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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

26MAI2023
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„Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hinein-kommen“, hat Jesus einmal gesagt. (Lk 18,17)

Und er hat das nicht zu irgendwelchen Leuten gesagt; er hat es zu seinen engsten Vertrauten gesagt, den Jüngern. Die wollten ihn eigentlich gerade vor einer Gruppe Kinder abschirmen. Aber damit ist Jesus überhaupt nicht einverstanden gewesen. Und dann hat er diesen berühmten Satz gesagt.

Warum? Ich glaube, Jesus wollte den Jüngern etwas klarmachen.

Die Jünger haben ja ganz schön was auf sich genommen, als sie sich Jesus angeschlossen haben. Sie haben alles stehen und liegen lassen, um ein Leben als Wanderprediger zu führen. Und aus meinem spontanen Rechtsempfinden heraus würde ich behaupten:

„Die haben sich das Reich Gottes nun wirklich mehr als verdient!“

Und vielleicht haben die Jünger das auch manchmal so bei sich gedacht, wenn sie gerade frustriert waren; wenn sie Jesus mal wieder nicht so ganz verstanden haben und Kritik einstecken mussten... Vielleicht haben sie sich dann mit dem Gedanken getröstet: „Schön und gut, aber wenigsten das Himmelreich ist uns sicher!“

Und nun das! „Wer das Himmelreich nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“ Das bedeutet doch: ausgerechnet diejenigen, die noch nichts zustande gebracht haben und die nichts vorweisen können, die dazu noch schwach sind und bedürftig - ausgerechnet die sollen unsere wahren Vorbilder sein...? Ja, ist denn dann die ganze Anstrengung umsonst gewesen?

Aber dann kommt mir miteinemmal der Gedanke:

Wir sind doch alle einmal Kinder gewesen. Sie. Ich. Die Jünger. Alle Menschen. Wir alle tragen doch diesen Schatz noch in uns: Dieses kindliche Wesen, gerade mal dem Himmelreich entsprungen, noch so verletzlich und klein..., aber angefüllt bis an den Rand mit Vertrauen und Staunen.

Vielleicht sollten wir diesen Schatz mal wieder heben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

25MAI2023
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„Handwerker müsste man sein“, denke ich manchmal. Ich finde das toll, was die alles so zustande bringen. Eben war der Wohnblock, in dem ich aktuell oft bin, noch eine Baustelle - jetzt ist er schon bewohnbar. Jeden Tag sieht man, wie es vorwärtsgeht; jeden Tag wird etwas fertig.

Da denke ich: Wie schön muss es sein, wenn man am Feierabend immer sieht, was man am Tag alles geschafft hat. Meine Arbeit ist nicht mit den Händen zu greifen. Oft kommt sie mir so flüchtig vor. Und da ist fast nichts, was ich vorweisen kann.

Vor ein paar Tagen bin ich wieder mal einem der Baggerfahrer begegnet. Ich hatte meinen kleinen Enkel auf dem Arm. „Du musst dich dann später schön anstrengen, in der Schule, damit du was lernst - und nicht als Bauarbeiter endest, wie ich“, hat er gesagt.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Und habe erschrocken geantwortet:

„Aber wie könnte das alles hier entstehen, wenn es keine Bauarbeiter gäbe - wie Sie?“ Da hat er verlegen gelächelt und hat sich wieder an die Arbeit gemacht.

Natürlich weiß ich, dass ein guter Schulabschluss und eine gute Ausbildung viel wert sind. Und natürlich beneide ich keinen um körperliche Schwerstarbeit bei Wind und Wetter und geringer Bezahlung.

Und dennoch passiert es mir immer wieder, dass ich bei anderen die Vorzüge ihrer Arbeit sehe, und an meiner eigenen eher die Nachteile.

Dabei habe ich einem Kollegen für exakt diese Sichtweise mal ordentlich den Kopf zurechtgerückt. Er hat neidisch auf die Ärzteschaft geblickt und hat gesagt:

„Die haben es gut, die können den ganzen Tag lang ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen und werden nicht andauernd von irgendwelchem anderen Kram aufgehalten.“

„Von wegen“, habe ich gesagt. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wieviel Zeit die allein mit dem Dokumentieren zubringen?“

Ja, und eigentlich weiß ich auch das: Vergleichen bringt nichts. Es genügt vollkommen, die Arbeit der anderen zu würdigen; und die eigene eben auch.

Aber ich falle halt immer wieder hinter mich selber zurück

Wie ist das bei Ihnen?

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

15FEB2023
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Text eingesprochen von Janine Knoop-Bauer 

„Ich wünsche Dir viele Krisen, die du überwindest.“ Diesen Satz hat mein Vater meinem Sohn mit auf den Weg gegeben, an seiner Konfirmation. Da hat er eine Rede gehalten, die in diesem Satz gipfelte: „Ich wünsche Dir viele Krisen, die du überwindest.“

Ich habe das damals, ehrlich gesagt, ziemlich blöd gefunden. - Wie kann man einem Jugendlichen, der eh nur noch im altersbedingten Krisenmodus anzu-treffen ist, so einen Satz mit auf den Weg geben?! Man wünscht seinem Enkelkind doch gefälligst schöne Dinge, und keine Krisen!

Ich habe lange gebraucht, um die Weisheit hinter seinen Worten zu entdecken. Denn die schönen Wünsche, so verständlich sie auch sind, taugen nicht:
Der Wunsch verschont zu bleiben, taugt nicht. (Vgl. Hilde Domin: Bitte
Der Wunsch nach einem Leben ohne Tränen und ohne Schmerz, taugt nicht.
So wenig, wie der Wunsch nach ewiger Blüte und Jugend.

Warum eigentlich nicht?
Weil gerade die Vergänglichkeit die Blüte und Jugend zu etwas besonderem machen. Ich weiß noch, wie ich früher immer traurig gewesen bin, wenn der Frühling vorüber war - und mit ihm die Fülle und Blütenpracht und all die bunten Farben. Ich hätte sie gerne festhalten. Und habe lernen müssen:
Das Besondere daran ist ja gerade, dass sie nicht immer da sind.

Und ich musste lernen, dass es zwar angenehm ist, wenn man weitgehend verschont bleibt von schmerzvollen Erfahrungen. Aber reifen tun wir daran nicht; und wir sind schlecht vorbereitet, wenn es wirklich schwierig wird.

Ich musste lernen: Es gibt kein Anrecht auf ein grenzenlos unbeschwertes, erfolgreiches, gesundes und glückliches Leben. Und ein Glaube, der sich nur am Wohlergehen misst, trägt nicht, taugt nicht und bringt uns nicht weiter.

Was taugt ist Vertrauen. Auch in Krisenzeiten. Darauf vertrauen, dass es einen neuen Anfang geben wird. Dass sich wieder eine Tür auftun wird. Dass nichts bleibt, wie es ist. Dass alles Verwandlung ist, auch die Not und das Leid. Und dass wir auch im Sterben und Vergehen bewahrt sind. Das taugt.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

14FEB2023
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Text eingesprochen von Janine Knoop-Bauer 

„Pfarrers Töchter, Müllers Vieh, geraten selten oder nie!“ Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mir als Pfarrerskind diesen Spruch anhören musste! Ich habe das zum Glück immer so verstanden, dass da in erster Linie das arme Vieh des Müllers beleidigt wird...

Bestimmt gibt es solche Sprüche auch für die Nachkommen anderer Berufs-gruppen; und bestimmt haben sie auch da in manch einer Kinderseele ihre Spuren hinterlassen. Deshalb ist es gut, solche Sprüche umzudeuten.

Ich kann nur sagen: im Pfarrhaus aufzuwachsen ist schon sehr speziell. Auf der einen Seite ist die soziale Kontrolle übermächtig. Und alles, was Pfarrerskinder so tun - oder auch lassen - wird beobachtet und kommentiert. Was die Leute offenbar dazu verleitet, schon früh ihre Mutmaßungen darüber anzustellen, ob die Pfarrers-Töchter nun geraten, oder nicht... Auf der anderen Seite hat man aber auch viel Platz und Freiräume, in einem Pfarrhaus. Und immer ist was los:
Das ist ein Kommen und Gehen. Und ständig klingelt das Telefon! Da mussten wir als Kinder natürlich auch als Sekretariat herhalten; schließlich gab`s da ja noch keine Handys oder Anrufbeantworter. Nachrichten wurden ganz selbstverständlich den Pfarrerskindern aufgetragen, und auch Fragen eingeholt. - Was Wunder, dass Kinder im Pfarrhaus früh lernen, sich kurz und prägnant auszudrücken; was Erwachsene manchmal sichtlich überfordert...

Ein Pfarrersehepaar im Ruhestand hat mir dazu folgende Geschichte erzählt:
Sie ist Gemeindepfarrerin gewesen und er hat als Seelsorger im Gefängnis gearbeitet. Wieder einmal hat jemand auf dem Diensttelefon angerufen. Die jüngste Tochter ist drangegangen. Eine Männerstimme fragt:
„Kann ich mal deinen Papa sprechen?“
„Ne, der ist im Knast.“
„Und deine Mama?“
„Die ist auf dem Friedhof.“
Da hat der Mann aufgelegt.

Die kleine Pfarrerstochter hatte eindeutig den größeren Durchblick. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie auf dem Weg war, bestens zu geraten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

13FEB2023
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Text eingesprochen von Janine Knoop-Bauer 

„So eine kleine Handtasche - wie hat denn da ihr ganzes Leben Platz?“ hat eine Frau zu mir gesagt und erstaunt auf meine Handtasche gewiesen.
„Wie: Mein ganzes Leben in so einer kleinen Handtasche...?“ habe ich gefragt und habe meine Handtasche genauer betrachtet.
„Na, irgendwie schleppt man da doch immer sein ganzes Leben mit sich rum“ hat sie geantwortet, „und in Ihre passt ja gar nichts rein.“

So habe ich das noch nie gesehen...
Aber mir ist ein ähnlicher Gedanke auch schon gekommen, allerdings in ganz anderen Zusammenhängen: „Das ganze Leben in einem Einkaufswagen...?“ habe ich schon oft gedacht, beim Anblick eines Obdachlosen. Oder: „Das ganze Leben in zwei Koffern...?“, wenn ich die Bilder von Frauen sehe, die mit ihren Kindern aus dem Krieg fliehen. Und es ist ein beklemmender Gedanke, denn da geht es ja wirklich um das ganze Leben - oder was davon übriggeblieben ist; und mit wie wenig ein Mensch von jetzt auf gleich irgendwie überleben muss...

Verglichen mit so einer Lebenswirklichkeit - da möchte man den Luxus einer kleinen Handtasche nicht mal im selben Atemzug erwähnen! Denn sie ist ja nur ein winziges Abbild meines wirklichen Lebens, in dem ich ein sicheres Dach über dem Kopf habe und alles, was man zum Leben braucht.

Aber so gesehen weist meine kleine Handtasche denn vielleicht doch über sich hinaus: Denn wenn man mir alles nehmen würde, das Allernotwendigste habe ich tatsächlich bei mir, in meiner kleinen Tasche:
Papiere, in denen steht, wer ich bin. Und woher ich komme. Geld, mit dem ich mir mein Brot kaufen kann. Medikamente, die mir notfalls helfen.   Und drei winzige Engel, die mich daran erinnern, wohin die Reise geht; und wohin letztendlich alle Wege führen, was auch geschieht:
In ein Zuhause, das nichts und niemand mehr bedrohen kann. Und in dem das ganze Leben wirklich aufgehoben ist.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07DEZ2022
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„Und vergessen Sie das Atmen nicht!“ Daran hat uns die Sprechtrainerin immer wieder erinnert, während sie uns zu Körper-Übungen angeleitet hat. „Und vergessen Sie das Atmen nicht!“

Geht das denn, das Atmen vergessen? Klar, es kann schon mal vorkommen, dass man vor lauter Konzentration auf andere Dinge die Luft anhält. Oder nur ganz oberflächlich atmet, mit angezogener Handbremse, sozusagen.

Aber wirklich das Atmen vergessen...? Das geht nicht. Ob man nun will oder nicht, man kann es nicht lassen. Ich kann das Atmen nicht mal eben abstellen oder auf später verschieben; gut, vielleicht für einen Moment, aber dann muss ich auch schon wieder tüchtig durchatmen, ich habe gar keine Wahl. Denn Atmen und Leben, das gehört zusammen. Ohne unseren Atem können wir nicht sein.

Und von daher sagt man auch, wenn jemand stirbt: Sie hat ihr Leben ausge-haucht. Oder: Er hat sein Leben ausgehaucht. Weil der letzte Atemzug das Ende des Lebens anzeigt. Genau so, wie der erste Atemzug den Beginn des Erden-lebens markiert und der erste Schrei aus voller Lunge.

Überhaupt hat alles Leben mit dem Atem angefangen, so erzählt es jedenfalls die Bibel: Danach hat Gott seiner Schöpfung den Atem eingehaucht.

In der hebräischen Bibel heißt dieser Atem „Ruach“. Und weil es so lebens-wichtig ist, kommt das Wort Ruach auch an die vierhundert Mal in der Bibel vor. Es steht für Atem, aber auch für Lebensenergie, für Kraft, für den Geist Gottes und den Wind. Für die Menschen im Orient ist Atem und Wind das gleiche Wort. Der Atem ist der kleine Wind. Und wenn der frische Wind aus dem Norden in die Täler bläst, so richtig stark, dann sagen sie sogar: die Erde atmet.

Genau genommen bin ich also mit der ganzen Schöpfung verbunden, wenn ich atme; mit der Erde und allen Kreaturen - und dem Schöpfer selbst. Sein Lebenshauch geht gewissermaßen durch mich hindurch.

Wenn man in diesem Bewusstsein ein und ausatmet, nennen es die einen Meditation. Für mich ist es auch Gebet. Ich fülle meine Lunge mit Luft und Dankbarkeit. Und gebe sie wieder frei. Und: Nein, ich vergesse das Atmen nicht...

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

06DEZ2022
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Heute freuen sich sicher wieder unzählige Kinder, wenn sie aufstehen und etwas in ihrem Stiefel finden, oder im Schuh. Wie kommt das überhaupt?

Dieser Brauch geht auf den Bischof Nikolaus von Myra zurück, der im 4. Jahrhundert gelebt hat und um den sich unzählige Legenden ranken. Einer Legende zufolge hat er einmal drei reisenden Schülern das Leben gerettet - oder vielmehr: er hat sie nicht nur gerettet, er hat sie wieder zum Leben erweckt.

Und das kam so:
Die drei Schüler mussten auf ihrer langen Reise natürlich immer irgendwo übernachten. Und dabei sind sie einmal in einer Herberge gelandet, die einsam gelegen und so düster war, wie die Gesinnung des Wirtes. Das war nämlich ein ganz durchtriebener Mensch. Und als er die Schüler gesehen hat, hat er gedacht, dass sie reich sein müssten und sicher lauter kostbare Schätze bei sich trugen. Und da hat er sie in der Nacht umgebracht, um sie zu berauben.

Aber Nikolaus von Myra hat auf wundersame Weise von dieser Tat erfahren, denn ein Engel hat es ihm berichtet. Und er war so entsetzt, dass er sich direkt aufgemacht hat, um den Wirt zur Rede zu stellen. Und so hat er dann auch die toten Schüler gefunden; und hat sie neu zum Leben erweckt.

Diese Geschichte erklärt schon mal, wie Nikolaus von Myra zum Schutzherrn der Kinder wurde. Schön und gut - aber was hat das mit den Stiefeln zu tun?

Von Nikolaus wird auch erzählt, dass er es geliebt hat, Kindern eine Freude zu machen. Manchmal habe er viele kleine Geschenke für sie in die Luft geworfen - so ähnlich, wie Kamellen. Und der Effekt war natürlich der gleiche:

Alle Kinder haben versucht, sie aufzufangen. Manche Kinder haben Beutel zur Hilfe genommen, die sie weit geöffnet nach oben gehalten haben. Und andere haben zum gleichen Zweck ihre Stiefel oder Schuhe ausgezogen und in die Höhe gereckt.

Und daher der Brauch mit den Stiefeln. An jedem 6. Dezember, an seinem Todestag, kommt der Nikolaus zurück und steckt den Kindern eine kleine Überraschung in den Stiefel.

Und bestimmt will er uns alle auch daran erinnern: Kinder brauchen Freude - und unser aller Schutz.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

05DEZ2022
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Meine Kinder und ihre Partner bekommen zum Nikolaustag selbstgestrickte Strümpfe; die finden sie dann morgen im Weihnachtskalender. Warum ausge-rechnet Strümpfe? Weil es dazu zwei Strumpf-Geschichten gibt, die ich so sehr mag:

Die eine handelt vom Nikolaus. Nikolaus von Myra, der im 4. Jahrhundert lebte, stammte aus einem sehr reichen Elternhaus. Seine Eltern sind dann aber schon früh an der Pest gestorben und schon allein deswegen konnte er sich über das große Erbe wenig freuen. Hinzu kam, dass ihn die grenzenlose Armut um ihn herum bedrück hat. Unzählige Legenden handeln davon, was Nikolaus alles unternommen hat, um die Not zu lindern.

Nach einer dieser Legenden hat er drei verarmte, junge Mädchen vor der Zwangsprostitution bewahrt. Ihm war zu Ohren gekommen, in was für einer verzweifelten Situation die Mädchen steckten; und da hat Nikolaus einen Teil seines Goldes genommen, und es nachts heimlich durch deren Kamin geworfen.

Jetzt hatten die Mädchen aber über Nacht ihre Socken zum Trocknen im Kamin aufgehängt. Und so sind die Goldstücke allesamt in die geöffneten Strümpfe gefallen. War das ein Jubel, am anderen Morgen, als sie die Strümpfe abgehängt und das Gold gefunden haben! Ein wahres Sockenwunder, eben...

Die andere Strumpfgeschichte hat mir meine Tochter erzählt:
Einmal, in ihrer Weiterbildung, hat die ausbildende Psychotherapeutin plötzlich im Reden innegehalten und auf ihre Strümpfe gezeigt.
„Sind die selbstgemacht?“
„Ja.“
„Wer hat sie gestrickt?“
„Meine Mutter.“
„Das ist gut“, hat die Therapeutin gesagt. „Dann sind Ihre Füße immer von mütterlicher Liebe umgeben.“

Diese Geschichte hat mich natürlich enorm motiviert, emsig weiter zu stricken. Jedenfalls, solange Finger und Augen es zulassen. Sonst muss die mütterliche Liebe eben andere Wege finden, durchzudringen. Das gelingt ja auch ganz gut über den Magen, mit Plätzchen und Stollen. Oder was es sonst noch zum Verwöhnen gibt. Und wenn alle Stricke reißen, muss die mütterliche Liebe eben mit gekauften Socken wärmen.

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Anstöße sonn- und feiertags

04DEZ2022
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Alle Jahre wieder... Und eh man sich versieht, ist auch schon der zweite Advent! Und dann rast einem die Zeit nur so davon. So habe ich es oft erlebt. Aber in diesem Jahr habe ich endlich ein Gegenmittel gefunden, mit dem man die Adventszeit einmal ruhig und besinnlich verbringen kann: ein selbstgefüllter Weihnachtskalender.

„Und was bitte schön soll daran entlastend sein?“ fragen Sie sich jetzt womöglich entsetzt und sehen einen riesen Berg an Arbeit vor sich. Aber diesen Kalender zu basteln und zu befüllen ist wirklich super entspannend gewesen und hat dazu auch noch Spaß gemacht. Und ich verrate Ihnen auch, warum:

Ich habe das ganze Jahr über kleine Dinge angesammelt, für meine längst schon erwachsenen Kinder. Wo auch immer ich gewesen bin, habe ich mich nach kleinen, nützlichen Geschenken umgesehen: Eine Nudelpackung aus der Nudelmanufaktur, ein Döschen französische Pfefferminzbonbons in einer historisch anmutenden Verpackung, eine hübsche Streichholzschachtel, ein seltenes Gewürz, und so weiter und so weiter...

Das ließ sich freilich nicht alles an den Kalender hängen, weil manches zu groß oder zu schwer ist. Da habe ich das Päckchen eben mit einer Zahl versehen und es muss unter den Kalender gelegt werden.        

Eingepackt habe ich alles an einem Sonntag Anfang November, als ich gerade in der richtigen Stimmung war. Und das Ganze ist dann auch das Weihnachtsgeschenk, in diesem Jahr. Gar nicht mal so teuer, aber mit viel Liebe drin.

Und Sie glauben nicht, wie die sich gefreut haben! Beim Anblick eines solchen Weihnachtskalenders strahlen auch Erwachsene noch wie Kinder. Und das ist doch der eigentliche Sinn von Geschenken, oder?

Zugegeben, für dieses Jahr kommt die Idee etwas spät. Aber wie sagt man im Fußball so schön? Nach dem Spiel ist vor dem Spiel... Und wer sagt eigentlich, dass man nicht auch halbe Kalender verschenken darf, oder drittel...?

Mir selbst habe ich damit jedenfalls das größte Geschenk gemacht: Ich habe mir die Besinnlichkeit der Weihnachtszeit zurückerobert. Und eines weiß ich schon: Im nächsten Jahr mach ich es genauso. Alle Jahre wieder...

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23JUL2022
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Wenn einem das Leben neue Rollen zuweist, lernt man sich selbst zuweilen von ganz neuen Seiten kennen... Seit ich - beispielsweise - Großmutter bin, komme ich mir vor wie ein Alligator; oder besser gesagt: eine Alligatorengroßmutter...

Normalerweise sind Alligatoren ja mordsgefährlich und fressen alles, was ihnen über den Weg läuft. Normalerweise... Aber in der Zeit, in der ihre Jungen aus den Eiern schlüpfen, sind sie die harmlosesten Tiere überhaupt - zumindest was neugeborene Babys betrifft, die auch nur im Entferntesten ihren eigenen gleichen. Alles, was klein ist und zum Wasser hin krabbelt, wird in der Elternzeit behutsam, ja, geradezu zärtlich im riesigen Alligatorenmaul aufgenommen und zum Fluss getragen. - Mag es sich nun um ein Mini-Krokodil oder um ein Schildkrötenbaby handeln.

Was das mit mir zu tun hat? Freilich war ich noch nie sonderlich gefährlich. Aber seit ich Großmutter bin, bestricke und benähe ich alles, was wie ein Baby aussieht - ganz gleich, ob sich nun um mein Enkelkind handelt, oder um ein Baby aus dem weitläufigen Bekanntenkreis meiner Tochter. Auch vor Enkelkindern im Freundeskreis mache ich nicht halt – ich bestricke und benähe alles, was nicht laufen kann, ohne Unterschied. - Merkwürdig, oder? Das habe ich vorher noch nie gemacht, nicht einmal für meine eigenen Kinder.

Dabei bleibt natürlich so manches auf der Strecke. Der Garten sieht aus...
Und bestimmt schütteln auch meine Freunde schon ein wenig den Kopf darüber, dass ich so wunderlich geworden bin... Aber so ist das eben, mit neuen Rollen: da muss man sich erst reinfinden.

Klar, hat das Leben mir auch schon Rollen angetragen, nach denen habe ich mich kein bisschen verzehrt. Aber selbst da habe ich neue Seiten an mir kennen-gelernt, wie zum Beispiel die Fähigkeit, mich abzugrenzen. Und jetzt eben stricken – wer weiß, was als nächstes kommt...?

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