SWR1 Begegnungen

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15MAI2022
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Diane Hielscher Copyright: Paula Winkler.

Janine Knoop-Bauer trifft: Diane Hielscher, Autorin, Podcasterin, Journalistin und Hörfunkmoderatorin

Was ist Angst und wie kann ich mit ihr umgehen?

Die 42jährige Podcasterin und Moderatorin lebt heute in einer glücklichen Beziehung. Aber auch sie hat die Erfahrung gemacht, dass Beziehungen scheitern. Deshalb hat sie sich gefragt: was können wir tun, damit wir glücklicher sind als Liebende. Und was hat unser Denken damit zu tun? Die Antworten auf diese Fragen hat sie in ihrem neuen Buch gesammelt. Heute sagt sie: Oft stehen wir uns und der Liebe selbst im Weg, z. B. weil wir Angst haben. Aber was ist Angst denn eigentlich genau?

also Angst ist erstmal eine Energie die uns etwas sagen möchte, die mit uns kommunizieren möchte und im ersten Schritt ist das ja gut, weil wenn wir gar keine Angst hätten, dann würden wir über die Klippe springen und uns vom Tiger fressen lassen.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, denn

Wir können zu Hause in Sicherheit sitzen und sagen: „Was wäre, wenn mich ein Tiger fressen würde? Das wäre ja schrecklich!“, nur um bei diesem Beispiel zu bleiben. Oder wir können uns an Vergangenes erinnern, was uns Angst gemacht hat, und in dem Augenblick, wo wir das mit unserem Gehirn herstellen, die Situation, die schon lange vorbei ist, haben wir wieder die gleiche Biochemie in unserem Körper, also Cortisol zum Beispiel, das Stresshormon. Wir haben genauso Angst wie damals, als es tatsächlich passiert ist. … Das heißt wir Menschen haben dieses Feature, uns in Angst denken zu können.

Für manche Menschen wird dieses feature zu einem dauerhaften Problem. Vor allem dann, wenn die Angst ständig unsere Selbstwahrnehmung sabotiert und wir grundsätzlich schlecht von uns selber denken.

das Schlimmste, was uns Menschen eigentlich im Wege steht, ist diese Angst, nicht genug oder nicht richtig zu sein, und die zerstört eben auch unsere Beziehungen. … kann uns unser ganzes Leben vermasseln, wenn wir einfach die Angst so annehmen und sagen: „Ja, das ist halt so: Ich kann nichts daran ändern, es wird immer so bleiben, ich bin halt ängstlich, ich werde nie meinen Traum leben, ich werde nie eine glückliche Beziehung führen, weil ich bin nicht gut genug.

So entsteht ein tückischer Kreislauf:  Angst führt immer nur zu noch mehr Angst. Mir fällt dazu ein Satz aus der Bibel ein: „Fürchtet Euch nicht!“ heißt es da mehr als einmal. Ich habe mich schon immer gefragt:  Was kann ich denn tun gegen meine Angst? Die lässt sich doch nicht einfach abstellen. Diane Hielscher hat mit vielen Neurowissenschaftlern gesprochen und meint:

jedes Gehirn sieht anders aus, das ist wie beim Fingerabdruck: die Linien sind alle anders, bloß, dass wir unseren Fingerabdruck nicht ändern können, aber unser Gehirn schon. Eben mit dem, womit wir uns jeden Tag beschäftigen. Zum Beispiel gibt es Studien darüber, dass Meditation das Angstzentrum … schrumpfen lässt. Also wir können mit unserem Verhalten dafür sorgen, dass unser Angstzentrum physisch kleiner wird. Das finde ich so faszinierend, dass wir die Macht dazu haben … und dementsprechend, wenn wir mehr meditieren … werden wir in Zukunft dann weniger Angst haben.

So wie wir uns in Angst denken können, so können wir uns auch aus der Angst herausdenken. Meditieren hilft. Beten hilft auch – das ist meine Erfahrung. Weil es die Angstspirale unterbrechen kann. Weil es der Wirklichkeit der Angst die Wirklichkeit des Vertrauens entgegenstellt.

Von der Brauchenden zur Liebenden.

Diane Hielscher ist Radiomoderatorin und Podcasterin und sie ist Liebende. Was genau das für sie bedeutet, macht sie an Übungen deutlich, die sich der amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch ausgedacht hat. Dabei stehen sich zwei Menschen gegenüber und umarmen einander auf unterschiedliche Weise:   

Diese Übung finde ich so toll und metaphorisch, weil wenn wir wie ein A stehen und einer wackelt, weil es ihm schlecht geht, fällt der andere immer mit, und wenn jeder für sich auf seinen Beinen stabil steht, dann kann man den anderen auch mal kurz loslassen metaphorisch, emotional, indem man sagt: du mach mal deins! Du musst jetzt deine Gefühle in den Griff kriegen. Ich bin nicht für deine Gefühle verantwortlich, sondern du für deine, aber ich bin für dich da! Ich stehe hier auf meiner Seite, stabil und fest, und bin da für dich, und ich kann dich auch halten, aber du musst auch auf deinen Beinen stabil und fest stehen.

Es geht in der Liebe also darum, erst einmal mit sich selbst klarzukommen und mit den eigenen Gefühlen. Erst dann werde ich von einer Brauchenden zu einer Liebenden. Diane Hielscher hat viel ausprobiert auf ihrem Weg dahin und gelernt: Es ist gar nicht so leicht, sich den eigenen Gefühlen zu stellen und zu lernen, sich selbst zu lieben. Aber es lohnt sich:

Also ja, es ist schwer, mit seinen Ängsten und Nöten und Sorgen zu sitzen, zu sein einfach und das auszuhalten, aber das ist für mich auch Selbstliebe und ein ganz toller Kompass, seine Intuition und sich selber und seine Werte und so zu finden und dann rauszugehen in die Welt, Dinge zu tun, seinen Traum zu leben. Aber dafür muss man erst mal wissen, wer bin ich, was mache ich und was ist eigentlich mein Traum.

Dabei ist Diane Hielscher wichtig – wir sind unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert. Wir können ein Stückweit selbst entscheiden, was wir fühlen. Ihr hat dabei auch geholfen, sich selbst die richtigen Fragen zu stellen. 

…sich jetzt mal zu fragen, was sind meine Lieblingsgefühle: Da kam bei mir Inspiration und Begeisterung und Freude raus… das heißt, ich kann jetzt ganz konkrete Schritte machen, nachdem ich weiß, was meine Lieblingsgefühle sind, um diese Gefühle in meinem Leben einzuladen und um sie tatsächlich auch zu fühlen. Also das ist gar nicht abstrakt, sondern ganz konkret: Was begeistert mich? Was inspiriert mich? Und das mache ich jeden einzelnen Tag.

Sich selbst Gutes tun – sich selbst lieben - in der christlichen Ethik ist das tatsächlich auch eine Grundvoraussetzung, um für andere da zu sein. Jesus sagt: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Erst wenn ich eine Ahnung davon habe, was das heißt: Selbstliebe, kann ich auch für die anderen gut sorgen. Das ist eine Erfahrung die auch Diane Hielscher gemacht hat. Und sie findet:

deswegen darf ich mir erlauben, glücklich zu sein und voller Begeisterung und Freude, weil ich damit nur die Möglichkeit habe, etwas Gutes in die Welt zu bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35409
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