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01MAI2024
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In Bamberg, ganz in der Nähe vom Dom, hängt ein kleiner gelber Briefkasten der Post. Er wird jeden Tag um 14:45 Uhr geleert. Auf die Klappe, durch die man seine Briefe einwerfen kann, hat jemand mit dickem Filzstift zwei Worte geschrieben: „nur Liebesbriefe“.

Ich finde das eine wunderbare Idee. Wie wäre es denn, wenn in alle unsere Briefkästen tatsächlich nur Liebesbriefe eingeworfen würden? Keine Rechnungen. Keine Mahnungen an Menschen, die ihre Kosten nicht bezahlen können, weil das Geld nicht reicht. Keine Abschiedsbriefe, die anderen das Herz brechen. Keine Briefe voller Hass und Ablehnung und böser Worte. Wie wäre es, wenn es verboten wäre, das alles in den Briefkasten zu werfen. Nur Liebesbriefe. Dann wäre diese Welt wohl ein bisschen besser. Es gäbe weniger Angst, weniger Leid, weniger gebrochene Herzen, weniger Hass. Weniger verletzte Menschen. Leider ist das nur ein unrealistischer Traum und ganz bestimmt werden auch in diesen Briefkasten in Bamberg viele Briefe eingeworfen, die keine Liebesbotschaft vermitteln. Aber eigentlich ist das schade.

Doch der Gedanke lässt mich trotzdem nicht los. Wir müssen ja nicht gleich Liebesbriefe schreiben. Aber wie wäre es denn, wenn wir mehr darauf achten würden, wie wir unsere Briefe und Nachrichten formulieren. Der Ton macht doch die Musik. Wie wäre es, wenn eine Rechnung oder Mahnung mit einem Angebot zur Hilfe verbunden wäre. Oder eine Kritik gleichzeitig auch Verständnis zeigt für den anderen Menschen. Wie wäre es, wenn wir in unseren Briefen und Nachrichten darauf achten würden, keine verletzten Worte zu benutzen, auch dann, wenn uns der andere Mensch geärgert und verletzt hat. Ich muss dabei an Jesus denken, der einmal gesagt hat: „Segnet die, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen“ (Lk.6,28) Rechnungen, Mahnungen, Abschiede und Streit wird es immer geben. Doch selbst, wenn es mir schwer fällt, ich kann anderen Menschen auch in schwierigen Situationen gute und freundliche Worte sagen und schreiben. Denn der Ton macht die Musik.

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30APR2024
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Ich habe neulich den Prospekt eines Wellness-Hotels aus Österreich aus meinem Briefkasten gefischt. Da verspricht das Hotel himmlische Momente zwischen Bergen und Seen. Wer für einige Nächte ein Zimmer bucht, der darf sich auf eine Sauna und ein Dampfbad freuen und sich mit Speisen aus einer exquisiten Küche verwöhnen lassen. Aber ich habe festgestellt, dass ich gar nicht nach Österreich reisen muss, um himmlische Momente zu erleben. Es geht auch einfacher und kleiner. In einem anderen Prospekt bietet eine Schokoladenmanufaktur Pralinen an, die ebenfalls himmlische Momente versprechen. Mich hat das nachdenklich gemacht. Was sind eigentlich „himmlische Momente“ und gibt es so etwas auch in meinem Leben?

„Himmlische Momente“ haben ja etwas mit dem Himmel zu tun. Mit dem Ort, in dem manchmal Verliebte schweben. Der Himmel ist auch ein Bild für alles Schöne und Gute und Friedliche und für den Ort, wo alle unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt werden. Und der Himmel ist der Ort, von dem wir sagen, dass dort Gott wohnt. Gibt es in meinem Leben Momente, wo ich etwas von diesem Himmel spüre - ein kleines Stück Himmel? Mir fällt dazu schon das ein oder andere ein. Morgens vor dem Haus in der Sonne sitzen mit einem Kaffee in der Hand. Abends ein kühles Bier. Ein Musikstück hören, das tief meine Seele berührt. Eine Szene in einem Film, die mich zu Tränen rührt. Eine Umarmung eines lieben Menschen. Davon würde ich reden, wenn mich jemand nach meinen himmlischen Momenten fragt.

Ich denke, fast jeder Mensch sehnt sich nach solchen Momenten. Die Werbung in meinem Briefkasten zeigt das. Aber ich glaube, wenn wir aufmerksam durch den Tag gehen, dann kann jeder von uns ab und zu solche himmlischen Momente entdecken. Augenblicke, die das eigene Herz berühren und mich dankbar machen. Momente voller Schönheit und tiefem Frieden. Ja, ich glaube, dass Gott es ist, der uns manchmal diese himmlischen Momente schenkt – vielleicht sogar in einem Wellnesshotel oder bei einem Stück Schokolade. Einfach so, weil er sich daran freut, wenn wir solche Momente erleben.

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29APR2024
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Als ich klein war, da war Samstag immer Badetag. Nicht nur in meiner Familie, auch in anderen Familien war das so. Immer samstags wurde die Badewanne eingelassen und dann war Badetag. Nicht etwa am Montag oder am Mittwoch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, unter der Woche ein Vollbad zu nehmen. Das war reiner Luxus und reiner Genuss. Das gab es nur am Samstag. - Samstag war auch Kehrwoche. Da wurde der Hof und die Straße gefegt. Am Sonntag sollte schließlich alles sauber und adrett sein: Der Hof, die Straße und ich auch.

Heute ist das anders. Gebadet wird bei uns auch mal montags oder mittwochs. Und die Nachbarn fegen die Straße, wenn sie gerade Zeit dazu haben. Viele Menschen haben immer noch feste Gewohnheiten, aber sie bestimmen selbst, wann sie was tun. Ich zum Beispiel trinke morgens immer zuerst eine große Tasse Brennnesseltee. Und dann lese ich die Tageszeitung. Sonntags nach dem Gottesdienst gönne ich mir einen Kaffee. Und am Samstag nach Möglichkeit die Sportschau. Solche festen Gewohnheiten brauche ich in meinem Leben. Sie ordnen den Wochenverlauf und das Leben. Sie geben meinem Leben Struktur und Sicherheit.

Auch in meinem Glauben gibt es feste Gewohnheiten. Man kann sie auch als Rituale bezeichnen, also Dinge, die ich immer wieder tue. So lese ich jeden Morgen ein Bibelwort aus dem Losungsbuch. Das stärkt mich für den Tag. Jeden Tag spreche ich auch das Vaterunser. Und Sonntag ist Gottesdienst. Ein Ritual, das ich immer noch mit vielen Menschen teile, die erleben, wie gut ihnen das gemeinsame Singen und Beten tut.

Ich weiß, dass Rituale auch ganz anders aussehen können: Zum Beispiel täglich die Radioandacht hören, meditieren, oder eine Kerze anzünden. Der Glaube aber braucht feste Gewohnheiten und Rituale. Sie geben dem Glauben Halt und Struktur und helfen mir gerade in schweren Zeiten, an Gott festzuhalten. Denn es gibt ja Tage und Wochen, da fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott da ist und es gut mit mir meint. Wenn ich dann nicht solche festen Gewohnheiten hätte, dann könnte es schnell passieren, dass ich meinen Glauben verliere. Feste Gewohnheiten und Rituale schützen darum meinen Glauben und erhalten mir mein Vertrauen zu Gott.

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26APR2024
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Jetzt, im April, starten wieder die Weinwanderungen. In meiner Umgebung wird überall eingeladen, durch die Weinberge zu wandern: am Rhein, an der Ahr oder an der Mosel.

Manchmal begleiten die Winzer selbst diese Wanderungen. Sie erzählen von der anstrengenden Arbeit im Weinberg. In den Steilhängen an Ahr und Mosel bedeutet einen Weinberg zu pflegen Handarbeit!  Und die meisten Winzer arbeiten mit Leidenschaft.

Weinbau gibt es schon seit tausenden von Jahren und auch in der Lebenswelt Jesu waren Traubenernte und Weinherstellung eine bekannte Arbeit.  Und Jesus nimmt das, was er in seiner Umwelt sieht, gerne als Anlass und Gleichnis, um von Gott zu erzählen. So sagt er:

„Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer […]Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ (Joh 15,1.5) 

Menschen, die in Weinlandschaften leben, können das leicht nachvollziehen. Ein Weinstock kann nur Frucht bringen, wenn er kultiviert und beschnitten wird. Der Winzer kümmert sich um jeden einzelnen Weinstock: schaut ihn an, beschneidet ihn, schaut, was ihm zum Wachstum hilft. Braucht er noch Dünger, braucht er mehr Wasser? Gibt es noch Triebe, die nur Kraft kosten, aber keine Frucht tragen? Der Winzer hat all das im Blick. So können sie gut Frucht tragen, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Wie der Winzer auf jeden einzelnen Weinstock schaut, so schaut Gott auf uns. In Jesus Christus dürfen wir etwas von Gottes Liebe und seiner Zuneigung zu uns Menschen erkennen. Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander leben können, um Gottes Willen zu tun. Er sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).

Wenn uns das gelingt, dann sind wir fruchtbare Reben. Und wenn die Weinreben reiche Frucht bringen, dann geht es den Menschen gut, dann gibt es genügend Nahrung für alle. Und Jesus macht es ganz konkret, was es bedeutet, in Verbundenheit mit dem Weinstock zu leben: Liebet einander, wie ich euch geliebt habe!  Das ist ein hoher Anspruch, der sich aber jeden Tag in kleine konkrete Taten umsetzen lässt.

Wenn ich mir das nächste Mal im Weinberg die Rebstöcke anschaue, werde ich einen Moment darüber nachdenken: wie schaue ich die Menschen an, die mir begegnen? Mit meinem kritischen Blick oder mit dem liebevollen Blick Gottes? Als Kinder Gottes sind wir alle miteinander verbunden, wie die Reben mit dem Weinstock. Gut so, oder?

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25APR2024
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Heute Abend treffen wir uns wieder zum meditativen Tanzen. Wir- das sind 8 bis 10 Frauen – alle über 60, manche sind schon verwitwet.

90 Minuten lang tauchen wir ein in die Musik, die uns beim Tanzen begleitet. Die ist ganz unterschiedlich: rockig, traditionell, meditativ oder klassisch.

Meditiatives Tanzen bedeutet, sich der Musik anzuvertrauen und mit den anderen im Kreis in Einklang zu kommen. Gemeinsam nach rechts und links, vorwärts und zurück zu tanzen. Die Schritte sind sehr einfach und doch ist es dem meditativen Tanzen eigen, dass es keine Ablenkung, keine anderen Gedanken zulässt. Man muss ganz im hier und jetzt sein und kann nicht darüber nachdenken, was es zum Abendessen gibt. Sobald ich mir überlege, welchen Tanz ich als nächstes vorschlage, gerate ich aus dem Takt. Das ist das Geheimnis des Tanzes: im Hier und Jetzt sein.

Und das sind alle, die dabei sind. Niemand lässt sich von seinen körperlichen Einschränkungen abhalten. Und gelegentlich kann ich in den Schritten und Bewegungen der Frauen erahnen, wie sie sich als junge Frau vor 40 oder 50 Jahren mit Freude auf der Tanzfläche bewegt haben. Das ist schön und es hebt in diesem Moment alle zeitliche und körperliche Begrenzung auf.

Sich im Tanz zu verlieren, das kann wie ein Gebet sein. Ganz bei sich sein, ganz in diesem Moment sein, es mit Hingabe tun – das ist für mich Gebet.

Diese Erfahrung beschreibt Madeleine Delbrêl, eine Frau, die immer versucht hat, Glauben und Alltag miteinander zu verbinden in einem Gebet so:

„Uns bleibt es überlassen, [… ] fröhliche Menschen zu sein,

die ihr Leben mit dir, tanzen.

Um ein guter Tänzer zu sein,

muss man nicht wissen, wie es weiter geht - mit dir wie anderswo,

Man muss folgen, fröhlich sein, leicht sein,

und vor allem nicht steif sein.

Man darf nicht nach Erklärungen fragen,

in Bezug auf die Schritte, die dir zu tun gefallen.

Man soll nicht um jeden Preis vorwärtskommen wollen,

sondern es annehmen, sich nach links und rechts zu wenden.

[…] Und das wären alles nur sinnlose Schritte,

wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machen würde.“*

Miteinander zu tanzen, sich den Tanzschritten und der Melodie anzuvertrauen, aber auch der Gemeinschaft, das tut jeder von uns gut.

Aus dieser Erfahrung lässt sich Kraft schöpfen und die Hingabe an das Hier und Jetzt, relativiert manchen Ärger und manche Sorge in diesen 90 Minuten. Für mich ist das Tanzen auch eine Gebetserfahrung, eine Ermutigung und eine Stärkung. 

Ich freue mich auf das Tanzen heute – und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie solche Oasen im Alltag finden, in denen sie aufatmen und sich freuen können.

*Madeleine Delbrêl, in: Rita Knöppfler-Parsons, Madeleine Delbrêl. Das Aggiornamento der Demut in ihrem Leben und in ihren Schriften, München 2006, 114-120.

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24APR2024
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An Ostern habe ich gefeiert, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern das Leben. Jesus ist von den Toten auferstanden. Aber davor wird erzählt, wie Jesus seine letzten Tage mit seinen Jüngern verbracht hat. Als sich abzeichnete, dass er sterben wird, waren seine Freunde besorgt und ängstlich, ratlos: Wie soll es ohne Jesus weitergehen?

Jesus gibt ihnen ein sehr tröstliches Bild mit. Er sagt:

„Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.“ (Joh14,1-4).

Jesus nimmt ein Bild, das uns allen sehr vertraut ist und das uns wichtig ist: die eigene Wohnung, das eigene Zuhause. Damit verbinden wir Wohlfühlen und Sicherheit. Jesus sagt uns zu, dass er uns eine Wohnung bei seinem Vater im Himmel vorbereitet. Das heißt: Wenn es soweit ist werden wir dort erwartet!

Und noch mehr: wir müssen den Weg dorthin nicht allein finden, sondern Jesus wird kommen und uns abholen. Das dürfen wir uns sicherlich nicht so vorstellen, dass Jesus uns als Mensch entgegenkommt und uns begleitet. Wenn unser Lebensweg zu Ende ist, kommt er uns als Christus entgegen, der von den Toten auferstanden ist. Dann zeigt er uns den Weg in die himmlischen Wohnungen.

Für mich ist das ein tröstlicher Gedanke, den ich auch Menschen in Trauer oder Menschen am Ende ihres Lebens gerne weitergebe.

Es bedeutet für mich: Ich bin nicht allein, erst recht nicht am Ende des Lebens, wo niemand außer Gott mehr mit mir gehen kann.

Aber ganz so einfach zu glauben ist das nicht. Thomas war einer der Jünger Jesu, der es genau wissen wollte. Und in der Bibel heißt es:

„Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?  Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,5-6)

Wie können wir den Weg kennen? Das ist eine wichtige Frage. Jesus nennt uns drei klare Wegweiser: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Ich bin der Weg - das heißt für mich: Jesus folgen, seinen Worten und seinem Beispiel. Die Wahrheit tun, das heißt auch den Frieden und die Gerechtigkeit suchen. Ich kann mich nicht herausreden wie Pilatus und sagen: Was ist Wahrheit?

Und Jesus ist das Leben. Auf dem Weg mit Jesus bin ich, wenn ich tue, was dem Leben dient.

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23APR2024
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„Das interessiert mich die Bohne!“ – das war das Motto der diesjährigen Fastenzeit. Misereor – das katholische Hilfswerk – hatte dazu eingeladen.  Dazu gab es eine schöne Geschichte.*

„Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine Handvoll Bohnen in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas Schönes erlebte, wenn ihm etwas Freude bereitete oder er einen Glücksmoment empfunden hatte, nahm er eine Bohne aus seiner linken Hosentasche und gab sie in seine rechte. Am Anfang kam das nicht so oft vor. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Bohnen, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Der Duft der frischen Morgenluft, der Gesang der Amsel auf dem Dachfirst, das Lachen seiner Kinder, das nette Gespräch mit einem Nachbarn – immer wanderte eine Bohne von der linken in die rechte Tasche. Bevor er am Abend zu Bett ging, zählte er die Bohnen in seiner rechten Hosentasche. Und bei jeder Bohne konnte er sich an das positive Erlebnis erinnern. Zufrieden und glücklich schlief er ein – auch wenn er nur eine Bohne in seiner rechten Hosentasche hatte.“

Ich habe die Geschichte mit einigen Freunden und Freundinnen geteilt und wir haben uns Bohnen – dicke weiße Bohnen – gekauft und in die Tasche gesteckt.

Und tatsächlich: das Experiment funktionierte. Die Bohnen stärkten meine Aufmerksamkeit für die kleinen Alltäglichkeiten, die mich freuten: ein unerwartetes Lächeln von der Kassiererin im Supermarkt, die Freude, Zeit für einen Spaziergang zu finden, die Entdeckung der ersten Blüten im Garten, all das war auf einmal viel stärker in meinem Bewusstsein.

Den Freunden und Freundinnen ging es ebenso. Wir tauschten uns eine Zeit lang am Abend aus und jeder konnte von einer frohen oder glücklichen „Bohnenerfahrung“ erzählen.

Ich kenne diese Erfahrung auch aus dem „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“. Mit diesem Gebet schaue ich am Abend auf den Tag zurück. Ich nehme wahr, was mich berührt hat: Frohes und Trauriges, Ärgerliches oder Erstaunliches. All diese Gefühle und Erfahrungen darf ich vor Gott tragen und sie ihm anvertrauen. Und ich tue es so, wie ich es einer Freundin erzählen würde: mit einem liebevollen Blick darauf und ohne Selbstanklage. So war mein Tag – so bin ich heute Abend.                    

Ich habe erlebt, dass die Bohnen in meiner Tasche mich noch einmal motiviert haben, besonders aufmerksam zu sein.  

Das hilft mir auch, wenn ich den Eindruck habe, dass es eher ein schlechter Tag war. Aber jeder schlechte Tag hat auch mindestens eine „Bohnenerfahrung“ und wenn mir die eingefallen ist, kann ich den Tag im inneren Frieden beenden.  

 

*https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen-misereor/interessiert-mich-die-bohne

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22APR2024
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Heute Abend beginnt das jüdische Pessachfest. Dieses Fest beginnt am Vorabend – wie wir das von Weihnachten oder manchmal von Geburtstagen kennen. Wir feiern in das Fest hinein!

Das jüdische Pessachfest ist auch für Christen von Bedeutung.  Jesus ist mit seinen Jüngern zum Pessachfest nach Jerusalem gegangen, und ist in dieser Nacht dann verraten worden.

Das Pessachfest wird zuhause gefeiert. Es nicht nur der enge Familienkreis, auch Freunde und Nachbarn werden eingeladen. Wenn dann alle um einen gedeckten Tisch versammelt sind, fragt der Jüngste am Tisch: „Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte?“  Dann wird die Geschichte des Auszugs aus Ägypten vorgelesen. Es wird erzählt, wie schwer es die Israeliten als Sklaven in Ägypten hatten, wie hoffnungslos ihre Situation war. Gott hört die Klage der Israeliten und beruft Mose, einen jungen Mann, sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Und mit Gottes Hilfe verlassen die Israeliten Ägypten. Gott hält seine schützende Hand über sie. Höhepunkt der Erzählung ist der Durchzug durch das Rote Meer.  Das Rote Meer teilt sich, so dass die Israeliten trockenen Fußes hindurchkommen. Sie sind frei! Gott selbst hat sie gerettet und in die Freiheit geführt.

Diese Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer hören wir auch in der Osternacht. In der Osternacht folgt dann die Erzählung, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern von Gott auferweckt wurde. Die Jünger erkennen das am Zeichen des leeren Grabes und in den Begegnungen mit dem auferstanden Jesus.

Jedes Jahr feiern über eine Milliarde Menschen diese beiden Feste. Was sie verbindet? Der Glaube, dass Gott uns befreit von Sklaverei und Tod. Der Glaube an einen Gott, der den Menschen sieht, den Einzelnen, aber auch das ganze Volk.

Und die Zusage Gottes, dass wir in Freiheit leben dürfen, frei von zerstörerischen Strukturen, frei von Unterdrückung.

Mich freut es, dass in unserem Land wieder die Vielfalt des Glaubens sichtbar und gefeiert wird. Juden, Christen, Muslime- uns eint der Glaube an den einen Schöpfergott, der sich der Menschen annimmt. Jede Religion hat ihren eigenen Akzent, und doch sind wir alle verbunden im Glauben an den einen Gott. Jenseits aller Unterschiede ist es wichtig und gut, die Gemeinsamkeiten in unserem Glauben zu sehen, statt die Unterschiede zu betonen.

In diesem Jahr liegen die großen Feste der Religionen nahe zusammen: Der muslimische Ramadan endete erst am 9. April und damit eine Woche nach dem christlichen Osterfest. Heute beginnen die Juden mit ihrem großen Fest, dem Pessach-Fest.

Pessach Sameach – ein frohes Pessachfest wünsche ich allen Menschen jüdischen Glaubens!

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19APR2024
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Ich kann mich ja richtig ärgern, wenn wieder jemand von „Fake-News“ anfängt. Überall gibt es sie jetzt, diese „Fake-News“. In der Politik sowieso, am Stammtisch und im Verein und immer und immer wieder in den sogenannten sozialen Medien. Das Gegenteil davon ist ganz einfach Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit. Warum sagen wir also nicht auf Deutsch, was wir meinen? Wir meinen, dass jemand nicht ehrlich ist, sondern lügt. Wir meinen, dass jemand nicht wahrhaftig ist, sondern verschlagen. Wir meinen, dass jemand nicht verlässlich ist, sondern Gerüchte verbreitet und ein Schwätzer ist.

Wenn ich Menschen frage, was für ihre Eltern in der Erziehung das Wichtigste war, dann sagen fast alle: Ehrlichkeit. Das kommt an erster oder zweiter Stelle: die Ehrlichkeit. Es gibt so gut wie keine Ausnahmen. Ehrlichkeit steht ganz oben.

„Euer Ja soll ein Ja sein. Und euer Nein ein Nein“, das hat schon Jesus so gesagt und das ist ein in unserer Gesellschaft tief verwurzelter christlicher Wert: ehrlich, wahrhaftig, klar und verlässlich soll das sein, was wir sagen und – wegen mir – auch „posten“.

Warum machen wir es dann anders? Oder vielleicht frage ich besser erst einmal mich selbst? Mache ich es denn so, wie es mir die Elterngeneration beigebracht hat? Mache ich es so, wie mein Glaube es mich lehrt? Bevor ich rede und womöglich etwas weitererzähle, weiß ich, dass das auch der Wahrheit entspricht?

Ich weiß doch ganz genau, dass „das Internet“ eine Lügnerin sein kann, eine Schwatzbase, die Gerüchte verbreitet. Ich weiß doch, dass Facebook ein Verführer sein kann, der versucht, mich zu manipulieren mit halben Wahrheiten und gefälschten Bildern. Ich weiß doch, dass nicht alles, was mir per WhatsApp geschickt wird, real ist.

Ehrlichkeit soll für mich ein hoher Wert sein. Ganz weit oben. Ich will keine Lügen verbreiten. Ich will keine Unwahrheiten verbreiten, schon gar nicht über andere Menschen, ob sie meine Nachbarn sind, Politiker oder andere Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Egal. Es gibt niemanden, über den ich Gerüchte verbreiten will. Fake-News? Sind mir auch egal.

Mir geht es um Ehrlichkeit. „Euer Ja soll ein Ja sein. Und euer Nein ein Nein.“ – So habe ich das mal gelernt. So soll es sein.

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18APR2024
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War früher nicht alles besser war als jetzt? – Man kann sich das schon fragen, weil es manchmal so wirkt, als würde sich alles zuspitzen, als gebe es jetzt und plötzlich all das, was es früher nicht gegeben hat: Unser Wohlstand ist in Gefahr, der Krieg scheint in der Nachbarschaft stattzufinden und die Menschen werden immer rauer und bösartiger.

Wie kommt das nur, dass es immer schlimmer wird?
Nun, es kommt gar nicht. Und darauf komme ich, weil ich in der Bibel Sätze gefunden habe, die 3000 Jahre alt sind. Und an denen sehe ich: Die Sorge, dass früher alles besser war, ist nicht besonders originell. Schon in der Bibel steht:

„Sag nicht: ‚Wie kommt es nur, dass früher alles besser war als jetzt?‘, denn ein Weiser fragt nicht so“ (Prediger 7,10).

Schon vor 3.000 Jahren waren manche der Meinung, es würde alles schlimmer und schlimmer! Wenn das wirklich die letzten drei Jahrtausende so gewesen wäre, dann wäre heute einfach nichts mehr von uns übrig! Aber wir leben noch. Und immer wieder hat sich die Menschheit besonnen, haben Kulturen sich verändert. Oder, wie ich es glaube und sage: Immer wieder hat Gott eingegriffen.

Wir sind nicht unbedingt besser geworden. Aber eben auch nicht völlig schlecht.

Mensch bleibt Mensch, so könnte man sagen: Es gibt die Normalen und es gibt auch immer ein paar, die schwierig sind. Es gibt die katastrophalen Auswüchse, Kriege und Diktatur, und es gibt die berührenden Zeichen der Liebe. Es gibt Zeiten, die schwer sind. Und es gibt Zeiten wie die letzten sieben Jahrzehnte, in denen wir in Deutschland zumindest so sicher und im Wohlstand gelebt haben wie nie zuvor in der Geschichte.

Ein Weiser, also jemand mit Lebenserfahrung, könnte fragen: Was ist anders als früher? Und welche Veränderung verschlechtert das Leben? Und schließlich: Was kann ich dafür tun, dass es besser wird?

Ein Beispiel: Ich persönlich denke manchmal, dass wir früher viel verlässlicher waren. Da hat sich etwas verändert. Wer in einem Verein, einer Kirchengemeinde, oder einer Partei engagiert war, hat über einige Jahre Aufgaben übernommen. Heute ist es schwer, jemand zu finden, der sich für mehr als eine kurze Zeit festlegt.

Ja, ich frage mich manchmal, wie es dazu gekommen ist. Da gibt es viele Antworten, aber keine bringt mich weiter. Besser ist die Frage, was ich dagegen tun kann. Auf diese Frage gibt es nämlich eindeutige Antworten.

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