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05OKT2023
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Einatmen  -   Ausatmen. 
Das geht ja bei uns Menschen eigentlich ganz automatisch. Ist auch kein Wunder, denn Atmen ist lebensnotwendig.
Einatmen – Ausatmen.
Es gibt Orte, die laden geradezu ein zu atmen.

An einer kleinen Kapelle mitten in den Feldern bei dem kleinen Dorf Wahlen im nördlichen Saarland habe ich das vor kurzem gespürt. Hier habe ich nicht nur einfach so Luft geholt, wie man das den ganzen Tag über unbewusst tut. Hier kann ich aufatmen - so richtig aus dem tiefsten Herzen heraus.

Ruhig ist es hier, ich kann die Stille genießen und den Blick über die Felder hinunter ins Dorf. Ich werde ruhig und atme auf. Schön, dass unsere deutsche Sprache dieses Wort gefunden hat: Aufatmen. Denn das ist mehr als bloßes Ein- und Ausatmen.   Wer aufatmet, der wird irgendwie leichter. Wenn eine schwierige Situation vorüber ist, wenn mir ein Stein vom Herzen fällt, dann atme ich auf. Es steckt schon im Wort „aufatmen“: ich lasse den Kopf nicht mehr hängen. Ich kann wieder aufrecht stehen und gehen – eben weil ich aufatmen kann. 

Jahrhunderte lang haben Menschen ihre Lasten zu dieser Kapelle gebracht: ihren Kummer, ihre Krankheiten, ihre Sorgen und Nöte haben sie vor Gott getragen.
„Kommt zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt: Ich werde euch Ruhe verschaffen!“   das hat Jesus in der Bibel gesagt.

„Ich will euch Ruhe verschaffen!“ Der Theologe Fridolin Stier übersetzt diese Stelle so: “ Ich werde euch aufatmen lassen.“ Ja, denke ich: Christ-Sein hat etwas mit Aufatmen zu tun. Und Orte wie so eine kleine Kapelle machen es etwas leichter, dieses Versprechen einzulösen.

Ich glaube Menschen spüren das. Und suchen sich solche Orte aus, um aufatmen zu können. Die gibt es überall auf der Welt, man muss sie nur suchen und nutzen. Vielleicht kennen Sie ja auch solche Orte. Und wenn nicht, dann gehen Sie doch mal auf die Suche. Es muss ja nicht unbedingt eine Kapelle sein. Nutzen Sie die Gelegenheit und gehen Sie hin - zum Aufatmen.

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04OKT2023
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„Ich bin nun mal so“. Diesen Satz höre ich immer mal wieder. Zum Beispiel von Leuten, die gerade eine abwegige oder bedenkliche Meinung geäußert haben. Vielleicht haben sie gerade alle Arbeitslosen in einen Topf geworfen und sich lauthals über deren Desinteresse an harter Arbeit beklagt. Oder sie entschuldigen so ihr eigenes Verhalten, das nicht ganz hasenrein ist. Haben vielleicht gerade einen Autofahrer angepöbelt, der ihnen die Vorfahrt genommen hat. Alles nicht ganz fein, aber was soll man machen: „Ich bin nun mal so“, das muss man verstehen, da kann man nichts machen, da kann man nichts ändern.

Dieser Satz „Ich bin nun mal so“ hat eine religiöse Parallele. Die lautet: „Gott liebt dich so, wie du bist“. Da kann ich ja aufatmen und muss nichts ändern, wenn Gott mich liebt, so wie ich bin. Also weitermachen wie bisher.

Ich kann mit beiden Sätzen nichts anfangen. Ich halte sie beide für Ausreden, damit ich nichts ändern muss: Ich bin nun mal so, und Gott liebt mich so, wie ich bin. Nein, ich glaube nicht, dass Gott mich so liebt, wie ich bin. Ich glaube nicht, dass er an mir liebt, was ich selbst nicht an mir mag, meine Bequemlichkeit, meine Vorurteile, meine Rücksichtslosigkeit oder Schlimmeres. Ich glaube viel mehr, dass er mich als Mensch liebt. Dass er mich liebt als sein Kind. Nicht wegen meiner Fehler, auch nicht mit meinen Fehlern, sondern mich als Person. Aber wenn das so ist – muss ich dann noch was ändern? Schließlich bin ich doch geliebt. Um von Gott geliebt zu werden, muss ich nichts ändern. Er liebt mich ja schon. Aber wenn ich will, kann ich etwas ändern, kann ich mich ändern. Aus der Sicherheit und mit der Kraft von Gottes Liebe kann ich ruhig auf mich und mein Verhalten schauen. Ich muss nichts mehr beschönigen. Ich kann eingestehen, was mir an mir selbst nicht gefällt und was ich deshalb ändern möchte. Ich muss mich vor Gott nicht verteidigen oder entschuldigen für meine Fehler und Schwächen. Ich kann mich ändern und muss nicht mit der faulen Ausrede kommen „Ich bin nun mal so“. Ich kann nämlich auch anders.

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03OKT2023
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Hole ich meine Enkel von der Kita ab, führt uns der Weg an einem Tafel-Laden vorbei. Hier werden gespendete und gesammelte Lebensmittel an bedürftige Mitmenschen ausgegeben. Die lange Warteschlange vor der Tafel weckt in mir zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite steht die Bedürftigkeit, wenn nicht gar Armut der Menschen, die sich hier bis auf die Straße anstellen und auf die Lebensmittel offensichtlich angewiesen sind. Und ich habe großen Respekt vor den Ehrenamtlichen, die helfen und den Laden am Laufen halten. Auf der anderen Seite finde ich es unerträglich, dass sich Menschen in der Öffentlichkeit in eine solche Reihe stellen müssen, als Arme für alle sichtbar. Dabei ist nicht das Schlange-Stehen das Problem, auch in der Kantine und im Supermarkt stehe ich in der Schlange. Aber vor der Tafel macht mich die Schlange als Armer peinlich sichtbar. Die Lösung wäre gewiss, den Menschen so viel Geld zu geben oder – noch besser - ihnen solche Verdienstmöglichkeiten zu verschaffen, dass sie keine Tafel mehr brauchen. Aber so lange das noch nicht erreicht ist, brauchen wir Formen, die die Würde der Armen schützen.

Die Praxis in einer anderen Kirchengemeinde macht mir da Hoffnung: Sie unterhält keine Tafel, sondern eine Suppenküche. Oft bestehen Suppenküchen aus einem großen Raum mit einfachen Stühlen und Tischen und einer Ausgabestelle, an der man sich für das Essen anstellt. Die Warteschlange ist dann immerhin nach innen verlegt. Aber diese Suppenküche macht es anders. Im Essensraum hängt ein Schild: Es wird am Tisch serviert. Wie in der Familie oder in einem Restaurant nehmen die Hungrigen am Tisch Platz und die Ehrenamtlichen bedienen sie. Und dann setzen sie sich zu den Gästen und essen mit.

Es wird am Tisch serviert. Dieser Satz macht für mich einen großen Unterschied. Am Tisch wird dem Gast und dem Familienmitglied serviert. Sie sind willkommen und gehören dazu. Und am Ende gibt es keinen Unterschied zwischen denen, die bedienen, und den Bedienten. Alle sitzen an einem Tisch und bilden eine Tischgemeinschaft. Und keiner kann mehr sagen: Seht da, da sitzen sie: Die Armen.

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02OKT2023
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„Es kommen ja doch nur alte Menschen in die Kirche“, so wehrt ein Bekannter meinen Versuch ab, ihn in einen Gottesdienst einzuladen. Und er hat ja recht. Jedenfalls ist das auch meine Erfahrung, dass überwiegend ältere Menschen zum Gottesdienst kommen. Ich kann verstehen, dass Jüngere das nicht einladend finden, wenn sie vor allem auf Rentnerinnen und Rentner und nicht auch auf junge Leute stoßen.

Und zugleich bin ich dankbar für die älteren Menschen in der Kirche, nicht nur im Gottesdienst. Zum einen wird nichts besser, wenn sie sich auch zurückziehen. Zum anderen habe ich gerade im Urlaub eine besondere Bedeutung der Alten für die Kirche kennengelernt.

Meine Frau und ich waren viel in kleinen Orten unterwegs, weil wir uns für Kirchen in Dörfern und Kleinstädten interessieren. Manchmal bergen sie Schätze – ein Wandmalerei, eine Skulptur, eine Grabplatte. Die können viel über die Menschen und ihren Glauben in der Region aussagen. Leider sind viele dieser kleinen Kirchen geschlossen, aus Angst vor Diebstahl und Vandalismus. Wenn sie aber offen sind, dann häufig deshalb, weil ältere Gemeindemitglieder bereit sind, auf das Innere der Kirche acht zu geben. Sie bewachen dann aber nicht nur die Kunstschätze, den Altar und den Opferstock. Sondern sie geben meist bereitwillig Auskunft – über die Kirche, die Gemeinde und den Ort. In vielen Gesprächen haben wir deshalb mehr erfahren und verstanden, als uns ein Kunstführer vermitteln konnte. Und natürlich sind es Alte, die die Kirche offenhalten. Die Jungen haben dafür keine Zeit, müssen sich um Beruf, Familie oder andere Pflichten kümmern.

Für mich halten die Alten nicht nur buchstäblich die Kirchentür offen. Gerade jetzt, da die Institution Kirche den Menschen den Zugang schwermacht, bin ich dankbar für die alten Christinnen und Christen, die die Erinnerung an andere kirchliche Zeiten offenhalten. Die sich zum Beispiel erinnern an die Aufbrüche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die sich erinnern, dass Kirche auch anders und besser geht. Und die über diese Erinnerung ermutigend Auskunft geben können, wenn man sie denn fragt. Früher nannte man solche mutmachende Erinnerung Tradition. Die Alten halten die Kirche offen – auch und nicht zuletzt für die Jungen.

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30SEP2023
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Kirchliche Traditionen sind mir wichtig. Ich bin damit aufgewachsen und oft erlebe ich sie als Schatz und als Teil meiner kindlichen Erinnerung. Das Erntedankfest spielt dabei eine ganz besondere Rolle. In dem kleinen bäuerlichen Dorf meiner Kindheit und Jugend wurde der Altar mit vielem geschmückt, was Feld, Sträucher und Bäume in der Herbstzeit zu bieten haben. Für mich war diese Jahreszeit im Dorf eine der schönsten Zeiten im Jahr. Wenn die anderen Kinder und ich durch die Wiesen gestreunert sind, haben wir uns an roten Äpfeln und reifen Birnen satt gegessen und wenn wir Lust hatten, konnten wir den Bauern helfen bei der Ernte oder beim Heu machen. So - vielleicht ein kleines bisschen verklärt - erinnere ich mich an meinen Herbst in Jugendtagen.

Das Erntedankfest steht vor der Tür. Bei dem Gedanken daran wird mir warm ums Herz. Wenn ich dann in die Kirche gehe merke ich, wie gut mir Danken tut. Egal, wie ich mich gerade fühle, wie stressig die Zeit ist oder wie gut oder auch wie blöd es im Job läuft.

Selbst in einer Zeit, die mit viel Trauer und Verlust verbunden war, stellt sich das kleine Gefühl des Dankes ein. Wenn ich sehe, wie mein Leben bisher verlief, wenn ich schaue, was es in meinem Leben alles gibt, wofür ich dankbar sein kann, fühlt sich mein Herz ganz warm an.
Dieses Gefühl der Dankbarkeit kann entstehen, weil ich auf mich und mein Leben schaue - ungeachtet dessen, was andere haben oder können.   Wenn ich an meine Freunde und meine Familie denke – an das Leben das mich umgibt – dafür bin ich dankbar.

Auch der bewusste Blick an Erntedank auf das zurückliegende Jahr, auf die Ernte des Jahres, auf das was ich erlebt und auch durchlebt habe, was ich überstanden und genossen habe - der Blick auf die Ernte des Jahres schafft Gelassenheit, genährt aus dem warmen Gefühl des Dankens.

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29SEP2023
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Dass Sabine und Wolfgang als Paar eine schwierige Zeit durchmachen, konnte man sehen, hören und auch deutlich fühlen. Aber es war eigentlich wie so oft im Freundeskreis – man hat es wahrgenommen, sich zurückgehalten und abgewartet – was sollte man auch tun.

Dann kam dieser eine Abend: Wir sitzen zu sechst zusammen – drei Paare -, essen Fondue. Irgendwann fängt irgendjemand an von früheren Treffen zu erzählen, von gemeinsamen Essen, Umzugsaktionen usw.. Es kommt wie so oft eins zum anderen. Wir schwelgen in Erinnerungen. Ich finde solche Gespräche immer schön – zumal aus den Rückblicken ganz oft auch neue Ideen entstehen, was wir zusammen machen, gestalten oder erleben wollen.

An diesem Abend war es ein bisschen anders. Wir kommen von Stöckchen auf Hölzchen und dann merken wir vier Anderen, dass wir uns eigentlich allein unterhalten. Sabine und Wolfgang haben sich ausgeklinkt, sind in ihr eigenes Gespräch vertieft. Gerade weil wir wissen, dass es ihnen miteinander gerade nicht besonders gut geht, reden wir anderen vier weiter, als wäre nichts. Wir starten keinen Versuch, sie in unser Gespräch miteinzubeziehen.  Der Abend dauert lange. Ist schön. Beim Nachhausegehen sehe ich Wolfgang nach Sabines Hand greifen.

Das war vor vier Jahren. Vor kurzem, – wieder beim Fondue – spreche ich Wolfgang an, als wir beide alleine in der Küche sind. Er erinnert sich auch genau an den Abend. Für ihn war es die Wende in ihrer Ehekrise An diesem Abend hatten er und Sabine plötzlich - durch die vielen guten Erinnerungen, die am Tisch präsent waren – auch wieder einen Blick für ihre gemeinsame Geschichte. Was sie schon alles Schönes gemeinsam erlebt, was sie Schwieriges zusammen durchgestanden haben.

Und es wurde ihnen bewusst, wie wertvoll sie in guten wie in schlechten Zeiten füreinander waren. Dieser gemeinsame Blick zurück hat ihnen die Kraft gegeben für den gemeinsamen Blick nach vorne! Dieser gemeinsame Blick zurück auf alte, bereits gegangene Wege, hat neue Wege eröffnet. Zueinander.

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28SEP2023
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Es schmerzt mich immer noch ein bisschen, wenn ich von Markus und Sandra erzähle. Beides liebenswerte, zugewandte Menschen – ein Traumpaar hatte man gesagt. Nach einigen Jahren waren die Traumkinder gekommen – ein Junge und ein Mädchen. Glückliche Familie. Wie im Film. Und plötzlich – die Trennung. Dann die Scheidung. Rosenkrieg, Sorgerechtsstreit inklusive – auch wie im Film.

Die Freundschaften haben sich sortiert und mein Kontakt mit Markus ist abgebrochen. Ich habe es bedauert. Noch Jahre später hat man bei Sandra die Trauer gespürt und die Frage nach dem „Warum“. Sie hat öfter gesagt: „Und plötzlich war die Hoffnung weg – es war hoffnungslos.“ Dieser Satz hat sich mir eingeprägt, weil ich damals spüren konnte, dass es wohl diesen einen Moment gab, in dem ihr klar wurde, dass die Ehe gescheitert war. Sie hat dann immer noch weitergesprochen und gesagt: „Es ist einfach keiner mehr auf den Anderen zugegangen.“ Und – hat sie hinzugefügt: „Gehe auf deinen Partner zu – immer – jeder Schritt ist ein Hoffnungsschimmer, egal wie schrecklich der Streit ist“.

Das hat mich berührt. Gänsehaut. Seither denke ich bei Konflikten und Streit oft an dieses Gespräch mit Sandra. Sicher hat Sie nicht gemeint, dass man bei jedem Streit nachgeben und zurückstecken soll   – das wäre zu einfach und glaube ich auch falsch.

Nein, bei allem Streit und Ärger, sich vielleicht eine Auszeit nehmen – fünf Minuten oder auch einen Tag - Abstand gewinnen und dann aber immer wieder einen Schritt ins Gespräch machen – sich nicht verschließen - das ist ein Hoffnungsschimmer. Ich denke dann auch an die Welt an das große Miteinander. Jeden Schritt, den man auf einen anderen Menschen zum Gespräch macht – ist ein Hoffnungsschimmer für die Welt.

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27SEP2023
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Die ersten Blätter sind gelb und rot gefärbt. Nicht nur in den Wäldern, auch an den Rebstöcken ist der Herbst besonders schön und eindrücklich. Da kann man die Fülle und das Glück des Herbstes voll empfinden. Es riecht ein wenig erdig und nach der Trockenheit des Sommers ist nun die Feuchtigkeit da. Obst, Gemüse, Wein duften, sind erntereif oder schon in den Keller und den Kühlhäusern gelagert.

Abends genieße ich momentan gerne die letzten Sonnenstrahlen des Tages mit einem Glas in der Hand. Beim Anblick des roten Sonnenuntergang am Horizont lasse ich die Gedanken schweifen und bewundere Gottes wundervolle Schöpfung. So oder so ähnlich sieht der perfekte Herbsttag für mich aus.

So oder so ähnlich finde ich – sollte auch der Herbst des Lebens sein. Die Früchte sind gewachsen und reif, die Ernte wird eingebracht und eingelagert zur Nutzung und zum Genuss. Nichts mehr müssen aber vieles können. Das ist für mich der Herbst des Lebens.

So sieht mein Freund Thomas das auch: Von turbulenten Zeiten in Familie und im Beruf kann er berichten – von Erfolgen aber auch von Niederlagen. Aber jetzt im Herbst des Lebens, sagt er: „Weißt du, ich weiß was ich kann und auch, was ich nicht kann. Ich sehe, was ich Gutes erreicht habe und lebe mit dem, was nicht gelungen ist. Ich muss mich nicht mehr beweisen oder messen nur um des Wettbewerbs, des Vergleichs willen.

Ich will das, was ich kann, sinnvoll einsetzen, will die Welt noch gestalten. Meine kleine Welt. Mit meinen Gaben. Und dabei meine Schwächen, die ich inzwischen ja auch gut kenne - vermeiden. Ich habe vieles in meinem Leben gelernt, so manchen Rückschlag eingesteckt, aber auch vieles erreicht. Nun darf ich die Ernte einfahren. Muss eigentlich nichts mehr, kann aber vieles. Das ist ein schönes, ein gutes Gefühl.“

Nichts mehr müssen aber vieles können. Das ist eine schöne Vorstellung vom Herbst des Lebens.

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26SEP2023
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„Das Evangelium der Aale“ -dieses Buch von Patrick Svensson habe ich im Urlaub gelesen.  Und ich war erstaunt, was man so alles über und von Aalen lernen kann. Wie sehr sich das Leben, der allgemeine Lauf der Dinge, im Lebenszyklus der Aale abbildet. Bis hin zur Auferstehung toter oder tot geglaubter Aale.

Wahnsinn. Welch ein Werden und Entstehen und Vergehen… Aale treffen sich, wenn sie geschlechtsreif sind, in der Saragossasee, einem Meeresgebiet östlich von Florida. Dort laichen sie ab, vermehren sich unter uns noch unbekannten Bedingungen und sterben.

Aale können sehr lange ohne Wasser leben, manchmal findet man sie wie tot an Land. Wieder ins Wasser gelegt, treiben sie zuerst mit dem Bauch nach oben im Wasser, bevor dann oft wieder Leben in den Aalkörper einzieht. Beeindruckend und geheimnisvoll. Aber Warum hat der Autor sein Buch „Evangelium“, also gute Nachricht genannt?

Vermutlich nicht nur wegen der „Auferstehung“ der Aale. Für mich gibt es noch eine weitere gute Nachricht in diesem Buch: Seit Jahrtausenden werden die Aale erforscht – schon Aristoteles war Aalforscher – aber ihr Geheimnis konnte man nie ganz lüften und dennoch gibt es Aale auf der Welt.

Insofern haben Aale für mich viel mit uns Menschen gemeinsam. Wir forschen und suchen und entschlüsseln so manches unserer Geheimnisse – allein in der Medizin haben wir im Laufe der Zeit soviel Neues über uns gelernt. Und das Gott sei Dank.

Und trotzdem bleibt der Mensch, bleibt jeder einzelne Mensch immer auch ein Stück ein Geheimnis. Ein Wunder. Die Entstehung und Geburt ist ein Wunder, manches Leben wundervoll oder wundersam und der Tod oft ein Schrecken, aber immer ein Geheimnis. Und die gute Nachricht – das Evangelium - ist:
Wir müssen nicht alles wissen und verstehen und können trotzdem – wunderbar - gut und sinnvoll leben. Wie die Aale, die vermutlich wenig wissen über sich und dennoch sogar auferstehen können.

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25SEP2023
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Auch diesen Sommer war es wieder soweit – wir waren im Urlaub. Die ganze Familie, inklusive aller Kinder – auch wenn die Fliehkräfte wachsen. Die ersten Tage waren - wie immer - Trainingstage für das Miteinander. So nah und so viel Zeit für- und miteinander hat man doch im Alltag selten. Das ist das Schöne am Urlaub – aber auch das Anstrengende. Und trotzdem schwelge ich gerne in den Erinnerungen an unsere gemeinsamen Urlaube. Die Gedanken an die intensive, gemeinsame Zeit wärmen mich.

Mittlerweile bin ich ja längst wieder im Alltag angekommen. Und dabei merke ich, dass die Erinnerungen noch einmal ein ganz besonderes Verbundenheitsgefühl auslösen. Gerade auch dann, wenns mal wieder Ärger in der Familie gibt. Dann denke ich erst: Mensch, geht mir das auf den Geist. Aber schon im zweiten Moment wird das Genervt sein abgelöst durch Erinnerungen an gemeinsame, wohltuende Erlebnisse, durch ein Gefühl von Verbundenheit und Nähe, das noch gesteigert wird, wenn wir zusammensitzen und uns gemeinsam erinnern.

Deshalb sind mir diese Zeiten, gemeinsame Urlaube oder auch nur gemeinsame Abende so wichtig: Ich genieße nicht nur die aktuelle gemeinsame Zeit, nein ich schaffe mir damit einen Vorrat an Verbundenheit für schwierige Zeiten.

In der Familie. Aber auch bei Freundschaften. Gemeinsam erlebte Zeit, Erlebnisse, an die man sich zusammen erinnern kann schaffen ein Gemeinschaftsgefühl – noch weit über den Moment hinaus. Das wärmt und das tut einfach gut.

Je mehr man von solchen Erinnerungen hat, desto mehr kann man auch später noch daraus Kraft schöpfen. Deshalb mache ich das jetzt öfter mal ganz bewusst: Gemeinsame Erinnerungen schaffen.

Mit Freunden und Familie – aber auch mit Kollegen, sei es indem wir zusammen essen oder auch wandern gehen. Und ich freue mich jetzt schon darauf, dass wir uns dann irgendwann gemeinsam erinnern können.

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