf, bauen wir uns eine Stadtund einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.
Das eint die babylonischen Turmbauer. Von ihrem monumentalen Werk erwarten sie sich Macht und Ruhm. Einen Namen wollen sie sich machen und sich selbst wichtigmachen. Vor Gott und den angrenzenden Völkern. Die gemeinsamen Ziele sind bis heute bei solchen Vorhaben klar: Immer größer. Immer höher hinaus. Koste es was es wolle. Zur Not auch über Leichen. Auf Teufel komm raus. Doch Größenwahn treibt in den Wahnsinn. Alles eigenmächtig selbst in die Hand zu nehmen und machen zu wollen geht auf Dauer nicht gut. Immer höher müssen die Türme gebaut werden, um im Wettbewerb zu bestehen.
Gott so erzählt die Bibel sieht nicht tatenlos zu und zerstört die eitlen Pläne der Himmelsstürmer. Um Schlimmeres zu verhindern, steigt er hinab und macht aus der einen gemeinsamen Sprache der eitlen Turmbauer eine verwirrende Sprachenvielfalt. Das Turmbauunternehmen der Bibel platzt.
So ist es doch immer, wenn Menschen maßlos und überheblich werden. Sich zu Göttern machen. Am Ende steht nur selten der Friede, sondern Streit. Konfrontation und Krieg.
Die Erzählung vom Turmbau ist Symbol für die Hybris der Menschen, die meinen, aus eigener Kraft den Himmel berühren zu können. Immer im Wahn sich selbst größer machen zu müssen. Bis heute erzählt die Geschichte von solchen Projekten. Im Großen wie im Kleinen. In der Weltpolitik, zwischen Gartenzäunen und in den eigenen vier Wänden. Wo Menschen sich nicht mehr verstehen, aneinander vorbeireden und Kontakte abbrechen, dort hat Babel gesiegt. Muss das so weitergehen? Gibt es Alternativen? Wege heraus aus der babylonischen Selbstzerstörung und Sprachenverwirrung.
Die Pfingstgeschichte ist eine Gegengeschichte zu Babylon. Denn in Jerusalem sitzen, nach dem Trauma der Kreuzigung, Jesu Freundinnen und Freunde verängstigt hinter verschlossenen Türen und Fenstern beisammen. Ihr Haus ist kein Turm. Perspektiven wie die eitlen Turmbauer Babylons haben sie sowieso nicht. Denn alles, was mit ihrem Freund Jesus so verheißungsvoll begann, scheint für sie am Ende zu sein. Kraftlos und wie gelähmt sind sie. Buchstäblich die Sprache hat es ihnen verschlagen. Doch am Pfingsttag geschieht für sie das Unerwartete. Die Gegengeschichte zum Turmbau nimmt ihren Lauf. Niemand von ihnen hat damit gerechnet. Denn während sich in Babylon die Menschen selbst zu Gott machen wollen und alles für machbar halten, setzen sie in der Pfingstgeschichte all ihre Hoffnung nur noch auf Gott. Sie bauen keine Himmelstürme, um nach den Sternen greifen zu können und gebärden sich nicht wie Herrgötter. Sie sind bereit zu empfangen, was sie nicht machen können. Menschen eben, die noch mehr erwarten als ihre selbstgemachten Turmbauprojekte. Mehr als sich selbst. Mit Gott rechnen sie noch. Seinem Geschenk aus dem Himmel. Gottes heiligen Geist.
Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich auf jeden und jede von ihnen verteilten.
So erzählt es der Evangelist Lukas. Wie verwandelt beginnen die Verängstigten auf allen Plätzen der Stadt zu predigen. Wundersamerweise so, dass jeder Mensch in der bunt durcheinander gewürfelten multikulturellen Menge sie in seiner eigenen Sprache sprechen hört und verstehen kann. Ein neuer Geist weht durch die Stadt. Kein Geist der Spaltung, der Zerstreuung und Gegnerschaft. Da sind Menschen, die zulassen, dass der Himmel auf die Erde kommt und Gott im Menschen wohnen kann.
Pfingsten und Babylon. Das Pfingstwunder heilt die babylonische Sprachenverwirrung. Nicht in dem es die babylonische Vielsprachigkeit zurücknimmt. Sondern sie versöhnt mit sich selbst. Es erinnert uns daran, dass eine Botschaft verstanden wird, wenn ich sie in der Sprache derjenigen spreche, von denen ich verstanden werden möchte. Überall dort wird Pfingsten gelebt, wo Menschen in ihrer Vielfalt solidarisch zusammenstehen. Überall dort wo Menschen keine Türme bauen, um sich voreinander zu beweisen. Überall dort, wo Gott Raum gegeben wird.
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Seit einigen Monaten arbeite ich als Seelsorger im Krankenhaus. Ein Patient bittet mich darum ein Glas Wasser einzuschenken und zu ihm ans Bett zu bringen. Mein "Aber gerne doch" zaubert ein Lächeln in sein Gesicht. Er hat Durst und mit einem Zug ist das Glas Wasser leer. „Wie ausgetrocknet sind meine Lippen“, meint er und beginnt dann zu erzählen von seinem ganz anderen Durst. Endlich wieder daheim bei der Familie zu sein nach den wochenlangen Durststrecken seiner Krankheit. Das ist sein Herzenswunsch. Wieder etwas Normalität haben. So wie früher.
Unser Gespräch, ausgelöst durch ein Glas Wasser, bekommt Tiefe. Der Mann erzählt mir von denen, die ihn bis jetzt begleitet haben in der langen Zeit der Krankheit. Dankbar berichtet er vom Personal im Krankenhaus, das ihm immer wieder Hoffnung gibt, wenn er ganz unten ist. Nicht auszuhalten sei all das hier gewesen ohne Menschen an seiner Seite, die einfach nur für ihn da waren. Kurz vor seiner Operation war da das Lächeln einer Schwester und ihr „Zusammen schaffen wir das“. Das habe ihm in all seiner Angst so was von gutgetan, erzählt er mir dankbar.
Und dann sprudelt so Vieles aus ihm heraus. Sein ganzes Leben sei getragen und gehalten, von Menschen, die es so gut mit ihm gemeint haben. Trotz all dem Vielen, das ihm zugemutet wurde. Der Tod seines Kindes vor Jahren. Die lebensbedrohliche Krankheit seiner Frau. Seine Arbeitslosigkeit ganz zu Beginn seines Berufslebens.
Wie in einen Brunnenschacht steigt er hinab in sein Leben. Nachdenklich, aber auch dankbar. All die Menschen, die mich bis heute begleitet haben, sind wie Engel für mich, sagt er mir noch - mit Tränen in den Augen.
Heute wird im katholischen Gottesdienst auch eine Geschichte vom Durst erzählt. Sie bekommt eine ähnliche Wende wie mein Gespräch im Krankenhaus. Die Bibel erzählt darin von einer Frau aus der Stadt Sychar in Samaria. Allein der Name der Stadt ist schon bezeichnend. Sychar heißt nämlich übersetzt: Es ist etwas verstopft. Die Frau, die in der brütenden Mittagshitze allein an einem Brunnen Wasser schöpft, hat schon so Einiges mitgemacht. Trotz vieler Beziehungsgeschichten, die sie schon hinter sich hat, ist ihr Durst nach Liebe und Anerkennung noch immer nicht gestillt. Wie verstopft fühlt sich ihr Leben an. Durstig ist sie nach Nähe zu Menschen, die sie verstehen und die es gut mit ihr meinen.
Jesus kommt dazu und bittet sie um einen Schluck Wasser. Allein das ist schon mehr als ungewöhnlich für einen jüdischen Rabbi wie ihn. Als Mann eine Frau anzusprechen und anzuschauen das geht damals schon gar nicht. Bei dieser Frau kommt noch erschwerend so Vieles hinzu. In den Augen der Rabbiner ist sie eine ungläubige Ausländerin und gilt nach all ihren Beziehungsgeschichten als eine stadtbekannte Sünderin. Nicht von ungefähr geht sie in der Hitze des Mittags an den Brunnen, um ja niemandem zu begegnen zu müssen. Jesus lässt all das kalt, was Andere über die Frau denken. Und die kommt aus dem Staunen nicht heraus, als er es wagt sie überhaupt anzusprechen. Was er ihr dann sagt, ist mehr als verheißungsvoll. Nicht genug kann sie davon bekommen. Auch wenn es vordergründig nur ums Wasser geht, merkt die Frau schnell, dass Jesus auf etwas anderes hinauswill. Ihren gefüllten Krug mit Wasser hat er angeschaut und gesagt:
Wer von diesem Wasser trinkt, der bekommt wieder Durst. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben.
All das klingt für Sie mehr als verlockend. Niemals mehr Durst haben. Nicht nur nach Wasser. Mehr noch nach Nähe. Nach Jemandem, der mitgeht. Der Künstler Sieger Köder hat ein Bild zu unserer Geschichte gemalt. Oben am Brunnenrand steht die Frau aus Samaria mit rotem Kleid und langen roten Haaren. Sie beugt sich über den gemauerten Rand und schaut hinab in den dunklen Brunnenschacht. Ganz unten auf der Wasseroberfläche des Brunnens sieht die Frau ihr Spiegelbild. Neben ihr ist Jesus zu erkennen, als wolle er zu ihr sagen:
Ich kenne deinen Durst nach Liebe. Deine Sehnsucht nach Leben. Vertrau mir. Du bist nicht allein. Und vergiss alles, was andere über dich sagen. Du bist wertvoll.
Der Mann im Krankenhaus hat genau das erlebt. Er mag das nicht mit Gott, oder Jesus in Verbindung bringen und auch nicht mit der biblischen Geschichte im Gottesdienst heute.
Aber er hat erfahren dürfen: Ich bin nicht allein. Ich bin geliebt. Engel nennt er dankbar all die, die seinen Durst nach Leben bis heute gestillt haben. In all dem Schweren, das ihm zugemutet wurde. Und er hat doch Recht.
Vielleicht ist es manchmal nur ein Gespräch, ein Glas Wasser oder ein gutes Wort, das uns hilft zu glauben, dass es diesen Brunnen gibt. Eine lebendige Quelle. Ein Mensch und ein Gott, der einfach mitgeht und da ist auf den Durststrecken des Lebens.
Bleiben sie behütet und haben Sie einen guten Sonntag.
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Wenn es einen biblischen Text gibt, der meine Art zu Glauben in Frage stellt, dann ist es der, der heute in den katholischen Gottesdiensten vorgelesen wird. Von Josef und seiner geliebten Maria wird darin erzählt. Schwanger ist sie geworden, aber eben nicht von ihm.
Was für ein Dilemma! Ein gerechter Mann wie er es ist kann doch nicht eine Frau lieben, die noch vor der Hochzeit von einem andern schwanger wird. Wäre all das bekannt, man würde sie, wie es damals üblich war, steinigen. Nein, leicht hat er es nicht mit seiner Maria. Wie sehr liebt er sie. Heiraten möchte er sie und doch fühlt er sich verletzt und betrogen von ihr. Er schimpft im Stillen und möchte den Skandal in der Öffentlichkeit vermeiden. Sein Herz und sein Verstand kommen einfach nicht zusammen.
Sein Gefühl will dieser Frau, die er liebt, einfach nicht zutrauen, was sein Verstand und sein Denken aber bestätigen. Sie ist schwanger. Ein Engel Gottes erscheint ihm im da Traum und fordert ihn auf, seine Maria auf keinen Fall zu verlassen.
Uns aufgeklärten Zeitgenossen ist so etwas vollkommen fremd. Wenn wir mit Gott in Beziehung treten wollen, dann doch nicht so. Im Traum lassen wir uns selten Ratschläge geben, die unser Leben verändern. Auf Anregung eines wundersamen Engels, von dem wir nachts träumen, den Verstand ausschalten? Schwer vorstellbar!
Wir schreiben das Jahr 1856. Damals soll ein Indianerhäuptling im Gebiet vom heutigen New York das Land seiner Vorfahren verkaufen und hält eine bis heute berühmte Rede. Darin vergleicht er die Wesensart der Indianer mit der des weißen Mannes. Den Hauptunterschied sieht er in der Religion.
Eure Religion, sagt der Häuptling, wurde von einem zornigen Gott mit dem eisernen Finger auf Steintafeln geschrieben, damit ihr sie nicht vergesst. Das ist uns fremd.
Unsere Religion besteht aus den Traditionen und Visionen unserer Vorfahren und aus den Träumen unserer alten Männer, ihnen eingegeben vom Großen Geist in den feierlichen Stunden der Nacht. All das ist in die Herzen unseres Volkes geschrieben.
Religion wird in der Rede des Indianerhäuptlings nicht von außen bestimmt. Mit Geboten und Verboten, oder mit Lehrschreiben. Sie wird im Herzen gelebt. Träume und Visionen allein sind entscheidend. So lehrte man die Indianerkinder schon von früh an von Gott zu träumen. In der Einsamkeit wurden sie darauf vorbereitet um dann irgendwo in den Bergen vom Großen Geist einen Traum gesandt zu bekommen.
Wie weit sind wir heute entfernt von den träumenden Indianerkindern und unserem Josef in der Bibel. Unser Josef schweigt. Er träumt und vertraut seinem Traum blind.
Die Geschichte hat es in sich und stellt auch mir Fragen. Hat vielleicht die Sprache meines Herzens mehr Gewicht als all das, was ich augenscheinlich sehe und was von außen mir zugetragen wird. Was ändert sich bei mir, wenn ich der Sprache der Träume und dem wundersamen Engel an meiner Seite mehr Beachtung schenke als der Logik meiner Vernunft? Der Benediktinermönch Anselm Grün meint:
Viele Menschen haben die Ahnung, dass sie jemand begleitet in ihrem Bemühen, "recht" zu leben. Dieser Begleiter ist ein Engel. Er kommt als Bote Gottes in mein Leben, in mein Herz: das heißt in jene Lebensmitte, in der sich die Richtung meines Lebens entscheidet. Jeder Mensch hat seinen Engel. Niemand ist nur auf sich gestellt.“
Jeder Mensch hat seinen Engel. Was Anselm Grün schreibt ist entlastend.
Den Engeln in meinem Leben darf ich vertrauen. Sie begegnen mir in Menschen und in meinen in Träumen. Im Denken und in guten Ideen. Und doch bleiben sie unverfügbar. Ihre Flügel erinnern daran. Engel beflügeln und machen meine Seele leicht.
Josef tut, was der Engel ihm im Traum sagt. Er bleibt bei seiner Geliebten und seinem Kind. Jesus werden sie es nennen.
Der schweigende Josef lehrt mich neu zu glauben. Es ist ein Glaube an einen Gott, der keine steinernen Gesetzestafeln und keine Gesetze und Gebote braucht. Nur die Liebe zählt. Im Innern, im Herzen können wir Gott erspüren. Buchstäblich im Traum. Der Sprache meines Herzens darf ich trauen. Ich darf mich vom wundersamen Engel an meiner Seite führen lassen. Dann geschieht das Wunder von Weihnachten. Auch heute noch.
Zitat Anselm Grün:
Perlen der Weisheit. Die schönsten Texte von Anselm Grün, hrsg. Von Rudolf Walter. Herder Verlag Freiburg Basel Wien 2010.
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Theaterbesuche faszinieren mich. Dort kann ich abschalten und meinen Alltag zurücklassen. Eintauchen in all die Geschichten von der Liebe, den Tragödien und Intrigen. Mit allen Mitteln der Kunst werden sie auf die Bühne gebracht. Musikalisch umgesetzt von den Musikern im Orchestergraben. Von Sängerinnen und Sängern. Kreativ inszeniert mit wechselnden Kulissen und Bildern. Immer in anderem Licht. Alles ist im Theater möglich.
Die Drehbühnen haben mir es besonders angetan. Ständig hat man neue Einblicke. In Zimmer. Auf Häuser. Plätze und Hinterbühnen. Menschen kann ich durchs Fenster beobachten und gleichzeitig sehen was andere nicht sehen können.
Die Geschichte aus der Bibel, die heute im katholischen Gottesdienst vorgelesen wird, könnte sich auf einer Drehbühne abspielen. Der Evangelist Lukas erzählt darin von einem Vater und seinen beiden Söhnen.
Szene 1 ist schnell erzählt. Der Jüngste will seinen eigenen Weg gehen. Er hat genug vom engen Elternhaus, lässt sich sein Erbe auszahlen, macht sich vom Acker und zieht in ein anderes Land. Nachdem er dort sein Erbe verschleudert hat, bricht eine Hungersnot aus. Es ist eine Geschichte vom Abstieg in die extreme Armut. Ganz unten als Schweinehirt angekommen, sieht er nur noch einen Ausweg. Mit Lumpen auf dem Leib will er ins Elternhaus zurückkehren.
Szene 2 beschreibt den Vater bei seiner Rückkehr. Der sieht seinen Sohn, wie er schutzlos und dem Verhungern nahe daher kommt. Er läuft ihm entgegen und umarmt und küsst ihn. Der Verlorene soll nicht nur das Notwendigste von ihm bekommen. Mehr noch. Ein Fest mit Tanz. Und ein Essen, das sich sehen lassen kann finden statt.
Szene 3 zeigt den älteren Sohn Wie er treu und brav daheim bleibt. Pflichtbewusst kümmert er sich um die Arbeit auf dem Feld. Er dient dem Vater und stellt keine Forderungen wie sein Bruder. Nie wurde für ihn so ein Fest organisiert. Für ihn ist das was sich bei der Rückkehr seines Bruders abspielt, unfair und unangemessen. Auch wenn der Vater, nachdem der seiner Bitterkeit Luft gemacht hat, noch so sehr betont: Ich liebe dich.
Die drei Szenen bieten Stoff genug für neue Räume, Perspektiven und Geschichten, die das Leben schreibt.
Meine Drehbühne kommt in Bewegung. Zu sehen ist nun ein Zimmer mit überglücklichen Eltern. Sie freuen sich über die Geburt ihres ersten Kindes. Doch ihr Kind wird größer. Die Bühne macht es möglich. Die Zeit vergeht wie im Zeitraffer. Das Kind wird erwachsen. Entwickelt sich. Sucht sich Freunde. Es verlässt den engen Raum der Eltern. In der Ecke steht noch die Wiege. Die Eltern müssen nun das Loslassen lernen. Schmerzhaft akzeptieren, dass ihr Kind seine eigenen Wege geht.
Meine Drehbühne bewegt sich aufs Neue. Macht den Blick frei, hinein in ein anderes Zimmer. Eine alte Frau feiert ihren Geburtstag. Sie sitzt an der Kaffeetafel. Viele sind gekommen. Aber eben nicht alle. Ihr Jüngster fehlt. Bei aller Freude schaut sie traurig in die Runde. Es ist eine Geschichte der Liebe, die da erzählt wird. Zu dem der fehlt.
Die Bühne dreht sich wieder ein Stück weiter. Es betreten nun Menschen den Raum, die einfach nur da sind. Verfügbar. Rund um die Uhr. Denen selten gedankt wird. Sie tragen grüne OP-Kittel, haben Kinder auf dem Arm, schieben Rollstühle. Einige sitzen am Krankenbett. Doch sie verschwinden im Dunkel der Bühne. Fast lautlos.
Die Szenen die sich anschließen folgen in raschem Wechsel. Ohne Worte drücken sie aus was in der Erzählung des Lukas und seiner Geschichte vom verlorenen Sohn an menschlichen Erfahrungen steckt.
Zu sehen sind Menschen, die sich herzlich umarmen. Aber auch Menschen, die sich aus Umarmungen befreien. Abschiede am Bahnsteig. Rauschende Feste und Menschen, die ausgelassen tanzen. Ein stummer Betrachter am Rand taucht im Licht kurz auf. Da sind aber auch Menschen zu sehen, die aus großer Distanz aufeinander zugehen. Und solche die fast leblos und abgemagert am Straßenrand sitzen. Flaschen einsammeln und irgendwie ganz unten sind.
Die Geschichte des Lukas. Es ist eine Geschichte, die sich bis heute abspielt. An unzähligen Orten, in vielen Facetten. Eine Geschichte vom sich verloren fühlen. Vom Neuanfang, der einfach nur nach vorne schaut und nicht immer wieder mit alten Geschichten belastet wird. Vom Wieder nach Hause kommen. Von einer Umarmung nach langer Trennung. Eine Geschichte voller Bitterkeit und Enttäuschung, immer wieder zu kurz zu kommen. Und von der Liebe, die einfach nur verzeiht. Was für eine Geschichte!
Genau so ist der Vater im Himmel, will Lukas uns damit sagen. Der Verlorene wird nicht gedemütigt. Gott läuft ihm entgegen. Seine Umarmung braucht keine Beichte. Belehrungen wie: „Ich hab es Dir ja gleich gesagt. Jetzt siehst Du, was dabei herauskommt!“ - die sind ihm so was von fremd.
In unserem gedachten Theater wird am Ende applaudiert. Es gibt aber auch Buhrufe und Pfiffe. Ja es ist unerhört, wie in dieser Geschichte von Gott erzählt wird. Niemand geht verloren. Gottes Liebe ist grenzenlos.
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Wenn am kommenden Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, wie würden dann die einzelnen Parteien abschneiden? Die Sendung "Politbarometer“ stellt genau diese Frage Monat für Monat im Zweiten Deutschen Fernsehen. Aufgrund von repräsentativen Umfragen werden die Meinungen der Deutschen zu Parteien, Politikerinnen und Politikern, sowie zu aktuellen Themen präsentiert. Auf bunten Balken und Kuchendiagramen kann man dann ablesen wie viele Prozentpunkte eine Partei erreichen würde, oder wie beliebt unsere Regierungsmitglieder sind. Immer geht es dabei, um die momentane Stimmung im Land.
Auch ich kenne das bei mir. Wie nehmen andere Menschen mich eigentlich wahr? Was denken sie über mich? Bloß nicht negativ auffallen. Bei meinen Kindern. Im Freundeskreis. Am Arbeitsplatz. Sich gar blamieren vor den Anderen. Was kommt an und wie komme ich an? Wenn ich in der Öffentlichkeit spreche. Muss ich mich vielleicht verändern, oder mehr anpassen, um besser anzukommen? Um in der Gunst der Mehrheit zu bleiben.
Heute wird im katholischen Gottesdienst berichtet, wie Jesus genau diese Frage seinen Freunden stellt: Für wen halten mich die Leute eigentlich? Wer bin ich in ihren Augen? Wie beurteilen sie das, was ich sage und tue? Für seine Jünger war es ein leichtes Spiel sich hinter der Meinung der anderen verstecken zu können. Sie brauchten ja nicht selbst Farbe zu bekennen. Die einen, meinen sie, halten dich für Johannes den Täufer, wieder andere für einen Propheten. Manche meinen sogar in dir sei der Prophet Elija, oder Jeremia wiedergeboren. Vielleicht wollen ihm seine Anhänger nur schmeicheln. Wir wissen es nicht. Aber sie nennen Jesus die ganz großen und bekannten Namen. Diejenigen, die damals auf der Beliebtheitsskala ganz oben standen. Jesus, alles bestens! Mach dir keine Sorgen. Die öffentliche Meinung über dich ist hervorragend!
Und was macht Jesus mit der Antwort seiner Freunde? Sehr schnell zeigt sich was die eigentliche Absicht seiner Umfrage ist. Gezielt und konkret wendet er sich mit seiner zweiten zugespitzten Frage direkt an seine Schmeichler. Ihr aber, sagt mir, für wen haltet ihr mich?Was sagst Du, oder Du, oder Du … wer ich bin für Dich?
Im 19. Jahrhundert versuchten Theologen herauszufinden, wie der Mensch Jesus eigentlich war. Ziel war es, ein möglichst objektives Bild von ihm zu bekommen. Ein prominenter Vertreter war der berühmte Arzt und Theologe Albert Schweizer.
Doch all die Versuche herauszubekommen, wer dieser Jesus wirklich zu Lebzeiten war, führten zu keinem brauchbaren Ergebnis.
Für meinen Glauben brauche ich sowieso nicht die Rekonstruktion eines Jesus, wie er vor 2000 Jahren einmal war. Jesu Frage an mich an diesem Morgen bleibt.
Wer bin ich für dich ganz persönlich? Nicht was andere Menschen über mich denken interessiert mich. Nein was hältst Du von mir? Hier und Jetzt! In unserer biblischen Geschichte hat einer der Jünger ganz schnell eine Antwort parat. Du Jesus, du bist der Messias, meint Petrus. Das war damals der, auf den man alle Hoffnung setzte. Der Held, wenn nicht gar der Feldherr, auf den die Menschen im von den Römern besetzten Israel voller Sehnsucht warteten. Nichts war für ihn unmöglich.
Ich persönlich tue mir schwer mit dieser Antwort. Auf die Frage wer dieser Jesus und sein Gott für mich ist hilft mir der Schriftsteller Max Frisch weiter. Eine Beziehung zu einem anderen Menschen durfte für ihn nie auf Kosten der Lebendigkeit gehen. Den Appell der Bibel „Du sollst dir kein Bildnis machen“ war ihm wichtig. Und ich meine, was er über die Beziehung zu anderen Menschen schreibt, gilt auch für Jesus aus Nazareth.
Max Frisch wörtlich: Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben am wenigsten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. … Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis. Das ist das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertigwerden: weil wir sie lieben, solange wir sie lieben. So wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, aller Geheimnisse voll, so unfassbar ist der Mensch, den man liebt. Unsere Meinung, dass wir andere Menschen kennen, ist das Ende der Liebe.
Ja das stimmt. Seit ich diesen Jesus und seinem Gott vertraue und in meinem Leben suche, komme ich an kein Ende. Keine Antwort auf Jesu Frage kann beschreiben, was mich trägt und hält im Glauben. Es ist wie bei den Menschen, die ich liebe.
Meine Lieben und mein Gott bleiben mir Geheimnis. Weil ich sie liebe, darf ich mir kein Bild von ihnen machen. Das wäre lieblos. Ja, sogar Verrat - meint Max Frisch.
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Endlich wieder Sonntag. Freie Zeit für mich. Wenigstens einen Tag lang. Ein Tag. Ist das nicht zu wenig? Bei all den vielen Herausforderungen und dem Stress momentan. Den immer wieder neuen weltpolitischen Schreckensmeldungen.
Hand aufs Herz. Wann haben sie sich zum letzten Mal sogar mehr als fünf Wochen lang nur von ihren Gedanken treiben lassen? Wann waren sie einfach mal für längere Zeit weg? Nicht erreichbar? Offline! Oder andersherum gefragt: Wann hat man Ihnen gestattet, sich so lange vom Alltag und all seinen Verpflichtungen abzuseilen? Heute wird im katholischen Gottesdienst ein Text aus der Bibel vorgelesen, der erzählt wie Jesus sich das einmal so richtig genehmigt hat. Viel freie Zeit. Die Geschichte erzählt von 40 Tagen seiner Auszeit in der Wüste.
Jesu Auszeit hatte Tradition. Im Alten Testament wird oft erzählt wie fromme Menschen alleine in die Wüste gehen, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Um sich vorzubereiten auf wichtige Entscheidungen. Immer ging es ihnen darum, in der Stille hören zu können, was Gott ihnen zu sagen hat. Weil wir es eben nicht immer allein und selber wissen, was gut für uns ist. Doch Jesu Wüstenzeit war eine echte Herausforderung. Vierzig Tage und vierzig Nächte ohne Nahrung. In der faden und leblosen Wüste. Isoliert. Wie in Quarantäne. Die Begegnungen, die er da hatte, waren so ganz anders, als von ihm erwartet. Es war eine Zeit voller Versuchungen für ihn, meint die Bibel.
Was fällt ihnen eigentlich alles bei dem Wort „Versuchung“ ein, liebe Hörerinnen und Hörer. Sicher doch mehr als eine Schokoladenmarke, die lange Zeit als die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt, beworben wurde. Bei einer Versuchung ist irgendetwas faul, obwohl sie durchaus attraktiv und verlockend daherkommt. Doch im Grunde widerspricht sie dem was ich, wenn ich ehrlich bin, wirklich möchte. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal, Versuchungen des Bösen erscheinen immer „in der Gestalt des Lichtes, der Wohltat, der Treue … und des Gerechten“ und sie seien für die Menschen, die sie durchschauen, „Bestätigung einer abgründigen Bosheit.“ So abgründig, dass sie als etwas erlebt werden, das nicht zu mir gehört. Etwas, das mir wie eine fremde Person gegenübersteht.
In den Sonntagsgedanken geht es heute um einen 40 tägigen Aufenthalt Jesu in der Wüste. Die Bibel erzählt davon und meint es sei eine Zeit voller Versuchungen für Jesus gewesen. So versucht es der Versucher bei Jesus mit allen Mitteln seiner boshaften Kunst. Er fordert Jesus auf seinen Anspruch und seine Beziehung zu Gott radikal zu hinterfragen. Er spielt mit lukrativen Verlockungen und begründet sie noch scheinheilig mit Zitaten aus der Bibel. So soll sich Jesus doch einmal als Wundertäter so richtig in Szene setzen. Steine soll er zu Brot verwandeln. Das könne er doch. Weltliche Macht könne er haben. Die einzige Bedingung sei, vor ihm, dem Versucher, in die Knie zu gehen und ihn anzubeten. Der Gipfel ist dann die Aufforderung des Versuchers, Gott mal so richtig zu provozieren und zu prüfen. Von der hohen Tempelmauer in Jerusalem soll er springen. Gott werde ihn schon retten.
In unserer Geschichte ist buchstäblich der Teufel los. Doch Jesus hat sein böses Spiel durchschaut. Die abgründige Bosheit. Jesus weiß tief in seinem Herzen was er will. All diese Verlockungen machen ihn eher entschiedener, wenn es ihm um seinen Gott und seine Treue zu ihm geht. 40 Tage. Durchquerung einer Wüste. Die Wüste ist wie ein innerer Weg, den auch ich immer wieder einschlagen muss.
Endlose Wüstenzeiten haben wir alle schon erlebt und erlitten. Sie sind kein Honigschlecken. Wenn sich Sicherheiten verflüchtigen und mir nichts mehr Halt bietet. Die Isolation der Corona Jahre zum Beispiel. Die Wüstenzeiten einer langen Erkrankung. Eine gescheiterte Beziehung und die Folgen der Einsamkeit. Die Jahre einer nicht enden wollenden Depression. In Wüstenzeiten werde ich zwangsläufig mit mir selbst konfrontiert. Bin alleine. Mit meinen Gedanken. Suche nach Halt und Orientierung. Werde geprüft von fadenscheinigen Versprechungen und Verlockungen, die so attraktiv daherkommen und die, wenn ich sie nicht durchschaue, nur böse Überraschungen bereithalten.
Auch die jetzt beginnende Fastenzeit bis Ostern ist eine Chance einen inneren Weg zu gehen, um meine Beziehung zu meinen Mitmenschen und meinem Gott neu auszuloten. Um all die vielen Verlockungen des Lebens, die so vielversprechend daherkommen, zu durchschauen, zu bewerten und zu überprüfen. Jesus hat diese Zeit überstanden. Innerlich gefestigt und entschieden ging er seinen Weg. Immer seinem Gott und den Menschen verbunden. Ganz treu.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit der Vorbereitung auf Ostern zu. Auch durch Wüsten hindurch. Aber jetzt erstmals einen gesegneten Sonntag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=34998SWR4 Sonntagsgedanken
Im Mai des Jahres 1720 beschrieb die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans ein ungewöhnliches Mittel gegen ihreSchlaflosigkeit. Die Herzogin ist bekannt unter dem Namen Lieselotte von der Pfalz. Drei Nächte hintereinander habe sie kein Auge zu machen können. Das Rheuma raube ihr den Schlaf und dann -was noch viel schlimmer sei- habe sie sich vor allem noch tausend Sorgen um ihre Kinder und ihre Familie machen müssen, schreibt sie in einem ihrer Briefe. Selbst ihr Arzt sei hilflos. Und dann bemerkt sie:
„Da fiel mir das bewährte Mittel meines Vaters ein. Sogleich bestellte ich eine Kutsche und ließ mich ins nächste Kloster zum Gottesdienst fahren. Kaum hatte der Priester die ersten Worte gesprochen, da sank ich schon in den Schlaf. Drei Stunden dauerte der Gottesdienst, und ich erwachte erst, als der Priester zu Ende war. Ich fühlte mich wie neugeboren, mein Kopf war frei und meine Beine die einer jungen Frau.“
Ein Gottesdienst als Schlafmittel!? Die Herzogin fühlte sich in der ihr vertrauten Kirche geborgen. Der Gottesdienst bestärkte in ihr das Gefühl bei Gott zu sein und zur Ruhe kommen zu dürfen. Trotz all ihrer Sorgen. All den Erwartungen an Sie als Monarchin, Ehefrau und Mutter. In der Kirche musste sie nichts tun und brauchte nicht perfekt zu sein. Hier konnte sie ganz einfach loslassen und abschalten.
Zur Ruhe kommen. Leichter gesagt als getan. Wer kennt sie nicht diese quälenden Fragen vor dem nicht einschlafen können. Fragen, die mich beschäftigen. Auch tagsüber.
Habe ich heute alles richtig auf der Arbeit gemacht? Bin ich für meine Kinder ein guter Vater? Eine gute Mutter? Schaffe ich all die Anforderungen, die mir morgen wieder gestellt werden? Den Spagat zwischen Beruf und Familie.
Als Jesus lebte war das alltägliche und religiöse Leben bis ins Detail genauestens geregelt. Die Menschen lebten in Angst etwas vor Gott, oder im Zusammenleben mit ihren Mitmenschen falsch zu machen. Deshalb gab es neben den zehn Geboten weitere 634 Gesetze. Hinzu kamen unzählige Einzelvorschriften, Auslegungen und Konkretisierungen. Wie erfülle ich Gottes Wille? Bin ich gut genug? Mach ich alles richtig? Diese Frage quälte die Menschen bei Tag und in der Nacht. Eine Lösung sahen viele nur in der peniblen Einhaltung aller Gebote. Auch Jesus stellt die Gebote nicht grundsätzlich in Frage. Aber er erinnert an ihren tieferen und eigentlichen Sinn. Und das kann ganz schön entlastend sein.
Eine Geschichte aus der Bibel, die heute im katholischen Sonntagsgottesdienst vorgelesen wird, erzählt, wie fromme Gesetzeslehrer Jesus einmal auf die Probe stellen wollten und ihn angesichts der vielen Regeln mit einer Fangfrage konfrontierten: Jesus sag uns, welches Gebot in all den Gesetzen ist das Wichtigste? Jesu Antwort ist souverän: "Du sollst deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Für Jesus ist klar. Dort wo Menschen Gott die Treue halten und ihre Mitmenschen so achten, wie sie selbst geachtet werden wollen, werden alle Vorschriften, Verbote und Gesetze überflüssig. Weil sie dann erfüllt sind.
Das war eine ganz neue Lehre und befreite die Menschen damals aus ihren Zwängen und Ängsten. Ihre quälende Frage, wie sie Gottes Willen im Leben erfüllen, bekam durch Jesus eine ganz einfache Antwort. Eben alleine durch die Liebe. Das genügt.
Das genau feiern heute evangelische Christen am Reformationstag. Die Katholiken sollten ihn mitfeiern. Denn auch ein Martin Luther wurde in jungen Jahren von Ängsten und Zwängen gequält. Ja vor Gott nichts falsch zu machen, das war seine Hauptsorge. Er meinte sich durch möglichst viele gute Werke und Gebete Gottes Nähe verdienen zu können. Das bereitete ihm nicht nur schlaflose Nächte. Denn nie fühlte er sich gut genug. Luther hatte furchtbare Angst vor dem strafenden Gott, der nach dem Tod über den Menschen Gericht hält. All das führte ihn und seine Zeitgenossen in die Verzweiflung und Depression. Erst langsam kam er zum Glauben, dass er bei Gott überhaupt nichts vorweisen muss. Weil Gott immer da ist. Bei allem was wir tun. Und weil er uns gerade dann nahe ist, wenn wir nicht alles 100%ig machen. Uns buchstäblich liebevoll unter die Arme greift.
Bei allen Geboten und Verboten das Wichtigste nicht vergessen. Nämlich das allein die Liebe zählt und Gott uns liebt. Egal was wir machen. Wir dürfen trotz all den Sorgen und Anforderungen zur Ruhe kommen. Daheim. Im Gottesdienst. Wo auch immer. Heute am Sonntag. Vielleicht bei einem langen Mittagsschlaf. Das wünsche ich Ihnen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=34225SWR4 Sonntagsgedanken
Gerne mache ich das nicht. Meinen Koffer packen vor einer Reise. An was ich da immer alles denken muss!? Und wie schnell habe ich in der Hetze vergessen, etwas Wichtiges einzupacken. Für alle Eventualitäten will ich gerüstet sein. Das entspricht meiner Sicherheits-Mentalität. Ärgerlich war das vor Jahren zum Beispiel, als ich mir einen völlig überteuerten Rasierapparat im Urlaub kaufen musste. Und das war nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass ich etwas vergesse. Inzwischen habe ich mir eine Checkliste angelegt. Vor jeder Reise wird sie ergänzt und beim Packen all das abgehakt, was in den Koffer kommt.
Im Text der Bibel, der heute im Katholischen Gottesdienst vorgelesen wird, geht es auch um eine Checkliste. Sie stammt von Jesus und die hat es in sich. Er ruft seine Freunde zusammen und schickt sie in die umliegenden Dörfer und Städte. Immer zu zweit und nie alleine sollen sie den Menschen auf ihrer Reise von Gott erzählen. Besonders den Kranken und Geplagten sollen sie nahe sein. Und dann bestimmt er:
Nehmt nichts mit auf den Weg. Nur einem Wanderstab, ein Hemd und an den Füßen Sandalen. Kein Brot. Keine Tasche. Kein Geld. Und keine zwei Hemden.
Jesus möchte, dass sie auf die Gastfreundschaft der Menschen vertrauen, denen sie auf dem Weg begegnen. Das bedeutet für sie: Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf erhalten sie nur, wenn sie auf andere Leute zugehen und offen sind für Begegnungen auf ihrem Weg. All das, was ihnen auf der Reise Sicherheit gibt, sollen sie zurücklassen. Unnötigen Ballast erst gar nicht mitnehmen. Die Unsicherheit sollen sie aushalten.
Auch dort, wo man sie bewirtet und im Haus aufnimmt rät Jesus dazu, nur kurz zu bleiben. Bleibt in Bewegung, gibt er ihnen mit auf den Weg.
Ohne Anspruch auf Sicherheit und Vorsorge geben sie zu erkennen, dass sie zu Jesus gehören, denn der hatte immer wieder gesagt:
Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Werden wir genug zu essen haben? Und was werden wir trinken? Was sollen wir anziehen?
Nur Menschen, die Gott nicht kennen, lassen sich von solchen Dingen bestimmen. Euer Vater im Himmel weiß doch genau, dass ihr dies alles braucht. Setzt euch zuerst für Gottes Reich ein und dafür, dass sein Wille geschieht. Dann wird er euch mit allem anderen versorgen.
MUSIK
Um die Frage, was wir wirklich brauchen, darum geht es heute morgen in den SWR4 Sonntagsgedanken.
Jesu Freunde unterscheiden sich von all den anderen Wanderpredigern, die im Namen irgendwelcher Gottheiten im Land umherziehen. Die wollen die Leute beeindrucken. Auf ihre Spenden haben sie es abgesehen. Bereichern wollen sie sich auf ihrer Wanderschaft. Immer voller werden ihre Taschen. Bei Jesus ist es anders. Kein Brot. Keine Vorratstasche. Kein Geld. Kein zweites Hemd. Nur einen Wanderstab und Sandalen nehmen sie mit.
Doch die biblische Geschichte von vor 2000 Jahren nur zu kopieren und als Christ in Zukunft auf das Kofferpacken zu verzichten wäre zu einfach und tatsächlich auch kaum praktikabel. Wer tritt schon eine Reise an ohne Koffer!? Auch ich werde ihn weiterhin packen. Aber mich auch unterwegs darüber ärgern, dass ich mir wieder zu viele Klamotten eingepackt habe.
Doch es bleibt die Frage: Was kann ich getrost auf meiner „Lebensreise“ loslassen und zurücklassen. Damit ich anderen Menschen und auch Gott nahe bleibe? Was sollte ich an Ballast abwerfen, damit ich freier werde und offener dafür, was mir von anderen Menschen geschenkt wird. Das ist eine Wohltat in einer Zeit des Überflusses, wo wir ständig gedrängt und verlockt werden, immer noch etwas mehr zu machen oder haben zu müssen.
So sieht das auch der Dichter Hans Magnus Enzensberger in einem seiner Gedichte, das den Titel „Minimalprogramm“ trägt. Da heißt es:
Überwältigend, was alles entbehrlich ist.
Nur wer vieles übersieht, kann manches sehen.
Was man festhalten kann, was einen festhält, das ist das Wenigste.
Sich öfter mal fragen, was alles entbehrlich ist. Dort wo wir beginnen Dinge aus der Hand zu geben und frei zu werden kommt eine andere Wirklichkeit zum Vorschein. Wir erkennen immer mehr, dass wir von anderen Menschen und irgendwie auch von Gott gehalten und getragen sind. Dass wir eben nicht alles festhalten und erhalten müssen.
Dieser Einsicht zu trauen ist nicht leicht. Sie steht all dem entgegen, was Kindern schon beigebracht wird. Dass alles von mir und meiner Leistung und meinem Besitz abhängt. Von dem, was ich kann und mitbringe.
Überwältigend, was alles entbehrlich ist, schreibt Hans Magnus Enzensberger.
Das könnte heißen, mal genauer hinzuschauen und vielleicht zu entdecken, dass Loslassen möglich ist. Dass es auch OHNE geht.
Vielleicht gleich heute am Sonntag ein wenig von der Leichtigkeit der Freunde Jesu ausprobieren. Sich Zeit nehmen fürs Nichtstun. Einfach so. Lange zusammensitzen und erzählen. Sich einen Mittagsschlaf gönnen. Unbeschwert und mit leichtem Gepäck eine Wanderung machen. Oder: ganz spontan liebe Menschen zum Essen einladen und das Wenige teilen, was im Kühlschrank ist.
Ich wünsche Ihnen etwas von alledem. Haben Sie einen schönen Sonntag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=33498SWR4 Feiertagsgedanken
Ob sie es mir glauben oder nicht, meinte eine 84-jährige Frau bei meinem Besuch. Ich liebe meinen Mann so sehr. Nach wie vor. 18 Jahre ist er jetzt schon tot. Er fehlt mir.
Und dann vertraut sie mir an: Das Bild von ihm küsse ich manchmal, wenn ich alleine bin. Und nachts spüre ich ihn, wenn ich die Hand ins Bett danebenlege. Ich spreche auch mit ihm. Manchmal ist er mir so nah. Er lebt für mich noch immer.
„Ob sie es mir glauben oder nicht.“ Der Satz der alten Frau bringt es auf den Punkt.
Ostern ist so ganz anders. Selbst gläubige Menschen haben mit diesem Fest ihr Problem. Für das was an Ostern geschehen sein soll haben wir keine Parallelen in der Erfahrung. Ist es nicht wider die Biologie!? Dass ein Toter zum Leben aufersteht. Kann man das überhaupt glauben?
Den Erfolg von Weihnachten hat Ostern nie gehabt. Was an Weihnachten geschehen ist kennen wir. Eine Geburt. Wir waren vielleicht schon dabei, oder haben es selbst erlebt.
Auch der Karfreitag. Das gibt es doch bis heute. Leid, das anderen Menschen zugefügt wird. Schmerzen. Brutalität. Gewalt und Mord. Todesängste und Sterben.
An Ostern stützen wir uns auf den Glauben einer kleinen Gruppe von Frauen und Männern, die verängstigt und kopflos nach Jesu Tod es trotzdem gewagt haben zu glauben und zu vertrauen. Immer wieder haben sie Jesu Nähe erfahren. Gott hat Jesus auferweckt. Er ist auferstanden. Das war ihr Glaube.
Die Erzählungen von Ostern sind nicht besonders werbewirksam.
Da wird von zwei Freunden von Jesus berichtet, die nach der Kreuzigung niedergeschlagen und verängstigt von Jerusalem weglaufen und unterwegs einem Fremden begegnen. Erst nach und nach, im intensiven Gespräch mit ihm, erkennen sie Jesus im fremden Wegbegleiter.
An einer anderen Stelle der Bibel steht Maria Magdalena weinend am leeren Grab Jesu. Einen Mann, der hinter ihr steht, hält sie zunächst für den Gärtner des Josef von Arimathäa, auf dessen Grundstück sich das Grab Jesu befindet. Erst als der sie, in einem Ton, der nur von Jesus sein kann, mit ihrem Namen Maria anspricht, erkennt sie ihn.
Nichts ist offensichtlich an Ostern. Man muss Jesus buchstäblich hineinglauben. In den Fremden. In den Gärtner.
MUSIK
Ostern ist ein sperriges Fest. Wer Ostern feiert braucht viel Zeit. Osterglaube wird allmählich und bedächtig geweckt. Immer wieder durch Zweifel hindurch.
Ich muss wieder an die Frau denken und ihr Bild vom geliebten Partner. Ob sie es mir glauben oder nicht. Ich spüre ihn. Ab und zu. Ganz intensiv. Und dann doch wieder nicht.
Der Glaube beginnt wie ein Paradox. Glaube muss sich regelrecht durch das Diffuse und Widersprüchliche durchbuchstabieren.
Was die Menschen damals erlebten gilt auch für uns. Nicht spektakuläre Geschehnisse begründen den Osterglauben. Vielleicht zunächst nur mein Zweifel. Mein Erleben und deuten.
Manchmal sind mir meine Eltern, die schon lange tot sind, besonders nahe. Wenn ich mir Fotos von Ihnen anschaue. Oder wenn ich mich an Geschichten aus meiner Kindheit erinnere und meinen Kindern erzähle. Und doch ist die Zeit mit ihnen schon so lange vergangen und viele Erinnerungen verblassen. Wie die alten Fotos von ihnen.
Der Theologe Fulbert Steffensky meinte einmal es sei die Frechheit des Glaubenszu sagen: Christus ist auferstanden. Gott hat ihn auferweckt. Es sei die Frechheit des Glaubenswenigstens an Ostern keine Fragen zu stellen, sondern nur zu singen und die uralten Texte zu hören. Es sei die Frechheit des Glaubenssich nicht zu begnügen mit dem Hier und Jetzt und den Realitäten zum Anfassen.
Steffensky meint:
Der Tod darf nicht das letzte Wort haben, sonst wäre er größer als Gott. Die Toten drängen mich, an Gott zu glauben. … Da ich niemanden Opfer sein lassen will, nicht einmal mich selber, rufe ich: Gott wird die Toten nicht vergessen. … Ich weiß, dass ich in unverstandenen Bildern rede, wenn ich mit der Bibel sage: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird sein. … Die Toten und ihr Schicksal öffnen mir den Mund für diesen Gesang, der mit seiner Vision vom guten Ausgang allen Lebens wie Kitsch klingt. Aber lieber des Kitsches verdächtig sein, als die Solidarität mit den Toten aufgeben.
Ist das nicht Vertröstung. Diese Hoffnung vom ewigen Leben. Das Sprechen vom irgendwann und irgendwo. Von einer Zeit, die kein Leid und keine Schmerzen kennt. Ist der Glaube an einen guten Gott, der alles neu machen kann, nicht Verrat an der Erde, wie sie ist.
Osterglaube führt aber nicht aus der Welt heraus, sondern in sie hinein. Der Himmel der kommt und den wir erhoffen wird zum Bauplan für die Welt. Hoffnungen und Visionen bekommen schon jetzt eine Gestalt und vertrösten eben gerade nicht auf den St. Nimmerleinstag.
Wenn ich Ostern feiere, verpflichte ich mich dazu mich zu engagieren für eine Zukunft, die noch viel mehr bereithält als meine begrenzte Lebenszeit.
Er ist mir nahe. Ob sie es mir glauben oder nicht. Die alte Frau hat Recht.
Der Tod darf nie das letzte Wort haben. Auf der Erde und im Tod erst recht. Das ist dieFrechheit des Glaubens.
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