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SWR2 Wort zum Tag

26APR2024
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Da ist ein reicher Mann, fromm. Erhält sich an alle Gesetzte und fragt sich dennoch: Reicht das. Reicht das, was ich tue, ist es richtig, wie ich lebe. Trotz seines tiefen Glaubens und all seiner Bemühungen ist er sich nicht sicher das ewige Leben zu erreichen. Also fragt er Jesus, was er noch tun kann. Diese Geschichte aus dem Markusevangelium gehört zu meinen liebsten. Jesus antwortet ihm, dass er seinen ganzen Reichtum verkaufen, den Erlös den Armen schenken und fortan selber arm sein soll. Im Anschluss sagt Jesus diesen Satz: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Den Satz finde ich wundervoll. Allerdings nicht unbedingt wegen seines Inhalts. Der ist natürlich wichtig und ein Kernpunkt des Christlichen Glaubens, aber es geht mir jetzt nicht darum. Mich interessiert mehr die Art und Weise, in der Jesus da spricht.

Als ich, da war ich noch klein, die Stelle zum ersten Mal gehört habe, musste ich lachen. Denn ich habe das witzig gefunden. Weil ich mir vorgestellt habe, wie ein Kamel versucht sich durch ein Nadelöhr zu zwängen. Und ich kann mir gut denken, dass in diesem Moment einige der Hörer Jesu auch schmunzeln mussten. Vielleicht hat er selbst auch ein bisschen gelacht. Ganz egal wie ernst das Thema eigentlich gewesen ist, da war auch ein bisschen Humor mit dabei. So stelle ich es mir zumindest vor. Und das macht mir diese Geschichte und die Person Jesus allgemein noch sympathischer. Es geht um die Grundstrukturen unseres Daseins. Um die existenziellsten Fragen, ja, man kann sagen: Eigentlich geht es bei Jesus die ganze Zeit ans Eingemachte. Aber trotzdem gibt es bei all der Tiefe und Ernsthaftigkeit auch noch Platz für ein Schmunzeln. Das finde ich ungeheuer wichtig. Denn es zeigt mir: Jesus war zwar ein hochmoralischer Mensch, aber er war kein Moralist. Er war nicht verbissen oder verbohrt, seine Botschaft war nicht bitter, sondern lebensbejahend. Der reiche Mann, dem aufgetragen wurde seinen Besitz zu verkaufen, fand das wahrscheinlich nicht so witzig. Aber ihm wurde der Auftrag nicht mit erhobenem Zeigefinger erteilt, sondern – so deute ich es - mit einem Lächeln. Und das macht viel aus. Wie schwer die Aufgabe, vor der ich stehe auch sein mag, sie wird noch schwerer, wenn dabei nicht einmal mehr Raum für ein Lächeln oder Schmunzeln ist.

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SWR3 Gedanken

26APR2024
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Der Dänische Fernsehkanal TV2 hat ein Experiment gemacht, das extrem gut angekommen ist. Auch mir hat es nochmal die Augen geöffnet.

Dafür haben sie eine große Halle angemietet und dann nach und nach typische gesellschaftliche Gruppen reingeschickt. Als erstes betreten acht Krankenpflegerinnen in typisch weißen Outfits die Halle und stellen sich in ein eingezeichnetes Feld. Dann kommen die Vielverdiener in ihren Anzügen. Sie beäugen misstrauisch die nächste Gruppe, die reinkommt: die, die gerade so durchkommen. Dann kommen harte Jungs herein – muskelbepackt, mit Tatoos und Lederjacken. Als nächstes Geflüchtete mit dunklerer Hautfarbe, dann Jugendliche in Skater-Klamotten, und zum Schluss noch Fitness-Begeisterte und eine Gruppe Senioren.

Ein Moderator kündigt an: „Ich werde Ihnen nun einige persönliche Fragen stellen, antworten Sie bitte ehrlich. Wer von Ihnen war früher der Klassenclown?“

Die Beteiligten taxieren sich neugierig. Und dann lösen sich einzelne aus jeder Gruppe und kommen nach vorne. Ein bunter Haufen aus alt und jung, aus arm und reich, aus Klamotten und Hautfarben. Sie begrüßen sich und grinsen.

Dann wird neu sortiert. Die nächste Frage heißt: Wer ist Stiefvater oder Stiefmutter? Danach bilden sich wieder neue Gruppen: die, die schon mal ein UFO gesehen haben, die das Tanzen lieben, diejenigen, die gemobbt wurden, die sich einsam fühlen oder die verrückt sind vor Liebe. Und jedes Mal das gleiche Bild. Aus den üblichen Klischeegruppen treten einzelne heraus und fühlen sich mit der neu geschaffenen Konstellation verbunden. Plötzlich entsteht ein neues „Wir“.

Am Ende des Experiments sind die ursprünglichen Gruppen aufgelöst. Einige geben sich respektvoll die Hand und lachen miteinander, andere umarmen sich sogar. Und alle haben am eigenen Leib erfahren: Es ist einfach, Menschen in Schubladen zu stecken. Aber es gibt viel mehr, das uns verbindet, als wir jemals gedacht hätten.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26APR2024
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An diesem Schabbat begehen wir den fünften Tag des achttägigen Pessachfestes. 
Die Geschichte des Auszuges der jüdischen Sklaven aus dem alten Ägypten spielt an diesem Feiertag eine wesentliche Rolle. Für uns stellen die Ereignisse um den Auszug, die Geburt des jüdischen Volkes dar, und gewinnen somit einen heilsgeschichtlichen Charakter.  Bei vielen Nichtjuden kommt die Frage auf, ob man es hier nicht etwa mit einem Mythos zu tun hat?  Wie sind die aufeinanderfolgenden zehn Plagen in Ägypten zu verstehen und zu werten?  Wie der Marsch der Israeliten trockenen Fußes durch das Schilfmeer? Des Öfteren wurde mir die Frage gestellt, ob ich mir eine zufriedenstellende Antwort, nicht etwa aufgrund ungewöhnlicher Naturereignisse vorstellen könnte?  Ich habe jedes Mal passen müssen. 

Salo Baron, englischer jüdischer Historiker, meint, dass „der Exodus aus Ägypten...offenbar (für die Unbeteiligten) ein unwichtiger Vorgang in der Geschichte jener Zeit“ war. „So geringfügig, dass das - außer den Juden selbst- am meisten beteiligte Volk, die Ägypter, sich niemals die Mühe nahm, ihn aufzuzeichnen.“  So der englische Gelehrte.  Wir sollten also zur Kenntnis nehmen, dass den Ägyptern nichts daran lag, jenen Auszug, jene Befreiung der israelitischen Sklaven, für alle Zeiten festzuhalten.  Für ihre Geschichte und Geschichtsauffassung war es kein Ereignis von Bedeutung.

Eine Bedeutung hatte und hat der Auszug vornehmlich für Juden. Sie traten damals den Weg an, ein Volk zu werden.  Sie sollten auf G-ttes Geheiß sich immer daran erinnern, dass die Geburtsstunde ihres Volkes in der Knechtschaft lag.  Sie sollten daher die Freiheit des Menschen, die eigene, wie auch die der anderen hochschätzen. Der Auszug erinnert auch daran, dass jener Weg der errungenen Freiheit durch die Wüste nach Sinai, zur g-ttlichen Offenbarung der Zehn Gebote führte.

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SWR4 Abendgedanken

26APR2024
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Jetzt, im April, starten wieder die Weinwanderungen. In meiner Umgebung wird überall eingeladen, durch die Weinberge zu wandern: am Rhein, an der Ahr oder an der Mosel.

Manchmal begleiten die Winzer selbst diese Wanderungen. Sie erzählen von der anstrengenden Arbeit im Weinberg. In den Steilhängen an Ahr und Mosel bedeutet einen Weinberg zu pflegen Handarbeit!  Und die meisten Winzer arbeiten mit Leidenschaft.

Weinbau gibt es schon seit tausenden von Jahren und auch in der Lebenswelt Jesu waren Traubenernte und Weinherstellung eine bekannte Arbeit.  Und Jesus nimmt das, was er in seiner Umwelt sieht, gerne als Anlass und Gleichnis, um von Gott zu erzählen. So sagt er:

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer […]Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ (Joh 15,1.5) 

Menschen, die in Weinlandschaften leben, können das leicht nachvollziehen. Ein Weinstock kann nur Frucht bringen, wenn er kultiviert und beschnitten wird. Der Winzer kümmert sich um jeden einzelnen Weinstock: schaut ihn an, beschneidet ihn, schaut, was ihm zum Wachstum hilft. Braucht er noch Dünger, braucht er mehr Wasser? Gibt es noch Triebe, die nur Kraft kosten, aber keine Frucht tragen? Der Winzer hat all das im Blick. So können sie gut Frucht tragen, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Wie der Winzer auf jeden einzelnen Weinstock schaut, so schaut Gott auf uns. In Jesus Christus dürfen wir etwas von Gottes Liebe und seiner Zuneigung zu uns Menschen erkennen. Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander leben können, um Gottes Willen zu tun. Er sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).

Wenn uns das gelingt, dann sind wir fruchtbare Reben. Und wenn die Weinreben reiche Frucht bringen, dann geht es den Menschen gut, dann gibt es genügend Nahrung für alle. Und Jesus macht es ganz konkret, was es bedeutet, in Verbundenheit mit dem Weinstock zu leben: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!  Das ist ein hoher Anspruch, der sich aber jeden Tag in kleine konkrete Taten umsetzen lässt.

Wenn ich mir das nächste Mal im Weinberg die Rebstöcke anschaue, werde ich einen Moment darüber nachdenken: wie schaue ich die Menschen an, die mir begegnen? Mit meinem kritischen Blick oder mit dem liebevollen Blick Gottes? Als Kinder Gottes sind wir alle miteinander verbunden, wie die Reben mit dem Weinstock. Gut so, oder?

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SWR3 Worte

26APR2024
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Muhterem Aras ist Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg und hat eine interessante Beobachtung gemacht. Sie sagt:


„Für einige bin ich offenbar die ultimative Provokation: eine emanzipierte, selbstbewusste Frau aus einer Zuwandererfamilie, Nichtchristin und dazu auch noch eine Grüne, die einem Landesparlament vorsteht. Da bricht bei manchen natürlich das völkische Weltbild zusammen. Ich muss gar nichts sagen, meine Anwesenheit allein reicht, um diese Leute zu triggern.“

Aus: Landtagspräsidentin Aras: "Lasse mich von diesen Leuten nicht zur Fremden erklären" - Politik - SZ.de (sueddeutsche.de).

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26APR2024
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Manchmal ist es so eine Sache mit den Worten. Wenn in einer Klasse zum Beispiel 18 Mädchen und 5 Jungs sind, und der Lehrer sie alle mit „Liebe Schülerinnen anspricht, sind dann die Jungs mitgemeint?

Nein, sagen die einen. Und meinen, dass Schüler die korrekte Bezeichnung ist. Und „Schülerinnen“ ist die explizit weibliche Form, die nur für Mädchen passt.

Ja, sagen die anderen, denn in vielen Formulierungen sind Mädchen und Frauen mitgemeint, obwohl nur männliche Formulierungen gewählt werden.

Je mehr Menschen wichtig wird, dass Sprache präziser, diverser wird, desto mehr Streit gibt es darüber. Und da brauche ich das Gendersternchen noch gar nicht zu erwähnen. Sprache ist eben nicht nur ein Hilfsmittel, sondern es ist eine Ausdrucksform, eine Herzenssache. Sie verbindet. Aber sie verschweigt auch.

Ich spreche eine Frau an, die sich in einer Runde vorgestellt hat mit „Ich bin Rechtsanwalt.“ Ich spreche sie an, denn mir selbst käme tatsächlich nicht in den Sinn, mich vorzustellen mit „Ich bin Pfarrer“. Und das ist für mich gar nicht ideologisch, sondern längst einfach in Fleisch und Blut übergegangen.

Sie sagt: „Ich merke, dass es in meiner Branche immer noch so ist, dass Rechtsanwälte mehr zählen als Rechtsanwältinnen. Vielleicht war das aber auch vor allem in der Zeit so, in der ich angefangen hab. Und es ist eben noch sehr in mir drin, dass ich mithalten muss. Dass ich beweisen muss, dass ich ein guter Rechtsanwalt bin. Obwohl ich eine Frau bin.“ Ich ahne, was sie meint.

Frauen und Männer haben sich dafür eingesetzt - und tun es noch -, dass sie in Berufen gleichberechtigt angesehen sind und übrigens auch gleichberechtigt bezahlt. Und genau deshalb ist wichtig, dass man die Rechtsanwältinnen und die Dachdeckerinnen, auch die Erzieher und Altenpfleger hört, wenn wir sie nennen.

Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel berichtet von Adam. Gott bringt alles zu ihm, um zu sehen, wie er’s nennt. Und so soll es heißen. Ich mag die Vorstellung sehr, dass wir Menschen Verantwortung dafür haben, präzise, schöne Worte zu finden.

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SWR2 Wort zum Tag

25APR2024
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Immer wieder drängt sich im Leben die Frage auf, was denn das alles soll. Gerade wenn es wie derzeit so viel Leid und Elend in der Welt gibt. Wenn jeden Tag von der Eskalation eines bestehenden oder dem Ausbruch eines neuen Konfliktes die Rede ist. Klimakrise, Krieg in Gaza, Krieg in der Ukraine. Und das sind nur die größten Geschehnisse, von denen wir täglich hören. Es gibt noch so vieles mehr, wo die Welt nicht so genau hinschaut. Da frage zumindest ich mich oft, warum das alles sein muss. Was das alles für einen Sinn haben soll.

Aber der Blick in die große Politik ist nicht einmal nötig, auch in meinem kleinen Alltag kommt sie immer wieder hoch: Die Frage nach dem Sinn. Ich habe beispielsweise ein Buch geschrieben, aber niemand interessiert sich dafür. Oder wenn ich mich verliebt habe, aber vom anderen kommt nichts zurück. Das sind so Situationen, in denen das Leben nicht das hält, was es verspricht oder ich mir von ihm erhofft habe. Die mich zweifeln lassen am Sinn und Zweck des Ganzen. Wozu soll ich mich noch abmühen, wenn sowieso nichts dabei rauskommt. Es gibt solche Momente. Ich denke, jeder kennt das. Der Sinn des Lebens ist eine der großen Menschheitsfragen, die philosophische Literatur ist voll davon. Auch das Christentum sichert mir den Sinn des Lebens zu. Zumindest verstehe ich das „Fürchte Dich nicht“ so, von dem in der Bibel immer wieder die Rede ist, das Gott seinen Geschöpfen quasi immer wieder zuruft. Aber manchmal reichen alle Lehren, aller Glaube und alles Vertrauen eben nicht aus. Da brauche ich mehr.

Mir hilft es da, mich an den sinnvollsten Moment meines Lebens zu erinnern: Eine gute Freundin von mir ist schwanger gewesen. Der Vater des Kindes hatte sich aus dem Staub gemacht, sie war gerade in eine neue Stadt gezogen, aber wegen Corona gab es kaum Möglichkeiten jemanden kennenzulernen. Sie wollte unbedingt eine Hausgeburt, die Hebamme hat dem aber nur zugestimmt, wenn sie während und nach der Geburt nicht alleine ist. Schließlich hat sie mich gefragt, ob ich da sein könnte. Und so bin ich Zeuge dieser Geburt geworden. Ein bisschen konnte ich auch helfen. Und ich habe dieses kleine Wesen auf die Welt kommen sehen, habe seinen ersten Schrei gehört. Als einer der ersten Menschen hab ich den Kleinen berührt und in den Arm genommen. Das war das bewegendste, das ich je erlebt habe. In diesem Moment war alles sinnvoll. Es war alles richtig. Es war richtig, dass dieses Kind auf die Welt kommt und es war richtig, dass es Leben gibt, dass es Menschen gibt. Seither denke ich, dass der Sinn des Lebens das Leben selbst sein könnte. Dass mit jedem neuen Leben auch sein Sinn geboren wird.

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SWR3 Gedanken

25APR2024
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Es ist eine Art Casting-Show. Sie spielt zur Zeit des Alten Testaments um das Jahr 1000 vor Christus. Gesucht wird der nächste König von Israel. Die Bewerber sind acht Brüder. In der Jury sitzt der Prophet Samuel. Er hat prominente Hilfe, denn Gott selbst schaut ihm über die Schulter.

Das Casting beginnt. Bruder Nummer eins sieht in Samuels Augen vielversprechend aus: groß, stark und muskulös. Der Juror denkt sich: Ja, das ist er bestimmt. Aber Gott fährt dazwischen und flüstert: „Na, na, nicht so schnell!“ Daraufhin lässt Samuel den nächsten antreten. Auch ihn möchte er sofort zum König küren, weil er gutaussehend uns smart ist. Doch Gott ist wieder dagegen. Dasselbe Spiel mit den Kandidaten Nummer drei bis sieben. Jedes Mal muss Gott auf die Bremse treten.

Dann fragt Samuel den Vater der sieben Brüder: „War das alles?“ Dieser entschuldigt sich: „Ja also, wir hätten da schon noch einen, den Jüngsten. Aber der hütet gerade Schafe und ich glaube kaum…“ Doch Samuel lässt ihn holen. Sein Name ist David und Gott sieht sofort, dass er das Zeug zum König hat.

Und dann verrät Gott, was wichtig ist, wenn man jemanden beurteilt. Er sagt: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht mitten ins Herz.“ Samuel soll sich nicht blenden lassen von Äußerlichkeiten, sondern tiefer blicken: Ist dem Menschen Gerechtigkeit wichtig? Wie ehrlich, ausgleichend und weise ist er? Ein Tipp nicht nur für Casting-Shows, und gar nicht so einfach umzusetzen, denn die Fassade drängt sich gerne in den Vordergrund. Ein erster Schritt könnte sein: Nicht dem ersten Impuls nachgeben, sich Zeit nehmen und eine Schippe tiefer graben. Oder wie Gott sagt: mitten ins Herz schauen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25APR2024
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Meine Fensterbank gleicht einem pflanzlichen Friedhof. Dabei war ich guter Dinge, dass ich meine Pflanzen diesmal über den Winter bringen würde. Dass ich diesmal regelmäßig gieße, vielleicht ab und zu dünge. Viel gehört eigentlich nicht dazu, und ich scheitere trotzdem dran.

Und wie den Zimmerpflanzen geht es leider auch den zarten Pflänzchen meiner guten Vorsätze. Man sieht es nicht sofort, wenn man mein Wohnzimmer betritt – aber: Da sind noch die dürren Überreste meines Vorsatzes, nicht so schnell über andere zu urteilen. In einer anderen Ecke steht der vertrocknete Philodendron meines Versuchs dankbar zu sein für das, was ich kann – und mich nicht andauernd mit anderen zu vergleichen. Und da noch der eingegangene Monstera-Setzling meines Plans, wieder regelmäßiger Sport zu machen.

Ja es ist schon gut, dass meine Schwächen und ungelösten Probleme, nicht so offensichtlich auf dem Präsentierteller stehen, wie meine gerade verdorrenden Pflanzen. Dadurch kann ich sie aber auch leichter verdrängen – ganz hinten in der Abstellkammer im Kopf, in die man nur selten mal reinschaut.

Bei Gott klappt das allerdings nicht mit dem Verdrängen. Gott sieht genau hin, und in der Bibel heißt es einmal:  Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Er sieht auch die unsichtbaren kaputten Ecken in mir. Ich finde die Vorstellung erstmal unangenehm. Wenn ich ehrlich bin, dann schäme ich mich ein bisschen – auch vor Gott. Ich bin es eben gewohnt, meine Schwächen zu verstecken und zu verdrängen. Ich finde das ganz schön schwer, mir das vorzustellen: Dass es da jemand gibt, der mich nicht nach meinem Scheitern und Versagen beurteilt. Dass Gott angesichts meiner vertrockneten Zimmerpflanzen und meiner gescheiterten Pläne nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, sondern so wie ein richtig gutmütiger Freund ist, der mir hilft meine Pflanzen und mein Leben wieder aufzupäppeln.

Schwer vorstellbar, aber wunderbar und entlastend. Dass ich das, was mit unangenehm ist, mit jemand teilen kann. Denn, um den Mut haben, es trotzdem nochmal zu wagen, muss man den alten Ballast auch mal loswerden. Und das geht besser, wenn da einer dabei ist.

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SWR4 Abendgedanken

25APR2024
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Heute Abend treffen wir uns wieder zum meditativen Tanzen. Wir- das sind 8 bis 10 Frauen – alle über 60, manche sind schon verwitwet.

90 Minuten lang tauchen wir ein in die Musik, die uns beim Tanzen begleitet. Die ist ganz unterschiedlich: rockig, traditionell, meditativ oder klassisch.

Meditiatives Tanzen bedeutet, sich der Musik anzuvertrauen und mit den anderen im Kreis in Einklang zu kommen. Gemeinsam nach rechts und links, vorwärts und zurück zu tanzen. Die Schritte sind sehr einfach und doch ist es dem meditativen Tanzen eigen, dass es keine Ablenkung, keine anderen Gedanken zulässt. Man muss ganz im hier und jetzt sein und kann nicht darüber nachdenken, was es zum Abendessen gibt. Sobald ich mir überlege, welchen Tanz ich als nächstes vorschlage, gerate ich aus dem Takt. Das ist das Geheimnis des Tanzes: im Hier und Jetzt sein.

Und das sind alle, die dabei sind. Niemand lässt sich von seinen körperlichen Einschränkungen abhalten. Und gelegentlich kann ich in den Schritten und Bewegungen der Frauen erahnen, wie sie sich als junge Frau vor 40 oder 50 Jahren mit Freude auf der Tanzfläche bewegt haben. Das ist schön und es hebt in diesem Moment alle zeitliche und körperliche Begrenzung auf.

Sich im Tanz zu verlieren, das kann wie ein Gebet sein. Ganz bei sich sein, ganz in diesem Moment sein, es mit Hingabe tun – das ist für mich Gebet.

Diese Erfahrung beschreibt Madeleine Delbrêl, eine Frau, die immer versucht hat, Glauben und Alltag miteinander zu verbinden in einem Gebet so:

„Uns bleibt es überlassen, [… ] fröhliche Menschen zu sein,

die ihr Leben mit dir, tanzen.

Um ein guter Tänzer zu sein,

muss man nicht wissen, wie es weiter geht - mit dir wie anderswo,

Man muss folgen, fröhlich sein, leicht sein,

und vor allem nicht steif sein.

Man darf nicht nach Erklärungen fragen,

in Bezug auf die Schritte, die dir zu tun gefallen.

Man soll nicht um jeden Preis vorwärtskommen wollen,

sondern es annehmen, sich nach links und rechts zu wenden.

[…] Und das wären alles nur sinnlose Schritte,

wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machen würde.“*

Miteinander zu tanzen, sich den Tanzschritten und der Melodie anzuvertrauen, aber auch der Gemeinschaft, das tut jeder von uns gut.

Aus dieser Erfahrung lässt sich Kraft schöpfen und die Hingabe an das Hier und Jetzt, relativiert manchen Ärger und manche Sorge in diesen 90 Minuten. Für mich ist das Tanzen auch eine Gebetserfahrung, eine Ermutigung und eine Stärkung. 

Ich freue mich auf das Tanzen heute – und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie solche Oasen im Alltag finden, in denen sie aufatmen und sich freuen können.

*Madeleine Delbrêl, in: Rita Knöppfler-Parsons, Madeleine Delbrêl. Das Aggiornamento der Demut in ihrem Leben und in ihren Schriften, München 2006, 114-120.

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