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SWR3 Worte

04DEZ2023
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Johannes Bichmann ist Werbefotograf und führt seit über zehn Jahren Fotosessions in Altenheimen durch. Er sagt:

 „Die Menschen, die ich da treffe, haben einen großen Durst nach Leben, Lachen und Liebe. Das hört nicht auf, wenn sie in ein Heim einziehen.“

Die Caritas stellte seine Portraits, die vor Lebenslust und Persönlichkeit strotzen, unter dem Titel „Das Leuchten des Alters“ aus. Erste Besucherinnen und Besucher waren die Models selbst – viele von ihnen hatten Tränen in den Augen. Eine der Porträtierten sagte:

„Da sehe ich eine wunderschöne Frau. Und dabei bin ich 93 Jahre alt."

Quelle:

Das Leuchten des Alters. Ein Fotoprojekt von Johannes Bichmann, Kalenderblatt vom 20.12.2023, in: Der Andere Advent, Herausgeber: Andere Zeiten e.V. Initiativen zum Kirchenjahr, Hamburg 2023.

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SWR3 Worte

03DEZ2023
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Für den Fußballtrainer Jürgen Klopp spielt der christliche Glaube die zentrale Rolle in seinem Leben. Kloppo sagt:

„Ich möchte, dass die Menschen über Jesus Christus nachdenken.“ […] „Der Glaube an Gott ist für mich wie […] ein treuer Begleiter, der dir oft genau dann Kraft schenkt, wenn du gar nicht mehr damit rechnest. Aber auch ein starker Rückhalt, der mir die nötige Lockerheit gibt, mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen.“ […]„Mein Glaube ist meine Grundfeste, führt mich durchs Leben und ist mir unendlich wichtig.“

Quelle: https://promisglauben.de/juergen-klopp-ich-moechte-dass-die-menschen-ueber-jesus-christus-nachdenken/, Ausdruck vom 23.11.2023 um 22:12 Uhr.

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SWR1 Begegnungen

26NOV2023
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Julia Jentsch und Helge Burggrabe Foto: Beatrice Tomassetti

Christopher Hoffmann trifft Schauspielerin Julia Jentsch und Komponist Helge Burggrabe

Julia Jentsch ist Schauspielerin und Helge Burggrabe ist Komponist. Ich treffe beide im Oktober in Speyer, wo sie im Dom das Oratorium „Lux in tenebris“, also „Licht in der Finsternis“ aufführen:

Bei „Lux in tenebris“ ist es diese biblische Geschichte von Kain und Abel und der Kain fühlt sich nicht gesehen mit seiner Opfergabe und aus lauter Missgunst und Neid erschlägt er dann seinen Bruder und das kommt mir vor wie so eine Urszene, die wir bis in die heutigen Tage immer wieder neu aufführen.

Auch Julia Jentsch glaubt: Das was in der Erzählung von Kain und Abel steht, das findet jeden Tag neu in uns Menschen statt:

Überall in der direkten Begegnung jeden Tag, wo ich selber mich manchmal zurücknehmen muss, wenn ich merke da fange ich an in irgendwelchen vorgefertigten Bildern zu denken oder Vorurteile zu haben, was ich nicht möchte. Bis zu den Kriegen, die überall aktuell leider auf der Welt stattfinden - die Notwendigkeit eben im andern den Bruder, die Schwester zu sehen.

Den Bruder und die Schwester sehen in jedem Menschen- das ist die Botschaft von Jesus Christus, die im zweiten Teil des Oratoriums vorgetragen wird: Den Nächsten, ja, sogar den Feind zu lieben. In den Armen und Not leidenden Gott selbst zu erkennen. Aber klar ist auch: Kein Mensch wird dem immer voll und ganz gerecht - deshalb ist bei „Licht in der Finsternis“ auch ganz zentral: Gott ist nicht nur da, wenn wir alles richtig machen, wenn alles in uns und um uns herum leuchtet, sondern er verlässt uns auch dann nicht, wenn wir scheitern:

Dass Gott eben auch in dem Dunklen da ist oder da wo ich eben orientierungslos bin oder in dem einen Text: „Und verliere ich mich, so findest du mich“. Das ist eigentlich finde ich ein sehr kraftvoller Gedanke, weil es sozusagen die Möglichkeit der ständigen Umkehr gibt.

Im Licht und in der Dunkelheit meines Lebens: Gott ist da. Diese Botschaft geht mir unter die Haut, als ich im Speyerer Dom sitze. Auch wegen der Hoffnungsverse, die Julia Jentsch zwischendurch in Gedichten von Rainer Maria Rilke oder Hilde Domin immer wieder aufscheinen lässt:

Das ist ja die Kunst von Gedichten! Das sind dann so wenige Worte und man hat das Gefühl eben das Unbeschreibliche, oder das für das man eigentlich keine Worte findet, kann darin aufsteigen. Das finde ich immer wieder faszinierend und große Kunst sowas zu schaffen.

Julia Jentsch und Helge Burggrabe - da haben sich zwei gefunden, die es wichtig finden in Kirchenräumen und Konzertsälen immer wieder die großen Sinnfragen zu stellen:

Meine Überzeugung ist, dass wir eigentlich alle Suchende sind. Also Suchende nach einem Halt, nach einer Orientierung, nach einem Sinn im Leben, der mehr ist als einfach aufzustehen und irgendwann arbeiten zu gehen, Geld zu verdienen und wieder schlafen zu gehen. Was ist so ein tieferer innerer Sinn in dem Ganzen? Was ist das, was mich trägt, auch in Krisen eben? Und ich glaube da kann es hilfreich sein so eine Anbindung, so eine Zusage zu empfinden, die jenseits ist von dem Alltäglichen, aber mittendrin sich zeigt sozusagen im Miteinander, im Alltag.

Ich treffe Helge Burggrabe und Julia Jentsch. Kirchen sind für sie nicht nur Baukunst, sondern Orte voller Demut, an denen Kreative auch heute die großen Fragen des Lebens stellen können. Ganz zentral für beide: die Frage nach Menschlichkeit. Die ist auch im Projekt „HUMAN“, das ich auf dem Evangelischen Kirchentag im Sommer erleben durfte, elementar:

Wir gehen ja jetzt auf dieses große Jubiläum zu: Am 10. Dezember jährt sich das dann zum 75. Mal, die Deklaration der Menschenrechte. Und man muss ganz ehrlich sagen: Weltweit ist das noch nicht mal in Ansätzen umgesetzt. Also insofern ist das was da nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist unter dem tiefen Wunsch „Nie wieder!“ - wie können wir uns Regeln schaffen, dass so etwas nie wieder passiert - ist eigentlich gescheitert, muss man sagen. Und jetzt könnte man natürlich die Hände in den Schoß legen, aber ich denke mit so einem Projekt wie HUMAN versuchen wir: Nein, wir könnten auch anders! Es steht und fällt mit dem einzelnen Menschen.

Menschen wie die Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Sie hielt selbst unter Hitler an den Menschenrechten fest und Julia Jentsch spielt sie in dem preisgekrönten Film „Sophie Scholl-die letzten Tage“ mit einer Wärme und Kraft, die mich jedes Mal umwirft, wenn ich den Film sehe. Bis heute ist auch Julia Jentsch von der Botschaft von Sophie Scholl tief bewegt. Ein Schlüsselsatz ist für sie Sophies Frage an den Nazirichter Roland Freisler, der sie zum Tode verurteilt:

 „Warum sollen die Juden andere Menschen sein als wir?“ Und das lässt sich auf alles…warum soll irgendein Mensch, warum soll jemand nicht Mensch sein oder warum soll irgendein anderer Mensch nicht gleich behandelt werden, oder den gleichen Respekt bekommen? Warum?  

Eine Frage, die hochaktuell ist. Und deshalb glaubt Julia Jentsch auch, dass das Engagement der Widerstandsgruppe Weiße Rose damals nicht umsonst war:

Ja,ja,ja! Das ist nicht umsonst und das darf nicht umsonst sein und dass das dann wieder in unserer Verantwortung ist, das was jedem Einzelnen möglich ist. Und mir ist es vielleicht zum damaligen Zeitpunkt nur möglich diese Worte lebendig zu machen. Also eben jeder nach seinen Möglichkeiten.

Kunst darf für Julia Jentsch auch einfach nur unterhalten, aber:

Ich für mich sehe schon einfach eine große Chance durch die Kunst eben auch Themen zu transportieren, die so etwas ganz elementar Wichtiges haben.

Elementar wichtig finde ich auch, dass Helge Burggrabe und Julia Jentsch gemeinsam an eine weitere allerdings weitgehend unbekannte Widerstandskämpferin erinnern. Auch sie wurde vor 80 Jahren von den Nazis ermordet:

Sie heißt Cato Bontjes van Beek und hat ganz ähnlich wie Sophie Scholl begonnen dann Flugblätter zu verteilen und ist dann auch früh festgenommen worden und war dann noch zehn Monate im Gefängnis und in dieser Gefängniszeit sind eben sehr berührende Briefe entstanden, die wir jetzt in diesem Konzertprojekt eben dann auch lesen. Es ist eine tiefe Menschlichkeit in diesen Briefen drin.

Diesen Schatz der Menschlichkeit, machen die beiden Künstler in ihrem Projekt hörbar.

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SWR1 Begegnungen

01NOV2023
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Johannes Wimmer Foto: Aempathy

Christopher Hoffmann trifft: Johannes Wimmer, Fernseharzt, Moderator, Buchautor

Dr. Johannes Wimmer ist Fernseharzt, Moderator und Autor des Buches „Wenn die Faust des Universums zuschlägt“.* Darin teilt der Vater von vier Kindern seine Erfahrungen aus einer schweren Zeit: Vor drei Jahren starb seine Tochter Maximilia mit nur neun Monaten an einem unheilbaren Hirntumor. Im Moment der Diagnose, da wollte er nur eins:

Jeden Weg gehen, um das Kind vor Schaden zu bewahren, ich würde mein Leben eher geben als das des Kindes und diese Hilflosigkeit, dass das nicht geht, das ist eine sehr bittere Erkenntnis. Gerade als Mediziner, ich habe ja nun schon viele Jahre auch in der Not-Aufnahme gearbeitet, Leben gerettet, Leben verloren und dann selber zu merken: Du kannst nichts tun, das ist als würde ein Feuerwehrmann nach Hause fahren und schon am Horizont sehen, dass es brennt und er weiß sofort: Das ist mein Haus. Und er steht da und hat kein Wasser.

Für den 40-Jährigen war es nicht die erste Begegnung mit dem Tod in der eigenen Familie: Als er vier Jahre alt ist, stirbt sein Vater an einem Herzinfarkt: 

Also ich habe ja mein ganzes Leben eigentlich darauf hingearbeitet diese Hilfslosigkeit, die ich kurz vor meinem 5. Geburtstag erlebt hab, als mein Vater vor meinen Augen zu Hause verstorben ist, nicht nochmal spüren zu müssen. Hab mich sehr unabhängig gemacht, hab Medizin studiert, wie so eine Superkraft oder eine Rüstung, die ich mir anlegen kann. Dieser Schmerz als Kind, den so früh zu erleben, der ist so groß und so lebensdefinierend, dass man sich nicht vorstellen kann, dass es einen schwereren Schmerz gibt. Und das gibt’s. Und das ist, wenn sich´s umdreht.

Das eigene Kind beerdigen - das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Trotzdem sitzt mir bei unserer Begegnung ein Johannes Wimmer gegenüber, der Humor hat, der gestalten will, der nicht am Tod seiner Tochter zerbrochen ist. Auch, weil er sich Zeit genommen hat, um zu trauern und mit anderen über seinen Schmerz zu reden:

Das ist dieses Annehmen. Es gibt genug Menschen, weil sie auch niemand zum Reden haben, niemand zum Verarbeiten, die schieben das immer vor sich her und sind nach zwei Jahren – ich merk das, so schreiben mir auch Leute auf Instagram usw., als wäre die Person gestern gestorben. Weil sie verharren in diesem Zustand.

Und deshalb teilt er in dem Buch, was er erfahren hat – viele Mütter, aber auch Väter melden sich bei ihm, die ähnliches erleben mussten:

Es hilft dem Gegenüber und es hilft auch oft mir. Dafür sind Menschen da – Menschen brauchen Menschen, und wenn wir nicht miteinander reden, das passiert immer mehr, dann rutschen wir in eine Einsamkeit, und Einsamkeit ist sogar medizinisch nachweislich nicht gut – wir brauchen uns.

Trauern muss aus der Tabuzone raus, findet Johannes Wimmer:

Trauern heißt ja nicht, mit einer Kiste Taschentüchern komplett verheult im abgedunkelten Zimmer in ner Ecke zu sitzen – das sind so Klischees, jeder Mensch trauert anders. Ich bin davon überzeugt: Trauer ist so negativ behaftet – Trauer ist aber eigentlich ja die Arbeit und das Auseinandersetzen und der Prozess aus dem Schmerz herauszukommen und dafür zu sorgen, dass der Schmerz nicht zu Leid wird.

Ganz wichtig: hier sollte das Umfeld auch nie urteilen. Johannes Wimmer ist nach Maximilias Tod mit ganz sensiblen Sensoren unterwegs. Schon kleine Gesten und gute Worte haben ihm geholfen. Er glaubt: Jede und jeder kann mit Empathie und offenen Ohren unterstützen:

Dann hilft es schon sehr, wenn jemand fragt, nicht nur „Wie geht es dir?“, sondern sich auch die Zeit nimmt das anzuhören und diese Last auch zu einem gewissen Teil mitzutragen.

Ich treffe den Fernseharzt Johannes Wimmer in seiner Heimatstadt Hamburg. Hier in seinem Studio in Altona produziert er Gesundheitsvideos für die sozialen Netzwerke. Auch in Heidelberg hat er schon gedreht: Gemeinsam mit dem Kindertumorzentrum. Vor drei Jahren ist seine eigene Tochter an Krebs gestorben. Wie haben Verwandte, Freunde, Nachbarn ihm in dieser Zeit geholfen?

Das Schlimmste ist der Satz „Meld dich, wenn ich irgendwas tun kann“. Helfen tut, wenn jemand sagt: Ich kann mir vorstellen, dass euer Kühlschrank leer ist – soll ich euch mal was einkaufen? Wie sieht es denn bei euch zu Hause aus, soll ich mal durchputzen? Kann ich die Kinder zum Fußballtraining fahren? Also ganz konkret anbieten.

Ganz konkret – das ist auch die Hilfe einer Seelsorgerin. Pfarrerin Susanne Zingel ist in den schlimmsten Stunden für die Familie da, tauft die Tochter vor einer Not-OP auf den Namen Maximilia, hält die Situation mit aus. Für Johannes Wimmer, katholisch, und seine evangelische Frau Clara eine echte Stütze:

Also Susanne Zingel ist eine begnadete Seelsorgerin, sehr belesen, witzig, eine gute Rednerin, also ein Mensch, wo ich wirklich eine große Dankbarkeit verspüre, dass ich sie überhaupt kennen darf, ihre Predigten hören darf. Und dass sie in den Momenten für uns auch da war und in der Gluthitze sich in den Zug gesetzt hat, um uns beizustehen. Und das auch mit einer gewissen Religiosität zu tun hat und einem Glauben.

Der Glaube – sehr vorsichtig wird der sonst so wortgewandte Johannes Wimmer, als wir über ihn sprechen. Als Kind hat er seinen Vater und als Vater hat er sein Kind verloren. Er kennt auch die Wut gegenüber Gott. In unserem Gespräch nennt er das Leben immer wieder ein Geschenk. Vor der Not-OP flüstert Johannes Wimmer seiner Tochter ins Ohr: „Du darfst gehen. Grüß meinen Papa von mir.“ Sein Glaube hat viel mit dem zu tun, was er an Mitmenschlichkeit in seinem Leben erfahren hat. Und er glaubt, dass sich darin auch etwas Göttliches zeigt: 

Der Glaube besteht für mich aus dem, was zwischen Menschen passiert und Susanne Zingel hat das so schön gesagt: Wenn zwei Menschen im Raum sind, sind das ja nicht nur X-Liter Wasser, bisschen Calcium und noch ein bisschen Collagen, sondern da passiert ja was und da sagt sie zum Beispiel „Das kann man als Heiligen Geist beschreiben“. Da passiert irgendwie mehr. Das ist ja auch das, was uns abhebt von dem Rest der Natur. Das Bezaubernde an uns Menschen ist und ich würde auch sagen, das, was dem Göttlichen am nächsten kommt, ist das Miteinander.

Ein wunderschöner Gedanke, finde ich. Das passt auch dazu, wie er seine Berufung als Mediziner versteht: nicht nur mit Fachwissen, sondern auch menschlich für den Patienten da zu sein. Und sei es digital in Videos, die teilweise millionenfach geklickt werden. Der Hanseat ist eine ehrliche Haut und lässt auf seinen Kanälen auch das Schwere nicht außen vor, weil es zum Leben dazugehört:

Und wenn man versucht – merkt man heute in den sozialen Medien – nur das Positive darzustellen, tut man sich selbst keinen Gefallen und anderen Menschen schon gar nicht.

Ich glaube: Einen großen Gefallen tut Johannes Wimmer durch seinen offenen Umgang mit Trauer allen, die einen lieben Menschen vermissen und an deren Gräbern stehen – wie heute an Allerheiligen.

*Dr. Johannes Wimmer: Wenn die Faust des Universums zuschlägt, Gräfe und Unzer, München 2021

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SWR3 Gedanken

14OKT2023
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Ein Blick in den Spiegel am Morgen: Ausgeschlafen sieht anders aus. Und ich könnte auch mal wieder zum Friseur. Geht ja super los, der Tag- mit dem, was ich da heute morgen gespiegelt bekomme!

Ganz anders war das in den Ferien. Da hatten mir Freunde ihren Haustürschlüssel anvertraut. Damit ich ab und an die Post reinhole und die Pflanzen auf dem Balkon gieße. Als ich die Tür aufschließe, fällt mir in der Diele direkt ein großer Spiegel auf, am oberen Rand klebt ein kleiner gedruckter Zettel, etwa so groß wie ein Lesezeichen. Darauf steht: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Darüber freue ich f mich. Denn der Zettel erinnert mich an diesem Morgen an eine phänomenale Botschaft, an die ich auch glaube: Da gibt es einen Gott, der mich sieht. Immer und überall. Nicht in der Art und Weise: „Der liebe Gott sieht alles und überwacht mich auf Schritt und Tritt.“ Sondern: Gott sieht mich liebevoll an. Egal wie ausgeschlafen ich aussehe. Wie viele graue Haare oder Falten im Spiegelbild dazugekommen sind. Gott sieht nicht auf das Äußere, sondern auf das Herz. Sogar auf das, was ich schon lange nicht mehr sehe. Potentiale und Talente, die vergraben sind. Und auch: was mich gerade bewegt. Er weiß es längst. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ – das ist die Grundlage für eine lebendige Beziehung in der ich meinem Schöpfer alles anvertrauen darf.  Auch dann, wenn es im Leben mal richtig heftig kommt. So wie bei der Frau, die diesen Satz zuerst gesagt hat: Hagar, eine ägyptische Sklavin im Alten Testament, die völlig verzweifelt in der Wüste strandet. Und dann die Erfahrung macht: Gott sieht mich auch hier, gibt mir Ansehen und hilft mir in meiner Not, damit ich aufrecht durchs Leben gehen kann.

Das Blumengießen bei Freunden war also nicht nur für die Gewächse auf dem Balkon eine wohltuende Erfrischung. Auch ich durfte im Glauben an diesem Morgen wieder ein bisschen wachsen.

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SWR3 Gedanken

12OKT2023
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Genau heute vor 80 Jahren wurde er von den Nazis umgebracht: der Widerstandskämpfer Willi Graf, ein Mitglied der Weißen Rose. Im Rheinland geboren und aufgewachsen in Saarbrücken geht es für ihn zum Medizinstudium erst nach Bonn, später nach München. Hier lernt er Studenten kennen, die wie er die Nazis ablehnen. Im Sommer 1942 notiert er in seinem Tagebuch: „Ge­spräch mit Hans Scholl. Hof­fent­lich kom­me ich öf­ter mit ihm zu­sam­men.“* Kommt er, denn er muss als Sanitätssoldat an die Ostfront, gemeinsam mit Hans Scholl und Alexander Schmorell. Die beiden haben die ersten vier Flugblätter der Widerstandsgruppe Weiße Rose verfasst. Zurück in München schreibt Graf am fünften Flugblatt mit. Fährt von Köln über Ulm bis Freiburg, um Exemplare im Südwesten zu verteilen und Kontakte zu knüpfen.

Was treibt ihn an? Willi Graf ist ein gläubiger Katholik. Und auch für die anderen Mitglieder der Weißen Rose - Alexander Schmorell, orthodox - und Hans und Sophie Scholl, evangelisch - ist ihr Widerstand gegen Hitler christlich motiviert. Sie berufen sich immer wieder auf ihr Gewissen. Im Gewissen des Menschen, so glauben sie, hören sie die Stimme Gottes. So entgegnet Sophie Scholl kurz vor ihrer Hinrichtung dem damaligen Präsidenten des Volksgerichtshof Roland Freisler, dass das deutsche Volk längst keinen totalen Krieg mehr wolle. Sondern: „Es will Gott. Gewissen. Mitgefühl.“**

Gott. Gewissen. Mitgefühl. Das beschreibt auch genau jene Haltung von Willi Graf. Auch ihn verurteilt Freisler, die Nazis bringen ihn aber erst ein halbes Jahr später um, weil sie ihn erpressen wollen: Er soll weitere Mitglieder verraten. Kein einziger Name kommt ihm über die Lippen, so rettet er das Leben vieler Freunde. Aus der Haft schreibt er an seine Eltern: „Was die kommenden Tage bringen, liegt in Gottes Hand. […] Nur um die Kraft bitte ich, das was noch kommt, ertragen zu können.“*** Heute, am 13.Oktober vor genau 80 Jahren, wurde er von den Nazis ermordet. Für mich ein Mann mit unfassbarem Mut. Ein moderner Heiliger. 

* https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/willi-graf/DE-2086/lido/57c6d5a3d53658.65913355, Ausdruck vom 5.10.2023, 15:13 Uhr.

** https://www.ulm-news.de/weblog/ulm-news/view/dt/3/article/49095/-bdquo-So_ein_herrlicher_Tag-_und_ich_soll_gehen-quot-_-_Sophie_und_Hans_Scholl_vor_73_Jahren_hingerichtet.html , Ausdruck vom 5.10.2023, 15:13 Uhr

*** https://www.literaturland-saar.de/themen/willi-graf-briefe-tagebuecher/willi-graf-briefe-und-tagebuecher/, Ausdruck vom 5.10.2023, 15

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SWR3 Gedanken

11OKT2023
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Sie steigen in Villen superreicher Leute ein-aber sie klauen nichts. Sondern hinterlassen Chaos und einen Zettel, darauf steht: „Die fetten Jahre sind vorbei.“ So die Handlung in dem gleichnamigen Film, mit dem die 2004 noch jungen Schauspieler Daniel Brühl, Julia Jentsch und Stipe Erceg den Durchbruch schafften. Als ich mir den Kinoerfolg aus den Nuller Jahren in den vergangenen Tagen noch mal angeschaut habe, dachte ich mir: Der Titel passt zu einem Gefühl, das viele Menschen auch derzeit beschleicht: Die fetten Jahre sind vorbei. Vieles wird teurer – Energie und Lebensmittel. Und viele Menschen müssen den Gürtel enger schnallen. Aber nicht alle – die Schere zwischen arm und reich geht auch in Deutschland weiter auseinander. Eine aktuelle Studie* zeigt, dass über 80% der Deutschen glauben: Die Einkommens- und Vermögensunterschiede sind in diesem Land zu groß.*

Noch krasser wird es, wenn wir uns die Verteilung des Reichtums weltweit ansehen: Mich hat eine Statistik geschockt, die zeigt, dass 8,6 Prozent der Menschen 86 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen. Und unter diese 8 Prozent falle auch ich – mit einem Auto, einem Computer und mehr als einem paar Schuhe. Für mehr als 70% der Menschen auf unserer Welt bleiben hingegen noch nicht mal 3% des Kuchens **- sie haben oft nicht mal das Nötigste zum Überleben. Es sind dieselben Menschen, die auf Plantagen in Afrika oder in Textilfabriken in Asien Produkte für den Weltmarkt fertigen - zu einem Hungerlohn. Produkte, die auch in Supermarktregalen in Deutschland liegen. Deshalb braucht es hier ein Umdenken: Faire Lieferketten, wie sie in der EU gerade verhandelt werden. Und fairen Handel - damit die Zukunft für die Menschen besser wird, die bisher noch nie fette Jahre hatten.

*vgl. DIE ZEIT vom 28.September 2023: Was wollen die Deutschen? Deutschland, neu vermessen, Hamburg 2023, S.41.

**vgl. John Mark Comer: Das Ende der Rastlosigkeit. Mach Schluss mit allem, was dich hetzt- und komm bei Gott an, 3.Auflage 2023 , SCM-Verlag Holzgerlingen , S. 176-177.

 

 

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SWR3 Gedanken

10OKT2023
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Der zweifache Oscar-Gewinner Denzel Washington liest jeden Tag in der Bibel, damit er auf dem Boden bleibt. Fußballlegende Jürgen Klopp findet es als ehemaliger Trainer von Mainz 05 großartig, dass der Mainzer Johannes Gutenberg mit seinem Buchdruck für die Verbreitung der guten Nachricht in alle Welt gesorgt hat. Der guten Nachricht von einem liebenden Gott, wie Kloppo als gläubiger Christ betont. Und Samuel Koch glaubt, dass das Lesen in der Bibel in jedem Menschen etwas Gutes auslösen kann.

Ich glaube das auch. Denn auch für mich ganz persönlich spielt die Bibel eine große Rolle. Jeden Tag versuche ich ein paar Verse zu lesen – mal klappt das morgens, mal mittags oder auch erst abends. Wichtig ist mir: keine Ablenkung, denn diese Zeit gehört Gott. Und mir.

Ich verstehe die Bibel dabei nicht wörtlich - Evolution und Schöpfungsbericht – das geht für mich zusammen, weil die Bibel nicht die WIE-Frage, sondern die WARUM-Frage stellt. Warum bin ich überhaupt hier? Und was ist der Sinn des Lebens? Für diese Fragen bietet mir die Bibel beim Lesen immer wieder Inspiration für meinen Alltag. Und nach dem Blick ins Buch der Bücher blicke ich mit einer anderen Brille auf die Welt – mit der Bibelbrille, wenn man so will:

Ich gebe mir einen Ruck und nehme die Entschuldigung an, die mir ein Kumpel per Messenger geschickt hat, weil er sich gestern Abend vor versammelter Clique im Ton vergriffen hat. Denn nicht sieben Mal sollt ihr vergeben, sondern 70 Mal sieben Mal, heißt es in der Bibel. Wenn ich von Menschen höre, die im Mittelmeer ertrinken, dann sehe ich in ihnen „ein Ebenbild Gottes“. Und dann geht mich das an, dass sie gerettet werden müssen. Und ich bete für die vielen Menschen, die in meinem Bekanntenkreis gerade an Krebs und anderen Krankheiten leiden. Um Kraft, dass sie heute morgen gut in den Tag starten. Denn Gott hat uns gegeben einen Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. So steht es in der Bibel. Und so erhoffe ich es für meine Lieben und für mich.

 

 

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SWR3 Gedanken

09OKT2023
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Selten hat mich ein Buch so gefesselt. Ich wollte es eigentlich abends vor dem Einschlafen lesen – immer ein Kapitel. Hat nicht geklappt. Ich musste einfach weiterlesen. Und einschlafen konnte ich danach sowieso nicht mehr. Das Buch „Februar 33“ erzählt, wie Deutschland 1933 in nur einem Monat von einer Demokratie zu einer Diktatur wird. Der Autor Uwe Wittstock hat das Leben damaliger Schriftsteller akribisch recherchiert und diesen Februar aus der Perspektive von Erich Maria Remarque oder Thomas und Heinrich Mann erzählt. Sie haben als Menschen des Wortes damals viel notiert - in Tagebüchern oder Briefen. Ihr Leben steht stellvertretend für das so vieler Menschen von denen man viel weniger weiß: jüdische Handwerker oder politisch anders denkende Lehrerinnen.

Hochspannend ist, dass manche von ihnen blitzschnell merken, welches Terrorregime da mit Hitler am Horizont aufzieht. Der jüdische Schriftsteller Joseph Roth etwa verlässt schon am Morgen nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler das Land und schreibt in einem Brief: „Die Hölle regiert.“. Andere Kollegen beschwichtigen: Mit dem Hitler-Spuk wird es bald wieder vorbei sein. Eine fatale Fehleinschätzung.

Der Autor Uwe Wittstock schreibt in seinem Vorwort: „Heute liegen die Dinge anders, glücklicherweise. Doch zu vielen Faktoren finden sich Parallelen: die wachsende Spaltung der Gesellschaft. Die Dauerempörung im Netz, die den Keil immer tiefer treibt. […]. Der zunehmende Judenhass. […] Der Aufstieg nationalistischer Regime in anderen Ländern. Vielleicht also kein schlechter Zeitpunkt, um sich vor Augen zu führen, was […] mit einer Demokratie geschehen kann.“ Findet Wittstock.*

Als ich den Buchdeckel schließe, klopft mein Herz. Denn nichts ist selbstverständlich. Wehret den Anfängen: Wenn Menschen populistische Phrasen dreschen. Wenn rechte Hetze salonfähig wird. Wenn Grund- und Menschenrechte wie das auf Asyl in Frage gestellt werden. Dann gilt es heute laut und deutlich den Mund aufzumachen.

*Uwe Wittstock: Februar 33. Der Winter der Literatur, C.H.Beck, München 2021, S.8.

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SWR3 Gedanken

08OKT2023
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Endlich Wochenende. Die vergangenen Tage waren Dauerstress: Abgaben, Konferenzen und das Telefon stand auch nie still. Und dann noch jeden Abend einen Termin. Mal beruflich, mal privat. Die To-Do-Liste, die ich mir für gestern, Samstag, geschrieben habe: Noch nicht mal bis zur Hälfte abgehakt.

Deshalb fühle ich mich ertappt, als ich ein Buch über Rastlosigkeit* lese. Darin steht: „Jesus hatte einen vollen Terminkalender. […] Und doch wirkte er in den Evangelien nie so, als sei er unter Zeitdruck. […] Jesus sorgte dafür, dass es in seinem Leben eine gesunde Dosis an Spielraum gab – unverplante Zeit.“*

Genau dieser Spielraum fehlt mir oft– und ich glaube da bin ich nicht allein. Der Satz „Man müsste mal wieder …“ , den hör ich ziemlich oft. Deshalb: Mehr Spielraum! Das funktioniert aber nur, wenn ich weniger mache. Wie genau das gehen kann – da habe ich auch keine Paradelösung. Aber die Faszination ist geweckt.  Ich lese weiter in dem Buch: „In den Lebensrhythmus von Jesus war eine zentrale Praxis eingebaut – ein ganzer Tag nur zum Entschleunigen, zum Innehalten- und das jede Woche.“*

Fällt mir zugegebenermaßen oft nicht leicht, tut aber – wenn es gelingt - so gut: Den Cappuccino beim Frühstück Schluck für Schluck genießen und dabei mein Lieblingslied hören. Beim Wandern im Wald die Farben des Herbstes feiern. Zeit haben für Gebet und Stille. Den Abend mit Freunden genießen ohne auf die Uhr zu schauen. Ich glaube so hat sich Gott das mit der Ruhe am siebten Tag gedacht. Ich muss das Geschenk heute nur annehmen. Schönen Sonntag!

*John Mark Comer: Das Ende der Rastlosigkeit. Mach Schluss mit allem, was dich hetzt- und komm bei Gott an, 3. Auflage 2023, SCM-Verlag Holzgerlingen S.107-108.159.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38562
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