Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08JUL2022
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„Mañana, Mañana!“, „Morgen, Morgen!“, so habe ich es öfter in Bolivien gehört. Spontan hat sich das in meinem Kopf immer mit einem Satz meiner Oma verknüpft: „Morgen, morgen nur nicht heute sagen alle faulen Leute.“ Aber ich habe gelernt: das tut der Mañana Kultur völlig unrecht.

Geholfen hat mir dabei Amalia. Bei einer langen Fahrt auf der Pritsche des Pickups haben wir uns länger unterhalten können. Mit einem Übersetzer. Das war gut, denn so mussten wir beide sorgfältig formulieren und hatten zwischendurch immer auch Zeit zum Nachdenken. Da habe ich verstanden was Mañana bedeutet. Es geht nicht um das Aufschieben lästiger Aufgaben. Es geht vielmehr um einen Ruf zur Achtsamkeit gegenüber sich und anderen. Amalia hat erklärt: Mañana sagt man zum Beispiel um nochmal die Dringlichkeit einer Sache zu prüfen oder zu schauen was gerade wichtig ist. Es kann aber auch heißen, „Toll dass du Feuer und Flamme bist – aber die anderen können nicht mehr. Halt ein und mach eine Pause: Nimm alle mit auf den Weg.“ Und es ist auch eine Aufforderung zur inneren Einkehr. Mañana – sieh hin - was ist jetzt gerade wirklich dran.

Ich habe mir das für meinen deutschen Alltag so übersetzt: Mañana – deine Kinder werden groß, die Zeit kommt nicht wieder Die Herausforderung im Job aber ganz bestimmt. Mañana – besuch deine Oma – jetzt – auch wenn es im Garten und im Haus so viel anderes zu tun gibt. Leben ist endlich. Mañana – erkennst du deine Frau noch – was ist ihr wichtig – was macht eure Beziehung aus. Mañana – ist seitdem mein Ruf zur Umkehr und Besinnung. Es hat gedauert bis ich das verstanden habe. Bis ich mich von dem Satz meiner Großmutter habe lösen können. Aber es tut gut: Mañana – der Augenblick der mir zeigt was jetzt dran ist.

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