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SWR2 Wort zum Tag

27MRZ2024
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Jetzt auf Ostern zu wird in den Kirchen die Passionsgeschichte Jesu gelesen. Wir lassen uns mitnehmen auf die Zielgerade seines Lebens, es ist ein Drama, das sich zuspitzt. Christsein heißt, sich davon berühren lassen und Jesu Weg nachgehen. Ja, das nimmt einen mit, wortwörtlich. Passion heißt ja beides: Leiden und Leidenschaft. Wofür brenne ich? Compassion ist die Haltung, sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen und Mitgefühl zu zeigen. Aber warum dieses Leiden Jesu? Warum überhaupt so viel Unrecht und Not in der Welt? Und wie kommen wir in eine Leid-überwundene, ja Leid-freie Welt? Solche Jahrtausendfragen sind nicht ruhig zu stellen. Von Jesus wird überliefert, dass er mit dieser Frage sogar starb: „Mein, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gerade in diesen Fragen blieb er auf Gott bezogen und ließ nicht locker. In seinem kurzen Leben hat er sich eingesetzt für gerechtes, gottgemäßes Zusammenleben – nein nicht nur eingesetzt, er hat dafür gekämpft und es beispielhaft auch wahrgemacht. Hat er sich nicht mit Ausgestoßenen zusammengesetzt und viele heil gemacht? Hat er nicht darauf verzichtet, zurückzuschlagen, als man ihn in die Zange nahm? Konfliktscheu jedenfalls war er nicht.

Eines seiner verrücktesten Programmworte lautet: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ (Lk 12,49) Jesus als Brandstifter, das ist ein ungewohntes Bild für seine Gottesleidenschaft. Gerechtigkeit und Frieden sind in seinem Munde nicht faule Worte, sondern handfeste Taten. Da geht er mitten in Jerusalem Richtung Tempel, immerhin die religiöse und politische Machtzentrale, und mit dem Tempelschatz so etwas wie die Bundesbank. Das alles wird kaputtgehen, es hat keine Zukunft! So die Prophezeiung dieses Brandstifters aus Nazareth. Die Erzählung von der Tempelreinigung malt plastisch aus, wie aggressiv Jesus da aufräumt, geballte Gottesleidenschaft und nicht ohne Folgen. Neu aufgebaut werden muss das Haus des Gebetes, als Zentrum für Gerechtigkeit und Feindesliebe. Dafür steht er ein, dafür brannte er, dafür nahm er sogar den Tod in Kauf, eben mit der Frage, die zum Gebet wird: „Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen?“ Die Gewissheit, dass Gottes Gerechtigkeit das letzte Wort behält, macht ihn frei. Seine Gottesleidenschaft für eine gewalt- und leidfreie Welt wird zum Osterfeuer. Das gilt es zu entzünden.

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SWR2 Wort zum Tag

26MRZ2024
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Was ist derzeit das Problem Nummer eins, was der schlimmste der vielen Brennpunkte in der Welt und auch im eigenen Leben? Wenn ich auf diese Gretchenfrage antworten müsste, würde ich sagen: Hass und Gewalt. Natürlich die Kriege im Großen und Kleinen, in Handel und Wandel. Aber ganz konkret: Gewalt zwischen den Geschlechtern und Generationen, Gewalt gegen Kinder und gegen Alte, Gewalt und Vergewaltigung der Mutter Erde, der Tiere, der Kreatur – und so oft diese Feindbilder. Wie schnell man sich abstempelt und fertigmacht, diese Ungeduld miteinander und Rechthaberei.  Ich will auf keinen Fall dramatisieren und schwarzmalen. Aber Gewalt ist das Schattenthema im Fortschritt seit Kain und Abel: zwar geht vieles glücklich voran, aber verbessert werden eben leider auch Foltermethoden, Aufrüstung und Kriegführung, und immer wieder ist es die Angst, zu kurz zu kommen, und deshalb das egoistische Verhalten. Nimmt womöglich der Gewaltpegel im Alltag sogar zu, die Reizbarkeit, der Neid und das Ausnützen anderer?

Jedenfalls finde ich: Die Bibel hat doch recht. Seit Kain und Abel ist das eine Mordsgeschichte zwischen uns Brüdern und Schwestern. Die Angst, zu kurz zu kommen, schlägt fast automatisch um in Futterneid, Rivalisieren, Kriegen und Ausbeuten. Wie aus diesem Dilemma herauskommen, wie den Weg hindurchfinden? Nach christlicher Überzeugung gibt es nur einen Weg, und der wird an Jesus sichtbar: gewalt- und selbstlos, mit anderen vorangehen, mit anderen und für andere. Seine Botschaft von der Feindesliebe ist die realistische Alternative: also groß denken vom anderen Menschen, der Menschenwürde Raum schaffen und von den Ego-Interessen absehen zugunsten des Gemeinwohls. Jesus war überzeugt, dass Gottes Gerechtigkeit überall siegreich sein wird. Gottes Reich soll kommen, und er macht davon Gebrauch. Damit freilich deckt er auch auf, wie gewalttätig es noch zugeht seit Kain und Abel. Jesus kostet diese Aufklärungsarbeit sogar das Leben, aber er willigt schließlich ein, ganz voller Gottvertrauen und Versöhnungskraft. „Gesetzt den Fall, Sie haben noch keinen umgebracht, wie erklären Sie sich das?“, fragte realistisch Max Frisch. Was ist mit Bruder Kain, dem Aggressor, in mir? Diese Kar- und Osterwoche lädt dazu ein, sich mit dem Gewalt-Thema zu konfrontieren – und mit dieser göttlichen Alternative, stets dann doch die Hand zu reichen und den ersten Schritt zu tun.

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SWR2 Wort zum Tag

25MRZ2024
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Ein Montag wie jeder andere ist das nicht. Wir stehen am Beginn der Karwoche, und das altdeutsche Wort kara bedeutet Kummer und Trauer.  Seit frühester Zeit war es in Jerusalem üblich, die letzten Wege Jesu Jahr für Jahr nachzugehen und sich besonders mit seiner Leidensgeschichte zu verbinden: Nachfolge wortwörtlich. So entstand eine ganze Heilige Woche mit Prozessionen und Gebeten. Man wollte Jesus nahe sein. Man orientierte sich dabei an Heiligen Stätten und an biblischen Schriften. Demnach hat gestern die entscheidende Woche begonnen: Jesus kommt vom galiläischen Land, über das heute so umstrittene Westjordanland, hinauf nach Jerusalem. Dort zieht er ein wie ein König, umjubelt von seiner kleinen Anhängerschaft, aus ganz Jerusalem freilich ist niemand dabei. Also richtig willkommen ist er eindeutig nicht, zu unbequem seine Botschaft von der Gottes- und Feindesliebe, von Empathie und Solidarität mit allen, die einem über den Weg laufen. Schon lässt sich ahnen, dieser Einzug Jesu endet tödlich. Ich muss dabei an Nawalny denken und so viele, die friedfertig ihre Haut zu Markte tragen und sich für eine gerechtere Gesellschaft verausgaben. Der Einzug nach Jerusalem damals wird zum Kreuzweg, das österliche Gelingen geht über den Karfreitag der Trauer und der Tränen.  Gestern also hat die Karwoche begonnen, heute, am Montag, die nächsten Schritte auf dem Weg dahin.

Warum das alles, frage ich mich? Geht es nicht konfliktfreier und gewaltloser, ohne Leid und Kreuz? Warum diese Leidensgeschichte? Und dann noch im Namen Gottes?  Könnte der den schrecklichen Spuk nicht beenden und alles in Ordnung bringen? Fragen über Fragen! E i n e  Antwort darauf ist aber jetzt schon klar: theoretisch ginge es ohne das Kreuz, denn Gott ist kein Quälgeist oder Blutsauger. Aber leider, leider sind die Verhältnisse seit Kain und Abel so wie sie sind, nämlich egoistisch und gewaltförmig. Wenn da einer so voller Güte und Fantasie ist wie dieser Jesus, wird er verhaltensauffällig. Er bringt ja ans Licht, wie es eigentlich sein könnte und sein sollte - und das gibt mörderisch Ärger. Aber es ist der einzige Weg zum Frieden inmitten all der Gewalt. Und den gehen wir Christenmenschen in der Karwoche mit, aus Überzeugung.

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SWR2 Wort zum Tag

17FEB2024
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„Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – so hieß es noch Anfang der Woche in der Karnevalszeit. Aber vielleicht fängt da alles erst an. Weil man den harten Fakten ins Auge schaut: aus dem Staub machen, gilt nicht mehr. Diese vierzig Tage jetzt auf Ostern zu sind jedenfalls eine besondere Zeit. Sie bietet die Chance, sich mit dem Ziel des eigenen Lebens auseinanderzusetzen: was ist vorbei, worauf lebe ich hin, und mit welchem Kompass?

Ich lasse mich dabei von einer jungen Frau inspirieren, deren Tagebuch mich nicht loslässt.  Etty Hillesum wurde 1943 in Auschwitz ermordet. In finsteren Zeiten also blieb sie doch geprägt von einer umwerfenden Zuversicht, ungemein hilfsbereit und sprühend von Lebensfreude trotz allem. Das Tagebuch verrät den Grund: sie hatte Gott gefunden, den Lebensbrunnen in sich selbst und in allem. „Hineinhorchen“ ist nun das Leitwort ihres Lebens, dem innersten Geheimnis nachspüren. Im September 1942 notiert sie sich: „Eigentlich ist mein Leben ein einziges unablässiges ‚Hineinhorchen‘ , in mich selbst, in andere, in Gott. Und wenn ich sage: ‚Ich horch hinein‘, dann ist eigentlich Gott in mir, der ‚hineinhorcht‘. Das Wesentlichste und Tiefste in mir, das auf das Wesentlichste und Tiefste im anderen horcht.“ 

Genauer kann man nicht sagen, worauf es ankommt. Für mich sind ihre Gedanken eine kostbare Begleitmusik jetzt in der Umkehr-Zeit auf Ostern zu.  Da ist ein Sehnen tief in uns nach Glück, nach Gelingen, nach Frieden und Liebe. Auf jeder Seite schreibt Etty Hillesum davon, und wer wüsste es nicht. Und wie oft ist dieser Lebensbrunnen voller Sehnsucht und Hoffnung wie verschüttet vom täglichen Allerleih und vom Tanz ums goldene Ego. Besonders schön finde ich, wie genau Etty Hillesum die innere Wandlung beim Meditieren und Beten beschreibt: irgendwann, wenn wir uns wirklich Zeit nehmen und nach innen horchen, entdecken wir, dass da etwas ist, das auf mich horcht – ein Etwas und ein Jemand.  Wenn ich mich auf mein Gegenüber wirklich einlasse und ihm horchend nachspüre, komme ich ja auch aus dem Staunen nicht heraus: wie anders du bist, vielleicht sogar störend und lästig, und doch einmalig du, mir gegenüber. Ja, dieses Hineinhorchen wünsche ich Ihnen und mir für diese vorösterliche Zeit. Am Aschermittwoch hat alles erst angefangen.

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SWR2 Wort zum Tag

16FEB2024
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Immer öfter kommen mir Todesanzeigen ins Haus - auch von Menschen, die jünger sind als ich.  Selbst schon über 85 Jahre alt, rückt mir natürlich auch der eigene Tod immer mehr auf das Fell. Keine Sorge, ich möchte Ihnen mit diesem Thema den Morgen nicht verderben, ganz im Gegenteil.  Ich weiß, ich berühre ein Tabu. Aber irgendwie ist die Sache mit Vergehen und Sterben doch so präsent, dass es guttut, genauer hinzuschauen und darüber nachzudenken. Seit vorgestern, seit dem Aschermittwoch, steht das Thema illusionslos im Raum: „Staub bist du, und zum Staube kehrst du zurück“. Also, blinde Kuh spielen gilt nicht mehr, auch und gerade im Zuspruch am Morgen darf von Schutt und Asche die Rede sein. Wir wollen uns ja gerade nicht aus dem Staub machen, sondern den Tag heute begrüßen - und zwar mit dem Staub auf den Straßen und in den Zimmerecken, mit dem Haarausfall und dem Lebensalter, mit allem Drum und Dran des heutigen Tages.

Diese Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern ist besonders geeignet, auch Tabus zu berühren. Geht es doch um den Grund der christlichen Hoffnung – und das gerade nicht vorbei an Vergänglichkeit und Sterben, sondern mitten darin und hindurch. Der Tod sei unser letzter Feind, wirklich das letzte, schrieb Paulus vor bald zweitausend Jahren, und der wird nun endgültig besiegt.  Mit dem Bekenntnis zur Auferweckung Jesu ist die Gewissheit verbunden, selbst vollendet zu werden und das Lebensziel wirklich zu erreichen. Versprochen ist versprochen, Jesus steht dafür grade. Das Thema Tod gehört jedenfalls für uns Christenmenschen mitten ins Frühjahr hinein, und keineswegs nur in den herbstlichen Nebel. Frühlings Erwachen und österliche Hoffnung gehören zusammen; sie machen jeden Tag kostbar, auch den Tag heute. Es ist schließlich der erste von den letzten, die wir noch haben.

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SWR2 Wort zum Tag

15FEB2024
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Ein bisschen Asche ist noch auf meiner Stirn, ich habe nichts abgewaschen vom Aschenkreuz gestern Abend. Dieses Zeichen hat für mich etwas Besonderes. In meiner Kindheit hat mir die Mutter immer ein Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht, wenn ich zur Schule ging. Auch den Leib Brot hat sie so gesegnet, bevor sie ihn anschnitt. Segnen und Signieren ist ja derselbe Wortstamm: da wird etwas gegengezeichnet und unterschrieben. Das Kreuz auf meiner Stirn, das Jesuszeichen als Signatur: nun gehören wir zusammen. Aber das Kreuz gestern ist gerade nicht aus Gold oder Silber, nicht mit Edelstein verziert - nein, aus Asche. „Staub bist du, und zum Staube kehrst du zurück“.  Illusionslos wird ausgesprochen und unterschrieben, was Fakt ist:  auch ich bin vergänglich, irgendwann habe ich abzudanken, bald werde ich gewesen sein, und dieser Tag heute ist schon der erste vom Resrt meines Lebens den letzten, die mir noch bleiben. Und dann: Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Das wäre nichts als eine Zumutung und auch Kränkung, wenn es eben nicht das Kreuz wäre, das Lebens- und Siegeszeichen Jesu. Mit ihm ist die begründete Hoffnung gegeben auf Vollendung und Auferstehung. Mit ihm wird alle Vergänglichkeit schöpferisch durchkreuzt.  „Du wirst auferstehen am jüngsten Tage“. Was mit Jesus schon österlich geglückt ist, blüht auch uns – so jedenfalls hoffe ich fest. Deshalb habe ich mir das Aschenkreuz nicht abgewaschen, deshalb ist mir diese Signatur wichtig auf Ostern hin, auf das Ende zu und die Vollendung. Diese Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern ist eine besondere Zeit. In diesen vierzig Tagen kann bewusster werden, was das befristete Leben so kostbar macht – die gestundete Zeit. Es ist eine Art Trainingsphase, in der wir konzentrierter einüben, was eigentlich das ganze Jahr gilt, sogar das ganze Leben.  Wir sind auf Durchreise, und jeder Tag ist unendlich kostbar - eine einmalige Chance, die Gegend zu erkunden und zu gestalten. Staub bist du, ja, aber mit der mit der Zusage auf Vollendung und Auferstehung. Es ist also Sternen- und Blütenstaub, Gottesstaub. Es ist jener Stoff, aus dem – unter hohem Druck verdichtet – Diamanten werden, wirkliche Schmuckstücke wie Sie und hoffentlich auch Ich.

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SWR2 Wort zum Tag

14FEB2024
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Heute Abend werde ich zur Kirche gehen und mir das Aschenkreuz auf die Stirn machen lassen. „Staub bist du, und zum Staube kehrst du zurück“ – so wird mir dazu gesagt. Jedes Jahr geht mir das unter die Haut - ganz ähnlich wie bei jeder Beerdigung, wenn für den aus unserer Mitte gebetet wird, der als nächster dem Verstorbenen folgen wird. „Werde ich‘s denn?“ Irgendwie tut mir diese Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit gut, und ich bin sogar dankbar dafür. Und zugleich habe ich einen Riesenrespekt und kriege Gänsehaut. Immerhin bleibt es beim Aschenkreuz ja nicht bei dem Wort vom Staub, denn es heißt weiter: „Gott aber wird dich auferwecken am Jüngsten Tage“, also zuletzt, wenn es endgültig so weit ist. Da kommt dieses großartige Gottesversprechen dazu und darauf gründend die Osterhoffnung: die Konfrontation mit dem Tod ist also nicht der Blick in das schwarze Loch, wo alles im Nichts versinkt. Christlich ist es vielmehr jenes Dunkel, das die Kehrseite ist von blendendem Licht. Wie gut doch, dass mir der Staub in Gestalt des Kreuzes auf die Haut tätowiert wird: es ist ja das österliche Gütezeichen, wie sehr auf Gottes Zusage Verlass ist. Jesus steht dafür grade als Pate und Zeuge. Ich brauche mich nicht aus dem Staub zu machen, ganz im Gegenteil: Ich darf hoffen, schon jetzt.

Aschermittwoch heute ist für Christen also ein besonderer Tag im Jahr, ein bisschen wie Karfreitag schon. Da wird der übliche Zeitablauf unterbrochen, da gilt es innezuhalten. Nein, es geht nicht immer so weiter - lautet die Ansage dieses Tages. Alles hört irgendwann auf, und wie rasant geht mein Leben vorbei. Und Achtung: wie schnell kann es zu spät zu sein. Heute am Aschermittwoch ist „alles vorbei“, das ist unerbittlich wahr. Aber eben auch: “Gott wird dich auferwecken am jüngsten Tage“. Am Aschermittwoch fängt die Osterzeit an, das Fest christlicher Hoffnung wirft seine Schatten voraus, 40 Tage lang. Umso mehr gilt es, die befristete Lebenszeit zu nutzen.

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SWR2 Wort zum Tag

17JAN2024
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Tag für Tag kommt im kirchlichen Morgengebet ein uralter biblischer Hymnus vor, und der hat es sich, fremd und stark: „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels. Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen“. Wie ein Paukenschlag zum Aufwachen. Da haben Leute Bilanz gezogen und alles auf einen Punkt gebracht, und der lautet: Gott ist da, und das bedeutet Glück und Rettung, vom Erbarmen ist dann des Öfteren die Rede. Nirgends steht, dass es immer leicht ist. Aber dass Gott in diese Welt gekommen ist, gilt unumstösslich, eine belastbare Tatsache. Jeden Tag soll sie prägen.

Das entscheidende Gütezeichen dafür ist der Sonnenaufgang, wie könnte es anders sein.  Deshalb heißt es bildstark: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ - welch eine Freude, dass die Sonne aufgegangen ist. Licht ist da, Leben, absolut nicht selbstverständlich. Und dann heißt es: „um die zu erleuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes und ihre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“. Wunderbar: der Sinn des ganzen Lebens wird in einem einzigen Bild zusammengefasst: Schritte gehen auf dem Weg des Friedens. Der Weg ist schon da, er will und muss nur begangen werden.

Ja, das ist eine Art Sonnenhymnus am frühen Morgen und zugleich eine realistische Diagnose der Welt und auch des Alltags. Erst wo wir Finsternis und Todesschatten nicht ausblenden, wird das Leben jeden Tag zum Geschenk; erst wo wir den Friedendsauftrag hier und heute entdecken, bekommt dieser Tag wirklich Sinn und Gewicht. Heraus aus Nacht und Dunkel - heute neu das Licht der Welt erblicken dürfen, das ist Anlass zum Dank und nicht minder zur Bitte.  Vor allem aber zum richtigen Leben und Handeln: „und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“. Ja, was könnte uns Besseres einfallen und gelingen? Einen guten Tag also!

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SWR2 Wort zum Tag

16JAN2024
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„Jeden Morgen soll die Schale unseres Lebens hingehalten werden, um aufzunehmen“ - so notierte sich Dag Hammarskjöld in sein Tagebuch, diese Schatzkiste mutiger Einsichten (57). Der großartige UNO-Generalsekretär wollte jeden Tag möglichst hellwach beginnen, bereit nicht nur für den Terminkalender und die riesigen Aufgaben der Weltpolitik; also nicht nur irgendwie wach, sondern überraschungsbereit und empfänglich für alles, was kommt und ansteht. Gern spricht er auch von reiner Hingabe, von absichtsloser Präsenz. „So wird die Welt jeden Morgen neu geschaffen, verziehen – in dir, von dir“, so lautet eine andere Notiz, nein ein Gebet. (179). Jeder Tagesanfang ein Schöpfungsmorgen, jeder Tag voller Chancen zum Verzeihen und Vergeben.  Der Weltfrieden fing für den großen UNO- Diplomaten immer mit dem Seelenfrieden an. Jeder Tagesbeginn – ein Schöpfungsmorgen, und er selbst ständig der Vergebung bedürftig und bereit dafür.

Die Morgenstunde hat ja in der Tat etwas Reines noch.  Als wäre da noch alles im Lot, der Tag noch wie ein weißes Blatt Papier, noch nicht vollgeschrieben oder verknüllt wie am Abend. Leer noch wie eine Schale, die man hinhält in der Hoffnung auf Füllung und Erfüllung.  In der Bibel ist deshalb die Morgenstunde die richtige Zeit zur Rechtsprechung, da tagt das Gericht im Dorf oder der Kleinstadt, da wird alles klargestellt. Es ist kein Zufall, dass Hammarskjöld von Verzeihen und Vergebung gerade zum Morgen spricht. Mit dem Aufgang der Sonne rückt alles ins Licht. „Haltet des Morgens gerechtes Gericht“, rät z.B. der Prophet Jeremia (21,12). Früh morgens, bevor der neue Tag richtig losgeht, soll alles klar werden und bereinigt sein. Dann wird der neue Tag gut, sehr gut.

So mit frommen Menschen von heute und damals den neuen Tag zu beginnen und die Sonne der Gerechtigkeit zu begrüssen, ist ein schöner Brauch.  Andere um Vergebung zu bitten und selbst zu vergeben, ganz offen zu sein für das, was kommt ist eine gute Perspektive. Immer ist dabei die Überzeugung im Spiel, dass mit dem Sonnenaufgang das größte Wunder schon geschafft ist.  Einen guten Morgen also und einen erfüllten Tag.

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SWR2 Wort zum Tag

15JAN2024
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Noch ist das Jahr jung, und schon werden die Tage länger. Ein Anlass, der mich staunen lässt. Selbstverständlich ist es ja nicht, dass es wieder mehr Tageslicht gibt und bergauf geht. Irgendwie hat jeder Morgen etwas Geburtliches, in dunklen Jahreszeiten erst recht.

Aber „wann beginnt der neue Tag?“, fragt ein Schüler den frommen Rabbi. Und sofort denkt man, das sollte doch klar sein. Der weise Lehrer aber antwortet. „Es ist dann, wenn du in das Gesicht irgendeines Menschen blickst und deine Schwester oder deinen Bruder erkennst. Doch bis dahin ist die Nacht noch bei uns.“ Erst dann also geht die Sonne wirklich auf, wenn wir den Mitmenschen sehen und uns ihm gegenüber. Sonnenaufgang und Menschengesicht gehören zusammen. Das Licht der Welt erblicken ist nicht nur ein kosmisches Geschehen am Himmel und ein astronomischer Vorgang; es geschieht im Anblick des und der anderen. Nicht zufällig sprechen wir von leuchtenden Augen und vom strahlenden Gesicht.  Genau das meint der weise Rabbi.  Wo wir einander ansehen und Ansehen schenken, da beginnt der Tag wirklich, und die Nacht ist vorbei. Die Sonne geht auf, das Licht der Welt auf dem Gesicht des Mitmenschen. Welch ein Geschenk, wo es geschieht!

Das bringt ein wunderbarer Segenspruch auf den Punkt, uralt seit biblischen Zeiten und bis heute in den Kirchen lebendig: „Gott segne dich und behüte dich. Er lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir zugeneigt.  Gott wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Frieden.“ (Num 6,22ff) Drei kleine Sätze, die das Leuchten der Sonne mit dem Angesicht Gottes verbinden, beides dir zugesagt, beides dir zugeneigt. Segnen heißt begrüßen, gutheißen. Genau das hatte der Rabbi im Sinn: Gottes Licht auf dem Gesicht des und der anderen, von ihm zu mir und zurück, einvernehmlich. Unmittelbar in die Sonne schauen, ist nichts für unsereinen; zu viel Energie auf einmal.  So ist es auch bei dem Geheimnis, das wir Gott nennen. Einige Schuhnummern zu groß für uns. Aber Gottes Güte auf dem Angesicht des Mitmenschen entdecken, ihn als Bruder und Schwester wahrnehmen, überhaupt alles als Mitgeschöpf – das geht, das wäre der Beginn des neuen Tages. Heute.

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