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SWR2 Wort zum Tag
Hätten wir ihr Tagebuch nicht, wüssten wir kaum etwas von dieser hinreißenden Frau. Vor 80 Jahren ist sie als Jüdin in Auschwitz ermordet worden, kaum 30 Jahre alt. Aber die über 600 Seiten Tagebuch, die nun endlich ungekürzt auch auf Deutsch zu lesen sind, geben erstaunliche Einblicke in das Abenteuer eines originellen und intensiven Lebens – und das in den nazibesetzten Niederlanden und mitten schon im fürchterlichen Massenmord an den Juden. Etty Hillesum hatte in Amsterdam gerade ihr Jura-Studium beendet und will noch slawische Sprachen studieren. Aufgrund ihrer vielen Interessen und Beziehungen in eine Lebenskrise geraten, findet sie dank hilfreicher Therapie ihren Weg. Das Tagebuch liest sich wie ein Schnellkurs in Sachen Selbstfindung und Kreativwerdung, und das mit allen Höhen und Tiefen. Bald wird sie auch zur gesuchten Gesprächspartnerin und Ratgeberin. Besonders inspirierend dabei, wie Etty Hillesum beim Hineinhorchen in sich selbst und in ihren Alltag jenes Geheimnis entdeckt, das wir Gott nennen. „Und wenn ich sage, dass ich ‚hineinhorche‘, dann ist es eigentlich Gott, der in mich ‚hineinhorcht‘.“
Ein anderes Mal schreibt sie: „Die Menschen sind für mich manchmal wie Häuser mit offenstehenden Türen. Ich gehe hinein und streife durch die Gänge und Räume, und jedes Haus ist ein wenig anders eingerichtet, und doch sind alle gleich, und aus jedem Haus sollte man eine Bleibe für dich machen, mein Gott. Und ich verspreche dir, ich werde in so vielen Häusern wie möglich eine Unterkunft und eine Bleibe für dich machen, mein Gott.“ (659) Etty Hillesum versteht sich als Quartiermacherin Gottes – eine lustige Vorstellung, schreibt sie selbst. Aber welch ein Hintersinn! Christlich würden wir sagen: in jedem Menschen will Gott zur Welt kommen so wie einst in Jesus, dem Christus. Und jeder Mensch könnte eine Art Hebamme für diese Geburt Gottes im anderen sein. Jedes Lächeln schon, jedes gute Wort wäre ein Beitrag dazu: eine rundum ermutigende Ausstrahlung erst recht. Etty Hillesum hat sie versprüht. Davon sprechen alle, die sie kannten und nun kennen lernen können.
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Gleich zu Tagesbeginn wage ich es mit ein paar Sätzen, die ich unglaublich finde; sie stehen in einem aufregenden Tagebuch, rund 80 Jahre alt. Hier der Wortlaut: „Ich werde dir helfen, Gott, dass du nicht in mir zugrunde gehst … Aber eines wird mir immer klarer: dass du uns nicht helfen kannst, sondern dass wir dir helfen müssen, und dadurch helfen wir uns selbst.“ (620) So schreibt Etty Hillesum im Jahre 1942 in ihre Notizen - eine niederländische Jüdin, die die fortschreitende Judenverfolgung in Amsterdam miterlebt und selbst zu spüren bekommt. Hellwach ist sie, sie beobachtet genau, hilft, wo sie kann. Dem Tagebuch vertraut sie ihr Innerstes an, ihr ständiges Zwiegespräch mit Gott – und das stärkt ihr den Rücken bis zuletzt. Noch die letzte Postkarte aus dem Güterwaggon nach Auschwitz beweist es, vor genau 80 Jahren.
Diese Etty Hillesum nimmt das ganze Leben ins Gebet. Offenkundig schmerzhaft hat sie Abschied genommen von der Vorstellung eines Helfergottes, der unmittelbar eingreift und alles gleich zum Guten wenden kann. Nein, allmächtig, ein Alles-Könner ist dieser Gott gerade nicht, und zaubern kann er auch nicht. Es gilt viel mehr selbst Verantwortung zu übernehmen - für ihn, für uns selbst und für andere. Fast mütterlich nimmt Etty sich dieses hilflosen, bedürftigen Gottes an. Ohnmächtig ist er, so wie nur Liebe ohnmächtig sein kann. Wir können und dürfen Gott eben nicht als Ausflucht und Ausrede nutzen. Der wirkliche Gott sucht viel mehr uns als Mitliebende und Mitsorgende. Auch das Leiden und Mitleiden gehört dazu, Etty Hillesum beschreibt das nüchtern, fast müsste man sagen: schwesterlich – und immer voller Zuversicht, geradezu heiter. Nein „wir müssen dir helfen und dadurch helfen wir uns selbst“. ... „Ja, mein Gott“ – so fährt sie fort – „an den Umständen scheinst auch du nicht viel ändern zu können, sie sind nun einmal auch Teil des Lebens. Ich ziehe dich auch nicht zur Rechenschaft, du kannst uns später dafür zur Rechenschaft ziehen.“ Die junge lebenshungrige Frau erkennt ihre Verantwortung nicht nur vor Gott, sondern für Gott. Sie will ihm eine Bleibe erhalten im eigenen Leben und in ihrer Umwelt, sie sorgt sich um seine Zukunft. Deshalb macht sie Hass und Hetze nicht mit, sie geht auch nicht in den bewaffneten Widerstand, sie setzt viel mehr ganz auf die Macht des Guten und den Sieg der Gerechtigkeit. Sie setzt auf den ohnmächtig allmächtigen Gott, der sie ermächtigt. Ist nicht das eine Spiritualität mit Zukunft, könnte so ein erwachsener Glaube aussehen?
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Wann eigentlich entstehen Tagebücher? Was hat mich damals in jungen Jahren umgetrieben, mich schreibend mit mir selbst zu beschäftigen? Gewiss war Neugierde und Entdeckerfreude im Spiel, aber auch die Not, mit mir selber klar zu kommen. Das Tagebuch als intime Clearing-Stelle. Wer bin ich, und wenn ja wie viele? In solch einer Lebenskrise schrieb Etty Hillesum ihr Tagebuch, das nun endlich ungekürzt auf Deutsch erschienen ist. Sie war eine junge jüdische Frau, die im Amsterdam der Hitlerzeit ihren Weg suchte. Vor 80 Jahren ist sie, kaum 30-jährig, in Auschwitz ermordet worden. Ihr Tagebuch ist ein Dokument der Selbstfindung und der Zeitgeschichte, wie ich wenige kenne. Darin lese ich ziemlich am Anfang schon folgende Sätze: „In mir ist ein sehr tiefer Brunnen. Und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich erreichbar. Aber öfter liegen Steine und Schutt auf diesem Brunnen, dann ist Gott begraben. Dann muß er wieder ausgegraben werden.“ (132) So wird das ganze Tagebuch zu einem einzigen Gespräch mit Gott: Das ganze Glück der Liebe und des Lebens wird ins Gebet genommen, nicht zuletzt die zunehmende Not durch die Judenverfolgung der Nazis. Den verschütteten Gott ausgraben im eigenen Leben – das ist ein starkes Bild für diesen Mut, sich selbst zu entdecken und der Realität standzuhalten. Dabei wird ihr immer klarer, dass Gott verlässlich da ist, sonst wäre ja auch sie nicht da. Der Brunnen in mir - welch ein sprechendes Bild für unerschöpfliche Tiefe und ständiges Quellwasser. Zu Lebzeiten Hillesums hat übrigens niemand von ihren vielen Freundinnen und Freunden erfahren, aus welcher Quelle sie schöpfen lernte. So intim ist die Sache mit Gott.
Etty Hillesum hat Ende 1942 aufgehört, Tagebuch zu schreiben, gezwungen und nicht freiwillig. Wie gern wäre sie Schriftstellerin geworden. Aber auch sie musste schließlich ins Durchgangslager Westerbork. So vielen, die dort interniert waren, hatte sie zuvor geholfen hatte. Nur wenige Briefe kann sie noch schreiben. Aber „Chronistin ihrer Zeit“ ist sie geworden, Zeugin dafür, was Menschlichkeit heißt in unmenschlichen Verhältnissen. Im Tagebuch ist mit zu erleben, wie bösartig die jüdische Bevölkerung von den deutschen Nazis immer härter schikaniert wurde. Etty Hillesum aber weigert sich ganz bewusst, in den bewaffneten Widerstand zu gehen. Ganz entschieden kämpft sie gegen jede Art von Hass, immer auf das Gute vertrauend trotz allem. Bis zuletzt bleibt sie hoffnungsvoll, dem Leben zugewandt und l hilfsbereit, wo immer nur möglich. „In mir ist ein sehr tiefer Brunnen. Und darin ist Gott.“
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Nikolaus von der Flüe, als Schweizer Nationalpatron auch heute sehr verehrt, war ein verrückter Kerl, ein hundertprozentiger: Erst Bauer, Ehemann und Familienvater mit zehn Kindern und in der politischen Gemeinde hoch aktiv. Dann in einer Art Lebensmitte-Krise Aufbruch zu einer mystischen Gruppe der Gottesfreunde im Elsass, wohl mit ausdrücklichen Zustimmung seiner Frau, mit der er stets in Kontakt blieb. An der Grenze um Basel herum kommt ihm die Gewissheit, umzukehren. Ganz in der Nähe seines Bauernhofes lebt er dann als Einsiedler, noch heute ist seine Ranft in Flüeli bei Luzern ein unglaublich intensiver heiliger Ort.
Der alt und älter werdende Nikolaus war damals extrem viel um Rat gefragt, Könige und Gläubige suchten ihn auf, angesichts der Gefahr eines Bürgerkrieges wird er zum Schlichter. Als er 70jährig starb, war er längst eine Legende – und ein spiritueller Brennpunkt. Geschrieben hat er fast nichts, aber gelebt und gewirkt umso mehr.
Warum komme ich heute Morgen auf diesen sympathischen Gottes-Extremisten? Ihm wird aus guten Gründen ein Gebet zugeschrieben, das sich wie ein Mantra den ganzen Tag über beten lässt, einfach so zwischen drin und schließlich als tägliche Begleitmusik immer. Drei Verse sind es, mit denen sich der hingerissene Mann an Gott wendet.
Zuerst: „nimm alles von mir, was mich hindert zu dir“. Eine sehr verständliche Bitte, finde ich, wenn ich an Freunde und geliebte Menschen denke. Überhaupt Beziehung: sie lebt ja davon, zueinander zu kommen. Alles, was da hinderlich ist, möge verschwinden und soll beseitigt werden. Beten ist Beziehung.
Entsprechend der zweite Herzenswunsch des radikalen Nikolaus von der Flüe: „gib alles mir, was mich fördert zu dir“. Wer so betet, hat nur sein geliebtes Gegenüber im Blick. Ganz wie Jesus! „Mein Herr und mein Gott“, sagt Nikolaus ganz intim.
Deshalb als Resümee die dritte Bitte: „nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir“. Das ist Liebessprache pur: den oder die Andere ganz im Blick, sich verlassen auf sie oder ihn, und das ganz. So auf Gott bezogen wird der Mensch frei, und der ist Tag gesegnet. Ja, Gott, „gib alles, was mich fördert zu dir“!
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Manche werden ihn kennen, den Bamberger Reiter, die naturgroße Skulptur am Nordpfeiler im Georgenchor des Bamberger Domes. Ursprünglich wunderbar farbig gestaltet, reitet er seit Jahrhunderten schon durch das Fürstenportal auf das Grab seines Schwagers zu: Kaiser Heinrich II., der mit seiner Kunigunde im Mittelschiff begraben liegt. Warum erinnere ich an dieses Kunstwerk, diese klassische Reitergestalt? Viel spricht dafür, dass es sich da um den heiligen König Stephan von Ungarn handelt, und der steht heute im Festkalender der katholischen Kirche. Er gehört in die Reihe guter, ja idealer und natürlich idealisierter Herrschergestalten, und noch heute wird er als Patron Ungarns hochgeschätzt. Mit dem heiligen Stephan, Landesapostel und Schutzpatron der Ungarn, wird ihre Christwerdung verbunden, man kann also auch sagen, der Aufbau Europas.
Machthaber stehen meist nicht in gutem Ruf, und in der Tat ist die Gefahr groß, Macht zu missbrauchen oder totalitär zu handhaben. Das ist leider auch in den Kirchen und ihren Geschichten festzustellen, in der Gesellschaft sonst und in Staaten, auch im heutigen Ungarn und seiner Politik in Europa. Aber deshalb Machtgebrauch zu verteufeln, wäre schlimm. Sie kann weiß Gott zum Guten genutzt werden, und das geschieht ja auch vielfältig. Manch ein Politiker macht sich verdient fürs Gemeinwohl, und ein wenig Einfluss und Verantwortung hat jeder und jede. Machen wir uns nicht kleiner als wir sind!
Für den heiligen Stephan und seine Frau Gisela jedenfalls war Gottes Gebot leitend, im Prinzip jedenfalls. Just im Jahr 1000 wurde er zum ersten König Ungarns gekrönt, und die Stephanskrone von damals gehört bis heute zum ungarischen Staatsschatz. Ganze 38 Jahre regierte er dann. „An Gottes Segen ist alles gelegen“: im gesalbten König soll politisch Gestalt werden, was für jeden Menschen gilt: Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein und Sachwalter seiner guten Schöpfungsvorhaben.
Nichts ist heutzutage gebotener, als kreativ mit Macht umzugehen. Nicht verteufeln, nicht missbrauchen, sondern Einfluss nehmen und von der eigenen Macht guten Gebrauch machen.
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Ich bin jetzt 85 Jahre alt, längst frage ich mich, wo ich bleibe. Immer mehr Todesanzeigen von Jüngeren und Jungen kommen herein. Immer weniger selbstverständlich wird es, noch da zu sein. „Ich leb und weiß nit wie lang, ich sterb und weiß nicht wann, ich geh und weiß nicht wohin, mich wundert, dass ich fröhlich bin“ – heißt es in einem alten Gedicht.
Dagegen jubelt es heute in der katholischen Kirche: „Maria, mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen“. Früher sagte man zu diesem Tag Maria Himmelfahrt, was freilich viele missverstanden. „Mit Leib und Seele aufgenommen“ ist viel klarer. Wer wüsste nichts von dem wunderbaren Gefühl, gut aufgenommen zu werden und willkommen zu sein? Nach Hause kommen, kann wahnsinnig schön sein, und sollte es eigentlich immer. Hier fühle ich mich wohl, hier weiß ich mich verstanden, hier bin ich akzeptiert, wie ich bin, mit Licht und Schatten, mit Haut und Haaren, also „mit Leib und Seele“. Wo ich bleibe? Eben hier!
Im Grunde also ist heute, am Fest Mariä Himmelfahrt, Ostern. Wir feiern die Treue Gottes, der seinen geliebten Jesus nicht im schwarzen Loch verschwinden ließ. Wir feiern den Schöpfer des Lebens. Was in Jesus schon geglückt ist, soll für jeden Menschen gelingen. Das gibt meiner Frage, wo ich bleibe, eine Richtung: ich werde ja erwartet, und nichts in meinem Leben war für die Katz. Welch unglaublicher Gedanke, welch ein Vertrauensvorschuss für meine Wenigkeit. „Mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen“, das heißt: rundum wirklich akzeptiert. Natürlich, mein Körper verwest, und wie fragil alles ist, spüre ich jeden Tag mehr. Aber die Essenz meines Lebens, mein Scheitern und mein Gelingen, all das zwischen Wiege und Bahre, was mich ausmacht – es wird himmlisch aufgenommen und göttlich gewürdigt. Wenn das kein Anlass zur Freude ist!
Übrigens hat der große Marienverehrer Luther gesagt: „Ich lebe und weiß wie lang, / ich sterbe und ich weiß wann, / Ich geh und weiß, Gott lob, wohin, /mich wundert, dass ich traurig bin“.
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Keinen Tag fangen wir bei Null an, auch heute nicht. Immer schon finden wir uns in Beziehungen vor, im Netzwerk von Geben und Nehmen. In meiner Kirche gibt es das tägliche Heiligen-Gedenken. Nie sind wir allein, immer stehen schon bewährte Leute bereit, sozusagen auf Abruf und zur Begleitung für den Tag, heute ist es Maximilian Kolbe, ein polnischer Franziskaner. Er war ein scharfer Nazi-Gegner und wurde, nicht einmal 50 Jahre alt, in Auschwitz brutal ermordet. Schon das wäre des Gedenkens wert, aber noch bewegender ist etwas anderes. Der polnische Priester sprang nämlich freiwillig für jemand anderen ein und opferte ihm sein eigenes Leben.
Wieder einmal hatte es dort im KZ Fluchtversuche gegeben. Zur Abschreckung wählte der Lagerkommandant zehn Männer zur Hinrichtung aus, wahllos und vor versammelter Mannschaft. Ein junger Familienvater, Franz Gajowaczek, schrie verzweifelt auf, im Gedanken an Frau und Kind. Da trat völlig überraschend Maximilian Kolbe vor und bot sich zum Tausch an. Er ohne Frau und Kind und schon etwas älter, wollte dem Jüngeren das Leben retten. Tagelang war dann aus dem verfluchten Hungerbunker das Beten und Singen zu hören, bis man Pater Maximilian nach 14 Tagen Verhungern schließlich die tödliche Phenolspritze gab. Er „starb in einer Zeit des Hasses und brutaler Rücksichtslosigkeit. Der Mensch wurde erniedrigt zum Roboter, er galt noch weniger als ein Sklave“, sagte Karol Woytila bei der Seligsprechung 1971. Wenn ich an meinen Besuch dort in Auschwitz und auch im Hungerbunker denke, kommt mir auch nach 40 Jahren noch eine Gänsehaut. Und das auch beim Gedanken an die Heiligsprechung Kolbes in Rom. Da saßen Franz Gajowaczek und seine Frau total ergriffen in der ersten Reihe. Er noch am Leben dank Maximilian, und der schon lange tot – oder gerade eben nicht.
Ja, der eine lebt vom anderen, allein kann keiner sein. Bei diesem Maximilian Kolbe bekommt man eine Ahnung, wer Jesus war und aus welchen Quellen er lebte. Denn das Johannes-Evangelium hat schon Recht: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“. Dieses Jesus-Geheimnis hat Pater Maximilian ein Leben lang umgetrieben. Endlich Schluss mit dem Feinddenken und all dem Hass, und immer die Frage: Wo kann ich einspringen? Und: Was verdanke ich denen, die für mich schon eingesprungen sind?
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Mindestens Spargelesser wissen, dass heute Johannes zu feiern ist. Nun ist Schluß mit dem feinen Gemüse. Aber natürlich hat Johannes der Täufer noch eine ganz andere Bedeutung. Jesus hat ihn den Größten genannt, der je geboren wurde. Denn dieser radikale Gottesprophet war der Lehrer Jesu und sein Vorläufer. Mutig hatte er die unheilige Allianz von Macht, Geld und Religion im Jerusalemer Tempel kritisiert; mutig ins Angesicht hat er dem König Herodes die Wahrheit gesagt, und musste deshalb unschuldig sterben. Jehochanan lautet wörtlich sein Name: d.h. „Gott ist Güte und schenkt sie“. Wunderbar, dieser Johannes gehört in die Reihe der vielen Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um der Wahrheit und dem Recht Geltung zu verschaffen. Wie viele sitzen leider auch heute unschuldig in Gefängnissen oder verlieren gar ihr Leben, nur weil sie sich für Menschen- und Gottesrechte einsetzen. Ich denke an Alexej Nawalnyj in Russland oder Maria Kolesnikowa in Belarus, an die Frauen im Iran und an so viele in der Welt.
Mit dem mutigen Wort fängt alles an. Bekennen nennt man das in der Sprache des Christlichen, Klartext reden, Schuld eingestehen und Unrecht beim Namen nennen, das genaue Gegenteil also von fake news oder Heulen mit den Wölfen. Deshalb ist mir zusammen mit Johannes dem Täufer und so vielen ein anderer Klardenker aus der Vergangenheit so wichtig, vor 400 Jahren geboren. Sein Name ist Blaise Pascal, ein genialer Forscher, Erfinder und – eben - ein Bekenner . Schonungslos formulierte er: „Wir rennen auf einen Abgrund zu , und um den nicht zu sehen, bauen wir alles Mögliche vor uns auf.“ Wir spielen blinde Kuh. Pascal damals hatte die Zerstreuungslust der oberen Zehntausend im Visier , heutzutage kann man z.B. an die Klimapolitik der letzten Jahrzehnte denken. Was wir uns in die Tasche lügen, wie wenig wir zu wirklichen Veränderungen bereit oder fähig sind! Für Blaise Pascal wie für Johannes den Täufer war klar: ohne den Glauben an Gottes Wirken schaffen wir die Umkehr nicht, es braucht mehr Respekt vor den Grenzen des Wachstums.
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Irgendwann geht es für jeden zu Sache, ja oder nein. Wenn ich mich für einen Beruf oder eine Partnerin entscheide, ob in finanziellen Fragen oder in schwerer Krankheit – wir müssen wählen, wir müssen Position beziehen. Ein Leben nur auf Probe oder unter Vorbehalt ist nicht möglich. Woran glaubt, wer nicht glaubt? Dieser Frage kann auf die Dauer niemand ausweichen. Denn ohne Glauben und Vertrauen geht’s nicht. Jeder Mensch und jede Zeit muß sich klar werden, was ihnen lebenswichtig ist, überlebenswichtig. Gerade heutzutage ist es wichtig, eine klare Überzeugung zu haben und darüber offen ins Gespräch zu kommen.
Das gilt nicht zuletzt für Christinnen und Christen. Wir sind rechenschaftspflichtig, wir haben klar zu sagen und zu leben, was wir glauben. Bei einem ist das besonders gut zu lernen, bei einem der größten Denker des Christlichen, Blaise Pascal. Vor 400 Jahren wurde er geboren, und seine „Gedanken über die Religion“ sind eine Schatzkammer großartiger Anregungen auch heute. Pascals Kurzformel authentischer Spiritualität ist genial einfach: von Gott redet demnach glaubhaft nur, wer auch vom menschlichen Elend redet - sonst bleibt es beim Herumspekulieren, theistisch oder atheistisch. Dem menschlichen Elend aber kann illusionslos nur standhalten, wer an Gott glaubt – sonst wird er verrückt oder spielt blinde Kuh. Wo beides zusammen gewagt wird, ist man dem Evangelium mindestens nahe . Denn in Jesus Christus kommt beides ans Licht: das Geschenk göttlicher Gegenwart und das Ausmaß menschlicher Not, aufgestanden ist er ja als der Niedergeschlagene, Heiland ist er als der Gekreuzigte. „Man kann Jesus Christus nicht kennen, ohne sowohl Gott als sein eigenes Elend zu kennen“, so lautet einer der Grundsätze von Blaise Pascal, ebenso knapp wie zutreffend (fr 556).
Es ist ein Gütezeichen authentischer Spiritualität, das Leben weder zu verteufeln noch zu beschönigen. Wer unterschlägt, dass die Welt oft wie ein Irrenhaus wirkt und Schreckliches geschieht, bleibt verdächtig. Schönfärberei hilft nicht, aber Schwarzseherei auch nicht. Pascals Faustregel des Christlichen dagegen bringt genial auf den Punkt, worauf es ankommt.
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Wetten das… Glückspiele haben ihren eigenen Reiz. Endlich einen Gewinn machen, möglichst das große Los ziehen. Wenigstens beim großen Quiz zuschauen und da der Frau im Teststuhl die Daumen drücken! Das ist unterhaltsam, das kann aufregend sein. Natürlich laufen solche Wettspiele ständig auch im Alltag ab: fast automatisch kommt es zum Vergleichen und Konkurrieren. Wer ist besser oder schöner? Wo gibt es was zu gewinnen? Manche nennen das Leben insgesamt ein Glückspiel? Ist das Leben sinnlos oder nicht? Gibt es Gott oder nicht? Wetten das…
Blaise Pascal war es, der genau solch eine Gotteswette vorgeschlagen hat. Vor 400 Jahren wurde er geboren, ein großer Mathematiker, ein kritischer Geist, ein spiritueller Mensch, schließlich ein entschiedener Christ. Da fand er das Glück seines Lebens, und das wünschte er allen. Deshalb sein Vorschlag zur Wette. „Wägen wir Gewinn und Verlust ab für den Fall, dass Gott existiert. Wenn Sie gewinnen, gewinnen Sie alles, wenn Sie verlieren , verlieren Sie nichts. Setzen Sie also ohne Zögern darauf , dass er ist.“ So schreibt er den Gebildeten unter den Verächtern der Religion. Mit Gott meint er natürlich nicht irgendein Gedankenkonstrukt, sondern den Inbegriff auch des eigenen Glücks, die Fülle des Lebens. Es lohnt sich, so zu leben als ob es Gott gäbe – so lautet Pascals Argument, man kann nur gewinnen. Gibt es jene allumfassende Liebe, der wir trauen dürfen in allem oder nicht? Schärfer noch: ist am christlichen Glauben etwas dran, etwas Lebenswichtiges und Besonderes, oder nicht? Pascal ist felsenfest davon überzeugt, deshalb seine Empfehlung: an Gott zu glauben. Falls es ihn gibt, ist er der absolute Gewinn, der Sechser im Lotto, der Schatz fürs Leben und Sterben. Falls nicht, dann Pech gehabt, aber immerhin alles auf eine Karte gesetzt. Und vor allem: von der eigenen Vernunft Gebrauch gemacht und nicht einfach nur so dahin gelebt.
Ich ahne mit Pascal, was für ein Glück es ist, an Gott glauben zu dürfen und alles ins Gebet nehmen zu können. „Als ob es Gott gäbe“ – mindestens das, rät der geniale Mathematiker. Es kann nicht schaden, ganz im Gegenteil. Wetten das….
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