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SWR4 Abendgedanken

27JAN2023
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Heute ist ein trauriger Gedenktag. Denn heute vor 78 Jahren wurden die Insassen des Konzentrationslagers Auschwitz befreit. Sowjetische Truppen haben das Lager eingenommen und wurden mit den Schrecken der Menschheit konfrontiert.

Ich kenne die Bilder von Gedenkstättenfahrten, Dokumentationen und aus verschiedenen Gedenkveranstaltungen. Jedes Mal erschrecke ich mich vor den Taten, die Menschen anderen Menschen antun konnten und bis heute noch antun.

Es ist gut, nicht zu vergessen, sondern sich zu erinnern. Weil es wieder geschehen kann und gerade ja auch wirklich wieder geschieht, im Krieg, in fernen Ländern wie dem Iran, aber auch bei uns. Und das darf nicht sein: Verfolgung und Tötung aufgrund der Religion, Herkunft, Hautfarbei, der politischen Einstellung oder der sexuellen Prägung haben keine Berechtigung.

Wenn uns alle – egal wie verschieden wir sind – etwas verbindet, dann dies, dass wir Menschen sind. Und als Christin ist für mich wichtig, dass wir Menschen ein Ebenbild Gottes sind. Im biblischen Schöpfungsbericht steht, dass Gott die Menschen gemacht hat zu seinem Bild.

Und wenn die Menschen Gottes Ebenbild sind, ihm gleichen, so verbindet uns das alle. Dann sind wir in aller Verschiedenheit gleich. Dann haben wir die gleiche Würde, die gleichen Rechte und Pflichten.

Ein Ebenbild Gottes zu sein ist nicht einfach. Denn ich muss in meinem Gegenüber auch immer ein Ebenbild Gottes sehen. Gerade, wenn wir grundverschieden sind und über unsere unterschiedlichen Ansichten leidenschaftlich diskutieren, gerade dann ist es wichtig einem Ebenbild Gottes zuzuhören.

Und ich kann nur für mich sagen, dass ich nicht immer einer Meinung mit anderen bin. Und das muss ich auch nicht sein. Es gibt verschiedene Standpunkte, es gibt unterschiedliche Positionen. Es gibt auch Uneinigkeit. Mir ist nicht wichtig, zu spüren, dass mein Gegenüber nach einem richtigen Weg sucht. Und dieser Punkt verbindet uns. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Und was für mich bei allem entscheidend ist: Die Würde anderer darf nicht verletzt werden. Weder durch mich und meine Meinung. Noch durch andere.

Verschiedenheit und Unterschiedlichkeit gehören zu unserem Menschsein dazu. Mir ist das wichtig. Gerade an einem Tag wie heute möchte ich Mensch unter Menschen sein, ein Ebenbild Gottes unter ganz vielen verschiedenen Ebenbildern Gottes.

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SWR4 Abendgedanken

26JAN2023
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Ab und zu fällt mir tatsächlich noch einer in die Hände. Ein winziger Stern, der mich an Weihnachten erinnert. Übersehen beim Wegräumen der Weihnachtsdekoration.

Diese kleinen Sterne erinnern mich an Weihnachten. An das Krippenspiel und die kleinen aufgeregten Mädchen, die die fröhliche Engelschar gespielt haben.

Voller Freude haben sie allen zugerufen: Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!

Und das, was sie gerufen haben, das haben sie auch gelebt. Denn ein bisschen ängstlich waren die Kinder schon. Ein wenig fehlte der Mut, sich zu trauen und beim Krippenspiel aufzutreten. Zuerst sind einige der kleinen Mädchen nur zur Probe gekommen, um zu gucken. Dann haben sie sich gewünscht, ein Engel zu sein, und am Ende waren sie so mutig, dass sie sogar eine Sprechrolle wollten.

„Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!“ Diesen Satz haben die Engel voller Freude den Hirten und den Zuschauern zugerufen.

„Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!“ Dieser Satz hat auch was mit den kleinen Mädchen gemacht. Sie haben ihre Aufregung überwunden, ihre Scheu, vor anderen etwas aufzusagen. Der alte Ruf der Engel hat bei den Proben gewirkt und Kinder zu mutigen Engeln verwandelt, die anderen die Angst nehmen.

Das war für mich ein ganz besonderer Moment. Zu merken, wie Weihnachten die Menschen verändert, wie die alte Botschaft der Engel heute noch Wirkung zeigt und kleine Mädchen die Furcht vor dem Scheitern nimmt.

Und das ist für mich Weihnachten, das nicht nur an einem Tag gefeiert wird, sondern ein Weihnachten, das anhält. Das immer wieder zu finden ist so wie die kleinen Sterne bei mir im Haus. Weihnachten verändert Menschen, weil Gott in die Welt kommt und ein kleines Kind wird. So ist Gott uns ganz nah. So nah, dass kleine Mädchen über ihre Schatten springen und eine wichtige Botschaft in die Welt hinausrufen: „Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!“

Weihnachten ist das ganze Jahr, wenn wir die Botschaft der Engel ernstnehmen und furchtfrei unser Leben gestalten. Wenn wir uns nicht so schnell den Mut nehmen lassen wegen all der Sorgen, die das Jahr wieder mit sich bringt. So wie die kleinen Mädchen, die die Botschaft nicht nur gerufen, sondern selbst erfahren haben: Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst!

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SWR4 Abendgedanken

25JAN2023
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Ständig und andauernd hat mein Handy vibriert oder geklingelt. Und zwar immer wieder an den Festtagen und zu Beginn des neuen Jahres. Es waren Weihnachtswünsche, Neujahrswünsche in allen möglichen Variationen.

Und obwohl ich mich sehr über die vielen guten Wünsche gefreut habe, war ich vom ständigen Vibrieren und Klingeln auch genervt. Auch habe ich etwas vermisst: Nämlich die klassische Karte in Papierform, handschriftlich unterschrieben, mit wenigen Worten „Frohe Weihnachten“ und „Ein gesegnetes Jahr“.

Ich bekomme immer mehr Nachrichten auf mein Handy und immer weniger Karten, die ich aufgeregt aus dem Briefkasten hole. Schade! Gleichzeitig ertappe ich mich dabei, dass auch ich immer weniger von Hand schreibe und immer häufiger Nachrichten in mein Handy tippe.

So geht etwas Persönliches verloren. Die persönliche Handschrift verschwindet immer mehr aus dem Alltagsleben. Und statt in Ruhe einen Briefumschlag im Briefkasten zu finden oder auf dem Küchentisch, der da auf mich wartet – vibriert nur mein Handy und reißt mich aus meinen Gedanken.

„Seht doch, mit was für großen Buchstaben ich euch jetzt eigenhändig schreibe.“ – In der Bibel hat der Apostel Paulus dies manchmal unter seine Briefe geschrieben. Auch wenn er seine Briefe an die ersten christlichen Gemeinden vermutlich diktiert hat, so war es ihm wichtig, mit seiner eigenen Handschrift noch zu grüßen oder etwas Wichtiges selbst zu schreiben.

Meine Handschrift ist nicht besonders toll, nicht gut zu lesen, aber es ist meine Handschrift. Ich versuche nun wieder regelmäßig etwas von Hand zu schreiben. Kurze, wichtige Informationen. Kleine Mitteilungen. So auch für meine Kinder: „Bin kurz weg. Komme gegen 17:00 Uhr wieder. Hab Euch lieb.“ Kurz, handschriftlich und gegen Ende – so wie bei Paulus – noch das wichtige „Hab euch lieb.“ Und wie schön ist es dann, beim Heimkommen neben dem eigenen Zettel noch einen weiteren Zettel mit ordentlicher Kinderschrift zu finden: „Wir haben dich auch lieb.“

„Seht doch, mit was für großen Buchstaben ich euch jetzt eigenhändig schreibe.“ Da möchte ich mich dem Apostel anschließen und zukünftig häufiger zu Stift und Papier greifen. Das nächste Fest steht bald wieder vor der Tür. Vielleicht vibriert dann weniger das Handy, sondern klappert vermehrt der Briefkasten. Oder es liegt eine nette kleine Notiz auf dem Küchentisch.

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SWR4 Abendgedanken

24JAN2023
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„Was habt Ihr Euch denn für das neue Jahr vorgenommen“, so habe ich meine Schülerinnen und Schüler in der Grundschule gefragt.

„Weniger Quatsch machen.“ „Mehr lernen.“ „Zimmer aufräumen.“ haben die Kinder gerufen. Aber bei einem Mädchen aus der Klasse - da musste ich doch ein zweites Mal hinhören. „Ich habe mir vorgenommen, dass der Paul mich weniger ärgert und dass die Lisa mehr mit mir spielt.“ hat sie gemeint. Zuerst habe ich geschmunzelt und gedacht: Das geht ja gar nicht. Sie kann sich doch nicht vornehmen, was die anderen zu tun haben.

Eigentlich nicht und doch irgendwie schon. Die clevere Kleine aus meiner Klasse weiß ganz genau, wie sie behandelt werden möchte, dann kann sie das den anderen ja vormachen – und ihre Freunde genau so behandeln, wie sie selbst behandelt werden möchte.

Ganz nach dem alten Motto: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Diesen Satz habe ich schon als Kind oft gehört. Immer dann, wenn ich meinen Bruder geärgert habe, nicht höflich war, nicht mit anderen gespielt habe.

Wer weiß: Vielleicht ist es bei dem Mädchen in meiner Klasse so ähnlich. Vielleicht spielt Lisa so wenig mit ihr, weil sie selbst nie Zeit hat oder immer nur ihre Spielwünsche durchsetzen möchte. Vielleicht ärger Paul sie so oft, weil sie selbst ihn gerne ärgert. Ich weiß es nicht, die anderen Kinder sind auch keine Engel - aber es könnte zumindest eine Rolle spielen.

„Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“ (Lukas 6,31) Diesen Tipp gibt Jesus seinen Freunden und somit auch mir und allen anderen. Das gefällt mir. Weil es positiv formuliert ist. Jesus setzt voraus, dass ich andere Menschen gut behandeln kann, dass ich freundlich sein kann, dass ich andere nicht ärgere. Aus dem einfachen Grund, weil ich ja auch gut behandelt werden möchte. Aber ich fange damit an. Ich bin freundlich, ich spiele mit anderen, ich höre zu, ich nehme mir Zeit. Ganz ohne Hintergedanken. Ich bin darin ein Vorbild.

Das kann ein guter Vorsatz für das neue Jahr sein, denke ich. Und das Mädchen hat auch irgendwie recht mit seinem guten Vorsatz, der im Grunde genommen ja einer für ihre Freunde ist. Einfach die anderen so behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Dann ist es nämlich egal, wer zuerst geärgert hat oder keine Zeit zum Spielen hatte. Dann sind alle freundlich oder hören einander zu, ärgern sich weniger und spielen mehr miteinander. Das Mädchen und Paul und Lisa. Und noch einige mehr. Wer weiß?

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SWR4 Abendgedanken

23JAN2023
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„Die Luft ist raus. Der Vorderreifen rechts: komplett platt.“ Mein Bekannter am Telefon war ganz aufgewühlt. „Wenn das Jahr schon so beginnt, kann es doch nur schlecht werden. Und das war ja nur der Anfang. Das war ja nur das Auto. Was kommt denn noch alles auf der Arbeit dazu?

Und ich habe gedacht: Er hat recht. Wenn schon zu Jahresbeginn der platte Reifen die Luft aus ihm rauslässt, wie soll es dann erst weitergehen? Wie soll er dann die kleinen und großen Pannen des Alltags meistern?

„Und nun?“, habe ich ihn gefragt. „Na, ist doch klar. Ich habe die Pannenhilfe angerufen. Die kommen und helfen mir.“

So einfach kann das sein. Jedenfalls wenn es um ein Auto geht. Kaum ist da der Reifen platt, wird der Pannendienst gerufen, die „gelben Engel“, wie sie sich selbst nennen - und alles wird wieder gut.

Doch wie steht es um uns, wenn wir platt sind, wenn uns die Luft ausgeht und wir steckenbleiben? Dann kommen zum Glück manchmal auch Engel vorbei und helfen. Sie sind nicht unbedingt gelb, vielleicht tragen sie Jeans oder Rock, wohnen in der Nähe oder in der Ferne. Das sind dann Menschen, wie von Gott schickt, die uns zum Engel werden. Weil sie uns stärken mit guten Worten, mit Rat und Tat, mit Essen oder einem anregenden Gespräch.

Ich habe das auch schon erlebt: Da hat eine Nachbarin bei mir geklingelt und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, spazieren zu gehen. Einfach so. Völlig unerwartet. Gerade als ich zu nichts Lust hatte, bei mir völlig die Luft raus war. Das hat gutgetan. Sie hat mir geholfen ohne es zu wissen. Ein Engel, der mir begegnet ist.

Engel tun ganz schlichte Dinge. Ganz alltäglich. Sie bringen Essen und Trinken, Stärkung für den Leib und gute Worte als Nahrung für die Seele. In der Bibel erlebt das der Prophet Elia, der völlig erschöpft und ausgepowert sich niederlegt und einfach nicht mehr will. Da kommt ein Engel vorbei, berührt ihn, befiehlt ihm zu essen, zu trinken und zu schlafen. Elia soll seinen Grundbedürfnissen nachkommen, zur Ruhe kommen, wieder Kraft tanken, damit er seinen Aufgaben nachgehen kann. Aber in Ruhe und mit Kraft.

Es ist gut, dass es Engel gibt, die helfen, wenn einmal die Luft raus ist: dem Propheten Elia oder mir und auch vielen anderen. Gelbe Engel, Engel in der Nachbarschaft, mit Jeans und Rock.

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SWR4 Abendgedanken

07OKT2022
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Es gibt nichts, was es nicht gibt. „Mundgymnastik“ zum Beispiel. Unter „Mundgymnastik“ versteht man Übungen mit der Lippen- und Gesichtsmuskulatur. Und das soll helfen, den Mund schöner zu machen, gegen hängende Mundwinkel vorzugehen und Falten zu reduzieren. Ebenso soll es das deutliche Sprechen fördern. Alles in allem eine tolle Sache.

Und da ich ja neugierig bin, habe ich mir nun ein paar Übungen angeschaut: Mundwinkel hochziehen, Lippen kräuseln usw. Ganz wichtig: Es steht dabei, dass die Übungen mit Spaß und Freude durchgeführt werden sollen.

Wenn es Spaß machen soll, dann wollte ich die Sache ausprobieren. Und es klappt. Denn die Freude ist beim Üben von selbst gekommen. Beim Zähnefletschen und Naserümpfen, beim Wangenaufpusten und Augenbrauen hochziehen habe ich köstlich über mich selbst gelacht.

Nicht nur, dass mein Mund lockerer wurde und ich wirklich danach wirklich deutlicher gesprochen haben. Nein, es hat mir Spaß gemacht, ich hatte Freude. Ich musste einfach lachen. Und damit bin ich von ganz allein in die nächste Übung gerutscht.

Lachen, lächeln – das ist auch Mundgymnastik. Und was mich erstaunt ist, dass alleine das Hochziehen der Mundwinkel mich schon verändert. Mit hochgezogenen Mundwinkeln kann ich nicht motzig oder böse gucken, nicht gestresst oder verärgert. Das macht mich fröhlicher. Meine Laune wird besser.

Allerdings hat das auch seine Grenzen. Es gibt im Leben traurige Zeiten, Tränen und Kummer. Zeiten, in denen einem beim besten Willen nicht zum Lachen zumute ist. Große Sorgen lassen sich nicht so einfach weglächeln. „Glückselig seid ihr, die ihr jetzt weint. Denn ihr werdet lachen.“ so sagt es Jesus einmal in der Bibel. Lachen als Ergebnis von Gottes Zuwendung. Das Schwere kann ich nicht weglächeln, aber es soll sich wieder wandeln. Gott selbst wird dafür sorgen, dass wir lachen und nicht weinen. Spätestens dann, wenn er diese Welt neu schaffen wird.

Und auch, wenn jetzt noch nicht alles gut ist, können wir selbst für das Lachen und Lächeln in der Welt sorgen. In dem wir die, die jetzt weinen in den Arm nehmen und trösten. Oder indem wir einen Witz erzählen und somit den Ernst der Situation ein wenig auf die Schippe nehmen. Oder indem wir einfach tolle Übungen machen, Mundgymnastik und uns selbst zum Lachen bringen.

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SWR4 Abendgedanken

06OKT2022
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Im Herbst halte ich Ausschau nach dem gelben Band. Denn die Aktion „gelbes Band“ finde ich toll. Dabei können Besitzer ihre Obstbäume mit einem gelben Band kennzeichnen. Damit wird signalisiert: Hier darf jeder und jede kostenlos und ohne zu fragen für den Eigenbedarf ernten.

Das finde ich klasse. Denn bei uns in der Gegend stehen so viele Obstbäume, die unter der Last der reifen Birnen und Äpfel beinahe zusammenbrechen. Und unter einigen Bäumen liegen die Früchte, die schon so reif sind, dass sie sich nicht mehr an den Zweigen halten können. Die Bäume tragen so viel Obst, das zum Teil keiner holt, keiner erntet, keiner isst.

Das tut mir weh, denn gleichzeitig können sich viele Menschen gutes Obst aus dem Supermarkt kaum noch leisten. Sie sind angewiesen auf die Tafeln oder andere Ausgabestellen. Hier das Obst, das vom Baum fällt, dort die Menschen, die gerne frisches Obst hätten.

Genau darauf reagiert die Aktion „gelbes Band“. Denn mit diesem Band wird so viel Gutes auf einmal bewirkt: Menschen können frisches Obst ernten ohne dafür zahlen zu müssen. Das kann die entlasten, die momentan sowieso jedes Geldstück zweimal umdrehen müssen. Und die Besitzer der Bäume, die mit der Ernte nicht mehr fertig werden, wissen, dass das schöne Obst nicht auf dem Boden liegen bleibt und wieder vergeht.

„Unser tägliches Brot gib uns heute“ so beten wir im Vaterunser. Gib uns, was wir heute brauchen. Mehr ist nicht nötig – schon gar nicht, um es dann verkommen zu lassen. Ich jedenfalls versuche, möglichst nachhaltig einkaufen und nur das besorgen, was ich wirklich brauche. Dann werden Lebensmittel nicht mehr weggeschmissen, sondern verzehrt. Mir ist das wichtig.

Unser tägliches Brot gib uns heute. Das ist ein zentraler Satz der sich nicht nur auf das Brot im wahrsten Sinne des Wortes bezieht. Sondern auf den alltäglichen Bedarf. Für jeden Tag das Notwendige haben. So soll es sein.

Dabei hilft auch das gelbe Band. Und es führt auch dazu, dass niemand an Obstbäumen Diebstahl begehen muss. Wer möchte, findet durch das gelbe Band wunderbares Obst, regional und frisch. Täglich aufs Neue.

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SWR4 Abendgedanken

05OKT2022
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Heute ist der „Mach-was-Nettes-Tag“.
Für alles Mögliche gibt es inzwischen solche Erinnerungs- oder Gedenktage. Ich hoffe, dass es einfach nur nett gemeint ist, dass man mich an was Nettes erinnert. Denn ich versuche auch ohne ein besonderes Datum, jeden Tag nett zu sein oder was Nettes zu machen.

Einfach ist das nicht immer. Denn manchmal läuft mir schon am frühen Morgen eine Laus über die Leber und ich habe dann schlechte Laune. An solchen Tagen fällt es mir schwer, etwas Nettes zu tun oder zu sagen. Ich bin dann eher motzig, und man sollte einen Bogen um mich machen.

Aber an solchen Tagen freue ich mich umso mehr, wenn ich nett behandelt werden. Wenn meine Freundin mir ein Kompliment macht – ganz unverhofft. Wenn meine Kinder die Spülmaschine ausräumen – ohne Aufforderung. Wenn mir mein Bekannter die Getränkekisten in den Schuppen einräumt – einfach so.

Dann ändert sich meine Laune schlagartig und ich freue mich, weil jemand mir etwas Gutes tut, das mir auch wirklich guttut.

„Mach was Nettes“. Das kann so vielfältig sein. Ein liebes Wort, ein kleines Geschenk, eine helfende Hand oder ein gutgemeinter Rat. Die ausgeräumte Spülmaschine, ein freundlicher Gruß. Kleine Gesten, die große Wirkung haben können. Wenn jeder jeden Tag eine nette Kleinigkeit machen würde, dann wäre doch vieles einfacher und die Welt auch ein bisschen schöner, harmonischer, netter eben. Daran erinnert übrigens nicht nur der heutige Tag. Daran erinnert auch die Bibel: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen.“ So heißt es im Neuen Testament  im Hebräerbrief (Hebr. 13,16).

Wie wahr. Gutes zu tun, nett zu sein, braucht ein Gegenüber. Jemand, der das Gute bekommt, spürt, dass ich nett bin!

Nett zu sein, kann ich mir vornehmen. Noch schöner ist es aber, wenn es aus mir herauskommt, einfach so passiert. Mitten im Alltag.

So wie neulich. Als ich an der Kasse eine Frau vorgelassen habe, die es eilig hatte. Sie hat zwar nichts gesagt, aber ihre Zeitnot war spürbar. Dankbar hat sie den Platz vor mir an der Kasse eingenommen. Und sich beim Weggehen noch einmal bedankt. „Beim nächsten Mal lasse ich jemanden vor“, hat sie gesagt.

Ich habe mich gefreut und ihr geglaubt. Gutes tun und das mit anderen teilen. So kann es klappen. Mach was Nettes, dachte ich. Nicht nur heute, sondern auch ganz überraschend immer wieder.

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SWR4 Abendgedanken

04OKT2022
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„Und dann ist einfach jeder willkommen“, so hat eine Jugendliche neulich gesagt. Ihre Jugendgruppe war dabei, ein kleines Theaterstück zu schreiben. Ein Anspiel über ein Fest. In dem Stück ging es vor allem um die Frage: Wer ist überhaupt eingeladen?

Menschen unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten – so haben sie es festgelegt. Keiner sollte ausgegrenzt und ausgeschlossen sein. Eine schöne Vorstellung, dass alle Menschen zur gleichen Feier gehen und niemand draußen bleiben muss.

„In unserem Anspiel muss ein großes Schild sein. Herzlich willkommen – muss draufstehen.“ Die Begeisterung ist regelrecht auf alle übergeschwappt und sie haben die Szene recht schnell aufgeschrieben. Aber da ertönte die Stimme des Jugendlichen, der sich die ganze Zeit rausgehalten hatte. „Was ist, wenn nicht jeder kommen will?“, hat er gefragt.

Ungläubige Augen haben ihn angeschaut. „Wie jetzt?“, ist die Rückfrage gekommen, „warum soll denn jemand nicht kommen wollen?“ „Naja, es gibt einfach Menschen, die sich nicht trauen, durch die Tür zu gehen und deswegen einfach wegbleiben. Menschen, die schüchtern sind oder die schon mal schlechte Erfahrungen gemacht haben. Da fallen mir einige Gründe ein.“

Stille war im Raum. „Da muss einfach ab und zu jemand mal rausgehen und gucken. Und wenn da jemand steht, so ganz alleine, dann muss der angesprochen werden. Wir können doch miteinander reden.“ Die Vorbereitungen sind weitergegangen. „Und wenn der dann immer noch nicht kommen will?“ „Na, dann weiß er wenigstens, dass er willkommen war. Und beim nächsten Mal klappt es dann.“

"Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. – spricht Jesus Christus.“ (Johannes 6,37)

Das gefällt mir. Willkommen zu sein, mit allem was mein Leben ausmacht: mit meinen Fehlern, die mir passiert sind und mit meinen Macken, mit meinen Talenten und meinen guten Taten. All das macht mich aus. Das gehört zu mir. Und so bin ich willkommen. Und wer weiß, was diese Einladung mit mir macht?

Die Jugendlichen haben ihr kleines Theaterstück fertig geschrieben und alle, die darin vorkommen, sind dabei der Einladung gefolgt. Denn vielleicht will am Anfang nicht jeder kommen, aber am Ende fühlt sich doch jeder eingeladen. Und vielleicht gilt das nicht nur für dieses Theaterstück.

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SWR4 Abendgedanken

03OKT2022
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Jetzt geht er schon wieder zu Ende, der Tag der deutschen Einheit.
Als ich ein Kind war, war in meinem Schulatlas noch zwei mal Deutschland eingetragen: BRD und DDR – beide getrennt durch eine Mauer.

Nun ist diese Grenze zum Glück gefallen und ich habe mir auch schon längst einen neuen Atlas gekauft. Aber in den Köpfen der Leute – da steht die Grenze manchmal noch. Viel zu oft teilen wir die Menschen noch nach ihrer Herkunft ein in Ostdeutsche und in Westdeutsche. Das ist schade, weil mit dieser Einteilung auch Vorurteile und Klischees verhaftet sind. Das ist wiederum sehr trennend.

Natürlich sind wir nicht alle gleich, im Osten, Westen, Süden oder Norden. Wir haben unterschiedliche Dialekte, unterschiedliche Traditionen, unterschiedliche kulinarische Spezialitäten. Aber das muss uns doch nicht trennen. Es ist toll, dass wir das alles im Laufe der letzten Jahre kennengelernt haben und weiterhin kennenlernen dürfen.

Einheit bedeutet, dass wir gemeinsam das Leben gestalten. Nach guten demokratischen und fürsorglichen Werten, dass wir füreinander einstehen und uns auf dieser Basis in aller Unterschiedlichkeit akzeptieren. Es gibt Werte, die uns einen und die wir – meiner Meinung nach – achten und leben sollen: Demokratie. Nächstenliebe. Fürsorge.

„Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die sein Geist euch geschenkt hat. Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält.“ (Epheser 4,3)

So steht es schon im Epheserbrief in der Bibel. Und die Einheit, die uns Gott geschenkt hat, funktioniert, wenn wir Frieden bewahren. Nicht auf einander losgehen, wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt. Sondern auf das schauen, was uns eint: Und gemeinsam Wege zu suchen, damit es möglichst gerecht zugeht in unserem Land, und alle frei leben können – so verschieden sie auch sind. Wir leben hier in Frieden. Und das schon so viele Jahre. So viele Menschen sind wieder zusammengekommen, so viele Familien wieder vereint. Daran will ich mich heute erinnern. An den Frieden in unserem Land, an die Grenze, die verschwunden ist.

Meinen alten Schulatlas habe ich noch immer. Er erinnert mich daran, dass aus zwei Ländern eines werden kann und das in diesem Land Menschen Lebensgeschichten friedlich zusammenleben. Nicht nur am Tag der deutschen Einheit. Sondern hoffentlich immer.

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