SWR2 Wort zum Tag

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17FEB2024
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„Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – so hieß es noch Anfang der Woche in der Karnevalszeit. Aber vielleicht fängt da alles erst an. Weil man den harten Fakten ins Auge schaut: aus dem Staub machen, gilt nicht mehr. Diese vierzig Tage jetzt auf Ostern zu sind jedenfalls eine besondere Zeit. Sie bietet die Chance, sich mit dem Ziel des eigenen Lebens auseinanderzusetzen: was ist vorbei, worauf lebe ich hin, und mit welchem Kompass?

Ich lasse mich dabei von einer jungen Frau inspirieren, deren Tagebuch mich nicht loslässt.  Etty Hillesum wurde 1943 in Auschwitz ermordet. In finsteren Zeiten also blieb sie doch geprägt von einer umwerfenden Zuversicht, ungemein hilfsbereit und sprühend von Lebensfreude trotz allem. Das Tagebuch verrät den Grund: sie hatte Gott gefunden, den Lebensbrunnen in sich selbst und in allem. „Hineinhorchen“ ist nun das Leitwort ihres Lebens, dem innersten Geheimnis nachspüren. Im September 1942 notiert sie sich: „Eigentlich ist mein Leben ein einziges unablässiges ‚Hineinhorchen‘ , in mich selbst, in andere, in Gott. Und wenn ich sage: ‚Ich horch hinein‘, dann ist eigentlich Gott in mir, der ‚hineinhorcht‘. Das Wesentlichste und Tiefste in mir, das auf das Wesentlichste und Tiefste im anderen horcht.“ 

Genauer kann man nicht sagen, worauf es ankommt. Für mich sind ihre Gedanken eine kostbare Begleitmusik jetzt in der Umkehr-Zeit auf Ostern zu.  Da ist ein Sehnen tief in uns nach Glück, nach Gelingen, nach Frieden und Liebe. Auf jeder Seite schreibt Etty Hillesum davon, und wer wüsste es nicht. Und wie oft ist dieser Lebensbrunnen voller Sehnsucht und Hoffnung wie verschüttet vom täglichen Allerleih und vom Tanz ums goldene Ego. Besonders schön finde ich, wie genau Etty Hillesum die innere Wandlung beim Meditieren und Beten beschreibt: irgendwann, wenn wir uns wirklich Zeit nehmen und nach innen horchen, entdecken wir, dass da etwas ist, das auf mich horcht – ein Etwas und ein Jemand.  Wenn ich mich auf mein Gegenüber wirklich einlasse und ihm horchend nachspüre, komme ich ja auch aus dem Staunen nicht heraus: wie anders du bist, vielleicht sogar störend und lästig, und doch einmalig du, mir gegenüber. Ja, dieses Hineinhorchen wünsche ich Ihnen und mir für diese vorösterliche Zeit. Am Aschermittwoch hat alles erst angefangen.

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