Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

    

SWR2

 

SWR3

  

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

SWR1 Begegnungen

15MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in
Diane Hielscher Copyright: Paula Winkler.

Janine Knoop-Bauer trifft: Diane Hielscher, Autorin, Podcasterin, Journalistin und Hörfunkmoderatorin

Was ist Angst und wie kann ich mit ihr umgehen?

Die 42jährige Podcasterin und Moderatorin lebt heute in einer glücklichen Beziehung. Aber auch sie hat die Erfahrung gemacht, dass Beziehungen scheitern. Deshalb hat sie sich gefragt: was können wir tun, damit wir glücklicher sind als Liebende. Und was hat unser Denken damit zu tun? Die Antworten auf diese Fragen hat sie in ihrem neuen Buch gesammelt. Heute sagt sie: Oft stehen wir uns und der Liebe selbst im Weg, z. B. weil wir Angst haben. Aber was ist Angst denn eigentlich genau?

also Angst ist erstmal eine Energie die uns etwas sagen möchte, die mit uns kommunizieren möchte und im ersten Schritt ist das ja gut, weil wenn wir gar keine Angst hätten, dann würden wir über die Klippe springen und uns vom Tiger fressen lassen.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, denn

Wir können zu Hause in Sicherheit sitzen und sagen: „Was wäre, wenn mich ein Tiger fressen würde? Das wäre ja schrecklich!“, nur um bei diesem Beispiel zu bleiben. Oder wir können uns an Vergangenes erinnern, was uns Angst gemacht hat, und in dem Augenblick, wo wir das mit unserem Gehirn herstellen, die Situation, die schon lange vorbei ist, haben wir wieder die gleiche Biochemie in unserem Körper, also Cortisol zum Beispiel, das Stresshormon. Wir haben genauso Angst wie damals, als es tatsächlich passiert ist. … Das heißt wir Menschen haben dieses Feature, uns in Angst denken zu können.

Für manche Menschen wird dieses feature zu einem dauerhaften Problem. Vor allem dann, wenn die Angst ständig unsere Selbstwahrnehmung sabotiert und wir grundsätzlich schlecht von uns selber denken.

das Schlimmste, was uns Menschen eigentlich im Wege steht, ist diese Angst, nicht genug oder nicht richtig zu sein, und die zerstört eben auch unsere Beziehungen. … kann uns unser ganzes Leben vermasseln, wenn wir einfach die Angst so annehmen und sagen: „Ja, das ist halt so: Ich kann nichts daran ändern, es wird immer so bleiben, ich bin halt ängstlich, ich werde nie meinen Traum leben, ich werde nie eine glückliche Beziehung führen, weil ich bin nicht gut genug.

So entsteht ein tückischer Kreislauf:  Angst führt immer nur zu noch mehr Angst. Mir fällt dazu ein Satz aus der Bibel ein: „Fürchtet Euch nicht!“ heißt es da mehr als einmal. Ich habe mich schon immer gefragt:  Was kann ich denn tun gegen meine Angst? Die lässt sich doch nicht einfach abstellen. Diane Hielscher hat mit vielen Neurowissenschaftlern gesprochen und meint:

jedes Gehirn sieht anders aus, das ist wie beim Fingerabdruck: die Linien sind alle anders, bloß, dass wir unseren Fingerabdruck nicht ändern können, aber unser Gehirn schon. Eben mit dem, womit wir uns jeden Tag beschäftigen. Zum Beispiel gibt es Studien darüber, dass Meditation das Angstzentrum … schrumpfen lässt. Also wir können mit unserem Verhalten dafür sorgen, dass unser Angstzentrum physisch kleiner wird. Das finde ich so faszinierend, dass wir die Macht dazu haben … und dementsprechend, wenn wir mehr meditieren … werden wir in Zukunft dann weniger Angst haben.

So wie wir uns in Angst denken können, so können wir uns auch aus der Angst herausdenken. Meditieren hilft. Beten hilft auch – das ist meine Erfahrung. Weil es die Angstspirale unterbrechen kann. Weil es der Wirklichkeit der Angst die Wirklichkeit des Vertrauens entgegenstellt.

Von der Brauchenden zur Liebenden.

Diane Hielscher ist Radiomoderatorin und Podcasterin und sie ist Liebende. Was genau das für sie bedeutet, macht sie an Übungen deutlich, die sich der amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch ausgedacht hat. Dabei stehen sich zwei Menschen gegenüber und umarmen einander auf unterschiedliche Weise:   

Diese Übung finde ich so toll und metaphorisch, weil wenn wir wie ein A stehen und einer wackelt, weil es ihm schlecht geht, fällt der andere immer mit, und wenn jeder für sich auf seinen Beinen stabil steht, dann kann man den anderen auch mal kurz loslassen metaphorisch, emotional, indem man sagt: du mach mal deins! Du musst jetzt deine Gefühle in den Griff kriegen. Ich bin nicht für deine Gefühle verantwortlich, sondern du für deine, aber ich bin für dich da! Ich stehe hier auf meiner Seite, stabil und fest, und bin da für dich, und ich kann dich auch halten, aber du musst auch auf deinen Beinen stabil und fest stehen.

Es geht in der Liebe also darum, erst einmal mit sich selbst klarzukommen und mit den eigenen Gefühlen. Erst dann werde ich von einer Brauchenden zu einer Liebenden. Diane Hielscher hat viel ausprobiert auf ihrem Weg dahin und gelernt: Es ist gar nicht so leicht, sich den eigenen Gefühlen zu stellen und zu lernen, sich selbst zu lieben. Aber es lohnt sich:

Also ja, es ist schwer, mit seinen Ängsten und Nöten und Sorgen zu sitzen, zu sein einfach und das auszuhalten, aber das ist für mich auch Selbstliebe und ein ganz toller Kompass, seine Intuition und sich selber und seine Werte und so zu finden und dann rauszugehen in die Welt, Dinge zu tun, seinen Traum zu leben. Aber dafür muss man erst mal wissen, wer bin ich, was mache ich und was ist eigentlich mein Traum.

Dabei ist Diane Hielscher wichtig – wir sind unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert. Wir können ein Stückweit selbst entscheiden, was wir fühlen. Ihr hat dabei auch geholfen, sich selbst die richtigen Fragen zu stellen. 

…sich jetzt mal zu fragen, was sind meine Lieblingsgefühle: Da kam bei mir Inspiration und Begeisterung und Freude raus… das heißt, ich kann jetzt ganz konkrete Schritte machen, nachdem ich weiß, was meine Lieblingsgefühle sind, um diese Gefühle in meinem Leben einzuladen und um sie tatsächlich auch zu fühlen. Also das ist gar nicht abstrakt, sondern ganz konkret: Was begeistert mich? Was inspiriert mich? Und das mache ich jeden einzelnen Tag.

Sich selbst Gutes tun – sich selbst lieben - in der christlichen Ethik ist das tatsächlich auch eine Grundvoraussetzung, um für andere da zu sein. Jesus sagt: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Erst wenn ich eine Ahnung davon habe, was das heißt: Selbstliebe, kann ich auch für die anderen gut sorgen. Das ist eine Erfahrung die auch Diane Hielscher gemacht hat. Und sie findet:

deswegen darf ich mir erlauben, glücklich zu sein und voller Begeisterung und Freude, weil ich damit nur die Möglichkeit habe, etwas Gutes in die Welt zu bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35409
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In unserem Haus steht ein Tisch. Schlicht und aus massivem Erlenholz. Der Tisch ist groß und man kann gemütlich zu 6. daran sitzen. Ohne, dass die Ellenbogen aneinanderstoßen. Und wenn man ihn auszieht passen gut zehn Menschen daran.

Der Tisch ist das Zentrum unserer Familie. Hier sitzen wir bei Familienfesten und wenn wir gemeinsam etwas spielen. Hier tagt der Familienrat. Wenn Gäste kommen ist hier unser Platz und bis heute erledigt ein Sohn seine Hausaufgaben hier.

Wenn ich an dem Tisch sitze, dann sehe ich: er hat ganz schön viele Macken. Und jede davon erzählt von unserem Leben. Wenn ich schräg auf die Oberfläche schaue erkenne ich zum Beispiel mehrere große As. Da hat mein Sohn gelernt seinen Namen zu schreiben. Den Bleistift fest in der kleinen Hand und voller Stolz und voller Kraft Buchstaben aufs Papier malend. In der Mitte des Tisches ist ein dunkler Kreis. Etwas verbrannt. Da haben wir nach einem Fest morgens einmal die zu heiße Espressokanne einfach aufs Holz gestellt. Ich weiß noch, dass wir uns nicht geärgert haben, weil alles gerade so schön war. Soviel Leben steckt in dem Tisch. Fast wie ein Tagebuch, das nur die lesen können, die dabei gewesen sind.

Ich glaube so ist es mit mir auch. Auch ich habe Macken und bin nicht mehr ganz neu. Abdrücke von gelebtem Leben: Narben und Falten. Aber auch liebevolle Küsse und Streicheleinheiten haben Ihre Spuren hinterlassen. Spuren, die nur sehen kann, wer dabei gewesen ist. Also ich. Und Gott. Denn davon bin ich überzeugt – Gott hat all das Leben begleitet. Saß oft schon mit an unserem großen Familientisch. Wenn wir gefeiert haben und auch wenn wir gestritten haben. Aber Gott war auch schon dabei als es den Tisch noch gar nicht gab. Als ich selbst noch ein Kind war und an einem anderen Familientisch gesessen habe. Saß mit in der WG und war auch sonst an meiner Seite. Er kann die Spuren lesen, die das Leben auf mir hinterlassen hat. Und ich stelle mir vor, wie er sie anschaut und lächelt. So wie ich, wenn ich an unserem Tisch sitze. Lächelt und denkt: Wie wertvoll das ist – gelebtes Leben. Und wie schön mit allen Macken und Spuren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35376
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Laufen sie einfach mal ein Stück rückwärts! Das rät die Theologin und Clownin Gisela Matthiae. Denn beim Rückwärtslaufen ändert sich die Perspektive. Klingt verrückt, aber manchmal hilft das, die Dinge anders und neu zu bewerten. Ich habe das ausprobiert und gemerkt wie recht sie hat. Beim Rückwärtslaufen sieht man die Strecke, die man bereits zurückgelegt hat. Erkennt Wegmarken, die man schon fast vergessen hatte: Ah, der blühende Baum. Und das Haus mit den hübschen Fensterläden. Aber auch der Bürgersteig über den ich gestolpert bin und der geschlossene Laden, der einen verwahrlosten Eindruck macht. Alles was war bleibt länger im Blick und nur allmählich kommt Neues dazu.

Natürlich hat das Rückwärtslaufen auch seine problematischen Seiten. Denn beim Rückwärtslaufen sieht man ja nicht was kommt. Man kann keinen Hindernissen ausweichen, keine Pläne machen, wie man mit dem umgehen will, was vor einem liegt. Auf Dauer ist das sehr anstrengend. Aber für kurze Strecken tut es einfach gut. Im jüdischen Zeitverständnis sind wir Menschen immer rückwärts unterwegs, mit dem Rücken voraus. Dort geht man davon aus, dass die Vergangenheit das ist, was wir vor Augen haben. Die Zukunft dagegen liegt uns im Rücken. Ich finde das ist ein heilsamer Perspektivwechsel. Denn es ist ja wirklich so: wer kann denn schon in die Zukunft schauen? Alles was wir darüber sagen können sind Vermutungen. Das führt oft dazu, sich unnötig Sorgen zu machen. Ist es nicht manchmal besser, sich die Vergangenheit genau anzuschauen? Und vielleicht auch aus dem zu lernen, was war, um es einmal besser zu machen. Vielleicht stärkt das auch das Vertrauen: Denn schau – so viel ist schon passiert und doch bin ich noch da. Mit Gebrauchsspuren, ja, und manchen Narben, aber noch immer unterwegs. Behütet bis hierher.

Vielleicht haben Sie heute ja auch Lust: Laufen Sie einfach mal ein Stück rückwärts und schauen Sie, was Sie schon alles geschafft haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35375
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

12MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Abhängig sein von anderen - das ist etwas Gutes! In einem Buch der jungen Philosophin Seyda Kurt habe ich diesen verblüffenden Gedanken gefunden. Sie sagt: wir müssen lernen Abhängigkeit als etwas Gutes zu begreifen. Dabei höre ich sonst immer, wie wichtig es ist, unabhängig zu sein: stark und frei. Aber Keiner und keine lebt als eine Insel. Und die, die das probieren, merken schnell wie einsam das ist. Spätestens seit der Zeit, in der wir gezwungen waren über lange Strecken alleine zu bleiben oder auf den kleinsten Kreis beschränkt, wurde das spürbar. Wir brauchen einander.

Seyda Kurt meint wir sollten das nicht als etwas Schlechtes verstehen, sondern als etwas Normales – etwas Grundlegendes. Und wenn wir einmal verstehen, dass wir einander brauchen, dann sollten wir auch unser Leben danach gestalten füreinander da sein zu können. Habe ich Zeit übrig, damit ich für jemand da sein kann? Habe ich Zeit, um mir selbst klar zu werden was ich brauche?  Wenn das Leben mir keinen Spielraum lässt gebraucht zu werden, weil immer irgendetwas wichtiger ist. Oder dann, wenn ich nicht genug Raum habe um mir über meine eigenen Bedürfnisse klar zu werden – dann wird Abhängigkeit zum Problem. Und das kann viele Gründe haben: zu viel Arbeit, Stress, Sorgen.

Man stelle sich vor wie das wäre: Zeit für einander haben. Zum Zuhören, zum Nachdenken - einfach zum Leben miteinander und nicht nebeneinander her. Wir brauchen uns doch gegenseitig.

In der Bibel heißt es: Es ist nicht gut wenn der Mensch alleine bleibt. Das steht ganz am Anfang der Bibel, als Gott den Menschen erschafft. Gott hat gleich gemerkt: alleine sein ist nicht gut. Es muss eine Gemeinschaft her, damit Leben gelingen kann. Ich finde es ist Zeit das wirklich ernst zu nehmen. Mir bewusst Zeit zu nehmen für die Menschen, die ich brauche und die mich brauchen. Und dafür zu streiten, dass das für alle möglich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35374
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Wir knüpfen ein neues Netz, verbinden was für Frieden ist.“ Als Kind habe ich dieses Lied gesungen. Im Kindergottesdienst. Friedensnetz heißt es. Daran denke ich in den letzten Monaten oft. Denn immer noch herrscht Krieg und ich muss lernen was das bedeutet. Die Welt verändert sich und auch meine Gewissheiten aus Kindertagen.

Damals habe ich an dieses Lied geglaubt. Daran, dass alle Welt gemeinsam an diesem Friedensnetz knüpft. Und daran, dass das Netz stark ist. Ich habe mich in Sicherheit gewogen. Weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand Krieg für eine gute Lösung hält. Ich habe geglaubt, die Menschen würden in Zukunft in Klimaschutz investieren, in Bildung und Gesundheit. Ich habe geglaubt Tapferkeit sei ein Wort für den Besuch beim Zahnarzt und Kampfgeist ein Wort für Sportveranstaltungen. Ich habe mich getäuscht.

Jetzt lese ich: Milliarden sollen in die Rüstung investiert werden. Und der Journalist in meiner Tageszeitung lobt die Tapferkeit der Kämpfer und Kämpferinnen in der Ukraine und Ihren unerschütterlichen Kampfgeist. Einer schreibt sogar von Blut und Boden – mit großem Ernst.

Ich habe gelernt: Der Frieden ist ein hauchdünnes Netz. Und es ist zerrissen. Und darunter haben die Worte - hat die Welt eine neue Ordnung. Oder doch nur wieder die alte.

Und ich frage mich: würde ich nicht auch kämpfen, wenn ich angegriffen werde? Und würde ich mir nicht alle mögliche Unterstützung wünschen? Ist es Zeit den Kinderglauben einzutauschen gegen die scharfe Logik des Krieges. Jesus ist zwar ziemlich eindeutig, wenn er sagt: selig sind die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Kinder heißen. Und trotzdem ist für mich nichts mehr eindeutig: Vielleicht ist es manchmal nötig das eigene Seelenheil hintanzustellen, um die zu beschützen, die angegriffen werden?

Ich kann das nicht beantworten. Ich spüre nur, da ist eine große Sehnsucht in mir: dass wir die Fäden des Netzes wiederfinden, festhalten, neuverweben. Dass nicht alles verloren ist, was im Frieden wichtig war. Ich hoffe, dass wir ein neues Netz knüpfen – stärker, größer. Mit Gottes Hilfe. Und den Glauben an den Frieden nicht aufgeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35373
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

China ist eine aufstrebende Weltmacht. Das liegt vor allem daran, dass die Menschen dort hart arbeiten für das Versprechen es einmal besser zu haben. Für manche ist diese Rechnung in den vergangenen Jahren aufgegangen. Das sind die leuchtenden, märchenhaften Vorbilder: vom Tellerwäscher zum Millionär. Aber so einfach funktioniert das wohl doch nicht. Auf jeden Fall gibt es Menschen, die da nicht mehr mitmachen wollen. Meist sind es junge gut ausgebildete Akademiker. Sie entziehen sich dem Zwang ehrgeizig und produktiv zu sein – immer in Bewegung. Und haben ein Gegenmodell dazu entworfen: „Flachliegen“ heißt es. Es geht Ihnen nicht darum gar nicht mehr zu arbeiten. Es geht vielmehr darum neben dem Arbeiten auch noch ein Leben zu haben. Freizeit für die Dinge die auch wichtig sind: sich mit Freunden treffen, gesund essen, spazieren gehen, ausreichend schlafen - Flachzuliegen eben. Die Bewegung ist von Regierungsseite verboten – so viel Angst haben die Oberen vor dem Stillstand. Und vor Menschen, die ganz eigene Vorstellungen haben vom gutem Leben.

In Deutschland dürfen Menschen flachliegen und sich vom Leistungsdruck frei machen, wenn sie möchten. Auf jeden Fall werden sie dafür nicht verfolgt von der Regierung. Aber auch hier wird man schräg angeschaut, wenn man sagt: höher, schneller, weiter, da mache ich nicht mehr mit. Mir reicht „hoch genug“ und „schnell genug“ und „weit genug“. Und genug heißt – genug zum Leben. Und die restliche Energie nutze ich für die Freunde, die Hobbies und dazu genug zu schlafen. Dabei klingt das doch wunderbar. Und ich glaube auch sehr erholsam. Nicht nur für diejenigen, die so leben. Auch für die Umwelt und unseren Planeten. Weil genug eben genug ist. Und vielleicht würde es dann sogar für alle reichen, wenn sich alle mit genug zufriedengäben.

Ich nehme mir vor das in nächsten Zeit auszuprobieren. Aufzuhören, wenn es genug ist. Und mich ansonsten öfter mal flachlegen – so wie es in der Bibel heißt: ich liege ganz in Frieden, denn Du Gott machst dass ich sicher wohne.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35372
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09MAI2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ich bin so erschöpft!“ sagt die Freundin schon am Montagmorgen. Und trifft dabei einen Nerv. Denn erschöpfte Frauen gibt es in meinem Freundeskreis einige. Und zwar ganz unabhängig davon wie ihre Lebensumstände sind. Die alleinstehende Künstlerin ist genauso erschöpft wie die berufstätige Mutter mit Großfamilie, die verheiratete Kollegin ohne Kinder genauso wie die alleinerziehende Krankenschwester. Und sie alle fragen sich: „Was habe ich falsch gemacht? Warum bin ich so ausgepowert?“ Die Autorin Franziska Schutzbach meint: Frauen sollten erst einmal aufhören, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Denn es ist die Struktur, in der sich das Leben vieler Frauen abspielt, die so kräftezehrend ist. Frauen wird einfach viel aufgebürdet. Nach wie vor sollen sie der Kitt sein, der alles zusammenhält. Zuständig fürs Ambiente: Fürsorglich und liebevoll, engagiert und bescheiden, freundlich und hübsch anzusehen. Und dabei immer in Gefahr etwas falsch zu machen: Ist sie kinderlos gilt sie schnell als egoistisch, hat sie Kinder ist sie entweder die Übermutter oder aber die Rabenmutter. Ist sie durchsetzungsstark ist sie die Zicke und wenn sie sich zurückhält das Mauerblümchen. Männer und Frauen - die ganze Gesellschaft - bürden Frauen diese Erwartungen auf. In diesem setting kann man nur erschöpft werden.

In biblischen Zeiten war das nicht anders. Aber es gibt Spuren: Heilsame Hinweise darauf, dass es anders sein könnte. Für mich immer wieder lesenswert, die Geschichte von den Schwestern Marta und Maria. Jesus besucht sie und während Marta versucht alle zu versorgen sitzt Maria einfach da und hört Jesus zu. In der Geschichte ist es Marta, die sich über Maria beschwert – aber es könnte genauso gut einer der Männer sein, der Marias Verhalten als unangemessen empfindet. Aber Jesus verteidigt Maria. Sie darf aus der Rolle fallen. Darf tun, was Ihr guttut. Und das soll Marta auch machen: Tun was ihr guttut.  

Das tun, was einer selber guttut. Unabhängig von dem, was die anderen erwarten. Jesus war bestimmt kein Feminist im heutigen Sinne. Aber er wollte, dass es den Menschen gut geht. Allen Menschen. Dafür hat er die Strukturen im Kleinen verändert. Wird Zeit, dass sich auch im Großen was tut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35371
weiterlesen...

SWR3 Worte

23APR2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ohne Freundinnen und Freunde geht es nicht. Zeit, einmal Danke zu sagen – vielleicht mit einem Gedicht wie diesem hier von Christina Brudereck:

Heute muss ich einmal Danke sagen
Für Deine Hilfe,
allen andern ginge ich schon lange auf die Nerven,
aber Du hast die Bereitschaft, Deine eigenen Pläne umzuwerfen
und das Größte ist:
Ich weiß, ich darf Dich wieder fragen.

Heute muss ich einmal Danke sagen
Für Dein Verständnis,
dass Du verzeihst, was ich mir selber nicht verzeihen kann,
aber Du bist gütig und fängst noch einmal von vorne an
und das Wunder ist:
Wir haben uns nach jedem Streit vertragen

(…)

Für die vielen praktischen Gefälligkeiten,
Deinen Großmut, die Ermutigung,
wenn mir mein Alltag, Fehler, Ängstlichkeiten
so schwer im Magen lagen,
muss ich Dir heute einmal Danke sagen.

Christina Brudereck in: Christina Brudereck und Miriam Gamper: FrauenVertrauen, Zeilen voller Zuneigung für Freundinnen, Schwestern und anderen Sympatisantinnen

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35261
weiterlesen...

SWR3 Worte

22APR2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Sich einmal mit Gottes Augen anschauen. Das kann helfen, wenn man mit sich hadert. Das findet die Clownin und Theologin Gisela Matthiae. Sie schreibt:

Na, heute schon was schiefgegangen? Mit unangenehmen Folgen? Sogar einen anderen Menschen damit verletzt? Oje! Das ist nicht gut! Ob es Sie tröstet oder nicht, es ist normal. Seien Sie ruhig streng mit sich. Denn es ist wirklich nicht gut und muss wieder gutgemacht werden. Aber seien Sie auch nicht zu streng mit sich. Schauen Sie sich einmal genauso gnädig und liebevoll an, wie Gott das tut. Sehen Sie, schon huscht ein Lächeln über Ihr Gesicht. Also los, noch einmal frisch angefangen und dann ab aufs Sofa.  

Gisela Matthiae, Wo der Glaube ist, da ist auch Lachen. Clownerie für Leib und Seele,

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35260
weiterlesen...

SWR3 Worte

21APR2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Nichts bewegt sich – festgefahren im Alltag, in den Sorgen, in der Arbeit. Was da manchmal hilft, sind andere Aussichten. Die Blickrichtung ändern. Denn: Irgendwas bewegt sich immer, meint die Theologin Susanne Niemeyer und sagt auch gleich was:

Das Auf und Nieder der Meisen
Finger, die über Saiten laufen
Die langsame Umwälzung eines verfestigten Gedankens
Das elegante Strecken eines erwachten Hundes
Die wilden Linien bunter Stifte
Jugendliche auf Skateboards

Das plötzliche Aufbauschen eines Vorhangs im Wind
Das Abflachen einer Kurve
Der unsichtbare Atem Gottes
Das Mäandern eines Baches.

Susanne Niemeyer in: Üben! Sieben Wochen ohne Stillstand

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35259
weiterlesen...