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30APR2024
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Seit drei Wochen bin ich einprogrammiert. In die Kaffeemaschine meiner Freunde Birgit und Thomas in Mainz. Wir kennen uns seit über 40 Jahren. Im Urlaub war ich ein paar Tage bei ihnen. Bei ihrer Kaffeemaschine kann man individuell einstellen, wie der Kaffee sein soll, welche Kaffeeart, wie stark und wie viel pro Tasse. Beim Frühstück hat Thomas gesagt: „Ich habe Deinen Kaffee einprogrammiert. Beim nächsten Mal brauchst Du nur auf ‚Christoph‘ zu drücken.“ Darüber habe ich mich sehr gefreut. Nicht nur, weil das ganz praktisch ist. Sondern vor allem über das, was es ausdrückt: Meine Freunde rechnen mit mir; sie hoffen, dass ich bald wiederkomme. Beim Abschied hat Birgit gesagt: „Wir können Dir gerne einen Hausschlüssel geben, dann kannst Du Dir einen Kaffee bei uns machen, wenn Du wieder in Mainz bist und wir nicht da sind.“ Das ist wirklich ein starkes Zeichen für echte Freundschaft!

Tiefe Freundschaften sind mit das Schönste im Leben! Ich bin glücklich, dass ich im Laufe meiner 68 Lebensjahre einige Freundinnen und Freunde gewonnen habe. So erlebe ich diese Freundschaften: Wir kennen einander sehr gut. Der eine fühlt sich vom anderen voll und ganz verstanden und akzeptiert. Wir können einander vertrauen. Deshalb kann ich bei diesen Freunden auch ganz so sein, wie ich bin – ich brauche keine Angst zu haben, dass ich missverstanden oder abgelehnt werde. Ich spüre so etwas wie Seelenverwandtschaft. Wir können uns offen austauschen über das, was wir erlebt haben, was uns innerlich bewegt. Wir können unsere Freuden, Sorgen und Nöte miteinander teilen. Allein schon die Erfahrung, dass meine Freunde mir herzlich verbunden sind, dass sie an mich denken und innerlich mit mir durchs Leben gehen, das ist wie ein Lebenselixier!

Diese Freundschaften bedeuten wir sehr viel. Sie haben mich geprägt. Ohne sie wäre ich nicht der, der ich bin. Und irgendwann ist mir aufgegangen: In diesen dichten menschlichen Beziehungen erlebe ich vieles, was auch für mein Verhalten den anderen Mitmenschen gegenüber wichtig ist. Freundschaften sind ein wunderbares Lernfeld; sie sind ein Biotop von gutem Zusammenleben. Ich hoffe, dass Sie das auch so erfahren dürfen.

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29APR2024
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Großeltern sein ist etwas Wunderbares. Ich bekomme immer wieder mit, wie viel Schönes Omas und Opas mit ihren Enkelkindern erleben – und wie die Enkel die Großeltern auch jung halten. Ein begeisterter Opa hat mir vor ein paar Tagen mit leuchtenden Augen erzählt, was er gerade mit seinem Enkel Toni erlebt hat.

Der Opa ist abends mit dem vierjährigen Toni durch Speyer gegangen. Und plötzlich hat Toni auf den Dom gezeigt und gesagt: „Opa, in die Kirche gehen!“ Der Dom war aber schon zu. Doch Toni hat nicht lockergelassen. Am nächsten Morgen hat er den Opa gleich gefragt, ob sie jetzt in die Kirche gehen. „Ja, wenn wir die Brötchen holen“ hat der Opa gesagt. Und dann hat Toni zielstrebig zum Dom gedrängt. Schon vor dem Hauptportal hat der Kleine seine Hände gefaltet. So ist er mit dem Opa durch den ganzen Dom gegangen, durch den Mittelgang zum Altar, dann runter in die Krypta, dann zum Kerzenständer: „Opa, eine Kerze anzünden!“ Während der ganzen Zeit im Dom hat er seine gefalteten Hände regelrecht vor sich hergetragen. Der Opa war ganz gerührt über diese Geste seines Enkels.

Kinder haben für Vieles ein natürliches Gespür. Und Toni hat offensichtlich gespürt, was der Dom ihm vermitteln möchte. Hat geahnt, dass in der Kirche etwas Anderes, Größeres erlebbar ist als draußen auf der Straße. Der hohe Raum mit den Gewölben ist ein Sinnbild für den Schutz und den Beistand, den Gott uns gibt. Dass er Licht in unser Leben bringt, das deuten die großen Fenster und die Osterkerze an, die den Dom hell machen. Und die Ruhe im Dom trägt dazu bei, dass die kleinen und großen Besucherinnen und Besucher ein wenig zu sich selbst kommen, zu innerer Ruhe finden. Offen werden für diese tiefere Dimension des Lebens, die der Dom widerspiegelt.

Das kann man auch in anderen schönen Kirchen spüren. Mich wundert nicht, dass viele Menschen gerade im Urlaub gerne in eine Kirche gehen und dort eine Zeitlang verweilen. Das tut der Seele gut. Ein schöner Kirchenraum lässt uns spüren, dass eine größere Wirklichkeit uns umfängt und trägt; dass wir in Gott geborgen sind. Der kleine Toni hat das offenbar wahrgenommen und deshalb seine Hände gefaltet. Vielleicht war diese Geste auch wie ein kleines Gebet darum, dass dieser gute Gott ihm – und dem Opa - weiter beistehen möge.

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27APR2024
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Eigentümlich ruhig ist es, als ich den großen Raum betrete. Es ist ein Kirchenraum mit hohem Deckengewölbe. Es stehen keine Bänke drin, sondern Stühle in mehreren Reihen im Halbkreis. Holzfußboden. Die Stühle sind fast alle besetzt, bestimmt 150 Leute. Man hört die Stühle auf dem Holzfußboden, man hört Geräusche, die Menschen machen, wenn sie nicht sprechen. Räuspern. Atmen. Kichern.

Lars, ein Freund, hat mich eingeladen, er steht auf, winkt mir. Ich bahne mir einen Weg durch die Stuhlreihen. Manchen lege ich meine Hand vorsichtig auf die Schulter, dass sie kurz rücken.

Es ist noch ein anderes Geräusch im Raum: Das Geräusch von Fingern und Händen, die gestikulieren, von Stoff und Schuhen auf dem Boden.

Alle, die hier sind, sind gehörlos. Sie hören mich nicht kommen, machen nicht automatisch Platz. Instinktiv spreche ich nicht. Ich mache vorsichtig mit meinen Händen auf mich aufmerksam, will mich nicht einfach durchdrängeln.

Ich setze mich neben Lars auf einen Stuhl. Als der Pfarrer hereinkommt, winkt er und alle heben die Arme zum Gruß.

Ich kann keine Gebärdensprache und außer mir sind noch ein paar andere Leute da, die hören. Der Pfarrer gebärdet, formt Worte mit dem Mund und uns zuliebe spricht er sie auch laut aus. Mitten im Gottesdienst wünschte ich, dass er die Worte einfach sein lässt. Und darauf vertraut, dass wir die Gebärden verstehen. Oder besser: Dass etwas bei uns ankommt. Von der Bewegung. Den Gebärden. Der Atmosphäre, all das spricht so viel mehr, dass die gesprochenen Worte eher ablenken oder zu sehr festlegen.

Heute ist Samstag und am liebsten würde ich am Ende dieser Woche, in der mich die Worte so beschäftigt haben, still sein. Aber Radio lebt eben davon, dass gesprochen wird. Oder dass Musik gespielt wird. Worte, sie sind ein Segen. Sie haben ihre Orte, an denen sie unabdingbar sind. Und gleichzeitig haben die Worte so viele Geschwister: Gebärden, Seufzen, Schnauben, Singen, Räuspern. Und die Stille.

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26APR2024
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Manchmal ist es so eine Sache mit den Worten. Wenn in einer Klasse zum Beispiel 18 Mädchen und 5 Jungs sind, und der Lehrer sie alle mit „Liebe Schülerinnen anspricht, sind dann die Jungs mitgemeint?

Nein, sagen die einen. Und meinen, dass Schüler die korrekte Bezeichnung ist. Und „Schülerinnen“ ist die explizit weibliche Form, die nur für Mädchen passt.

Ja, sagen die anderen, denn in vielen Formulierungen sind Mädchen und Frauen mitgemeint, obwohl nur männliche Formulierungen gewählt werden.

Je mehr Menschen wichtig wird, dass Sprache präziser, diverser wird, desto mehr Streit gibt es darüber. Und da brauche ich das Gendersternchen noch gar nicht zu erwähnen. Sprache ist eben nicht nur ein Hilfsmittel, sondern es ist eine Ausdrucksform, eine Herzenssache. Sie verbindet. Aber sie verschweigt auch.

Ich spreche eine Frau an, die sich in einer Runde vorgestellt hat mit „Ich bin Rechtsanwalt.“ Ich spreche sie an, denn mir selbst käme tatsächlich nicht in den Sinn, mich vorzustellen mit „Ich bin Pfarrer“. Und das ist für mich gar nicht ideologisch, sondern längst einfach in Fleisch und Blut übergegangen.

Sie sagt: „Ich merke, dass es in meiner Branche immer noch so ist, dass Rechtsanwälte mehr zählen als Rechtsanwältinnen. Vielleicht war das aber auch vor allem in der Zeit so, in der ich angefangen hab. Und es ist eben noch sehr in mir drin, dass ich mithalten muss. Dass ich beweisen muss, dass ich ein guter Rechtsanwalt bin. Obwohl ich eine Frau bin.“ Ich ahne, was sie meint.

Frauen und Männer haben sich dafür eingesetzt - und tun es noch -, dass sie in Berufen gleichberechtigt angesehen sind und übrigens auch gleichberechtigt bezahlt. Und genau deshalb ist wichtig, dass man die Rechtsanwältinnen und die Dachdeckerinnen, auch die Erzieher und Altenpfleger hört, wenn wir sie nennen.

Die Schöpfungsgeschichte in der Bibel berichtet von Adam. Gott bringt alles zu ihm, um zu sehen, wie er’s nennt. Und so soll es heißen. Ich mag die Vorstellung sehr, dass wir Menschen Verantwortung dafür haben, präzise, schöne Worte zu finden.

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25APR2024
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Da gibt es einen, der kann wunderbar vorlesen. Am liebsten und am besten seiner Tochter. Er liebt Bücher. Mo heißt er, eigentlich Mortimer. Und er ist eine der Hauptfiguren im Buch „Tintenherz“ von Cornelia Funke. Mo liest seiner Tochter Meggy Geschichten vor. Er liebt Wörter. „Dass Worte etwas bewirken, dass sie jemanden in Bewegung setzen oder aufhalten, zum Lachen oder zum Weinen bringen konnten: Schon als Kind hatte er das rätselhaft gefunden, und es hatte nie aufgehört, ihn zu beeindrucken. Wie machten die Worte das?“

Mo hat ein besonderes Talent. Er kann Menschen, denen er vorliest, in die Geschichten hineinlesen. Also, sie tauchen nicht nur in Gedanken ein, sondern sie wechseln tatsächlich den Ort und erleben die Abenteuer in der Geschichte mit. Mo hat seine Frau, Meggys Mutter, ins Buch hineingelesen. Aber sie kam nicht zurück. Und es beginnt die aufregende und abenteuerliche Suche nach ihr im Buch von Cornelia Funke.

Dass Worte etwas bewirken, Menschen in Bewegung setzen, zum Lachen oder zum Weinen bringen - das ist das große Talent der Worte. Und: Das ist ihre große Gefahr, denn ebenso können sie verletzen, hindern, klein machen und zum Schweigen bringen. Wie machten die Worte das?, fragt sich Mo. Und nachdem er einmal erlebt hat, dass seine Worte so viel Kraft haben, dass seine Frau verschwindet, ist er vorsichtiger.

Wir alle sind geübt im Umgang mit Worten. Wir wissen, wie sehr Geplapper nerven kann und wie tief gute Worte treffen können. Ich sehe Seniorinnen und Senioren, die fasziniert sind, wenn sie einer Alexa zurufen: „Spiel die Beatles!“ und hören dann tatsächlich „Let it be“.

Es ist kein Wunder, dass sich Menschen vorgestellt haben, alles müsse mit einem Wort angefangen haben. Mit einem Wort von Gott, denn wer sonst sollte ein erstes Wort gesprochen haben: Es werde! Zwei Worte, im Hebräischen nur ein Wort: Jehi! Es werde. Und es wurde.
Und dann hat Gott uns hineingelesen in die große Geschichte Leben.

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24APR2024
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Es gehört zu den kürzesten Worten und wird heute in vielen Standesämtern, auch in Kirchen gesprochen: Ja. Zwei Buchstaben, ein Versprechen.

Heute ist der 24.04.2024 und der Tag wird wie andere dieser Art von Vielen zum Ja-Sagen gewählt. Es gibt mehr Buchungen bei Standesämtern als an anderen Mittwochen und in vielen evangelischen Kirchen finden heute Trauungen statt. Pfarrerinnen und Pfarrer laden heute bewusst Menschen ein, die ohne die ganz große Feier, ohne viel Drumherum einfach Ja sagen möchten. Sie öffnen dafür ihre Kirchen und Kirchgärten und tun, was wir immer tun: Wir sprechen ein „Amen“ auf das „Ja“ von zwei Menschen. An einem Mittwoch, dem 24.04.24.

Eva, sie ist Mitte 60, wird heute Nachmittag zusammen mit Thomas in eine Kirche kommen. Es war geplant, dass sie jeweils selbst ein Versprechen formulieren und sprechen. Ein paar Tage vorher hat Eva dann der Pfarrerin, die sie trauen wird, gemailt:

Wir finden keine Worte. Ach, wir finden zu viele Worte. Wir verlieren uns, uns fällt immer noch was Wichtigeres ein, was wir dem anderen sagen möchten. Und wissen doch beide, nach all diesem Leben, dass es nicht die Menge an Worten ist. Eigentlich ist’s für uns schon viel, dass wir uns überhaupt trauen, uns dieses Versprechen zu geben, dass wir füreinander gut sein wollen. Obwohl wir ganz genau wissen, dass wir uns auch wehtun werden.

Können wir’s so machen“, so endet die Mail, „dass Sie einfach fragen und wir antworten: Ja?“

Manchmal, wenn es sehr wichtig ist im Leben, dann ist es gut, wenn wir einfach gefragt werden. Und nur antworten müssen. Nicht selbst Worte finden. Nicht an Worten verzweifeln, die nicht ausreichen. Nicht eitel werden an Worten, die mir allzu gut gefallen.

Heute Nachmittag werden die beiden – so wie viele andere – antworten: Ja.
Und bei Trauungen in den Kirchen und Kirchgärten werden die Menschen antworten: Ja, mit Gottes Hilfe. Weil wir für die wirklich großen Versprechen noch mehr brauchen als das, was Menschen versprechen können.

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23APR2024
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Es ist schon ein paar Jahre her, da wurde das schönste deutsche Wort gesucht. Es gab viele Einsendungen mit ganz normalen und ganz besonderen Worten. Viele Vorschläge sind von Leuten gekommen, für die Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Teresa aus Spanien sagt zum Beispiel: „Fernweh ist für mich das schönste deutsche Wort, denn es erklärt den Schmerz, den man manchmal fühlt und für den es kein spanisches Wort gibt.“

„Fernweh“ kennen nur wenige Sprachen, trotzdem ist es vielen Menschen bekannt. Und es überkommt uns, wenn wir an einem Bahnsteig stehen – ganz unvermittelt, selbst wenn an der Anzeigetafel nur Koblenz-Hauptbahnhof steht. Erst recht in der Abflughalle eines Flughafens, besonders dann, wenn wir nur dort sind, um jemand abzuholen.

Fernweh haben vielleicht nur Menschen, die ein Zuhause haben. Und wir sollten es auf keinen Fall verwechseln mit dem inneren und äußeren Druck, den Menschen empfinden, die ihre Heimat unter widrigen Bedingungen verlassen.

Wenn ich die Vorschläge für das „schönste deutsche Wort“ all derjenigen lese, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben, dann werde ich klüger und muss auch schmunzeln: Doppelhaushälfte ist auch dabei. So ein Wort muss einem erstmal einfallen! Da wird ein Haus verdoppelt, um dann einen korrekten Begriff für das halbe Haus zu finden…

Sprache, Worte, sie sorgen dafür, dass wir uns verstehen, dass wir uns von dem erzählen können, was uns wirklich wichtig ist. Sogar diese komischen Empfindungen in Worte fassen, wenn wir Flugzeuge starten sehen.

Als Menschen angefangen haben aufzuschreiben, wie die Welt und die Menschen entstanden sind, da haben sie sich vorgestellt, dass Gott den Menschen bittet, allen Pflanzen und Tieren ihren Namen, besser: ihr Wort, zu geben. Sie zu bezeichnen.

„Fernweh“ hat übrigens diesen Wettbewerb um das schönste deutsche Wort nicht gewonnen. Doppelhaushälfte auch nicht. Sondern „Habseligkeiten“. Auch eins von diesen wunderbaren Worten, die die wir uns ausgedacht haben, um uns die Welt zu erschließen.

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22APR2024
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Es ist Montag und der hat ja bei manchen ein schlechtes Image. Außer vielleicht bei Friseurinnen und Friseuren. Die haben frei. Was aber auch nicht mehr für alle stimmt.

Jana mag Montage. Sie ist Busfahrerin, ihre Tour geht montags morgens um 6.20 Uhr los. Sie findet, der Montag verdient mehr Aufmerksamkeit als die anderen Tage. „Guten Montag“, sagt sie deshalb statt, „guten Morgen“. Manche, die einsteigen, verziehen das Gesicht. Sie denken wahrscheinlich daran, wie lang es noch bis zum nächsten Wochenende dauert.

Ängstlich gucken diejenigen, denen in dieser Woche schweres bevorsteht. Montags, wenn die Woche anbricht, wirkt es so als würde die ganze Last der Woche auf einmal anstehen. „Guten Montag!“, ruft Jana deshalb nicht mit einem Grinsen, sondern ganz neutral. Jana weiß, dass Montage auch schwer sein können.

Sie mag die Schulkinder, vor allem die Kleinen, die sich montags immer am allermeisten zu erzählen haben.

Jana mag auch den Mann mit der Mütze. Er fährt nur manchmal montags mit. „Guten Montag“, sagt sie während er seine Karte rauskramt. Und er schaut hoch, als sei sie seit Freitag der erste Mensch, der mit ihm spricht. Vielleicht ist’s ja auch so. Für manche ist der Montag ein Segen. Sie alle sitzen montags so zusammen im Bus.

Vor langer Zeit haben Menschen aufgeschrieben, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen hat. Irgendwann musste es angefangen haben mit der Welt. Und mit Gott. Vielleicht hatte der erste Tag damals auch schon so ein schlechtes Image. Weil wir Menschen immer ein bisschen Angst haben, wie wir alles schaffen sollen.

In der Bibel geht am ersten Tag alles mit zwei Wörtern los: Es werde.
Zwei Wörter, die der Startschuss sind für ein ganzes Gewusel an Stimmen, Ihre, meine, eben alle Stimmen. Stimmen, die sich austauschen, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Zwei Wörter, die das Chaos am Anfang der Welt ordnen. Und am Anfang der Woche wohl auch.

„Guten Montag!“, sagt Jana, die Busfahrerin. Und nimmt dem Montag ein bisschen von seinem schlechten Image. Was zwei Wörter alles können.

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20APR2024
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Mitten in der vielfältigen Kirchenkrise ermutigt mich, wie Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern umgeht. Er ruft seine zwölf engsten Freunde zusammen und sagt ihnen: Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!

Hier mutet Jesus seinen Anhängern eine Menge zu – Kranke heilen, sogar Tote auferwecken. Wunderbare Heilungen waren zur Zeit Jesu nicht so außergewöhnlich wie sie uns heute erscheinen. Sie waren jedoch einzelnen Wundertätern vorbehalten. Jesus aber beauftragt gleich eine ganze Jüngerschar. Und er mutet ihnen das nicht nur zu, er traut es ihnen auch zu. Er verleiht ihnen dazu seine Vollmacht. Er hütet seine Sendung und Vollmacht nicht ängstlich wie ein Magier sein Geheimwissen oder ein Zauberkünstler seine Tricks. Sondern er gibt sie weiter an seine Jünger. Er beteiligt sie aktiv an seinem großen Heilswerk. Das ist überraschend, wenn nicht ein Wunder. Und ein weiteres Wunder ist: Die Jünger machen mit. Sie sind Fischer, Steuereinnehmer und anderes, aber keine Mediziner oder Wunderheiler. Keiner sagt, tut mir leid, wie man mit Netzen und Steuern umgeht, das weiß ich, aber für’s Medizinerhandwerk habe ich zwei linke Hände. Sie vertrauen auf Jesus, auf die ihnen verliehene Kraft – und legen los. Und später wird Jesus noch viel mehr Menschen aus seiner Anhängerschaft beauftragen und so seinem Werk Breite und Wirkung verleihen.

So schickt Jesus voller Vertrauen seine Leute los: Er mutet ihnen etwas zu, aber er traut es ihnen auch zu. Er gibt ihnen reichlich von seinem eigenen Vermögen, seiner eigenen Vollmacht. Und er grübelt nicht, ob die Frauen und Männer wohl genug wissen und können, um dem Auftrag gerecht zu werden.

Ich finde das ungeheuer ermutigend für jede und jeden, die heute versuchen, an dem Werk Jesu mitzuarbeiten. Aller Schuld, allem Zweifel, allem Versagen zum Trotz dürfen Christinnen und Christen auf diesen Auftrag vertrauen. Weil Jesus es ihnen zutraut.

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19APR2024
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Worte können verletzen, ja regelrecht vernichten. Anfeindungen und Drohungen in den sozialen Netzwerken, Kränkungen und Beleidigungen perlen nicht einfach ab. Sie machen Angst und verwunden. Ehrenamtliche geben ihr Engagement auf, Kommunalpolitiker ihr Amt, weil sie den Shitstorm, die Anfeindungen gegen sich und ihre Familien nicht mehr ertragen. Dabei hat die Anonymität eine besondere Bedeutung: Sie erleichtert hinterhältige Gemeinheiten und erschwert die Gegenwehr.

Das Problem ist nicht neu, es existiert nicht erst mit dem Internet. Die Bibel ist voller Klagen über Verleumdung, Spott und üble Nachrede. Zunge und Mund, aus denen die verletzenden Worte kommen, werden als scharfes Messer, als Schwert und spitze Pfeile bezeichnet, die schlimmstenfalls töten können. Kein Wunder, dass viele Beter sich an Gott wenden und um Schutz bitten vor übler Nachrede und Beschimpfung.

Die Bibel schaut aber auch auf die Spötter, Lügner und Verleumder und was ihre hasserfüllten Reden mit ihnen selbst anstellen. Wer hasst, schadet nicht nur seinem Opfer, er verdirbt sich selbst, bringt sich selbst in Schwierigkeiten. Denn Hass ist wie ein seelischer Krebs, er verzehrt den Hassenden von innen, bringt ihn um gute Tage und verdunkelt sein Leben. Ganz anders, wer sich von Verleumdung und Lüge fernhält. Den vergleicht die Bibel mit einem lebendigen Baum, der ans Wasser gepflanzt keinen Mangel leidet, sondern Blätter treibt und Früchte bringt. Einfach mal den Mund halten und Ärger oder Wut nicht in die Tasten hacken – dann geht es einem vielleicht selbst besser.

Das hilft aber nicht denen, für die Hassreden im Netz ein Weg sind, sich selbst aufzuwerten, sich wichtig zu machen. Denn durch Schweigen und Selbstbeherrschung fällt man im Netz nicht auf. Hier macht die Bibel einen anderen Vorschlag: Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen, verschaffe dem Bedürftigen und Armen sein Recht. Auch mit dem Einsatz für andere kann ich mir Gewicht verschaffen und Bedeutung – ohne dass es mich innerlich zerfrisst.

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