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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25OKT2022
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Einfach mal abtauchen, das wünschen sich viele. Dem Stress und den Ansprüchen entfliehen. Blubb, blubb, blubb. Einfach weg. Nichts hören und sehen.

Und es stimmt tatsächlich. Wer wie ich wirklich taucht, so mit Flasche, Anzug und Blei – der weiß - es herrscht eine andere Geräuschkulisse da unten. Es ist viel stiller.

Aber: Das mit dem „Nichts – Sehen“ - stimmt nicht. Im Gegenteil: Es gibt unendlich viel zu sehen unter Wasser. Egal ob hier im Baggerweiher oder im „Roten Meer“.

Unter Wasser ist ganz schön was los. Mich begeistert die Unterwasserwelt jedes Mal aufs Neue. Auch wenn ich mittlerweile schon an vielen Orten getaucht bin. Beim Tauchen ist es so ähnlich wie beim Wandern: Da habe ich auch schon vieles gesehen und trotzdem ist es immer wieder schön. Ich entdecke immer wieder Dinge, die mich überraschen und faszinieren. Mir tut das gut. Und wenn ich mich so in der Natur bewege, fühle ich mich auch Gott näher.

Dabei denke ich manchmal: Wasser – Flüsse, Seen und Meere – sind: „Gottes vergessene Schöpfung“.

Wir leben oft so als hätten wir diesen Teil der Welt, als hätten wir die Unterwasserwelt vergessen. Als wäre es uns egal, wenn Flüsse veralgen, Meere überfischt oder als Müllkippe benutzt werden.

Eben weil man die Vielfalt und den Reichtum der Unterwasserwelt von außen nicht sieht, vergessen viele Menschen, wieviel Leben dort ist. Wenn ich sehe wie wir mit unseren Gewässern umgehen, dann kann man schon traurig werden.

Aber auch die Unterwasserwelt gehört zu Gottes Schöpfung. Gott war schon da – er hat auch diese Welt wunderschön und gut geschaffen. An uns ist es diese Wunder zu bewahren. Wir dürfen sie bestaunen und genießen, ohne sie zu zerstören. Tauchen ist für mich daher immer auch spirituell. Das Erleben der Unterwasserwelt in all ihrer Schönheit. Und deshalb will ich mich dafür einsetzen diese Welt zu erhalten - damit auch unsere Enkel noch einfach mal abtauchen können.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

24OKT2022
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Die Sonne steigt morgens langsam aus ihrem Bett, umstreicht Gräser und Bäume voller buntem Laub. Dann steigt sie gemächlich auf mittlere Höhe am Horizont. Die Luft ist kühl und frisch. Sie schmeckt erdig, riecht nach Feuchtigkeit und reifem Obst.

Wenn ich den Blick streifen lasse sehe ich Rot, Orange und die unterschiedlichsten, warmen Brauntöne. Auf den Wegen liegt ein Bett aus buntem Laub und ich genieße das Geraschel.

Dieses Bild beschreibt für mich den perfekten Herbst: Wärme und Ernte, aber auch Abschied und Ruhe.

Wenn ich den Herbst so erlebe, dann erfüllt mich dieses Gefühl ganz – es ist mein Herbst-Gefühl und ja, auch mein Herbstwunsch, meine Herbstsehnsucht.

Meine Kinder sind langsam groß und im Herbst nehme ich mir Zeit mich dieser Herbstsehnsucht hinzugeben.

Der Herbst, er ist für mich schön, angenehm, entspannt und vollkommen zeitlos. Keine Hektik und Hetze und kein Ende in Sicht. Für mich ist das vollkommene Kontemplation – das Hier und Jetzt – das zählt, das ist wichtig, wenn ich dieses „Herbstgefühl“ habe.

Und ich wünsche mir: so wie der Herbst in der Natur, so sollte auch der Herbst des Lebens sein – kein Schrecken – sondern Zeit, Gefühl, Wärme und Ernte – Abschied vom Müssen und Sollen – Ruhe und daraus Kraft und Energie tanken.

Herbst heißt: ich rieche und fühle nochmal die Fülle der Ernte und der Erde, die Fülle des Lebens.

Deshalb spricht es mich so an, wenn Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock – ihr seid die Reben.“ Ich liebe dieses Bild gerade jetzt im Herbst.

Wenn die Trauben schmackhaft, süß und saftig sind, wenn das Laub der Reben in den unterschiedlichsten Farbtönen strahlt. So schön, voll, reif und satt wie die Reben im Herbst so wünsche ich mir das Leben das Gott mir schenkt.

Ein Geschenk Gottes – einfach so.  Ich darf genießen. Welch eine Herbstfreude.

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SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

23OKT2022
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Sich selbst aus dem Sumpf ziehen! Angeblich hat das Baron von Münchhausen gekonnt. Und manchmal beneide ich ihn um diese Fähigkeit. Denn wie ein Sumpf fühlt es sich hin und wieder an:

Es fehlt die Energie sich aufzuraffen. Zum Beispiel um zur Fortbildung zu gehen oder zu einem interessanten Vortrag.

Immer wenn ich dann zuhause sitze, anstatt bei Freuden zu sein und etwas Neues zu lernen, bin ich nicht wirklich zufrieden. Denn Zuhause bin ich meist nicht aktiv und froh. Ich wünsche mir dann immer Baron von Münchhausen zu sein.

Nun ist klar, dass Baron von Münchhausen ein Lügenbaron gewesen ist, aber aus dem Sumpf würde ich trotzdem gerne gezogen werden.

Vielen meiner Freunde und Kolleginnen geht es auch immer mal wieder so. Nur Martin sticht da raus. Natürlich hat auch er Sorgen, oder manchmal keine Lust. Aber er hat einfach kein Talent zum Unglücklichsein.

Im Gegenteil: Er ist unverwüstlich optimistisch. Und er ist selbst sehr dankbar, dass er so ein sonniges Gemüt hat. Er beschreibt das immer als ein Geschenk Gottes.

Seitdem bete auch ich um diese Gaben – und …Naja gerne würde ich hier von einer 100% Gebetserhörung berichten, aber so ganz stimmt es nicht.

Das Beten hilft mir aber immer wieder, dass ich Durchatmen kann. Und dieses Durchatmen gibt mir neue Energie. Dann wird es leichter ums Herz und ich spüre frischen Wind, so dass ich mich ein ums andere Mal besser motivieren kann.

Ganz wie Baron von Münchhausen ist es nicht. Es ist Gott der mir aus dem Sumpf hilft. Es tut mir gut, dass er bei mir ist auch in meinem Frust. Und so gestärkt raffe ich mich dann doch auf und gehe raus. Und – sie werden das sicher kennen – wenn man es dann doch macht, ist es meist auch richtig schön und man freut sich auf das nächste Mal.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09JUL2022
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Wolken – Wolken Bilder zu betrachten erlaube ich mir leider viel zu selten. Dabei beruhigen sie mich ungemein. Besonders an sonnigen Tagen, wenn am Himmel Wolkenformationen entstehen und sich langsam wie in einem Sandbild verändern. Wenn ich mir erlaube einfach in den Himmel zu schauen - dann ist das wie meditieren: Je länger ich meinen Blick auf die Wolken richte, werden die Assoziationen unkonkreter und alles irgendwie harmonisch. Das tut mir gut.

Nicole ist es früher auch immer so gegangen. Schon als Kind hatte sie sich in den Himmel verliebt und deswegen Meteorologie studiert. Inzwischen hat Nicole zwei Kinder bekommen und arbeitet als Lehrerin. Eigentlich könnte alles gut sein: sie hat einen sicheren Job und das Geld reicht auch – aber Corona und der Krieg haben sie total aus der Spur geworfen. Sie sieht in den Wolken Bildern nur noch apokalyptische Reiter und Gestalten der anbrechenden Endzeit. Alles ist ihr ein Zeichen geworden und die Wolken im Himmel scheinen ihr nur noch schwarz und bedrohlich. Neulich habe ich sie zufällig getroffen als sie ihre 16- jährige Tochter von der Schule abgeholt hat. „Was machen die Wolken?“ habe ich sie gefragt. Zuerst hat sie mich verständnislos angeschaut. Und dann hat sie gesagt: „Schau selbst – so wird es nicht weiter gehen, dass sind alles schrecklich Zeichen am Himmel.“ Ihre Tochter am Arm ist nicht erschrocken – sie kennt ihr Mutter nur zu gut. Aber sie hat gesagt „Mama, er ist doch Pfarrer – er meint gar nicht diesen Himmel – er meint den göttlichen Himmel – da gibt es sicher nur Schäfchen Wolken“.

Den Spot habe ich überhört – denn sie hat ja Recht: Was mir Kraft gibt in diesen Zeiten ist ein Blick in den Himmel, den Himmel als Ort von Gottes Zuversicht. Nicht die apokalyptischen Reiter, nicht Inflation, Krieg und Krankheit, sondern Zukunft, Zuversicht und Hoffnung sind es, was ich da sehe. Zu Nicole habe ich gesagt: „Stimmt, schau dir diese Schäfchen Wolken an – jeden Tag nur zwei Minuten. Ein Blick in den Himmel – ein Blick in die Hoffnung. Dann liegt der Tag immer noch vor dir - aber mit einem anderen Vorzeichen.“ 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35722
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

09JUL2022
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Wolken – Wolken Bilder zu betrachten erlaube ich mir leider viel zu selten. Dabei beruhigen sie mich ungemein. Besonders an sonnigen Tagen, wenn am Himmel Wolkenformationen entstehen und sich langsam wie in einem Sandbild verändern. Wenn ich mir erlaube einfach in den Himmel zu schauen - dann ist das wie meditieren: Je länger ich meinen Blick auf die Wolken richte, werden die Assoziationen unkonkreter und alles irgendwie harmonisch. Das tut mir gut.

Nicole ist es früher auch immer so gegangen. Schon als Kind hatte sie sich in den Himmel verliebt und deswegen Meteorologie studiert. Inzwischen hat Nicole zwei Kinder bekommen und arbeitet als Lehrerin. Eigentlich könnte alles gut sein: sie hat einen sicheren Job und das Geld reicht auch – aber Corona und der Krieg haben sie total aus der Spur geworfen. Sie sieht in den Wolken Bildern nur noch apokalyptische Reiter und Gestalten der anbrechenden Endzeit. Alles ist ihr ein Zeichen geworden und die Wolken im Himmel scheinen ihr nur noch schwarz und bedrohlich.

Neulich habe ich sie zufällig getroffen als sie ihre 16- jährige Tochter von der Schule abgeholt hat. „Was machen die Wolken?“ habe ich sie gefragt. Zuerst hat sie mich verständnislos angeschaut. Und dann hat sie gesagt: „Schau selbst – so wird es nicht weiter gehen, dass sind alles schrecklich Zeichen am Himmel.“ Ihre Tochter am Arm ist nicht erschrocken – sie kennt ihr Mutter nur zu gut. Aber sie hat gesagt „Mama, er ist doch Pfarrer – er meint gar nicht diesen Himmel – er meint den göttlichen Himmel – da gibt es sicher nur Schäfchen Wolken“. Den Spot habe ich überhört – denn sie hat ja Recht: Was mir Kraft gibt in diesen Zeiten ist ein Blick in den Himmel, den Himmel als Ort von Gottes Zuversicht. Nicht die apokalyptischen Reiter, nicht Inflation, Krieg und Krankheit, sondern Zukunft, Zuversicht und Hoffnung sind es, was ich da sehe. Zu Nicole habe ich gesagt: „Stimmt, schau dir diese Schäfchen Wolken an – jeden Tag nur zwei Minuten. Ein Blick in den Himmel – ein Blick in die Hoffnung. Dann liegt der Tag immer noch vor dir - aber mit einem anderen Vorzeichen.“ 

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08JUL2022
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„Mañana, Mañana!“, „Morgen, Morgen!“, so habe ich es öfter in Bolivien gehört. Spontan hat sich das in meinem Kopf immer mit einem Satz meiner Oma verknüpft: „Morgen, morgen nur nicht heute sagen alle faulen Leute.“ Aber ich habe gelernt: das tut der Mañana Kultur völlig unrecht.

Geholfen hat mir dabei Amalia. Bei einer langen Fahrt auf der Pritsche des Pickups haben wir uns länger unterhalten können. Mit einem Übersetzer. Das war gut, denn so mussten wir beide sorgfältig formulieren und hatten zwischendurch immer auch Zeit zum Nachdenken. Da habe ich verstanden was Mañana bedeutet. Es geht nicht um das Aufschieben lästiger Aufgaben. Es geht vielmehr um einen Ruf zur Achtsamkeit gegenüber sich und anderen. Amalia hat erklärt: Mañana sagt man zum Beispiel um nochmal die Dringlichkeit einer Sache zu prüfen oder zu schauen was gerade wichtig ist. Es kann aber auch heißen, „Toll dass du Feuer und Flamme bist – aber die anderen können nicht mehr. Halt ein und mach eine Pause: Nimm alle mit auf den Weg.“ Und es ist auch eine Aufforderung zur inneren Einkehr. Mañana – sieh hin - was ist jetzt gerade wirklich dran.

Ich habe mir das für meinen deutschen Alltag so übersetzt: Mañana – deine Kinder werden groß, die Zeit kommt nicht wieder Die Herausforderung im Job aber ganz bestimmt. Mañana – besuch deine Oma – jetzt – auch wenn es im Garten und im Haus so viel anderes zu tun gibt. Leben ist endlich. Mañana – erkennst du deine Frau noch – was ist ihr wichtig – was macht eure Beziehung aus. Mañana – ist seitdem mein Ruf zur Umkehr und Besinnung. Es hat gedauert bis ich das verstanden habe. Bis ich mich von dem Satz meiner Großmutter habe lösen können. Aber es tut gut: Mañana – der Augenblick der mir zeigt was jetzt dran ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08JUL2022
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„Mañana, Mañana!“, „Morgen, Morgen!“, so habe ich es öfter in Bolivien gehört. Spontan hat sich das in meinem Kopf immer mit einem Satz meiner Oma verknüpft: „Morgen, morgen nur nicht heute sagen alle faulen Leute.“ Aber ich habe gelernt: das tut der Mañana Kultur völlig unrecht. Geholfen hat mir dabei Amalia. Bei einer langen Fahrt auf der Pritsche des Pickups haben wir uns länger unterhalten können. Mit einem Übersetzer. Das war gut, denn so mussten wir beide sorgfältig formulieren und hatten zwischendurch immer auch Zeit zum Nachdenken.

Da habe ich verstanden was Mañana bedeutet. Es geht nicht um das Aufschieben lästiger Aufgaben. Es geht vielmehr um einen Ruf zur Achtsamkeit gegenüber sich und anderen. Amalia hat erklärt: Mañana sagt man zum Beispiel um nochmal die Dringlichkeit einer Sache zu prüfen oder zu schauen was gerade wichtig ist. Es kann aber auch heißen, „Toll dass du Feuer und Flamme bist – aber die anderen können nicht mehr. Halt ein und mach eine Pause: Nimm alle mit auf den Weg.“ Und es ist auch eine Aufforderung zur inneren Einkehr. Mañana – sieh hin - was ist jetzt gerade wirklich dran. Ich habe mir das für meinen deutschen Alltag so übersetzt: Mañana – deine Kinder werden groß, die Zeit kommt nicht wieder Die Herausforderung im Job aber ganz bestimmt. Mañana – besuch deine Oma – jetzt – auch wenn es im Garten und im Haus so viel anderes zu tun gibt. Leben ist endlich. Mañana – erkennst du deine Frau noch – was ist ihr wichtig – was macht eure Beziehung aus.

Mañana – ist seitdem mein Ruf zur Umkehr und Besinnung. Es hat gedauert bis ich das verstanden habe. Bis ich mich von dem Satz meiner Großmutter habe lösen können. Aber es tut gut: Mañana – der Augenblick der mir zeigt was jetzt dran ist.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07JUL2022
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Bevor ich das erste Mal nach Südkorea geflogen bin, hatte ich Bilder im Kopf von Hochhäusern, mehrspurigen Straßen und Industrie. Süd-Korea ist schließlich einer der asiatischen Tigerstaaten, habe ich gedacht. Und mega Wirtschaftswachstum geht nur mit konsequenter Planung, klarer Strategie und Zukunftsorientierung. Aber als ich dann vor Ort war, habe ich noch eine andere Seite dieses Landes kennengelernt. Viele Menschen in Süd-Korea haben die Fähigkeit  im „hier und jetzt“ zu leben – also ganz in der Gegenwart, im Augenblick. Und das überrascht, denn es gibt viele Probleme im Land: Süd-Koreas Gesellschaft verändert sich rasend schnell und das schafft vor allem zwischen den Generationen Konflikte – auch in der Kirche. Die Älteren, die Vieles aufgebaut haben, wollen die Richtung bestimmen, aber die junge Generation will diesen Weg nicht mehr gehen. Dazu immer die Bedrohung durch Nord-Korea im Hinterkopf. Jetzt steigen auch noch die Rohstoffpreise und die Präsenz des amerikanischen Militärs hat sich durch den Ukraine Krieg verstärkt. Es gäbe also viele Gründe sorgenvoll in die Zukunft zu schauen. Doch mittendrin habe ich koreanischen Christen erlebt - oft mit Ruhe und Geduld und zuversichtlich. Ich habe meinen Freund Mjung Jul gefragt, ob diese Gelassenheit aus den konfuzianischen Wurzeln der koreanischen Kultur kommt oder durch buddhistische Einflüsse. Da hat er mich erstaunt angeschaut und gemeint: „Wir als Christen wissen doch selbst um alle Vorläufigkeit der Welt – da braucht es keine anderen asiatischen Religionen – auch wenn es hier so nahe liegt. Als Christ lebe ich im hier und jetzt und baue für die Zukunft an einer besseren Welt“. Ich bin zuerst sprachlos gewesen und es hat mich auch beschämt. Aber dazu habe ich wohl nach Korea kommen müssen: Um zu lernen, das jeder Tag seine eigene Sorge hat. Mein koreanischer Glaubensfreund hat mir die Augen und Ohren geöffnet: Ich bin im hier und jetzt gefragt – aber darf hoffen auf eine andere, eine bessere Welt und wenn man so auf das Leben blickt, dann kann man wirklich gelassen sein.  „Und wenn alles zu viel wird“, hat Myung Jul noch nachgeschoben, „dann werfe ich all meine Sorge auf Gott, denn er hält es aus.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07JUL2022
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Bevor ich das erste Mal nach Südkorea geflogen bin, hatte ich Bilder im Kopf von Hochhäusern, mehrspurigen Straßen und Industrie. Süd-Korea ist schließlich einer der asiatischen Tigerstaaten, habe ich gedacht. Und mega Wirtschaftswachstum geht nur mit konsequenter Planung, klarer Strategie und Zukunftsorientierung.

Aber als ich dann vor Ort war, habe ich noch eine andere Seite dieses Landes kennengelernt. Viele Menschen in Süd-Korea haben die Fähigkeit  im „hier und jetzt“ zu leben – also ganz in der Gegenwart, im Augenblick. Und das überrascht, denn es gibt viele Probleme im Land: Süd-Koreas Gesellschaft verändert sich rasend schnell und das schafft vor allem zwischen den Generationen Konflikte – auch in der Kirche. Die Älteren, die Vieles aufgebaut haben, wollen die Richtung bestimmen, aber die junge Generation will diesen Weg nicht mehr gehen. Dazu immer die Bedrohung durch Nord-Korea im Hinterkopf. Jetzt steigen auch noch die Rohstoffpreise und die Präsenz des amerikanischen Militärs hat sich durch den Ukraine Krieg verstärkt.

Es gäbe also viele Gründe sorgenvoll in die Zukunft zu schauen. Doch mittendrin habe ich koreanischen Christen erlebt - oft mit Ruhe und Geduld und zuversichtlich. Ich habe meinen Freund Mjung Jul gefragt, ob diese Gelassenheit aus den konfuzianischen Wurzeln der koreanischen Kultur kommt oder durch buddhistische Einflüsse. Da hat er mich erstaunt angeschaut und gemeint: „Wir als Christen wissen doch selbst um alle Vorläufigkeit der Welt – da braucht es keine anderen asiatischen Religionen – auch wenn es hier so nahe liegt. Als Christ lebe ich im hier und jetzt und baue für die Zukunft an einer besseren Welt“. Ich bin zuerst sprachlos gewesen und es hat mich auch beschämt. Aber dazu habe ich wohl nach Korea kommen müssen: Um zu lernen, das jeder Tag seine eigene Sorge hat. Mein koreanischer Glaubensfreund hat mir die Augen und Ohren geöffnet: Ich bin im hier und jetzt gefragt – aber darf hoffen auf eine andere, eine bessere Welt und wenn man so auf das Leben blickt, dann kann man wirklich gelassen sein.  „Und wenn alles zu viel wird“, hat Myung Jul noch nachgeschoben, „dann werfe ich all meine Sorge auf Gott, denn er hält es aus.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30MRZ2022
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Zu meiner Arbeit gehört, dass ich viele unterschiedliche Menschen aus anderen Kontexten und Ländern kennenlernen darf. Ich empfinde es als großes Glück, aber es ist auch immer wieder eine große Herausforderung.

Es ist wichtig die unterschiedlichen Bedürfnisse zu kennen und zu wissen, was in den Kulturen geht und was nicht. Bei der Frage nach Gastgeschenken wird das besonders deutlich. Was könnte passen? Über was würde sich mein Gastgeber freuen? Was geht kulturell? Die „pfälzische Lösung“ der Flasche Wein geht eben nicht immer. Aber ich merke auch: das eigentlich größte Geschenk bei solchen Begegnungen ist der Austausch mit den Menschen. Das wechselseitige voneinander Lernen. Dabei habe ich schon viel geschenkt bekommen. Zum Beispiel von einem Kollegen aus Ghana. Der hat mal zu mir gesagt: „Lebensfreude ist eine Kategorie des Widerstandes.“ Er hat diesen Satz gesagt als er mir von der Unterdrückung durch Waffen und Angst der letzten Jahrhunderte in Ghana erzählt hat.

„Lebensfreude ist eine Kategorie, eine Form des Widerstandes.“ Dieser Satz ist mir plötzlich wieder in den Sinn gekommen. Damals habe ich die Bedeutung des Satz noch gar nicht richtig verstehen können. Aber heute, in dieser bedrohten Zeit, entfaltet der geschenkte Satz seine Wirkung. Denn ich habe mich gefragt: darf ich noch freudig Menschen treffen, mich des Lebens freuen angesichts der momentanen Weltlage? Und auch Spaß haben, obwohl ich auch Angst habe? Mit Lebensfreude auch in Zeiten der Angst und Bedrohung zu reagieren ist mir lange als seltsam oder unangemessen erschienen. Aber jetzt ist es mein Motto geworden. Weil es hilft mir mit Angst und Bedrohung umzugehen. Mein Kollege aus Ghana würde sagen: Lass Dich nicht beherrschen von der Angst! Genau das wollen die, die Dir Angst machen. Aber Du und ihr dürft Euch trotzdem an dem freuen, was ihr habt -  gegen die Angst und die Bedrohung. Denn Lebensfreude ist so etwas wie Widerstand!

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