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SWR4 Abendgedanken

20AUG2021
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Fünfmal am Tag schickt mir mein Handy eine Nachricht. Es ist immer dieselbe. Sie ist ganz kurz und hat es in sich: „Vergiss nicht, du wirst sterben.“ Die Nachrichten stammen von einer besonderen App, die ich auf meinem Smartphone installiert habe. Ein Zufallsgenerator steuert, wann die Nachrichten erscheinen. Und so klingelt es zum Beispiel morgens beim Zähneputzen, auf dem Weg zur Arbeit oder wenn ich das Abendessen koche. Und ich lese auf dem Display: „Vergiss nicht, du wirst sterben.“

Der Gedanke hinter der App ist ein Brauch aus dem Land Bhutan im Himalaya. „Denke fünfmal am Tag an den eigenen Tod, dann wirst du glücklicher sein.“ Man kann sich das natürlich auch auf einen Notizzettel oder in den Kalender schreiben und braucht nicht unbedingt eine App dafür.

Ich hab die App runtergeladen, weil ich ausprobieren wollte, wie das ist, wenn ich fünfmal am Tag so eine Nachricht bekomme. Der Tod betrifft uns alle: Ganz egal, ob ich an Auferstehung, Wiedergeburt oder an das große Nichts glaube. Ich habe früher erst dann bemerkt, dass meine Lebenszeit begrenzt und wertvoll ist, wenn in meinem Umfeld jemand gestorben ist. Wenn es jemand war, der mir nicht so nahe stand, hat mich der Alltag schnell wieder eingeholt und der Gedanke an die Vergänglichkeit war weg. Es ist erstaunlich, aber durch die App ändert sich das. Der Tod ist für mich präsenter.

An das Ende zu denken, macht mich natürlich traurig. Besonders in den schönen Momenten. Neulich saß ich abends mit Freunden im Garten. Wir haben Karten gespielt und viel gelacht. Und dann hat mich mein Handy plötzlich daran erinnert, dass ich irgendwann einmal sterben werde. Das war ein komisches Gefühl. Denn jede dieser Nachrichten ist eine Unterbrechung. Ich halte inne bei dem, was ich gerade mache.

Aber das hilft mir dabei, bewusster zu leben. Immer wenn diese Nachricht kommt, wird mir klar, dass meine Lebenszeit begrenzt ist, und deshalb kostbar. Und darum versuche ich, viele Dinge mehr zu genießen: einen Ausflug am Wochenende, den Geruch von frischgemähtem Gras, in Ruhe mit Freunden zu sprechen oder das Spaghetti-Eis in meiner Lieblingseisdiele. Es gibt in meinem Leben so vieles, worüber ich mich freuen kann. Mein Handy erinnert mich daran. Fünfmal am Tag.

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SWR4 Abendgedanken

19AUG2021
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„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200.“

So begann in den 60er Jahren die Fernsehserie „Star Trek - Raumschiff Enterprise“. Gene Roddenberry hat Star Trek erfunden. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden. Und auch nach so langer Zeit gibt es viele Fans - ich bin einer davon. Vieles fasziniert mich an Star Trek: Die Raumschiffe, die Abenteuer und ganz besonders, wie die Zukunft der Menschen dargestellt wird. Gene Roddenberry hat eine sehr positive Vision: Die Menschheit strebt nach Wissen und Fortschritt und hat Krieg, Armut und Hunger besiegt. Was mich dabei nachdenklich macht: Die Menschen haben auch die Religion überwunden. Sie spielt in der Zukunftsvision, wie sie bei Star Trek gezeichnet wird, keine Rolle mehr.

Als gläubiger Mensch überlege ich: Kann Religion dabei helfen, die Probleme unserer Zeit zu lösen und friedlich miteinander leben zu können? Oder steht sie eher dabei im Weg? Es ist erschütternd, wenn Religion als Vorwand für Gewalt und Krieg missbraucht wird oder Menschen aus religiösen Gründen ausgegrenzt werden. Solche Ungerechtigkeiten und Verbrechen – angeblich im Namen Gottes – sind schrecklich und müssen aufhören. Religion hat ganz klar Schattenseiten.

Religion kann aber auch Gutes bewirken: Ich schöpfe viel Kraft aus meinem christlichen Glauben. Etwa aus dem Glauben daran, dass nicht alles Zufall ist und dass Gott gewollt hat, dass es uns Menschen gibt und wir gut miteinander umgehen. Und ich erlebe Leute, die für eine bessere Welt kämpfen und sich für andere einsetzen. Sie sind davon überzeugt, dass auch Gott möchte, dass es uns gut geht und wir gemeinsam in eine bessere Zukunft gehen. Und aus dieser Überzeugung heraus setzen sie sich für andere ein. Sie sammeln zum Beispiel Lebensmittel für die Tafel oder engagieren sich mit viel Herz und Kreativität für Kinder und Jugendliche.

Abseits aller Schattenseiten kann Glaube Halt geben, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Er kann eine Kraftquelle sein oder inspirieren. Mein christlicher Glaube und die Hoffnung auf eine gute Zukunft passen zusammen. Und so sehr mich die Vision aus Star Trek begeistert: Ich hoffe, dass auch im 23. Jahrhundert Glaube und Religion noch weiter Gutes bewirken können.

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SWR4 Abendgedanken

18AUG2021
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„Endlich ist die neue Lieferung Engel angekommen.“ Das sagt meine Kollegin. Sie arbeitet mit mir in der Kirchengemeinde und letzte Woche hat sie einen unserer letzten Engel hergegeben. Ich meine kleine Engelsfiguren aus Olivenholz. So richtige Handschmeichler, die man in der Tasche haben und immer wieder berühren kann. Wir verschenken die Engel an diejenigen, die gerade was zum Festhalten brauchen: an Menschen, die krank sind oder die um jemanden trauern. Wenn das Leben ins Wanken gerät, tut es gut, wenn man sich an etwas festhalten kann.

Die katholische Kirche feiert heute den Namenstag der heiligen Helena. Sie hat im 4. Jahrhundert in Rom gelebt und ist eine Heilige, für die das Handfeste auch wichtig war. Sie hat eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht. Von dort hat sie Reliquien mitgebracht, also Gegenstände, die verehrt werden, weil sie in Kontakt mit Heiligen oder sogar mit Jesus gewesen sein sollen: etwa die Dornenkrone oder Teile des Kreuzes Jesu. Also auch ganz handfeste Dinge, die man anfassen und festhalten kann. Natürlich zweifeln Historiker, ob die Sachen alle echt sind. Aber Reliquien und religiöse Gegenstände faszinieren bis heute. Und ich kann verstehen, dass man manche Dinge auch berühren oder zumindest sehen möchte.

Für viele Menschen ist es im Glauben wichtig, etwas in der Hand zu haben. Religion muss nicht nur geistig und verkopft sein und ist mehr als alte Texte und abstrakte Gedanken. Glaube hat mit dem ganzen Körper zu tun. Wenn ich bei einem Problem nicht weiter weiß oder wenn ich Angst um jemanden habe, hilft es mir, in der Kirche eine Kerze anzuzünden. Davon wird nicht alles wieder gut, aber ich hab in meiner Verzweiflung etwas gemacht.

Auch im Gottesdienst werden alle Sinne angesprochen. Ich höre den mächtigen Klang der Orgel, ich rieche den Duft von Weihrauch und sehe die bunten Kirchenfenster. Dazu bin ich mit Stehen, Sitzen oder Knien immer in Bewegung. Glaube ist für mich etwas Sinnliches und etwas, das mir Halt im Leben gibt. Und ich finde es schön, das immer wieder handfest zu spüren. Zum Beispiel auch mit einem kleinen Engel aus Olivenholz.

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SWR4 Abendgedanken

17AUG2021
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Zeitreisen sind möglich. Also zumindest ein Bisschen. Jedenfalls habe ich neulich im Auto eine kleine Zeitreise gemacht – 30 Jahre in die Vergangenheit: Im Radio lief das Lied „The boxer“ von Simon und Garfunkel. Ich weiß noch genau, wann ich diese Musik zum ersten Mal gehört habe. Ich war acht Jahre alt und auf meinem ersten Pfadfinderlager. Obwohl es schon so lange her ist, waren bei mir im Auto, als ich das Lied wieder mal gehört habe, die ganzen Erinnerungen wieder da. Ich hatte sogar den Geruch von Wald und Lagerfeuer wieder in der Nase. Nur durch die Musik hab ich mich in die Zeit versetzt gefühlt.

Es geht mir bei anderen Liedern genauso: Bei Musik, die ich gehört habe, als ich endlich glücklich verliebt war oder beim Motto-Song meines Abiturjahrgangs. Da kommt auch heute noch richtige Feierstimmung in mir auf. Und wenn ich das Osterlied „Christ ist erstanden“ singe, denke ich sofort an die Beerdigung eines Verwandten und bin gerührt.

Musik erinnert mich an prägende Erfahrungen. An die besonderen Momente, die mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin. Und wenn ich diese Lieder höre, erinnere ich mich eben nicht nur ein bisschen in Gedanken, sondern so stark, dass meine Gefühlswelt, die Gerüche und Geschmäcker von damals sogar wieder da sind.

Ich habe eine Liste mit diesen Liedern gemacht und als ich fertig war, habe gedacht: Ja, das ist so etwas wie der Soundtrack meines Lebens. Wenn mein Leben ein Film wäre, wäre das die passende Hintergrundmusik.

Ich finde, es lohnt sich, so eine Liste mit den ganz persönlichen Lebensliedern aufzuschreiben. Mir tut das gut: Wenn ich mir meine Lieder so ansehe oder auch anhöre, hilft mir das beim Erinnern. Mir wird deutlich, dass ich durch schwierige Phasen irgendwie durchgekommen bin. Meine Lieder lassen mich die Höhepunkte und Freudenmomente nochmal erleben, und auch die traurigen Momente klingen noch einmal an. Mein Soundtrack hilft mir, dass ich mein Leben wertschätze. Und er gibt mir Perspektive: Ich schaue nach vorn und bin gespannt, welche Lieder in den nächsten Jahren beim Soundtrack meines Lebens noch dazukommen.

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SWR4 Abendgedanken

16AUG2021
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Meine Familie und ich bekommen auf unserem Balkon gerade viel Besuch. Es summt und brummt, denn Bienen, Hummeln und viele andere Insekten fliegen bei uns ein und aus. Und ein großer Blumentopf zieht sie ganz besonders an. Es ist unser Ostertopf. Darin haben wir genau an Ostern eine bunte Blumenmischung gepflanzt. Inzwischen wächst darin eine richtige kleine Blumenwiese. Die ersten Blüten sind zwar schon verwelkt, aber das macht nichts.

Mir gefällt unser Topf, denn so blüht Ostern noch lange weiter und ich denke auch noch mitten im Sommer daran, was wir an Ostern in der Kirche gefeiert haben: Dass am Ende nicht alles vorbei ist, sondern dass die Verstorbenen aufgehoben sind bei Gott. Dass das Leben stärker ist als der Tod.

Im Kleinen konnten wir etwas in unserem Blumentopf beobachten: Erstmal war nur braune Erde zu sehen. Es sah ziemlich tot aus und es hat gedauert, bis die Samen aufgegangen sind und das Leben durchkam. So ähnlich wird es wohl auch bei den Jüngerinnen und Jüngern von Jesus gewesen sein. Nach dem Karfreitag war erstmal alles trostlos. Die Nachricht von der Auferstehung musste sich erst verbreiten und es hat gedauert, bis die Jünger sich dann freuen konnten.

Blumen und Ostern passen gut zusammen und deshalb gehören sie für mich auch bei einer Beerdigung dazu. Wenn ich Blütenblätter ins offene Grab streue oder später das Grab bunt bepflanze, drücke ich damit meine Dankbarkeit für das aus, was schön und gelungen im Leben war. Und so wie die prächtigen Blumen aus unscheinbaren Samenkörnern gewachsen sind, kann das, was uns die Verstorbenen an Gutem mitgegeben haben, vielleicht auch irgendwann aufgehen oder noch weiter wachsen. Ich denke zum Beispiel an meine Großtante und meinen Großonkel. Die beiden sind voller Liebe und Humor miteinander umgegangen. Das fand ich schon als Kind toll und wünsche mir das für meine Ehe auch. Ich hoffe, dass diese Samen, die die beiden in meinem Leben gelegt haben, noch richtig zum Blühen kommen.

Blumen sind für mich ein Zeichen des Lebens und der Auferstehung. Vieles, was jetzt noch irgendwo vergraben schlummert, kann aufgehen und wachsen. Daran erinnert mich unser Ostertopf, mitten im Sommer.

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SWR4 Abendgedanken

19MRZ2021
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Morgen ist Samstag. Endlich! Seit ein paar Wochen freue ich mich noch mehr als sonst aufs Wochenende. Denn immer am Samstagabend spielen meine Frau und ich bei einem Quiz mit. Per Videokonferenz bilden wir mit unsern Nachbarn Lisa und Philipp ein Rate-Team und quizzen mit Bekannten von Hamburg bis Heidelberg um die Wette. Bewaffnet mit Knabberzeug und Getränken sitzen wir auf dem Sofa. Vor uns steht der Laptop. Und gemeinsam überlegen wir, wie viele Zehen ein Zwei-Fingerfaultier hat oder wir grübeln über die schwäbische Maultaschenproduktion.

Diese lustigen Samstagabende mit den vielen sonderbaren Quizfragen machen mir großen Spaß. In diesen Zeiten mit so wenig Kontakt tun mir diese Treffen mit meinen Freunden vor dem Computer richtig gut. Jeder kommt ja gerade unterschiedlich mit der Situation klar. Der eine braucht es mehr, dass er sich austauschen kann, die andere braucht es weniger. Ich kenne beides: Je nach Tagesform hab ich Phasen, in denen ich mich lieber einigele und mit niemandem reden will. Aber ich brauche es auch, dass ich Freunde und Bekannte sehe. Gleich beim ersten Quiz-Abend habe ich gemerkt, wie sehr ich es vermisst habe, am Wochenende mit ihnen zu lachen, zu diskutieren und einen schönen Abend zu haben. Es tut gut, miteinander Zeit zu verbringen und es gibt Kraft, wenn es im Alltag anstrengend wird.

Auch wenn wir uns noch nicht wieder so treffen können, wie wir das gerne hätten: Gemeinschaft und Kontakt sind möglich. Zum Beispiel samstagsabends mit dem digitalen Quiz oder auch ganz anders. Vielleicht freut sich die ältere Dame von der anderen Straßenseite über ein Gespräch am Gartenzaun. Oder ich melde mich mal wieder bei einem Schulfreund, von dem ich ewig nichts gehört habe. Oder ich greife zu Füller und feinem Papier und schreibe einen guten, alten Brief. Wenn ich Zeit mit Freunden verbringe oder den Menschen um mich herum etwas Aufmerksamkeit schenke, dann ist das sogar mit Abstand schön.

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SWR4 Abendgedanken

18MRZ2021
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Es geht in der Schule um das Thema „Glück“ und Leon stellt seine Hausaufgaben vor: „Mein Papa ist glücklich, wenn wir Zeit miteinander verbringen.“ Marie sagt: „Glück ist für mich, bei meinem Pferd zu sein.“ und Fynn erzählt von seiner Oma, die glücklich ist, wenn sie ihren Enkel verwöhnen kann.

Ich bin Religionslehrer und die Kinder in meiner sechsten Klasse haben zu Hause ein Glücks-Interview geführt. Sie haben erst selbst einen Fragebogen ausgefüllt und dann mit ihren Eltern oder Großeltern gesprochen. Und zwar über die Frage: „Was ist Glück für dich?“

Das Ganze funktioniert nur, wenn man sich etwas Zeit nimmt. Einen Moment, um darüber nachzudenken, was wichtig und schön im Leben ist. Das geht im anstrengen Alltag oft unter. Und das Interview ist für die Familien ein Anlass, dass man sich das mal wieder klar macht.

Am tollsten finde ich aber, dass die Erwachsenen mit den Kindern darüber sprechen, was sie glücklich macht. Ich habe es den Schülerinnen und Schülern beim Erzählen angesehen: Die Kinder, die gehört haben, dass sie für das Glück in der Familie wichtig sind, die sind innerlich ein paar Zentimeter gewachsen. „Dass du da bist, macht mich glücklich.“ Solche Sätze tun einfach gut. Und ich hab bei manchen Antworten gedacht: Wow, da gab es ein richtig gutes Gespräch in der Familie.

Mich spornt das Glücks-Interview dazu an, dass ich mir selber überlege: In wessen Nähe fühle ich Glück? Bei welchen Aufgaben oder Situationen geht mir das Herz auf? Wenn ich solche Momente bewusster erlebe, kann ich sie noch mehr genießen. Und das gibt mir Kraft, wenn sonst vieles um mich herum schwierig ist.

Ich mag noch öfter über mein Glück sprechen, denn das mache ich viel zu selten. Und vor allem möchte ich es allen Menschen sagen, die zu meinem Glück beitragen. Auch sie sollen innerlich ein paar Zentimeter wachsen, wenn sie hören: Ihr seid unglaublich wertvoll und wichtig für mich. Ihr macht mich glücklich.

Benjamin Vogel aus Freiburg von der katholischen Kirche.

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SWR4 Abendgedanken

17MRZ2021
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Seit ein paar Wochen suche und verstecke ich Regenbogen. Also keine echten am Himmel, sondern virtuelle im Internet. Ich habe dazu auf meinem Handy eine App. Sie heißt „catch a rainbow“, auf deutsch:„Fang einen Regenbogen“. Wenn ich mit der App durch meine Handykamera schaue, kann ich diese virtuellen Regenbogen sichtbar machen. Wo ich mit bloßem Auge nur eine triste Bankfiliale sehe, erscheint im Handy ein bunter Regenbogen. Und ich kann mit der App auch selbst welche verstecken.

Das allein ist schon eine nette Spielerei, aber es gibt noch einen Clou: Zu jedem Regenbogen gehört ein Bibelvers. Denn wer so einen virtuellen Regenbogen versteckt, sucht auch gleich eine Bibelstelle dazu aus. So lese ich zum Beispiel beim Regenbogen vor der Bäckerei: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“

Ich finde diese Kombination aus Technik, Regenbogen und Bibelversen super. Und was die Macher der App von der badischen Landeskirche erreichen wollten, das ist ihnen auch gelungen. Nämlich dass die Texte der Bibel in den Alltag der Menschen kommen. Raus aus den Kirchen und staubigen Bücherregalen und mitten hinein ins ganz normale Leben. Dort, wo ich unterwegs bin, bekomme ich einen Gedanken aus der Bibel angeboten: zum Beispiel beim Warten auf den Bus oder eben beim Bäcker.

Meinen Lieblingsregenbogen hab ich vor dem Schulzentrum in Denzlingen bei Freiburg versteckt. Wer ihn findet, kann dort lesen: „Denn die Weisheit wird in dein Herz einziehen und das Wissen wird deiner Seele wohltun.“ Das ist mein Wunsch für alle, die hier zur Schule gehen und arbeiten.

Regenbogen haben die Menschen schon immer fasziniert. Christinnen und Christen sehen darin so etwas wie ein Erinnerungszeichen dafür, dass Gott da ist. Das ist auch die Botschaft, die sich durch die ganze Bibel zieht. Sie ist voll von Geschichten, in denen Menschen von dieser Erfahrung berichten, dass Gott in ihrem Leben da ist, in den Höhen und den Tiefen. Wenn ich einen Regenbogen sehe, denke ich daran. Egal, ob bei den digitalen auf meinem Handy oder den analogen, die weit und bunt am Himmel leuchten.

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SWR4 Abendgedanken

16MRZ2021
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„1000 Teile?“ Meine Tochter schüttelt die Schachtel und sagt zu mir: „Da sitzt du aber eine Weile dran.“ Ich hab wirklich einige Abende lang gepuzzelt und dabei gedacht, dass das Leben auch was von einem Puzzle hat.

Mein Leben besteht aus vielen einzelnen Teilen. Jeden Tag kommen neue dazu und ich muss schauen, wo sie hinpassen.

Bei manchen Teilen weiß ich gleich, wie ich sie einordnen muss. Wenn ich Rat bei einer Freundin suche und mich darauf verlassen kann, dass sie ein offenes Ohr hat. Oder wenn ich in meine Heimatstadt komme und mich gleich wieder heimisch fühle.

Manchmal ist es schwieriger: Da sind Teile, die zuerst passend scheinen, aber doch woanders hingehören. Wenn ich den neuen Kollegen erst unsympathisch finde, dann aber merke, dass er eigentlich ganz nett ist. Und bei manchen Teilen hab ich überhaupt keinen Plan, was das sein soll: Wenn nach einem heftigen Streit mit Freunden erstmal Funkstille ist. Dann bin ich ratlos, lege die Erfahrung erstmal innerlich zur Seite und hoffe, dass ich später schlau daraus werde.

Wenn ich vor meinem 1000er-Puzzle sitze, wird es am Schluss nochmal spannend. Wenn das Ende in Sicht ist, sorge ich mich, dass Teile fehlen und das Bild unvollständig bleibt. Aber wenn dann das letzte Puzzleteil seinen Platz gefunden hat, durchströmt mich ein großartiges Gefühl.

Ich hoffe, dass es mir am Ende meines Lebens auch so geht. Dass Gott da mit mir mitpuzzelt. Denn sonst würde vieles unvollendet bleiben: Worte, die ich nicht gesagt habe, Streit, bei dem keine Versöhnung möglich war. Ich hoffe und glaube, dass mir Gott diese Vollendung schenkt, wenn ich einmal sterbe. Dass er ergänzt, was unter den Tisch gefallen ist und mir immer gefehlt hat. Und dass ich am Schluss auf dieses Millionen-Teile-Puzzle aus meinen Erfahrungen und Begegnungen schaue und sagen kann: Ja, das ist mein Leben. Jetzt ist es fertig, alles hat seinen Platz gefunden.

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SWR4 Abendgedanken

15MRZ2021
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„Es gibt keinen Planeten B.“ Das steht  immer wieder auf Pappschildern, wenn junge Leute für mehr Klimaschutz demonstrieren. Das soll heißen: Wir haben nur diese eine Erde – es gibt dazu keine Alternative, kein Netz und keinen doppelten Boden.

Genau heute vor zwei Jahren war der erste weltweite Klimastreik. Die Bewegung „Fridays for future“ hat dazu aufgerufen und tausende Menschen in vielen Ländern der Welt haben sich versammelt. Und es blieb nicht bei dieser einen Demo: Regelmäßig fordern Schülerinnen und Schüler, dass wir mehr für den Schutz des Klimas und der Umwelt tun. Sie zeigen, dass das Thema groß und noch lange nicht vom Tisch ist.

Das erlebe ich auch bei mir in der Kirchengemeinde, zum Beispiel bei Jana und Dominik. Die beiden engagieren sich in der Jugendarbeit. Wenn Jana die Kinder aus ihrer Jugendgruppe trifft, sind Mülltrennung oder noch besser Müllvermeidung selbstverständlich. Und immer wieder probiert sie mit den Kindern „Upcycling“ aus. Sie basteln Geldbeutel aus leeren Getränkepackungen oder schicke Lampen aus alten Blechdosen. Dominik ist für die Verpflegung der Gruppe zuständig. Wenn er einkaufen geht, nimmt er Produkte aus der Region: Gemüse und Äpfel gibt’s vom Markt und Fleisch vom Metzger vor Ort.

Das sind alles kleine Schritte. Aber sie gehen in die richtige Richtung. Ich selbst kann auch mehr tun. Müll vermeiden, regional einkaufen, Energie sparen – die Klassiker. Ich kann den Jugendlichen in meinem Umfeld zeigen, dass ich ihre Sorge ums Klima ernst nehme. Ich kann ihnen zuhören, um zu verstehen, wie sie die Sache sehen. Im Internet sehe ich, wo Fridays for Future in meiner Region aktiv ist und wie ich sie unterstützen kann. Ich könnte sogar etwas Geld spenden oder bei der nächsten Demo mitmachen.

Der Weg ist noch lang und die Zeit drängt. Aber wenn ich die ernsten und entschlossenen Gesichter von Dominik und Jana aus meiner Kirchengemeinde sehe, dann weiß ich, dass sich in Zukunft noch viel mehr bewegt.

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